Sharon Salzberg

Wahre Liebe

Der buddhistische Weg, mit sich selbst und anderen glücklich zu leben

Aus dem Amerikanischen von Gerd Bausch

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Sharon Salzberg

Sharon Salzberg ist eine der berühmtesten Buddhistinnen im Westen, die seit über 40 Jahren Liebes-Meditation unterrichtet. Zusammen mit Jack Kornfield und Joseph Goldstein gründete sie 1976 die Insight Meditation Society (IMS) in Barre, Massachusetts, deren Ziel es ist, die Praxis der Meditation vielen Menschen zugänglich zu machen. Als gefragte Rednerin hält sie weltweit Vorträge, teilt ihr Wissen auf Konferenzen und beteiligt sich am interreligiösen Dialog. Sie lebt in Barre und in New York City.

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Real Love« bei Flatiron Books, New York.

 

© 2017 der eBook-Ausgabe Knaur eBook

© 2017 by Sharon Salzberg

© 2017 der deutschsprachigen Ausgabe O. W. Barth Verlag

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit

Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Susanne Klein

Covergestaltung: atelier-sanna.com, München

Coverabbildung: Thinkstock / Hemera Technologies

ISBN 978-3-426-43705-6

Hinweise des Verlags

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Endnoten

Linda Carroll in einem Interview mit der Autorin, Juli 2015.

James Baldwin: They Can’t Turn Back, The Price of the Ticket. Collected Nonfiction. St. Martin’s Press, New York 1985.

Sonja Lyubomirsky: Glücklich sein – Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Campus, München 2008.

Maya Angelou: Letter to My Daughter. Random House, New York 2008.

Kristin Neff: The Chemicals of Care: How Self-Compassion Manifests in Our Bodies, http://self-compassion.org/the-chemicals-of-care-how-self-compassion-manifests-in-our-bodies (Stand: März 2017).

Die Insight Meditation Society in Barre, Massachusetts, die Sharon Salzberg mitgegründet hat, ist heute eines der bekanntesten Meditationszentren der Vipassana-Tradition in den USA.

Das College in den USA entspricht dem Grundstudium europäischer Hochschulen.

Mark Wolynn: Dieser Schmerz ist nicht meiner – Wie wir uns mit dem seelischen Erbe unserer Familie aussöhnen. Kösel, München 2017.

L.H. Lumey u.a.: Prenatal Famine and Adult Health, in: Annual Review of Public Health Nr. 32, 2011.

Gunnar Kaati, Lars Olov Bygren, Marcus Pembrey und Michael Sjöström: Transgenerational response to nutrition, early life circumstances and longevity, in: European Journal of Human Genetics, 2007, No. 15, S. 784790. Die Studie fand heraus, dass Kinder und Enkel von Menschen, die in der langsamen Wachstumsphase vor der Pubertät eine Hungersnot erlebten, z.B. weniger zu Diabetes neigen.

Rachel Yehuda u.a.: Holocaust Exposure Induced Intergenerational Effects on FKBP5 Methylation, in: Biological Psychiatry, 1. September 2016, Volume 80, Issue 5, S. 372380.

Nancy Napier im Interview mit der Autorin, November 2016.

Daten aus dem Jahr 2004 der i-SAFE Foundation survey, https://www.isafe.org/outreach/media/media_cyber_bullying (Stand: März 2017). In Deutschland lag das Durchschnittsalter im Jahr 2014 sogar bei 9,3 Jahren.

Frank Bruni: Our Weddings, Our Worth, in: New York Times, 26. Juni 2015.

Paul Raushenbush: Debating My Gay Marriage? Don’t Do Me Any Favors, in: Huffington Post, 20. Oktober 2014, www.huffingtonpost.com/paul-raushenbush/dont-do-me-any-favors_b_6014926.html (Stand: März 2017).

Die Position in der Endentspannung wird im Yoga Shavasana oder »Totenstellung« genannt.

Daphne Zuniga im Interview mit der Autorin, August 2015.

Jordi Quodbach u.a.: Emodiversity and the Emotional Ecosystem, in: Journal of Experimental Psychology 143, Nr. 6, 2014.

