Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Mai 2020
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ISBN 978-3-644-00328-6
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Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.
ISBN 978-3-644-00328-6
Vgl. dazu vor allem: Gennep, Arnold van, Übergangsriten, Frankfurt am Main 2005.
Turner, Victor, Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels, Frankfurt am Main 1995.
Turner, Victor, Das Ritual: Struktur und Anti-Struktur. Frankfurt am Main 2005.
Zum Thema Schwellenüberschreitung mit einem besonderen Blick auf Gottesdienst und Kirchraum vgl. vor allem: Josuttis, Manfred, Der Weg in das Leben. Eine Einführung in den Gottesdienst auf verhaltenswissenschaftlicher Grundlage, München 1991.
Vgl. PONS Globalwörterbuch, Lateinisch–Deutsch, 2. neubearbeitete Auflage, Stuttgart 1986, Nachdruck 1991.
Der Ausdruck kommt übrigens tatsächlich aus der Kirche: Als die katholischen Messen noch ausschließlich auf Lateinisch gehalten wurden und die Menschen das nicht verstehen konnten, hörten sie bei den Worten zur Einsetzung des Abendmahls, die eigentlich ‹hoc est corpus›, also ‹Das ist mein Leib›, heißen, ‹Hokuspokus› und dachten, dass sich mit diesen Worten das Brot in Fleisch verwandelt.
In meinen Ausführungen richte ich mich primär nach: «Kirche im Umbruch – Zwischen demografischem Wandel und nachlassender Kirchenverbundenheit Eine langfristige Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens der Universität Freiburg in Verbindung mit der EKD». Vgl.: https://www.ekd.de/kirche-im-umbruch-projektion-2060-45516.htm
Vgl.: Kirche im Umbruch – Zwischen demografischem Wandel und nachlassender Kirchenverbundenheit Eine langfristige Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens der Universität Freiburg in Verbindung mit der EKD, S. 10.
https://www.tagesschau.de/inland/kirchenaustritte-113.html
Thunberg, Greta, Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos, 25.1.2019.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/inf-vertrag-ausgelaufen-europas-atomwaffen-gespenst-ist-zurueck-a-1280063.html
http://www.fg-kassel.de/fg-forum-mit-julian-sengelmann/
Ebd.
Ich beziehe mich hier auf die Studien von Prof. Dr. Christoph Markschies in seinem Vortrag «Ecclesia semper reformanda – was heißt das eigentlich (für den Kirchenentwicklungsprozess der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern)?» Vgl.: https://landessynode.bayern-evangelisch.de/downloads/Markschies_Ecclesia_semper_reformanda.pdf
Dokument VE J1/75 in: Gruner, Wolf (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (Quellensammlung). Band 1: Deutsches Reich 1933–1937, München 2008, S. 239–241.
Vgl. Scholder, Klaus, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen. 1918–1934, 1977; 2000; Bd. 2: Das Jahr der Ernüchterung 1934. Barmen und Rom, 1985; 2000.
Vgl. Heimbucher, Martin/Weth, Rudolf, Die Beschlussfassung zur Theologischen Erklärung von Barmen. In: Heimbucher, Martin / Weth, Rudolf (Hrsg.), Die Barmer Theologische Erklärung, Neukirchen-Vluyn 2009, S. 30–36.
Karl Barth, Die Botschaft von der freien Gnade Gottes (Theologische Studien 23), Zollikon/Zürich 1947, S. 10.
Ebd.
Vgl. hierzu vor allem Tietz, Christiane, Karl Barth. Ein Leben im Widerspruch, 2., durchgesehene Auflage, München 2019.
Vgl. auch: Huizing, Klaas, Zu dritt. Karl Barth, Nelly Barth, Charlotte von Kirschbaum, Tübingen 2018.
Vgl. hierzu auch: https://www.abendblatt.de/region/schleswig-holstein/article227155263/Segnung-homosexuellerPaare-heisst-bei-Nordkirche-Trauung.html
Und ja: Da muss ich meine Nordkirche auch mal loben!
Barth, Karl, Der Römerbrief 1922 (Zweite Fassung). In: Barth, Karl, Gesamtausgabe. Band 47, Zürich 2010, S. 294.
Küng, Hans, Rechtfertigung. Die Lehre Karl Barths und eine katholische Besinnung, Einsiedeln 1957.
Vgl. Lumen gentium: Dogmatische Konstitution über die Kirche von 1964: http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19641121_lumen-gentium_ge.html
Vgl. 1 Kor 12,12–31.
Martin, Kilian, Die eine, vielfältige Kirche, auf: https://www.katholisch.de/artikel/7245-die-eine-vielfaeltige-kirche, Bonn 2015.
«Vergib mir, Vater, denn ich habe gesündigt.»
Gatterer, Michael (Hsgr.), Das Religionsbuch der Kirche, Catechismus Romanus. Zwei Bände – V Bändchen, Ergänzungen, Innsbruck/Leipzig 1938 [2. Auflage], S. 23–36.
Mt 16,18–19.
Da ging es um das Dogma von der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter Maria in den Himmel unter Papst Pius XII.
Dazu empfehle ich einen sehr guten Artikel von Rahner, Johanna, War es wirklich eine Revolution? In: Die ZEIT vom 11.10.2012. Auf: https://www.zeit.de/2012/42/Zweites-Vatikanisches-Konzil-Pro-Contra
Ratzinger, Joseph, Theologische Prinzipienlehre. Bausteine einer Fundamentaltheologie, München 1982, S. 398.
Vgl. dazu «Lumen gentium», die Dogmatische Konstitution über die Kirche vom Zweiten Vatikanischen Konzil.
Und nein: Ich habe dazu keine wissenschaftlich korrekte Feldforschung betrieben. Ich habe meine Ergebnisse nicht aufgezeichnet, transkribiert, geclustert und ausgewertet. Ich habe sogar mit den Menschen getrunken, denn es sind ja Gespräche auf Partys. Also, all meine Wissenschaftsfreunde: Das hier ist keine wissenschaftliche Arbeit.
Niven, John, Gott bewahre, München 2012.
Ebd., S. 33ff.
