Dale Carnegie

Wie man Freunde gewinnt

Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden

FISCHER E-Books

Inhalt

Über Dale Carnegie

Dale Carnegie, geboren 1888, ist der Inbegriff des erfolgreichen amerikanischen Selfmade-Mannes. Aufgewachsen in sehr bescheidenen Verhältnissen, erkämpfte er sich Schulunterricht und Pädagogikstudium. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges begann er in New York mit großem Erfolg Seminare durchzuführen. Ab den 1930er Jahren erschienen seine Bücher, die zu Bestsellern wurden, u.a. ›Wie man Freunde gewinnt‹ und ›Sorge dich nicht – lebe!‹ Weltweit wurden bisher über 50 Millionen Exemplare seiner Bücher in 38 Sprachen verkauft. Dale Carnegie starb 1955, sein Erbe aber lebt weiter. Mit mehr als sieben Millionen Teilnehmern gehört Dale Carnegie Training heute weltweit zu den führenden Trainingsunternehmen. www.dalecarnegie.de.

 

Weitere Informationen, auch zu E-Book-Ausgaben, finden Sie bei www.fischerverlage.de

Impressum

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»How to Win Friends and Influence People«

©1936 by Dale Carnegie

©1981 by Donna Dale Carnegie und Dorothy Carnegie

 

Überarbeitete und nach der revidierten amerikanischen Fassung ergänzte Neuausgabe

in der autorisierten Übersetzung von Hedi Hänseler

 

Coverabbildung: Andrew Dernie/Getty Images

Covergestaltung: bürosüd°, München

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2005

 

Erschienen bei FISCHER E-Books

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2014

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-403147-7

Fußnoten

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Henry und Webster waren berühmte amerikanische Redner und Politiker.

Dieses Buch hilft Ihnen:

Alte, ausgefahrene Geleise zu verlassen und auf neuen Wegen neue Ziele anzustreben

*

Schneller und leichter Freunde zu gewinnen

*

Sich beliebt zu machen

*

Andere für Ihre Gedanken einzunehmen

*

Ihren Einfluß, Ihr Ansehen, Ihre Willenskraft zu steigern

*

Beschwerden abzustellen, Streitigkeiten zu vermeiden, mit Ihren Mitmenschen gut auszukommen

*

Ein guter Redner und besserer Gesellschafter zu werden

*

Ihre Mitarbeiter für Ihre Arbeit zu begeistern

Vorwort zur revidierten Ausgabe

Als das Buch Wie man Freunde gewinnt im Jahre 1937 zum erstenmal erschien, wurde es in einer kleinen Auflage von nur fünftausend Exemplaren gedruckt. Weder der Autor noch sein Verleger erwarteten mehr als diesen bescheidenen Erfolg. Zu ihrer Überraschung wurde das Buch jedoch über Nacht zu einer Sensation, und die Druckerpresse stand kaum noch still, um die steigende Nachfrage zu decken. Wie man Freunde gewinnt ging als beispielloser internationaler Bestseller in die Geschichte des Verlagswesens ein. Dieses Buch traf den Nagel genau auf den Kopf und erfüllte ein Bedürfnis, das mehr als nur eine vorübergehende Erscheinung der abklingenden Depression war, wie der bis heute, fast ein halbes Jahrhundert später, anhaltende und ununterbrochene Absatz beweist.

Das Buch ist in nahezu jede geschriebene Sprache übersetzt worden. Jede Generation hat es neu entdeckt und benützt.

Das führt logischerweise zur Frage: Wozu ein Buch überarbeiten, das weltweit so großen Anklang gefunden hat und nach wie vor findet? Warum am Erfolg herumbasteln?

Um darauf eine Antwort zu geben, muß man wissen, daß Dale Carnegie selbst sein ganzes Leben lang ein unermüdlicher Verbesserer seines eigenen Werkes war. Wie man Freunde gewinnt war ursprünglich als Lehrbuch für seine Kurse über freies Sprechen und den Umgang mit Menschen gedacht gewesen. Bis zu seinem Tod 1955 hat er diesen Kurs selbst unablässig überarbeitet und verbessert, um den steigenden Ansprüchen eines zunehmenden Publikums gerecht zu werden. Niemand war hellhöriger für die wechselnden Strömungen im täglichen Leben als Dale Carnegie. Ununterbrochen verbesserte und verfeinerte er seine Lehrmethoden: Er brachte sein Buch über freies Sprechen mehrmals auf den neuesten Stand. Hätte er länger gelebt, dann hätte er Wie man Freunde gewinnt ebenfalls revidiert, um darin die Veränderungen in unserer Welt in den letzten Jahrzehnten zu berücksichtigen.