Barbara Graham in einem Interview mit der Autorin, März 2016.

George Mumford: The Mindful Athlete – Secrets to Pure Performance. Parallax Press, Berkeley 2015.

Mark Coleman im Interview mit der Autorin, Oktober 2016.

Es stammt wahrscheinlich vom protogermanischen Wort skem oder kem ab, das »bedecken« bedeutet (Douglas Harper: Online Etymology Dictionary).

Tinder nutzt die Facebook-Seiten der Mitglieder, um je nach deren Interessen Bekanntschaften vorzuschlagen, und da sind sexuelle Interessen nicht ausgeschlossen.

Eine opferlose Straftat ist ein »Vergehen«, das niemandem schadet, aber beispielsweise gegen die Moralvorstellungen eines Landes verstößt.

Barbara Fredrickson: Die Macht der Gefühle – Ein neuer Blick auf das größte Gefühl. Campus, Frankfurt a.M. 2014.

Linda Carroll im Interview mit der Autorin, Juli 2015.

Zadie Smith: Zähne zeigen. Droemer, München 2000.

Atul Gawande: Hellhole, in: New Yorker, 30. März 2009, http://www.newyorker.com/magazine/2009/03/30/hellhole (Stand: März 2017).

Zur Bindungstheorie siehe: John Bowlby: Mütterliche Zuwendung und geistige Gesundheit. Ernst Reinhardt Verlag, München 1973, S. 58.

Barbara Fredrickson: Remaking Love, TedX, 10. Januar 2014.

Barbara Fredrickson: Die Macht der Gefühle – Ein neuer Blick auf das größte Gefühl. Campus, Frankfurt a.M. 2014.

James Hollis: The Eden Project – In Search of the Magical Other. Inner City Books, Toronto 1998.

James Baldwin: Hundert Jahre Freiheit ohne Gleichberechtigung oder The Fire Next Time. Rowolt, Reinbek 1964.

Erich Fromm: Die Kunst des Liebens. Ullstein Verlag, Frankfurt a.M. 1956, S. 55.

Virginia Satir u.a.: Das Satir-Modell. Junfermann, Paderborn 1995.

Zitiert im Artikel von Emily Esfahani Smith »Masters of Love« in: The Atlantic, 12. Juni 2014.

Artikel in der Huffington Post, 15. November 2011. Von den beiden ist auf Deutsch das Buch erschienen: Liebe macht stark – Von der Abhängigkeit zur engagierten Partnerschaft. Mosaik, München 2004.

John und Julie Gottman: And Baby Makes Three: The Six-Step Plan for Preserving Marital Intimacy and Rekindling Romance After Baby Arrives. Harmony, New York 2007.

Mark Wolynn: Dieser Schmerz ist nicht meiner – Wie wir uns mit dem seelischen Erbe unserer Familie aussöhnen. Kösel, München 2017.

B. Janet Hibbs: Try to See It My Way: Being Fair in Love and Marriage. Avery, New York 2009.

Unter Sandwich-Generation versteht man die Altersgruppe, die sich noch um ihre Kinder und schon um ihre Eltern kümmern muss.

Deborah Luepnitz: Schopenhauers Stachelschweine – Psychotherapiegeschichten über die Nähe und ihre Tücken. Psychosozial-Verlag, Gießen 2007.

Thomas Merton: Keiner ist eine Insel – Betrachtungen über die Liebe. Patmos, Ostfildern 2015.

Alice Walker: Good Night Willie Lee, I’ll See You in the Morning. Doubleday, New York 1979.

James Hollis: The Eden Project – In Search of the Magical Other. Inner City Books, Toronto 1998.

Christine Carter: Raising Happiness, in: Greater Good, 29. April 2014, http://greatergood.berkeley.edu/raising_happiness/ (Stand März 2017).

Im Original rocket scientist, eine liebevolle Bezeichnung für einen Menschen, den man genial findet.

George Taylor: A Path for Couples – Ten Practices for Love and Joy. Smuggling Donkeys Press, Fairfax 2016.