An dieser Stelle geht es nicht um die unterschiedlichen Definitionen und systematischen Zuschreibungen von Religionen. Es geht mir auch nicht um eine Geschichte des substanzialistischen, funktionalistischen oder kulturwissenschaftlichen Ansatzes eines Religionsbegriffs. Das wäre ein anderes Buch.
Mit dieser Frage beschäftigen sich übrigens Religionswissenschaftler*innen – nur falls Sie mal wissen wollten, wen man dazu befragen kann.
Angel, Hans-Ferdinand, Was ist Religiosität, in: https://www.theo-web.de/zeitschrift/ausgabe-2002-01/angel02-1–2.pdf
Vgl. Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Berlin 1854, Digitale Ausgabe: Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2004.
Vom lateinischen Wort ‹confessio›, was Geständnis, Bekenntnis, Glaubensbekenntnis, Beichte heißt. Vgl. PONS Globalwörterbuch, Lateinisch–Deutsch, 2. neubearbeitete Auflage, Stuttgart 1986, Nachdruck 1991.
Vom Griechischen ‹ἐκκλησία›, was so viel wie ‹die Herausgerufene, Heilsgemeinde, Volksversammlung, Versammlungsplatz› heißt. Vgl. Gemoll, Wilhelm, Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch, 9. Auflage, München/Wien 1965. In antik-jüdischen Schriften lehnt sich der Begriff an das hebräische קָהָל an, das «die auserwählte Schar der von Gott eschatologisch Gesammelten insgesamt» und andererseits «die an einem Ort gottesdienstlich vereinte Gemeindeversammlung» heißt. Vgl. dazu vor allem Wenz, Gunther, Kirche. Perspektiven reformatorischer Ekklesiologie in ökumenischer Absicht. In: Studium Systematische Theologie. Band 3, Göttingen 2005, S. 49.
‹Glaubenszeugnis› ist ein sehr indifferenter Terminus, der von den unterschiedlichen Konfessionen auch mit sehr stark variierender Gewichtung und Inhalt gefüllt wird.
Stand 2017.
Vgl. Gemoll, Wilhelm, Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch, a.a.O.
Vgl. https://www.baptisten.de/fileadmin/bgs/media/dokumente/2013-02_Offener_Brief_des_BEFG-Prasidiums_-_Zum_Umgang_mit_dem_Thema_Homosexualitat.pdf
Ebenfalls: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/leitfaden-zur-homosexualitaet-evangelische-freikirche-empfiehlt-homosexuellen-therapie/23960212.html
Solche Glaubenswahrheiten und Fragen nach der Ansicht der jeweiligen Kirche werden traditionell in ‹Katechesen› oder ‹Katechismen› verhandelt und erläutert. Für Interessierte: http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_INDEX.HTM
Und auf evangelischer Seite: https://www.evangelischer-glaube.de/grosser-katechismus/
Vgl. dazu Luther, Martin, Der große Katechismus, Kapitel 4.
Vgl. dazu Luther, Martin, Aufmunterung zur Liebe des Wortes Gottes wider das Aristotelisch-Scholastische Christenthumb, Leipzig 1700, S. 39. Vgl. auch: ders.,WA 27, S. 376: «extra Christum nulla est sanitas, nulla iustitia, nulla salus.»
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Ökumene im 21. Jahrhundert, Bedingungen, theologische Grundlegungen, Perspektiven, Hannover 2015, S. 38.
Ebd., S. 39.
Vgl. dazu vor allem und im Folgenden: Pohl-Patalong, Uta, Hauschildt, Eberhard, Kirche verstehen, Gütersloh 2016.
Vgl. Dorn, Anton Magnus, Eberts, Gerhard (Hrsg.), Redaktionshandbuch Katholische Kirche, München 1996.
Pohl-Patalong, Uta, Hauschildt, Eberhard, Kirche verstehen, Gütersloh 2016, S. 24.
Man muss an dieser Stelle immer auf das Paradoxe in dieser Entwicklung hinweisen, «… weil er (i.e. der Prozess der Individualisierung) nämlich als Kehrseite der Entwicklung zu immer größeren sozialen Einheiten verstanden werden muss. Individualisierung der Menschen und Zentralisierung der gesellschaftlichen Macht sind zwei Seiten der gleichen Medaille» (vgl. Gutmann, Hans-Martin, Der Herr der Heerscharen, die Prinzessin der Herzen und der König der Löwen, Gütersloh 2000, S. 21f.). Diese Denkbewegung, die man als ‹Figuration› zusammenfasst, geht davon aus, dass soziale Prozesse, die ‹Gesellschaft› vom Individuum her denken, ebenso wie solche, die vom Individuum absehen und vom ‹Ganzen› ausgehen, nicht in wirklichkeitsgerechten Theorien zusammengefasst werden können. Um eine realistische Beobachtung zu machen, müssen Menschen und dynamische gesellschaftliche Verflechtungen miteinander in Beziehung gebracht werden. «Die ‹Umstände›, die sich ändern, sind nichts, was gleichsam von ‹außen› an den Menschen herankommt; die ‹Umstände›, die sich ändern, sind die Beziehungen zwischen den Menschen selbst.»
Beck, Ulrich, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main 1986.
Gutmann, Hans-Martin, Der Herr der Heerscharen, die Prinzessin der Herzen und der König der Löwen, S. 24.
Beck, Ulrich, Jenseits von Klasse und Nation, in: Soziale Welten, 2008, S. 303.
Taylor, Charles, Ein säkulares Zeitalter, Frankfurt am Main 2012, S. 299.
Die deutsche Übersetzung der englischen Ausdrücke ‹expressive individualism› und ‹economical individualism› ist ‹expressiver und ökonomischer Individualismus›.
Donicht-Fluck, Brigitte, Alter und Altenbildung in den USA. Kulturelle Konzepte im Wandel, in: Becker, Susanne/Veelken, Ludger/Wallraven, Klaus (Hrsg.), Handbuch Altenbildung, Theorien und Konzepte für Gegenwart und Zukunft, Opladen 2000, 155.
Pohl-Patalong, Uta, Hauschildt, Eberhad, Kirche verstehen, S. 17f.