Manche Namen berühmter Leute, die zur Zeit der Herausgabe dieses Buches sehr bekannt waren, sind heute vielen Lesern nicht mehr geläufig. Gewisse Beispiele und Schlagworte nehmen sich in der heutigen Gesellschaft eher altmodisch aus, wodurch Aussage und Wirkung des Buches abgeschwächt werden.

Es ist daher unser Bestreben, durch diese Überarbeitung das Buch für den modernen Leser verständlicher und eindrücklicher zu machen, ohne in seinen Inhalt einzugreifen. Wir haben Wie man Freunde gewinnt nicht geändert, wir haben lediglich einiges gestrichen und ein paar zeitgemäßere Beispiele angeführt. Der spontane, frische Carnegie-Stil blieb unangetastet – sogar die typische Sprache der dreißiger Jahre ist geblieben. Dale Carnegie schrieb, wie er sprach: lebhaft, anschaulich und kurzweilig.

Heute noch spricht aus seinen Büchern seine Stimme genauso überzeugend wie einst. Tausende von Menschen auf der ganzen Welt besuchen die Carnegie-Kurse, und ihre Zahl nimmt von Jahr zu Jahr zu. Tausende lesen Wie man Freunde gewinnt und ziehen daraus Gewinn für ihr Leben. Ihnen allen überreichen wir diese revidierte Ausgabe wie ein bewährtes Werkzeug, das neu geschliffen und poliert worden ist.

 

Dorothy Carnegie

(Mrs. Dale Carnegie)

Wie dieses Buch entstand – und warum

In drei Jahrzehnten haben die amerikanischen Verlagshäuser über eine fünftel Million verschiedener Bücher herausgegeben. Die meisten waren todlangweilig; viele waren finanzielle Mißerfolge. Habe ich gesagt »viele«? Der Präsident eines der größten Verlagsunternehmen der Welt gestand mir, daß seine Firma nach fünfundsiebzig Jahren verlegerischer Erfahrung immer noch bei sieben von acht Büchern, die sie herausgibt, Geld drauflegt.

Woher in aller Welt nahm ich also die Kühnheit, ein weiteres Buch zu schreiben? Und aus welchem Grund sollte sich jemand die Mühe machen, dieses Buch zu lesen?

Beide Fragen sind berechtigt, und ich will versuchen, sie zu beantworten.

Ich habe seit 1912 in New York Weiterbildungskurse für Menschen vieler Berufe durchgeführt. Anfänglich handelte es sich dabei lediglich um Kurse für freies Sprechen – Kurse, in denen die Erwachsenen mit Hilfe praktischer Übungen lernen sollten, ihre Gedanken klarer zu formulieren und wirkungsvoller und entschiedener auszudrücken, sei es nun in einer geschäftlichen Verhandlung oder bei einer Ansprache.

Doch im Laufe der Zeit stellte ich immer deutlicher fest, daß diese Erwachsenen einen solchen Rednerkurs wohl dringend nötig hatten, noch viel nötiger aber einen Kurs über den Umgang mit Menschen sowohl im geschäftlichen wie im gesellschaftlichen Leben.

Gleichzeitig stellte ich auch fest, wie bitter nötig ich selber einen solchen Kurs hatte. Wenn ich heute an jene Jahre zurückdenke, bin ich entsetzt über meinen häufigen Mangel an Einfühlungsvermögen und Verständnis. Wie sehr wünschte ich mir, man hätte mir damals ein Buch wie dieses in die Hand gedrückt! Es wäre für mich von unschätzbarem Wert gewesen!

Der Umgang mit Menschen ist wahrscheinlich das heikelste Problem, das wir zu lösen haben, besonders wenn wir im Geschäftsleben stehen. Das gleiche gilt aber auch für den Buchhalter, die Hausfrau, den Architekten oder den Ingenieur. Entsprechende Ermittlungen unter dem Patronat der Carnegie-Stiftung zur Förderung des Lehrberufs haben die sehr wichtige und bedeutsame Tatsache aufgezeigt – die übrigens später durch zusätzliche Untersuchungen des Carnegie-Instituts für Technologie bestätigt wurde –, daß selbst in so technischen Berufen wie dem des Ingenieurs nur 15 Prozent des finanziellen Erfolges auf Konto des technischen Könnens gehen, der ganze Rest von 85 Prozent aber dem Geschick im Umgang mit Menschen zuzuschreiben ist – der Persönlichkeit und den Führungseigenschaften.