Shelly L. Gable, Gian C. Gonzaga, Amy Strachman: Will You Be There for Me When Things Go Right? Supportive Responses to Positive Event Disclosures, in: Journal of Personality and Social Psychology 2006, Vol. 91, Nr. 5, 904917.

Aus Naomi Shihab Nye: Honeybee – Poems and Short Prose. HarperCollins Publishers, New York 2008.

Helen Whitney: Forgiveness – A Time to Love and a Time to Hate. (DVD) PBS 2011.

Frederick Buechner: Telling the Truth – The Gospel as Comedy, Tragedy, and Fairy Tale. Harper & Row, New York 1977.

Rainer Maria Rilke im Brief an Franz Xaver Kappus, Borgeby gård, Flädie, Schweden, am 12. August 1904.

Jason Garner in einem Interview mit der Autorin, Juli 2016.

Jacqueline Novogratz: The Blue Sweater – Bridging the Gap Between Rich and Poor in an Interconnected World, Rodale, Emmaus, PA, 2010.

Feeling Others’ Pain: Transforming Empathy into Compassion, Interview mit Tania Singer in: Cognitive Neurological Society, 24. Juni 2013, www.cogneurosociety.org/empathy_pain/ (Stand: März 2017).

Julianne Holt-Lunstad u.a.: Social Relationships and Mortality Risk: A Meta-Analytic Review, in: PLoS Medicine 7, 2010.

Der deutsche Ausdruck Mitgefühl ist missverständlich. In der buddhistischen Terminologie bezeichnet er (im Gegensatz zu Mitleid), für das Leid der anderen da zu sein, ohne sich von dem entsprechenden Leiden überwältigen zu lassen.

Kevin Berrill im Interview mit der Autorin, September 2015.

Daniel Goleman: Rich People Just Care Less, in: New York Times, 5. Oktober 2013.

Sonja Lyubomirsky: Glücklich sein – Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Campus, München 2008.

Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz. Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 1956.

Rhonda Magee: How Mindfulness Can Defeat Racial Bias, in: Greater Good, 14. Mai, 2015, http://greatergood.berkeley.edu/article/item/how_mindfulness_can_defeat_racial_bias (Stand: März 2017).

Karin Evans: Fear Less, Love More, in: Mindful, 7. Januar 2016, www.mindful.org/fear-less-love-more (Stand: März 2017).

Thomas Pettigrew und Linda Tropp: A Meta-Analytic Test of Intergroup Contact Theory, in: Journal of Personality and Social Psychology 90, 2006.

Andrew Todd u.a.: Does Seeing Faces of Young Black Boys Facilitate the Identification of Threatening Stimuli?, in: Psychological Science Nr. 27, 2016.

Zitiert in Karin Evans: Fear Less, Love More, in: Mindful, 7. Januar 2016, www.mindful.org/fear-less-love-more (Stand: März 2017).

Ebenda.

Der Eintrag findet sich auf Facebook: www.facebook.com/amanalistatus/posts/10103715731256804?notif_t=like (Stand: März 2017).

Thich Nhat Hanh: Einfach Lieben. O.W. Barth, München 2016.

Heute bekannt als Highlander Research and Education Center.

Eine wichtige Aktivistin im Kampf gegen die Diskriminierung von Afroamerikanern.

Interview von Jon Stewart mit Malala Yousfazai, in: The Daily Show, 8. Oktober 2013, www.cc.com/video-clips/a335nz/the-daily-show-with-jon-stewart-malala-yousafzai (Stand: März 2017).

www.TheForgivenessProject.com.

Robi Damelin: Palestinian and Israeli Bereaved Mothers Feel the Same Pain, in: Haaretz, 24. Februar 2016, www.haaretz.com/opinion/.premium-1.703226 (Stand: März 2017).

Zitiert in Sharon Salzberg: Three Simple Ways to Pay Attention, in: Mindful, 4. März 2016, www.mindful.org/meditation-start-here/ (Stand: März 2017).

Barbara Fredrickson: Die Macht der Gefühle – Ein neuer Blick auf das größte Gefühl. Campus, Frankfurt a.M. 2014.

Robert Putnam: Bowling Alone – The Collapse and Revival of American Community. Touchstone Books, New York 2001.