Ein klarer Hinweis auf formaler Ebene ist in den aktuellen Kirchenmitgliedschaftsuntersungen zu finden. Vgl. dazu bspw.: https://www.kirchenaustritt.de/statistik
Vgl. für eine detaillierte Auseinandersetzung: Grümme, Bernhard (Hrsg.), Öffentliche Religionspädagogik. Religiöse Bildung in pluralen Lebenswelten, Stuttgart 2015, S. 53.
Pohl-Patalong, Uta, Religionspädagogik – Ansätze für die Praxis, Göttingen 2013, S. 12.
Pohl-Patalong, Uta, Hauschildt, Eberhard, Kirche verstehen, S. 33.
Die Frage nach Mitgliedschaften in der EKD, die sog. KMU, ist insofern etwas differenzierter zu betrachten, da in ihr der Aspekt, wie Menschen heute Mitgliedschaft, Zugehörigkeit und Assoziation verstehen, nicht neu gedacht wird, sondern es in dieser Untersuchung immer nur ein Ja/Nein zum Thema Zugehörigkeit gibt. Dazu kommt die etwas indifferente Betrachtung, wie sich der vermeintliche Rückgang der Kirchenmitgliedschaften genau aufschlüsselt, denn interessant ist ja durchaus auch die Beobachtung, dass die Mitgliederzahlen nicht rückläufig sind, weil Menschen primär proaktiv aus der Kirche austreten, sondern weil viele Mitglieder altersbedingt versterben und wenige nachkommen. Umso mehr gilt es, Konzepte und Methoden zu finden, Menschen in ihrer Lebenskonzeption zu erreichen und ihnen Glauben (und Kirchenmitgliedschaft) näherzubringen.
Kerkeling, Hape, Ich bin dann mal weg, München 2007.
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Gezählt 2018, Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben, Hannover 2018, S. 19f.
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Katholische Kirche in Deutschland. Zahlen und Fakten 2017/18. Arbeitshilfen 306, S. 67f.
In einer Information der EKD-Seite https://www.evangelisch.de/taufbegleiter heißt es dazu:
«Die Entscheidung, ob eine Taufe trotz fehlender Kirchenmitgliedschaft beider Elternteile möglich ist, wird vor Ort in der zuständigen Kirchengemeinde getroffen. Sprechen Sie also ruhig Ihren Pfarrer oder Ihre Pfarrerin in Ihrer Ortsgemeinde an. Die Regelungen sind darüber hinaus von Landeskirche zu Landeskirche unterschiedlich.»
Diese oder eine ähnliche Formulierung findet sich in den sog. Tauffragen, die während der Taufe meistens gestellt werden.
Bitte lesen Sie unbedingt dazu das fast unverschämt kluge Buch von Wagner-Rau, Ulrike / Handke, Emilia, Provozierte Kasualpraxis, Rituale in Bewegung, Stuttgart 2019. Darin wird das gesamte Feld der Alternativangebote zu kirchlichen ‹Schwellenritualen› beleuchtet und analysiert. Und fast noch viel wichtiger: das erste Mal richtig wahrgenommen.
Das sind die sog. KMUs, die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen, die jeweils eigene Fragenschwerpunkte haben: «Wie stabil ist die Kirche?» (1972), «Was wird aus der Kirche?» (1982), «Fremde Heimat Kirche» (1992), «Kirche in der Vielfalt der Lebensbezüge» (2002) und «Vernetzte Vielfalt» (2012).
Vgl. Pohl-Patalong, Uta, Hauschildt, Eberhard, Kirche verstehen, Gütersloh 2016, S. 179f. Hier wird diese Gruppe zwischen 15 % und 28 % benannt.
Ebd., S. 180.
Ebd., S. 182.
Ebd., S. 183.
Ebd., S. 185f.
Ebd.
Vgl. bspw. hier: https://www.france24.com/en/20190418-denmark-drop-baptisms-help-boost-church-numbers
Mk 1,9–11.
So erklärt es der sehr kluge Frank Muchlynski von evangelisch.de, https://fragen.evangelisch.de/frage/8169/kind-taufen-wenn-die-eltern-ausgetreten-sind
Übrigens: Dort kann man wirklich alle Fragen stellen, die man hat, und die Menschen dort sind extrem bemüht, auch alle zu beantworten.
Dass ich hier nur einen winzigen Teil von dem rudimentären Einblick wiedergebe, den ich bekommen habe, versteht sich hoffentlich von selbst. Für einen klugen und spannenden Einblick in das Thema Zukunft von Kirchenorganisation empfehle ich das Buch von Frederic Laloux, «Reinventing Organizations visuell: Ein illustrierter Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit», das am Beispiel der katholischen Kirche neue Ideen für eine strukturelle Organisationsumgestaltung bietet.
Andreas Wackernagel arbeitet für die Institutionsberatung der Nordkirche – ja, Kirchen wissen um das Problem und beschäftigen sich intensiv damit. Das hat man vielleicht als außenstehender Mensch nicht immer so auf dem Schirm. OBI, OBAZ und das Beispiel ‹Wie im Himmel› habe ich durch ihn kennengelernt.
Schon erwähnter Niklas Luhmann, einer der entscheidendsten Denker im Feld der Soziologie, nimmt die Unterscheidung noch differenzierter vor, wenn er von ‹autopoietisch geschlossenen› oder ‹operativ geschlossenen› Systemen spricht.
Vgl. dazu bspw.: https://www.sueddeutsche.de/panorama/auswirkungen-des-skandals-um-tebartz-van-elst-kirchenaustritte-drastisch-gestiegen-1.1812459
Seibel, Karsten, Bloß kein Porno! Wo die Kirche ihr Geld anlegt, auf: https://www.welt.de/wirtschaft/article147405067/Bloss-kein-Porno-Wo-die-Kirche-ihr-Geld-anlegt.html
Brönstrup, Carsten, Das Kreuz mit den Milliarden, auf: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/wie-viel-geld-besitzen-die-kirchen-das-kreuz-mit-den-milliarden/8960364.html
An diese Stelle gehört keine ausgiebige Beschreibung der Vermögenswerte oder eine Spekulation über die «geheimen Schätze der Kirchen». Ich empfehle aber die nicht ganz positionslose Arte-Dokumentation «Die Kirche und das Geld – mit Carsten Frerk» auf: https://www.youtube.com/watch?v=fN2nEL9jRko8
Brönstrup, Carsten, a.a.O.