Lange Zeit habe ich in Philadelphia und New York Kurse für Ingenieure gegeben, die vielleicht von mehr als 1500 Ingenieuren besucht worden sind. Sie schrieben sich in meine Kurse ein, weil sie nach jahrelanger Erfahrung und Beobachtung zum Schluß gekommen waren, daß die bestbezahlten Leute in ihrer Branche vielfach nicht diejenigen mit den größten technischen Kenntnissen sind. Fachlich tüchtige Ingenieure, Buchhalter, Architekten oder Angehörige irgendeines anderen Berufes findet man jederzeit auch für ein durchschnittliches Gehalt. Ein Mensch dagegen, der außer dem Fachwissen auch noch die Fähigkeit mitbringt, seine Ideen auszudrücken, eine leitende Stellung zu bekleiden, andere zu begeistern – eine solche Person wird mit Gold aufgewogen.

Die Universität Chicago und die Vereinigung der Schulen des »Christlichen Vereins Junger Menschen« haben eine Umfrage durchgeführt, um festzustellen, was die erwachsenen Amerikaner eigentlich lernen möchten. Jeder Erwachsene in einer als typisch amerikanisch geltenden Stadt wurde interviewt und gebeten, 156 Fragen zu beantworten – Fragen wie beispielsweise: »Was sind Sie von Beruf? Welche Ausbildung haben Sie genossen? Wie verbringen Sie Ihre Freizeit? Wie hoch ist Ihr Gehalt? Haben Sie Hobbys? Welches sind Ihre Zukunftspläne? Auf welchem Gebiet liegen Ihre Hauptinteressen?« und so weiter. Die Umfrage ergab, daß die Erwachsenen sich in erster Linie für die Gesundheit interessieren – und an zweiter Stelle für die Menschen: wie man sie verstehen und mit ihnen auskommen kann; wie man ihre Sympathie gewinnen kann; wie man sie für seine eigenen Gedanken einnehmen kann.

In der Folge beschloß das leitende Komitee dieser Umfrage, für die Erwachsenen einen entsprechenden Kurs über den Umgang mit Menschen durchzuführen. Emsig suchte man nach einem entsprechenden praktischen Lehrbuch und fand – nicht ein einziges. Schließlich gelangte man an eine weltberühmte Autorität auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung und fragte dort nach einem geeigneten Buch für den geplanten Kurs. »Ich weiß, was diese Erwachsenen wünschen«, lautete die Antwort, »aber das Buch, das sie brauchen, ist noch nicht geschrieben worden.«

Ich konnte aus eigener Erfahrung sagen, daß diese Antwort stimmte, denn ich war selbst jahrelang auf der Suche nach einem solchen praktischen, brauchbaren Handbuch über den Umgang mit Menschen gewesen. Und da kein solches Buch existierte, unternahm ich es, für meine Kurse selber eines zu schreiben.

Bevor ich mich an den Schreibtisch setzte, las ich erst einmal alles, was über das besagte Thema aufzutreiben war – von Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften, Scheidungsprotokollen, Werken alter Philosophen bis zu den Schriften neuer Psychologen. Zusätzlich engagierte ich einen Mitarbeiter mit Erfahrung im Zusammentragen von Dokumentationen, der anderthalb Jahre lang die verschiedenen Bibliotheken abgraste und all das las, was mir selber entgangen war, der gelehrte Wälzer über Psychologie durchackerte, Hunderte von Zeitungsartikeln überflog und in unzähligen Biographien festzustellen suchte, wie die großen Köpfe aller Zeiten sich gegenüber ihren Mitmenschen verhalten hatten. Wir studierten die Lebensgeschichten aller berühmten Führer von Julius Cäsar bis Thomas Edison, lasen mehr als hundert Biographien allein über Theodore Roosevelt und scheuten weder Zeit noch Geld, um jeder Möglichkeit auf die Spur zu kommen, die im Laufe der Geschichte praktiziert worden war, um Freunde zu gewinnen und Menschen zu beeinflussen.