Miller McPherson u.a.: Social Isolation in America: Changes in Core Discussion Networks over Two Decades, in: American Sociological Review 71, Nr. 3, 2006.

Diese Form der stufenweisen Lösung von Suchtverhalten wurde von den Anonymen Alkoholikern entwickelt, wird inzwischen aber auch in anderen Bereichen angewandt.

Turn Left steht in den USA auf der Linksabbiegerspur.

Rebecca Solnit: A Paradise Built in Hell – The Extraordinary Communities That Arise in Disaster. Penguin, New York 2010.

Alix Kates Schulman: Drinking the Rain – A Memoir. Farrar, Straus and Giroux, New York 1995.

Samyutta Nikaya, 11:21: Die Vernichtung des Zornes.

Sharon Salzberg und Robert Thurman: Umarme deinen Feind – Buddhistische Techniken zur Befreiung von inneren und äußeren Widersachern. Lotos Verlag, München 2014, S. 40.

Mallika Dutt im Interview mit der Autorin, April 2016.

Zitiert nach Mark Engler: Ai-jen Poo: Organizing Labor – With Love, in: Yes! Magazine, 9. November 2011. www.yesmagazine.org/issues/the-yes-breakthrough-15/ai-jen-poo-organizing-labor-with-love (Stand: März 2017).

Zitiert nach: An Incredible Container for Transformation: An Interview with Labor Organizer and Feminist Ai-jen Poo, in: Believer, 9. Mai 2014, https://logger.believermag.com/post/2014/05/09/an-incredible-container-for-transformation?rq=container%20for%20transformation (Stand: März 2017).

Zitiert nach: Bryce Covert: How the Rise of Women in Labor Could Save the Movement, in: The Nation, 10. Januar 2014, www.thenation.com/article/how-rise-women-labor-could-save-movement (Stand: März 2017).

9to5.org, eine US-Frauenorganisation, die sich für gerechte Bezahlung und Gleichberechtigung der Frauen einsetzt.

In den USA gibt es verschiedene Gewerkschaften, die bisweilen die Interessen ihrer eigenen Mitglieder gegen die einer anderen ausspielen.

Zitiert nach: Laura Flanders: Can ›Caring Across Generations‹ Change the World?, in: The Nation, 11. April 2012, www.thenation.com/article/can-caring-across-generations-change-world (Stand: März 2017).

Atman Smith im Interview mit der Autorin, April 2016.

Andy Gonzalez im Interview mit der Autorin, April 2016.

Ali Smith im Interview mit der Autorin, April 2016.

Paul Piff, Dacher Keltner u.a.: Awe, the Small Self, and Prosocial Behavior, in: Journal of Personality and Social Psychology 2015, Vol. 108, Nr. 6.

Zitiert nach: Sean O’Neal: Interview with Rashida Jones, in: A.V. Club, 8. April 2009, www.avclub.com/article/rashida-jones- 26240 (Stand: März 2017).

Humans of Bombay ist ein Projekt von Karishma Mehta, der die unbekannten Geschichten einiger Bewohner von Bombay erzählt, die er auch im gleichnamigen Buch veröffentlichte. Chandrans Facebook-Post vom 18. Januar 2016 findet sich auf: http://ow.ly/hjoe307axmx (Stand: März 2017).

Noshul Khen Rinpoche (19321999) war ein hochverwirklichter Meister der Nyingmapa-Tradition des tibetischen Buddhismus.

Für meine Lehrerin Nani Bala Barua (Dipa Ma), die große Verluste hinnehmen musste und schließlich die Kraft der grenzenlosen Liebe entdeckte.

Die in diesem Buch gegebenen Empfehlungen wurden von Verfasser und Verlag mit größter Sorgfalt erarbeitet und geprüft. Sie sind allgemeiner Natur und können eine professionelle medizinische oder psychologische Behandlung nicht ersetzen. Eine Garantie und Haftung kann nicht übernommen werden. Leser mit gesundheitlichen Problemen sollten einen Arzt zu Rate ziehen, um abzuklären, ob die hier dargestellten Meditationen für sie in Frage kommen.