Vgl.: EKD, Die evangelische Kirche und das Geld. Wo es herkommt. Wo es hingeht, Hannover 2019.
Ebd.
Wer eine halbwegs verständliche Einführung in dieses Thema möchte, dem kann ich das ‹Policy Paper› der Friedrich-Ebert-Stiftung empfehlen. Na klar ist das auch geprägt, aber zumindest ist es interdisziplinär und klar informierend aufgebaut. Vgl.: Mörschel, Tobias, Schlabach, Jörg (Hrsg.), Religion und säkularer Staat, Perspektiven eines modernen Religionsgemeinschaftsrechts, in: Policy – Politische Akademie, Nr. 20, Berlin 2007.
Vgl. EKD, Die evangelische Kirche und das Geld, a.a.O.
Ebd.
Vgl. dafür bspw. § 227 der Abgabenordnung der EKD.
Vgl. EKD, Die evangelische Kirche und das Geld, a.a.O.
Ebd.
Das habe ich von Frank Engelbrecht geklaut. Danke!
Vgl. 2. Mose 20,4.
https://www.katholisch.de/artikel/7143-der-papst-und-die-kondome
Ich möchte zumindest darauf hinweisen, dass es in beiden großen Geschwisterkirchen natürlich auch Menschen in wichtigen Positionen gibt, die nicht müde werden, genau dafür einzustehen. Zum Beispiel ‹meine› Bischöfin Kirsten Fehrs. Vgl. dazu bspw.: https://www.evangelisch.de/inhalte/153330/13-11-2018/bischoefin-fehrs-fordert-dass-sich-die-evangelische-kirche-ihrer-schuld-bei-missbrauch-stellen-muss – ebenso: https://www.evangelisch.de/inhalte/153196/08-11-2018/bischoefin-kirsten-fehrs-sieht-beim-thema-missbrauch-auch-evangelische-kirche-in-der-pflicht
Vgl. Joh 1: «Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.»
Vgl. Luther, Martin, Sendbrief vom Dolmetschen und Fürbitte der Heiligen, Coburg 1530.
Vgl. NY Times vom 24.8.2016: https://www.nytmes.com/2016/08/28/arts/television/greenleaf-oprah-winfrey-transparent-the-path.html
«Greenleaf», Erstausstrahlung am 21.06.2016 auf OWN.
«Touched by an Angel», Erstausstrahlung am 21.09.2004 auf CBS.
«The Exorcist», Erstausstrahlung am 23.09.2016 auf FOX.
Interessant ist es, dass Poniewozik und Lyons von Religion als Funktion im Kontext von Narrationen erzählen. Sie interpretieren also den funktionalen Religionsbegriff, wie ihn Luckmann, Durkheim, Smart u.a. geprägt haben, für ihren Kontext.
Grethlein, Christian, Impulsreferat zum Schwerpunktthema ‹Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft›, Dresden 2014. Generell ist auch hier wichtig anzumerken, dass ich mitnichten der erste Mensch bin, der sich mit der Frage nach Verkündigung und Kommunikation des Evangeliums in digitalen Kontexten beschäftigt. In dem zitierten Text tut Prof. Dr. Christian Grethlein genau das auf der EKD-Synode 2014.
Für Ihre nächste nächtliche Diskussionsrunde zu diesem Thema: Das stimmt so nicht ganz. Religion ist keine Privatsache. Einen kurzen und gut verständlichen Artikel finden Sie hier: https://www.ekd.de/Religion-ist-keine-Privatsache-11134.htm
«‹Strukturwandel der Öffentlichkeit› ist der Titel der 1962 erschienenen politikwissenschaftlichen Habilitationsschrift von Jürgen Habermas, die den Untertitel ‹Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft› trägt. Mit dem Titel Strukturwandel der Öffentlichkeit bezeichnet Habermas wie die an ihn anschließende sozialwissenschaftliche Diskussion einen umfassenden gesellschaftlichen Prozess, an dem Massenmedien und Politik sowie Bürokratie und Wirtschaft beteiligt waren und der die Entstehung der modernen Massengesellschaft prägte.» Wikipedia.
Man spricht in diesem Kontext von ‹Prosumer› – einem Lehnwort aus ‹Producer› und ‹Consumer›. Darin wird deutlich, dass sich Rollen wechselseitig in Personen vereinen, die vorher getrennt waren.
Vgl. 1. Mose 1,29–31: «Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.
Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.»
Pollack, Detlef, Politische Aussagen schaden der Kirche, auf: https://www.kirche-und-leben.de/artikel/soziologe-pollack-politische-aussagen-schaden-kirche/
Zu den merkwürdigen Nichtfeiertagen kann ich – wie schon in meinem letzten Buch – «Alice im Wunderland» empfehlen. Aber bitte ausschließlich die LSD-getränkte Disneyversion aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts.
https://chrismon.evangelisch.de/nachrichten/45244/sonntagsgottesdienst-fuer-immer-weniger-glaeubige-attraktiv?fbclid=IwAR2acDJd9OBs9NVthTFAtRPW_E42QRk9Acp-jzcXTTs8ta9f1eSNOhPX-jM
Vgl. dazu vor allem Vizepräsident des Kirchenamtes Dr. Thies Gundlach.
Evangelische Kirche in Deutschland, Der Gottesdienst. Eine Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis des Gottesdienstes in der evangelischen Kirche. Im Auftrag des Rates der EKD, Gütersloh 2009.
KKK 2180, in: Katechismus der Katholischen Kirche, Onlineversion, herausgegeben vom Vatikan 1997: http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_INDEX.HTM
Ebd.
Zitiert nach: https://www.katholisch.de/artikel/15807-papst-christen-muessen-an-sonntagsmesse-teilnehmen
Hirsch-Hüffell, Thomas, Wir feiern jetzt selber – so wie wir es immer schon wollten, auf: https://unglaeubigesstaunen.wordpress.com/2019/10/05/wir-feiern-jetzt-selber-so-wie-wir-es-schon-immer-wollten/
Ebd.
Ebd.