Persönlich habe ich massenhaft erfolgreiche Leute interviewt, darunter weltbekannte Berühmtheiten wie Marconi, Franklin D. Roosevelt, Clark Gable, Mary Pickford und so weiter, um hinter das Geheimnis ihrer Umgangsformen zu kommen.

Aus dem ganzen Material stellte ich einen kurzen Vortrag zusammen unter dem Titel: »Wie man Freunde gewinnt und Menschen beeinflußt«. Ich sagte: »einen kurzen Vortrag«. Er war zuerst tatsächlich kurz, hat sich aber dann allmählich zu einer anderthalbstündigen Vorlesung ausgedehnt, die ich jedes Jahr vor den erwachsenen Teilnehmern an den Kursen des Carnegie-Instituts in New York gehalten habe.

Am Schluß dieser Vorlesung forderte ich die Zuhörer jeweils auf, meine Ratschläge unverzüglich in ihrem beruflichen und gesellschaftlichen Kreis auszuprobieren und nachher im Kurs über die gemachten Erfahrungen und Ergebnisse zu referieren. Es war jedesmal ein großartiges Experiment! Diese Männer und Frauen, die nach Entwicklung ihrer eigenen Fähigkeiten strebten, waren fasziniert von der Idee, gewissermaßen in einer neuen Art von Laboratorium zu arbeiten – der ersten und einzigen Forschungsstätte für den Umgang mit Menschen, die es bisher gegeben hatte.

Dieses Buch ist nicht im eigentlichen Sinne des Wortes geschrieben worden. Es ist gewachsen, wie ein Kind wächst. Es wuchs und entwickelte sich in eben diesem Laboratorium aus den Erfahrungen Tausender von Erwachsenen.

Begonnen hatten wir mit einer Handvoll Regeln, die auf einer Tabelle von der Größe einer Postkarte aufgedruckt waren. Im folgenden Jahr druckten wir eine etwas größere Tabelle, später ein Merkblatt, schließlich eine Reihe von Broschüren, die ständig größer und umfangreicher wurden. Und schließlich, nach etlichen Jahren des Forschens und Experimentierens, folgte dieses Buch.

Die darin aufgestellten Regeln sind keine bloßen Theorien oder Vermutungen. Sie wirken wie ein Zauber. Es mag unwahrscheinlich klingen, aber ich habe erlebt, daß die Anwendung der in diesem Buch enthaltenen Grundsätze das Leben von vielen Leuten buchstäblich verwandelt hat.

Ein Beispiel: Ein Unternehmer mit 314 Angestellten besuchte einen meiner Kurse. Seit Jahren hatte er seine Leute rücksichtslos gehetzt und unbarmherzig kritisiert. Ein freundliches, anerkennendes oder aufmunterndes Wort kam nie über seine Lippen. Nachdem er sich eine Zeitlang in die Grundregeln dieses Buches vertieft hatte, änderte er sein Verhalten schlagartig. Das Ergebnis war eine Atmosphäre der Loyalität, Einsatzbereitschaft und Zusammenarbeit in seinem Betrieb. Dreihundertvierzehn Feinde hatten sich in dreihundertvierzehn Freunde verwandelt. Stolz erklärte der Unternehmer vor der Klasse: »Wenn ich früher durch meinen Betrieb ging, grüßte mich kein Mensch. Meine Angestellten blickten absichtlich weg, wenn sie mich kommen sahen. Jetzt aber sind sie wie Freunde zu mir, und sogar der Pförtner strahlt, wenn ich komme.«

Dieser Arbeitgeber zog mehr Nutzen aus seinem Betrieb und hatte dabei selber mehr Freizeit als früher, wo er dauernd wie ein Sklaventreiber hinter seinen Angestellten mit der Peitsche knallte. Doch das Wichtigste: Er fühlte sich im Geschäft und zu Hause glücklicher.

Unzählige Kaufleute haben ihren Umsatz wesentlich gesteigert, seit sie meine Regeln befolgen. Vielen ist es gelungen, neue Geschäftsverbindungen anzuknüpfen, um die sie sich früher vergeblich bemüht hatten. Leitende Angestellte erhielten größere Machtbefugnisse und ein höheres Gehalt. Ein Abteilungsleiter eines Gaswerks, der wegen seiner Unfähigkeit in der Personalführung an die Luft gesetzt werden sollte, wurde durch meinen Kurs nicht nur vor der Entlassung bewahrt, sondern bekam außerdem eine Beförderung und eine Lohnaufbesserung.