Einleitung: Suche nach Liebe

Wir brauchen uns nicht auf die Suche nach Liebe zu machen, sondern sollten eher in Ruhe der Liebe erlauben, uns zu entdecken.

– John O’Donohue

Unser Bild von der Liebe ist aus verschiedenen Stoffen gewebt, aus all den vielen Dingen, die wir von Kindesbeinen an über sie gehört haben. Wir erwarten, dass sie uns viel Aufregendes, Glück, Zuneigung, Feuer, Anmut, Zärtlichkeit, Annehmlichkeiten, Sicherheit und noch vieles mehr schenken wird – und am besten alles zugleich.

Auch die Popkultur hat in vielerlei Hinsicht unsere Vorstellungen verzerrt, da sie die Liebe gleichsetzt mit erotischen Abenteuern oder romantischen Affären, die wie ein Donnerschlag oder sanft wie der Mondschein daherkommen. Aufgrund dieser Idealisierung der Liebe sagen und tun wir Dinge, die wir eigentlich nicht meinen oder wollen. Wir halten verzweifelt an Beziehungen fest, obwohl sie notgedrungen im Wandel begriffen sind, uns in Frage stellen oder uns schlicht entgleiten. In vielen Buchhandlungen findet sich eine Abteilung mit Literatur über Liebe, wo allerdings hauptsächlich Bücher angeboten werden, in denen es um romantische Beziehungen geht. Sie beschreiben, wie man zu einer Beziehung kommt, wie man sie aufrechterhält und wie man sie heilt. Ein Verleger drückte dies mir gegenüber folgendermaßen aus: »Der Markt an Büchern über Liebe ist gesättigt.«

Vielleicht glauben wir, wir bekämen so viel Liebe, wie wir verdienen, und das sei nicht besonders viel. Wir sagen uns möglicherweise: »Ich habe einfach kein Glück in der Liebe«, oder: »Ich bin einfach zu sehr verletzt worden, um liebesfähig zu sein!«. Unter Umständen sind wir auch so zynisch (was manchmal eine Maske ist, hinter der wir unser gebrochenes Herz oder unsere Einsamkeit zu verstecken suchen), dass wir überzeugt sind, Liebe sei eine armselige Täuschung. Einige von uns meinen, innerlich mit dem Thema Liebe abgeschlossen zu haben, da sie ihrer Ansicht nach weit mehr kostet, als sie je geben kann. In solchen Momenten, in denen unser Herz verletzt ist und wir Liebe eigentlich am meisten brauchen, erscheint es uns manchmal als die beste Verteidigung, unser Herz zu verschließen.

Vielen von uns hat man erzählt, dass, liebten wir die anderen nur genügend und opferten uns selbst auf, es nicht weiter ins Gewicht fiele, wenn wir uns selbst keine Liebe entgegenbrächten. Wir könnten durchaus weiterhin darauf verzichten. Oder wenn wir eine Freundin, einen Freund oder ein Kind nur tief genug liebten, die Liebe selbst alle Wunden heile, weswegen wir keine leidvollen Rückfälle und Enttäuschungen mehr erleben würden. Wenn wir leiden, käme es daher, dass wir bei der Liebe etwas falsch machten. Vielleicht hat man uns auch suggeriert, dass es in dieser Welt einfach nur Liebe bräuchte und es nicht nötig sei, Missstände zu bekämpfen oder Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten zu benennen.

Doch abgesehen von all dem möchten wir als Menschen natürlich ein Leben führen, in dem wir dazugehören, mit anderen verbunden sind und uns in dieser Welt zu Hause fühlen. Wir sehnen uns nach Wärme und nach einem erfüllteren Leben, in dem sich uns genügend Gelegenheiten bieten. Liebe scheint uns all dies zu ermöglichen. Intuitiv spüren wir, dass es da so etwas wie eine Qualität der wahren Liebe geben muss, die jenseits der engen Gassen liegt, in denen man uns auftrug, unser Leben zu führen – eine Möglichkeit, die nicht allein ein Ideal oder einfach nur abstrakt ist. Wir spüren, dass wir uns noch weit tiefer mit uns selbst und anderen verbinden können.