Vielleicht von Kurt Tucholsky, vielleicht von Bertolt Brecht, vielleicht von Gottfried Benn und vielleicht doch einfach ein Original meines Vaters. Auf Letzteres hoffe ich einfach.
https://www.katholisch.de/artikel/21325-benedikt-xvi-68er-sind-verantwortlich-fuer-missbrauchsskandal
https://www.zeit.de/hamburg/2019-11/elbvertiefung1911-2019
Ebd.
Das sog. Personalplanungsförderungsgesetz – knackig ‹PeplaföG› abgekürzt.
Lk 18,16.
Teppiche und Synoden – eine merkwürdige Liebesbeziehung.
5. Tagung der 12. Synode vom 11. bis 14. November 2018 in Würzburg.
Zum Nachlesen: https://www.ekd.de/Glaube-junger-Menschen-schwerpunktthema-synode-2018-37963.htm
Das Gebiet der Nordkirche umfasst im Wesentlichen die Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern.
https://kircheimdialog.de/
Vgl. Döbler, Stefan, Roß, Silke, Landeskirchliches Werk «Kirche im Dialog» startet am 1. September, auf: https://www.nordkirche.de/nachrichten/nachrichten-detail/nachricht/landeskirchliches-werk-kirche-im-dialog-startet-am-1-september/
Zum Thema Resonanz eine kleine Empfehlung: Wie viele andere auch bin ich gerade großer Fan des Soziologen Hartmut Rosa, der den Resonanzbegriff als Schlüsselbegriff zu Beziehungskonstellationen nutzt. Super Buch: Rosa, Hartmut, Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung, Berlin 2019.
Sie wissen schon: Mt 5,14–15, Mk 4,21–25, Lk 8,16–18.
Für Maxi & Leni
und meine Eltern
Die Luft über den heißen, staubigen Steinen flimmert wie in alten Spaghettiwestern aus den 1960er Jahren, kurz bevor es zum dramatischen Showdown kommt. Es hat schon seit Tagen nicht geregnet, und die Hitze ist so drückend, dass man sich vor ihr einfach nicht in Sicherheit bringen kann – Duschen oder Schwitzen, man ist gleichermaßen nass.
Vor sieben Wochen ist mein Vater gestorben, vor drei Tagen wäre sein Geburtstag gewesen, und ich verspüre genau in diesem Moment, in dem ich durchnässt aufs Meer starre, ein Gefühl, das ich in dieser mich geradezu anschreienden Intensität schon jahrelang nicht mehr gefühlt habe und das mich überrascht: Ich will in die Kirche gehen. Ich habe wirklich in diesem Moment den tiefen, unbändigen Drang, sofort in eine Kirche zu gehen und Gottesdienst zu feiern. Dabei habe ich – göttliches Zeichen oder nicht – doppelt Glück: Zum einen bin ich auf einer beliebten Urlaubsinsel und weiß, dass es in der Nähe eine Kirche gibt, in der auch eine deutsche Gemeinde gelegentlich Gottesdienste feiert. Ich kann also zumindest auf der Ebene der Feiersprache die Worte verstehen, die da gesprochen werden. Und zum anderen ist Sonntag. Gottesdiensttag.
Bingo!
Es ist der 15. Juli 2018, und während ich mich in verklärte, überemotionale Kirchenspiritualität flüchten will, sitzt der Rest der Welt einen anderen Gott anbetend vor Handys, Tablets, Fernsehern, Beamerleinwänden und Weltempfängern und starrt gebannt nach Russland. Denn genau jetzt wird mal kämpferisch, mal ekstatisch und unter Beobachtung der gesamten Weltöffentlichkeit das Finale der Fußballweltmeisterschaft zwischen Frankreich und Kroatien ausgetragen. Irgendwie feiern jetzt alle gerade ihre ganz persönliche Form von Gottesdienst, denke ich, und mache mich auf den Weg in besagtes Touristendorf zur deutschen Gemeinde.
Während ich in dem klapprigen Daewoo Matiz sitze, den wir jahraus, jahrein mieten, weil er nur einen Spottpreis kostet und an entscheidenden Stellen von Gaffertape zusammengehalten wird, frage ich mich, was ich eigentlich von meinem spontanen Besuch in der Kirche erwarte. Das plötzliche Verlangen, dieser mich beinahe übermannende Wunsch, mischt sich mit einer Art undefinierbarem Ressentiment; einer Ambivalenz zwischen dem ehrlichen Wunsch, endlich wieder in die Kirche zu gehen, und der Angst, dass das ein unglaublich miserables und enttäuschendes Erlebnis sein könnte, das mir vielleicht meine gerade wiederentdeckte Lust wieder nehmen könnte. Vielleicht ist es eher eine unbestimmte Angst vor der Angst? Aber warum eigentlich? Woher kommen die Kirchenbilder, die ich gerade vor meinem geistigen Auge durchdekliniere?
Notiz an mich selber: Das muss ich weiter beobachten.
Die Straßen auf dem Weg sind wie leergefegt, was zum einen apokalyptisch wirkt und zum anderen vortrefflich zu meinem Gemütszustand passt. Der heiße Teer ist so weich, dass er das abgefahrene Reifenprofil meines türkisfarbenen Teufelsflitzers wie Matrizenpapier abpaust. Die Landschaft um mich herum flimmert, als wäre sie Teil des bombastischen «Mad Max»-Remakes, das vor einigen Jahren in die Kinos kam. Weit entfernt hört man kollektive Kommentare zum aktuell laufenden WM-Finale – tonal versetztes Fluchen, Jubeln und das gemeinsame und irgendwie rituell heilsame Wegatmen aufgestauter Anspannung.
Der Weg vom Parkplatz zum Gotteshaus ist menschenleer. Weil ich wie immer spät dran bin, gucke ich instinktiv in den Himmel nach einem Kirchturm, der mir einen Anhaltspunkt für meinen weiteren Weg geben kann, und muss bei dieser geradezu pathetisch-poetischen Suchbewegung laut lachen. Den Menschenströmen, die in den deutschsprachigen 17-Uhr-Gottesdienst wollen, kann ich auch nicht folgen, denn die gibt es natürlich nicht. Und dass jetzt gerade das Fußballweltmeisterschaftsfinale läuft, hilft auch nicht.