In unzähligen Fällen haben mir Ehegatten am Schlußbankett eines Kurses gestanden, daß ihr häusliches Leben viel glücklicher sei, seit ihre Frauen oder Männer diesen Kurs besuchten.

Die Teilnehmer staunen oft nicht wenig über ihre eigenen Erfolge. Das Ganze kommt ihnen wie ein Wunder vor. Es ist schon passiert, daß sie mich sogar am Sonntag zu Hause angerufen haben, weil sie unmöglich achtundvierzig Stunden warten konnten, um mir erst im Kurs von ihren Erfahrungen zu berichten.

Ich erinnere mich an einen Mann, der von einem Gespräch über die fundamentalen Prinzipien im Umgang mit Menschen so angeregt war, daß er bis spät in die Nacht hinein mit den andern Kursteilnehmern darüber weiterdiskutierte. Um drei Uhr früh gingen die andern nach Hause. Er aber war derart erschüttert, als ihm seine eigenen Fehler bewußt wurden, und so erfüllt vom Gedanken an diese neue und reichere Welt, die sich da vor ihm öffnete, daß er kein Auge zutat, weder in jener noch in der folgenden Nacht.

Was für ein Mensch war dieser Mann? Gutgläubig, ungebildet, bereit, auf jede Theorie zu schwören, die ihm zu Ohren kam? Ganz im Gegenteil: ein gerissener Kunsthändler und blasierter Lebemann, der fließend drei Sprachen sprach und an zwei europäischen Universitäten promoviert hatte.

Ein alter New Yorker, ehemaliger Harvard-Student, wohlhabender Besitzer einer Teppichfabrik, erklärte, daß er in den vierzehn Kursabenden über die hohe Kunst, Menschen zu führen, mehr gelernt habe als früher während acht Semestern auf der Universität. Sie finden das absurd? Lächerlich? Übertrieben? Wie Sie meinen. Ich berichte nur kommentarlos, was ein konservativer und außerordentlich erfolgreicher Unternehmer in einem Referat vor ungefähr sechshundert Mitgliedern des Yale Club in New York sagte.

»Verglichen mit dem, was wir sein könnten«, sagte der berühmte amerikanische Psychologe und Philosoph William James, »sind wir nur halb wach. Wir nützen nur einen kleinen Teil unserer physischen und geistigen Gaben. Mit andern Worten: Der Mensch lebt weit unter seinen Möglichkeiten. Er verfügt über Kräfte verschiedenster Art, die er in den meisten Fällen gar nicht mobilisiert.«

Kräfte, die Sie »gar nicht mobilisieren«! Zweck dieses Buches ist es, Ihnen bei der Entdeckung, Entwicklung und Auswertung dieser passiv schlummernden Aktivposten zu helfen.

»Bildung ist die Fähigkeit, sich in jeder Lebenslage zu bewähren«, sagte Dr. John G. Hibben, der ehemalige Rektor der Universität Princeton.

Wenn Sie nach den ersten drei Kapiteln dieses Buches nicht schon ein bißchen besser mit den verschiedenen Situationen in Ihrem Leben fertig werden, dann ist dieses Buch in bezug auf Sie ein totaler Versager, denn »der eigentliche Zweck des Lernens ist nicht das Wissen, sondern das Handeln«, sagte Herbert Spencer.

Dieses Buch ist ein Buch, das »handeln« lehrt.

 

Dale Carnegie

Neun Ratschläge, wie Sie das meiste aus diesem Buch herausholen können

1. Soll Ihnen dieses Buch möglichst großen Gewinn bringen, dann müssen Sie unbedingt eine Voraussetzung erfüllen, die unendlich viel wichtiger ist als jede Regel oder Technik. Ohne diese grundlegende Voraussetzung werden selbst tausend Ratschläge, wie Sie aus diesem Buch am meisten Nutzen ziehen, wenig Erfolg haben. Im andern Fall jedoch können Sie Wunder vollbringen, auch wenn Sie die nun folgenden Anweisungen überhaupt nicht lesen.

Welches ist also diese geheimnisvolle Bedingung? Ganz einfach der aufrichtige, brennende Wunsch, etwas zu lernen, und die eiserne Entschlossenheit, Ihre Fähigkeit, mit Menschen richtig umzugehen, zu verbessern.