Während eines Meditationsretreats in Myanmar (das damals noch Burma hieß) kam es zu einem entscheidenden Wendepunkte in meinem Leben. Ich praktizierte intensive Liebende-Güte-Meditation und schenkte mir selbst und anderen den ganzen Tag über Wünsche des Wohlergehens wie: »Möge ich glücklich sein!«, oder: »Möget ihr alle glücklich sein!«. Im Verlauf der Praxis kam ich zu eben dieser Schwelle: Auf der einen Seite war meine bisherige Vorstellung, dass ich hinsichtlich jeglicher Gefühle der Liebe in meinem Leben gänzlich von anderen abhängig sei. Ich stellte mir Liebe quasi wie ein Paket vor, das in den Händen eines sehr mächtigen Postboten lag; sollte diese Person es sich an meiner Türschwelle anders überlegen und kehrtmachen, wäre ich ihrer beraubt – hoffnungslos unvollständig und ohne die Liebe, nach der ich mich so sehnte. Auf der anderen Seite tat sich ein Bild dessen auf, wer ich eigentlich bin – ein Mensch, der fähig ist zu lieben, ganz unabhängig davon, ob jemand bei mir ist und was gerade vor sich geht, jemand, die selbst Zugang zu der Liebe finden kann, die ein anderer Mensch dann vielleicht noch verstärken oder herausfordern kann. Doch in diesem Bild gab es niemanden, der mir diese Fähigkeit geben oder nehmen konnte. Ich tat den Schritt und ging auf die andere Seite.

Mir wurde klar, dass ich mich als Mensch nicht entwickeln kann, solange ich mich als passive Empfängerin der Liebe verstehe. (Mit dieser Einstellung ist man zum Abwarten verdammt. Alles, was man dann noch tun kann, wenn die Dinge nicht so laufen, wie man es sich gewünscht hat, ist, den Schaden zu begrenzen. Das führt darüber hinaus zu großer innerer Starre). Aber mir war klar, dass ich aufblühen würde, wenn ich mich selbst als Verkörperung der Liebe sehen könnte.

Ich schrieb dieses Buch mit dem Wunsch, Wege aufzuzeigen, mit denen wir wahre Liebe erkunden können – die Fähigkeit, die wir alle in uns tragen, um an jedem Tag aufs Neue Liebe zu leben. Wahre Liebe ist meiner Überzeugung nach die grundlegendste all unserer angeborenen Fähigkeiten. Ganz gleich, was wir bereits durchgestanden haben mögen oder was wir vielleicht noch erleben werden, nichts kann sie zerstören. Möglicherweise ist sie verdeckt, unserem Blick verborgen und schwer zu finden. Vielleicht fällt es uns auch nicht leicht, darauf zu vertrauen, dass sie wirklich in uns liegt. Aber nichtsdestotrotz ist sie da, zaghaft pulsierend, wie der Herzschlag. Sie schwingt in den Worten, mit denen wir jemanden begrüßen; sie ist anwesend, wenn wir abwägen, wie wir am besten die Arbeit von jemandem kritisieren, ohne ihn zu verletzen; sie ist gegenwärtig, wenn wir den Mut aufbringen, zu uns zu stehen, oder wenn uns klar wird, dass wir eine Beziehung aufgeben müssen – wahre Liebe strebt danach, authentisches Leben zu finden, dieses zu entwickeln und zur Blüte zu bringen.

Ich glaube, dass es nur eine Liebe gibt – die wahre Liebe. Sie drängt danach, in uns lebendig zu werden – trotz der begrenzenden Vorstellungen, die wir uns von ihr machen, trotz der Verzerrungen seitens unserer Kultur, trotz unserer angstbesetzten Gewohnheitsmuster, der Selbstverurteilung und der Vereinsamung, in die wir uns im Lauf unseres Lebens manövriert haben. Wir alle sind fähig, wahre Liebe zu erleben. Mit weit offenem Blick können wir selbst in kurzen Momenten, in denen wir mit anderen Menschen in Kontakt treten, Liebe entdecken: in der Begegnung mit einem Angestellten im Supermarkt, mit einem Kind oder einem Haustier, bei einem Spaziergang im Wald, überall und mit jeder und jedem. Und wir können sie in uns selbst finden.