Als ich endlich bei der völlig unscheinbaren und schlicht-schönen Kirche ankomme, tropft mir der Schweiß von den Augenbrauen auf meine beschlagene Sonnenbrille. Ich zupfe mich vorm Betreten noch mal zurecht, streiche mir durchs Haar und ordne meine Kleidung, weil ich das irgendwann mal so gelernt habe, obwohl wir in meiner Familie gar keine regelmäßigen Kirchgänger*innen waren.
Dann betrete ich das Gotteshaus.
Das Eintreten in eine Kirche ist jedes Mal ein ganz eigenartiger Moment – und das meine ich gar nicht wertend. Man übertritt buchstäblich eine Schwelle, macht den Schritt in eine ‹fremde› Welt, deren Regeln man häufig nur (noch) rudimentär kennt, in deren Raum für die Dauer des Rituals, das darin abgehalten wird, aber alle Teilnehmenden gleichberechtigt sind. Zumindest theoretisch. Das hat erst mal inhaltlich nichts mit Glauben oder dem Christentum zu tun, sondern ist eine viel allgemeinere phänomenologische und ritualtheoretische Erkenntnis, die von Anthropologen wie Arnold van Gennep und später Victor Turner gemacht wurde.[1] Dieser besondere Übergangsmoment ist also einer der Gründe, weshalb bei vielen Menschen der Schritt in eine Kirche ein so intensives und erst mal schwer zuzuordnendes Gefühl erzeugt. Nicht der einzige, aber ein nicht ganz unwesentlicher.
Ein beachtliches rhythmisches Rattern reißt mich aus meinen Gedanken. Die Realität des iberischen Hochsommers ist auch hier in der heiligen Mehrzweckhalle angekommen, denn in dem großen, marmorgetäfelten Kirchraum stehen ein gutes Dutzend Ventilatoren, die ihre besten Tage hinter sich haben und wacker für ein bisschen Zirkulation sorgen. Das ist nicht zu überhören. Beim Eintritt werde ich freundlich willkommen geheißen und gleichzeitig gemustert und beäugt – klar, ich war noch nie hier und gehöre nicht zum Inventar. Ein bisschen ist es wie mit diesem merkwürdigen U-Bahn-Phänomen: Wenn man selbst dazusteigt, wird man von allen, die schon drinnen sitzen, irritierend kritisch beäugt, fühlt sich eine Station lang völlig unberechtigt minderwertig, nur um dann beim nächsten Halt selbst überkritisch auf die einsteigenden ‹Neuankömmlinge› zu starren. Schwellenüberschreitung.
Die Kirche ist erwartungsgemäß leer. Auf den obligatorischen Holzbänken sitzen versprengt ein paar Menschen – ich zähle neun. Überraschend ist aber der Blick nach vorne zum Altar, denn dort sitzen ganz zentral zwei, sagen wir, festlich angezogene Menschen. Sie trägt einen roten Schleier und eines dieser Flamencokleider, die es an spanischen Straßenständen in Kindergrößen gibt, mit Bommeln und Zotteln – allerdings in Erwachsenengröße. Er trägt eine Caprihose und eine Weste, dazu ein rotes Hemd, das er, was soll er auch machen, schon vor Beginn des Gottesdienstes durchgeschwitzt hat. Offensichtlich wird hier heute geheiratet. Schön!
Die anderen Menschen scheinen zur Gemeinde zu gehören, denn sie verhalten sich, allen voran drei grau melierte Männer, als hätten sie hier Hausrecht. Das wird vor allem deutlich, als in letzter Minute noch drei junge Männer in die Kirche hetzen, die sich offensichtlich nicht ganz so zu Hause fühlen, sich aber augenscheinlich aufgeregt für das Brautpaar freuen. Sie tragen kurze Hosen, Blümchenhemden, Sonnenbrillen in den Haaren und Flipflops, sind braun gebrannt und durchtrainiert und winken dem Ehrenpaar euphorisch zu, während sie mit den Händen kleine Herzchen formen, um der Braut zu signalisieren, wie lieb sie einander haben und wie wunderbar sie aussieht. Auch schön.
Diese Kommunikation wird aber sofort unterbunden, als einer der grau melierten Männer sich in überraschender Schnelligkeit umdreht und die drei mit empörtem Blick und geblähten Nüstern abkanzelt, als seien sie unmündige Kinder. «Tz!», macht er und schüttelt langsam den Kopf, in seinem Blick eine Melange aus Empörung und Enttäuschung, so als habe sich gerade jemand gotteslästerlich auf dem Altar erleichtert. Wahnsinn. Alle bekommen es mit, alle sind verstört.
Der Gottesdienst beginnt. An einer elektrischen, nicht mehr ganz funktionstüchtigen Orgel spielt eine rüstige Dame, die die 80 schon überschritten hat, so gut sie kann. Mit Seele, Herz und Hand. Und Luftzirkulation – denn das Dutzend rostiger Ventilatoren, die sich im Übrigen auch klanglich mit der antiken E-Orgel duellieren, pusten ihr in allerbester Slapstickmanier alle 30 Sekunden die Noten vom Instrument. Sie kann nichts machen. Was soll sie auch tun? Die ersten Male hebt einer der hier heimischen Männer die Noten auf, dann gibt er auf, und die Organistin resigniert.