Wie aber schaffen Sie sich diese Voraussetzung? Indem Sie sich ständig daran erinnern, wie wichtig die in diesem Buch aufgestellten Grundsätze für Sie sind. Halten Sie sich vor Augen, wie sehr Ihnen das Befolgen dieser Prinzipien in Ihrem Streben nach einem reicheren, erfüllteren, befriedigenderen und glücklicheren Leben helfen wird. Sagen Sie sich immer wieder: »Meine Beliebtheit, mein Glück und mein Selbstbewußtsein hängen zu einem großen Teil von meinem Geschick im Umgang mit Menschen ab.«

 

2. Überfliegen Sie ein Kapitel erst einmal, um zunächst eine allgemeine Übersicht zu gewinnen. Es wird Sie dann vermutlich locken, gleich weiterzulesen. Tun Sie das nicht, es sei denn, Sie lesen das Buch lediglich zu Ihrer Unterhaltung. Lesen Sie es aber in der Absicht, sich in der Kunst, mit Menschen umzugehen, weiterzubilden, dann blättern Sie zurück und studieren Sie jedes Kapitel noch einmal gründlich. Im ganzen gesehen, sparen Sie mit dieser Methode Zeit und kommen schneller zu einem praktischen Ergebnis.

 

3. Machen Sie beim Lesen öfter eine Pause, um über das Gelesene nachzudenken. Überlegen Sie sich, wie und wann Sie jeden Ratschlag in Ihrem Fall anwenden können.

 

4. Lesen Sie mit Rotstift, Bleistift, Kugelschreiber oder Leuchtstift in der Hand, und machen Sie jedesmal einen Strich an den Rand der Seite, wenn Sie auf einen Ratschlag stoßen, von dem Sie glauben, daß Sie ihn anwenden können. Handelt es sich dabei um einen für Sie besonders nützlichen Rat, dann unterstreichen oder markieren Sie jeden Satz oder bezeichnen Sie die Stelle mit vier Kreuzen. Unterstreichen und Markieren machen das Lesen interessanter, und außerdem findet man wichtige Stellen nachher leichter wieder.

 

5. Ich kannte eine Frau, die seit fünfzehn Jahren Abteilungsleiterin einer großen Versicherungsgesellschaft war. Sie las jeden Monat sämtliche Verträge, die ihre Firma abgeschlossen hatte. Immer wieder die gleichen Verträge. Aus welchem Grund? Die Erfahrung hatte sie gelehrt, daß dies für sie der einzige Weg war, um die Prämiensätze ihrer Gesellschaft stets genau im Kopf zu haben.

Ich schrieb einmal zwei Jahre lang an einem Buch über die Kunst, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Trotzdem mußte ich von Zeit zu Zeit immer wieder darin nachlesen, um mich zu erinnern, was ich in meinem eigenen Buch geschrieben hatte. Es ist erstaunlich, wie schnell man vergißt.

Wenn Sie also einen echten, dauernden Gewinn aus diesem Buch ziehen möchten, genügt es nicht, daß Sie es einmal durchblättern. Nachdem Sie es studiert haben, sollten Sie es jeden Monat wieder für ein paar Stunden zur Hand nehmen. Legen Sie es vor sich auf den Schreibtisch. Schauen Sie öfter mal hinein. Denken Sie stets daran, welche Möglichkeiten Sie haben, Ihre eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Und vergessen Sie nie, daß die in diesem Buch enthaltenen Grundsätze nur dann zur Gewohnheit werden, wenn man sie sich unablässig in Erinnerung ruft und sie anwendet.

Einen andern Weg gibt es nicht.

 

6. Bernard Shaw bemerkte einmal: »Wenn man jemanden etwas lehren will, so lernt er es nie.« Shaw hatte recht. Lernen ist ein aktiver Prozeß. Wir lernen, indem wir etwas tun. Wenn Sie also die Regeln, die Sie in diesem Buch studiert haben, beherrschen wollen, dann müssen Sie etwas damit anfangen. Wenden Sie sie also bei jeder Gelegenheit an, sonst vergessen Sie sie gleich wieder. Nur Wissen, das angewendet wird, bleibt im Gedächtnis haften.