Wahre Liebe geht mit der kraftvollen Erkenntnis einher, dass wir ganz lebendig und vollständig sind, und dies trotz aller Verletztheit, der Ängste oder der Einsamkeit, die wir in uns tragen. Sie erlaubt es uns, zuzulassen, uns selbst wahrzunehmen und auch von anderen gesehen zu werden. Gleichzeitig schenken wir der Welt um uns unsere klare Wahrnehmung von ihr. Es ist eine Liebe, die heilt.

In diesem Buch stelle ich eine ganze Reihe an Achtsamkeitstechniken und anderen Übungen vor, mit denen wir Liebende Güte und Meditation praktizieren können und die ich bereits seit über vierzig Jahren lehre. Die Praxis der Achtsamkeit erlaubt es uns, einen Abstand zu schaffen zwischen unseren eigentlichen Erfahrungen und den inneren Kommentaren, die wir uns für gewöhnlich darüber erzählen – Kommentare wie: »Das ist genau das, was ich verdiene.« Wenn solche Urteile auf Angst und dem Gefühl, von der Welt um uns, dem gegenwärtigen Augenblick und unseren Emotionen abgeschnitten zu sein, basieren, hilft uns die Praxis der Liebenden Güte, diese Muster der vorprogrammierten Selbsteinschätzungen aufzugeben. So schaffen wir unser eigenes und völlig neues Bild von Liebe.

Ich werde Meditationen, Reflexionen und interaktive Übungen vorstellen, die so konzipiert sind, dass sie allen zugänglich sind. Sie zeigen einen Weg des Erkundens, der spannend, kreativ und sogar verspielt sein kann. Ich greife dabei sowohl auf meine eigenen Erfahrungen als auch auf die meiner Meditationsschülerinnen und -schüler zurück, von denen einige so großzügig waren, mit der Schilderung ihrer eigenen Erfahrungen zum Buch beizutragen. Insbesondere die Meditationen sind dazu gedacht, mehr als nur einmal ausprobiert zu werden, denn mit ihrer Hilfe können wir eine stabile Grundlage für Achtsamkeit und Liebende Güte in unserem Leben entwickeln.

Unsere Entdeckungsreise beginnt mit der Person, bei der wir oft vergessen, dass ihr wahre Liebe fehlt: uns selbst. Allmählich schließen wir andere in diese Erkundung mit ein: unsere Geliebten, Eltern, Partner, Kinder, unsere besten Freunde und Arbeitskollegen; schließlich kommen wir auch zu den Themen Scheidung, Sterben und Vergebung – all den Herausforderungen, mit denen wir in unserem täglichen Leben zu tun haben. Anschließend entdecken wir, dass wir in der tiefen Verbindung mit allen Lebewesen verweilen können, sogar mit jenen, von denen wir uns normalerweise stark abgrenzen oder deren Erfolg wir zu behindern suchen. Auch wenn wir sie vielleicht nicht alle mögen, können wir ihnen dennoch wünschen, frei zu sein (und uns selbst wünschen, nicht mehr unter ihren Handlungen zu leiden). Diese sehr umfassende Erfahrung von gegenseitigem Verbundensein – innen und außen – begleitet uns auf dem Weg dahin, das Leben selbst zu lieben.

Ich habe dieses Buch für all jene geschrieben, die die Sehnsucht in sich tragen, glücklicher zu werden, und die mutig genug sind, sich vorzustellen, dass sie in Hinsicht auf Liebe noch zu weit mehr in der Lage sind, als sie bislang dachten. Und ich schreibe es für diejenigen, die, so wie ich früher, manchmal darunter leiden, sich nicht geliebt zu fühlen und nicht zu wissen, wie sie ihr Schicksal ändern sollen. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesem Buch helfen kann, wahre Liebe zu kultivieren, diesen wunderbaren Raum der Fürsorge, der uns dazu einlädt, mit der Ganzheit des Lebens in Einklang zu kommen.

Teil 1