Eine Pastorin, die – so vermute ich – auch schon im Ruhestand ist, begrüßt die Gemeinde. Mit sonorer und getragener Vortragsstimme heißt sie in einer Art sakralem Singsang alle anwesenden Menschen willkommen. Natürlich vor allem das Ehrenpaar: Sabine und Richard, den alle aber Ricardo nennen. Die drei Freunde winken und freuen sich, nur um sich sofort wieder eine peinlich berührende Ermahnung einzufangen: Stichwort Hausrecht, weil – wahrscheinlich – Kirchengemeinderat. Der erste der drei läuft gekränkt raus. Die Pastorin guckt irritiert, spricht dann weiter. Kurz darauf kommt er wieder rein und setzt sich unter Protest zurück zu seinen Freunden. In diesem Moment drehen sich alle drei grau melierten Männer vorwurfsvoll und fast synchron um, woraufhin ein Zweiter die Kirche verlässt. Vorne hält sich die Gottesdienstleiterin hilfesuchend an einem spackigen schwarzen Vortragsordner mit Kinderaufklebern fest, während sie versucht, einzufangen, was hier gerade passiert. Sie will niemanden düpieren, also lächelt sie in einer Art Schockstarre und spricht daraufhin das Brautpaar mit falschen Namen an, was die beiden wiederum ziemlich kränkt. Der junge Mann, der eben rausgestürmt war, steht mittlerweile demonstrativ an der Kirchentür, raucht eine E-Zigarette und guckt zur Beruhigung eine Liveübertragung des WM-Finales auf seinem Smartphone. Gottesdienst ist ja überall. Die Pastorin singsangt daraufhin das nächste Lied an. Und dann folgt ein bemerkenswertes Ballett der Skurrilität: Junger Mann Nummer zwei steht auf, entschuldigt sich dafür wild gestikulierend bei allen, und holt sein Telefon aus der Tasche. Vier ältere Männer drehen sich zornesrot um und können kaum an sich halten. Eine der dazugehörigen Partnerinnen zischt viel zu laut: «Nicht schon wieder, Günther, nun lass es doch mal!» – «Nein!», ruft Günther. Das Ganze wird untermalt von der stockenden Musik der rüstigen Organistin, deren Noten in rasantem Rhythmus von ihrem alten Instrument gepustet werden. Die Pastorin: verzweifelt.
Ricardo versucht, die Situation zu retten, nimmt sein schweißnasses Einstecktuch, mit dem er sich minütlich den Schweiß aus dem Gesicht gewischt hat, und will nun die Tränen seiner Braut trocknen. Freudentränen sind das nicht, und das Gegenteil von gut ist eben gut gemeint, denn sie ruft laut: «Gott, Ricardo, du bist so peinlich!»
Wow. Herzlich willkommen.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin Teil einer Kirche. Genauer: Ich bin Teil genau dieser Kirche. Oder um ganz präzise zu sein: Ich bin Christ, getauft und konfirmiert, Mitglied in der Evangelischen Kirche in Deutschland und Teil einer sogenannten Landeskirche. In meinem Fall der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, kurz: Nordkirche. Aber mehr noch als das: Ich habe ein siebenjähriges Studium der evangelischen Theologie auf Pfarramt hinter mich gebracht, danach ein Promotionsprojekt durchgeführt, Theologie an der Uni unterrichtet und ein fast vierjähriges Vikariat im Ehrenamt absolviert, in dem ich zwischen Kirchengemeinde, Predigerseminar und meinen hauptamtlichen Jobs hin und her getänzelt bin. Alles, damit ich später die Möglichkeit habe, Pastor in ebendieser Kirche zu werden. Und, um niemanden an dieser Stelle schon zu verlieren oder zu beschämen: Das Vikariat ist bei Theolog*innen wie das Referendariat bei Jurist*innen – ein langer praktischer Block, bevor es dann ernst wird. Ich bin also tatsächlich Theologe und arbeite auch als solcher. Ich erlebe all die wunderbaren Momente, die das mit sich bringt, und stehe manchmal zur sprichwörtlich biblischen Salzsäule erstarrt im Angesicht von wirklich hanebüchenem Unsinn, den man in meiner Kirche eben auch erlebt.
Das ist der eine Teil der Geschichte. Der andere ist der: Ich habe viele andere Berufe. Ich bin Musiker, Schauspieler, Sprecher, Autor und als Fernsehmacher und -moderator für viele große und kleine Sender häufig auf der Suche nach den Geschichten, die Menschen mit Glauben erleben. Oder mit Gott. Oder der Kirche. Oder eben nicht.
Ich erzähle das nicht, weil ich mit allem, was ich so mache, angeben möchte – möchte ich natürlich auch, klingt ja super –, sondern weil beide Perspektiven wichtig sind für die Suche, von der ich in diesem Buch erzähle.
Denn das ist es: eine Suche. Eine nach einer Kirche für Gegenwart und Zukunft. Dafür bin ich lange unterwegs gewesen. In eben all den Bereichen, die ich so vollmundig aufgezählt habe und die – hoffentlich – den vielleicht etwas anderen Blick ermöglichen. Anders als die vielen bunten Thesenbücher, die in den letzten Jahren erschienen sind und die viele der Kollegen und Kolleginnen in der Kirche gerade bis ins Mark erschüttern.
Wenn Sie also in einem klugen und kompetenten Kolloquium ausgetüftelte Thesen in kirchenaffiner Insidersprache präsentiert erwarten oder auf einen populistisch-programmatischen 10-Punkte-Plan zur einzig möglichen Rettung ‹der Kirche› hoffen, dann muss ich Sie leider schon jetzt enttäuschen. Aber Enttäuschung ist vielleicht ein Gefühl, das Ihnen nicht ganz fremd ist, wenn Sie sich mit diesem Thema beschäftigen.
Wenn Sie aber mit mir auf die Suche kommen möchten und sich hoffentlich in meinen Erlebnissen, Erfahrungen und Abenteuern wiederfinden, dann können wir vielleicht zusammen schlussfolgern, was sich bei Kirche dringend mal ändern müsste, was da eigentlich los ist und warum die Hoffnung trotzdem nicht verloren ist. Herzlich willkommen in meiner kleinen Cuvée aus Tagebuch, Reisebericht, Praxiserfahrung, Insiderblick und Vogelperspektive, meinem Kuriositätenkabinett mit Absurdem, Hanebüchenem und Herzzerreißendem. Denn das hier ist ein hoffnungsvoll kritischer Liebesbrief an Kirche und Glauben. Und, um das an dieser Stelle schon einmal deutlich zu sagen: Nichts von dem, was ich schreibe, hat Anspruch auf Vollständigkeit – im Gegenteil: Zu jedem der Themen könnte man überbordende und kluge Werke verfassen. Aber vielleicht regen meine Anekdötchen und Glückskeks-Weisheiten zum Nachdenken, Schmunzeln, Aufregen oder Widerspruch an. Das reicht.
Lassen Sie uns als Erstes über den rosa Elefanten im Raum sprechen: «Warum sich Kirche verändern muss». Das ist der Untertitel dieses Buches. Ich sehe schon pochende Halsschlagadern und schweißnasse Handflächen von Menschen, die ein Leben in, mit, für und durch ihren ganz eigenen Kirchenbezug führen. Und das ist auch gut so. Beides – dass Menschen ihr eigenes Leben im Kontext von Kirche führen und auch, dass manche Menschen beim Aufruf zu Veränderung nervös werden. Denn das bedeutet erst einmal, dass noch Herzen an dem alten Kahn Kirche hängen. Allerdings ist die Krux mitunter, dass die Menschen, die sich zugehörig fühlen, nicht unbedingt das Gefühl haben, dass sich etwas ändern müsse – denn sie haben es sich ja ganz bequem eingerichtet. Ein klassisches Dilemma. Daher habe ich auch im Vorfeld zu diesem Buch durchaus empörten und etwas verängstigten Gegenwind gespürt, weil ebendiese Menschen glauben, man würde ihnen etwas wegnehmen wollen. Und das stimmt in gewisser Weise auch. Denn wir müssen ganz dringend etwas wegnehmen: die Exklusivität. Auch denen, die (noch) da sind. Damit meine ich nicht die Exklusivität, die man mit Hochglanz und Luxus assoziiert, sondern die tatsächliche Bedeutung dieses Wortes, die wir im kirchlichen Kontext – leider Gottes – geradezu perfektioniert haben. Denn das lateinische Wort ‹excludere› heißt übersetzt «ausschließen, aussperren, abweisen, trennen, absondern, ab- und fernhalten»[1]. Die Kirche ist exklusiv geworden. Und damit genau das Gegenteil dessen, was sie eigentlich sein möchte, sollte und könnte.
Ich glaube: Das muss sich ändern. Manche derer, die es sich bequem gemacht haben – ob als Mitarbeitende oder Gemeindeglieder –, mögen das anders sehen, weil es am einfachsten ist, genauso weiterzumachen. Aber die, die noch dabei sind, haben vielleicht – und da bin ich jetzt ganz unwissenschaftlich sehr pauschal – eine andere Perspektive auf die Korrelation von Kirchenmitgliedschaft und demographischen, kulturellen und soziologischen Veränderungen. Es gibt eine ansteigende Diversität in aktuellen Lebenskonzepten. Es gibt – auch durch das Zusammenwachsen der Welt im digitalen Kontext – alternative Sinndeutungsangebote. Wir leben in sich verändernden Kommunikationsstrukturen, in postaufgeklärten, individualisierten und subjektorientierten Lebenswelten. Wir haben eine sich verändernde ästhetische Wahrnehmung. Und natürlich ist es patriarchaler und chauvinistischer Quatsch zu denken, Frauen könnten kein Priesteramt bekleiden.
Menschen treten unter anderem aus der Kirche aus, weil sie das Gefühl haben, dass diese Kirche mit ihrem Lebensentwurf nichts anfangen kann oder – noch schlimmer – diesen Lebensentwurf be- und verurteilt. Oder sie treten aus der Kirche aus, weil sie mit den biblischen Erzählungen von einer mythologischen Gottheit, Weltuntergangsszenarien, Regenbogen, Engeln und auferstandenen Gottmenschen einfach nichts anfangen können – und das ist vollkommen in Ordnung. Oder weil sie sich in Gottesdiensten so fremd fühlen, dass sie am liebsten im Boden versinken wollen, angesichts des ‹Hokuspokus›[2], der da stattfindet. Oder weil sie sich am meisten ausgeladen fühlen, wenn wir in unserer exklusiven klerikalen Sprache mal wieder von ‹herzlicher Einladung› sprechen. Oder weil der Blick in einen verstaubten Gemeindeschaukasten voller Spinnweben so sehr abturnt, dass man von vornherein keine Lust hat, sich genauer damit auseinanderzusetzen. Oder weil die Kirchensteuer vor allem dann weh tut, wenn man gar nicht weiß, was damit eigentlich gemacht wird. Oder weil sie das Gefühl haben, dass das weltfremde Salbadern ‹da vorne› einfach nichts mit ihrem Leben zu tun hat. Oder, oder, oder …
Aber wie kann sich all das ändern?
Lassen Sie uns realistisch sein: Veränderungen tun häufig weh. Sie sind geprägt von Anstrengung, Kurskorrektur, Verlustangst, Hinterfragen, Abschied und ehrlicher, konstruktiver Selbsteinschätzung. Sie machen selten von Anfang an Spaß, kosten Überwindung, brauchen Durchhaltevermögen, sind mitnichten immer von Erfolg gekrönt und dürfen niemals Selbstzweck sein. Denn natürlich ist Veränderung nur um der Veränderung willen genauso unsinnig, wie etwas beizubehalten, nur um es beizubehalten. Aber in Sachen Kirche muss Veränderung sein – weil den Kirchen die Mitglieder abhandenkommen.
Und das merken mittlerweile sogar die Kirchen.
Vor einigen Wochen fanden mehrere Jahre aufmerksamen Forschens, Austarierens und endloser Stunden Gremiensitzungen mit vermutlich staubigen Waffelkeksen und lauwarmem Kaffee einen lauten medialen Abschluss: Die beiden mitgliederstärksten Kirchen des Landes, die Evangelische und die Katholische Kirche in Deutschland, veröffentlichten die Studie «Kirche im Umbruch – Projektion 2060»[3]. Darin beschäftigte sich das ‹Forschungszentrum Generationenverträge› der Freiburger Albert-Ludwig-Universität mit einer hypothetischen Projektion einer koordinierten Mitglieder- und Kirchensteuervorausberechnung für die evangelische und die katholische Kirche. Hypothetisch natürlich, weil keiner von uns die Zukunft voraussagen kann, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse dieser Studie eintreten, ist zumindest nicht gering.
Sie besagt, dass sich die Mitgliederzahlen und damit auch die finanziellen Möglichkeiten beider sogenannter Geschwisterkirchen, der katholischen und evangelischen, bis 2060 etwa halbieren werden.
Lassen wir das mal sacken: Die Prognose besagt, dass in gut 40 Jahren nur noch die Hälfte der jetzt in irgendeiner Form zugehörigen Menschen Mitglied einer dieser beiden Kirchen sein werden. Zumindest unter den jetzigen Voraussetzungen.
Das ist wirklich eine überraschend ehrliche, ungeschönte und auch irgendwie bittere Prognose, die man erst mal verdauen muss.