Sie finden es vielleicht schwierig, jederzeit nach diesen Prinzipien zu handeln. Ich weiß, denn ich habe das Buch schließlich geschrieben und hatte oft selber Mühe, alles, was darin steht, in die Tat umzusetzen. Wenn Ihnen zum Beispiel irgend etwas nicht gefällt, so ist es viel leichter, zu kritisieren und zu verurteilen, als den Versuch zu machen, den andern und seinen Standpunkt zu verstehen. Man findet oft schneller etwas Tadelnswertes als etwas Lobenswertes. Wir neigen eher dazu, über unsere eigenen Wünsche zu sprechen als über das, was der andere möchte. Und so weiter. Denken Sie daran, wenn Sie dieses Buch lesen, daß es nicht nur darum geht, daß Sie etwas Neues erfahren, sondern darum, neue Lebensgewohnheiten zu entwickeln. Das erfordert Zeit, Ausdauer und tägliche Übung.

Ziehen Sie deshalb diese Seiten oft zu Rate. Betrachten Sie dieses Buch als praktisches Handbuch für den Umgang mit Menschen. Wann immer Sie einem besonderen Problem gegenüberstehen – Erziehungsschwierigkeiten mit Ihrem Kind haben, Ihre Frau oder Ihren Mann von etwas überzeugen wollen, einen verärgerten Kunden zufriedenstellen müssen –, zögern Sie, impulsiv das Nächstliegende, das »Natürliche« zu tun. Das ist meist verkehrt. Lesen Sie statt dessen die Stellen nach, die Sie in diesem Buch angestrichen haben. Probieren Sie diese neuen Methoden aus, und Sie werden erleben, daß sie Wunder wirken.

 

7. Bezahlen Sie Ihrer Frau oder Ihrem Mann, Ihrem Sohn oder einem Freund jedesmal eine kleine Geldstrafe, wenn man Sie dabei erwischt, daß Sie einen bestimmten Grundsatz mißachten. Machen Sie sich einen Sport daraus, die Regeln dieses Buches zu beherrschen.

 

8. Der Direktor einer großen New Yorker Bank schilderte einmal vor einer meiner Trainingsgruppen ein äußerst erfolgreiches System, das er entwickelt hatte, um sich selbst zu kontrollieren und zu korrigieren. Dieser Mann hatte wenig offizielle Schulbildung genossen. Trotzdem wurde er einer der bedeutendsten Finanziers von Amerika. Er gestand, daß er den größten Teil seines Erfolgs der ständigen Anwendung einer selbsterfundenen Methode verdanke, die er beschrieb: »Jahrelang notierte ich in meinen Terminkalender sämtliche Verabredungen und Besprechungen des laufenden Tages. Meine Familie wußte, daß sie am Samstagabend nicht mit mir rechnen konnte, weil ich einen Teil dieses Abends dazu verwendete, mich selbst zu prüfen, eine Art Wochenrückblick zu halten und Bilanz zu ziehen. Nach dem Abendessen verschwand ich in mein Arbeitszimmer, schlug meinen Terminkalender auf, ließ alle Besprechungen, Verhandlungen und Konferenzen, die im Laufe der Woche stattgefunden hatten, in meinem Gedächtnis Revue passieren und fragte mich:

Welche Fehler habe ich diesmal gemacht?

Was habe ich richtig gemacht, und was hätte ich besser machen können?

Was kann ich aus diesen Erfahrungen lernen?

Es kam nicht selten vor, daß mich diese Wochenrückblicke sehr unglücklich machten. Ich wunderte mich oft über meine eigenen Schnitzer. Natürlich besserte sich das im Laufe der Jahre, und manchmal hatte ich nach einer solchen Selbstanalyse sogar Lust, mir ein bißchen auf die Schulter zu klopfen. Dieses jahrelang praktizierte System der Selbstkritik und Selbsterziehung hat mir mehr geholfen als alles andere, was ich je versucht habe.

Es hat meine Fähigkeit verbessert, Entscheidungen zu treffen – und es hat mir ganz enorm im Umgang mit Menschen geholfen.«

Warum sollten Sie nicht nach einem ähnlichen System prüfen, ob Sie die in diesem Buch aufgestellten Grundsätze auch einhalten? Sie würden damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Erstens würde Ihre Selbsterziehung spannender und wirkungsvoller, und zweitens würden Sie sehr bald feststellen, daß Sie im Umgang mit Menschen erstaunliche Fortschritte machen.

 

9. Führen Sie Tagebuch über Ihre Erfolge bei der Anwendung dieser Prinzipien. Tragen Sie Namen, Datum und Resultat genau ein. Eine solche Kontrolle wird Sie zu immer besseren Leistungen anspornen, und außerdem ist es sehr amüsant, diese Eintragungen nach Jahren wieder durchzulesen!

Zusammenfassung

Neun Ratschläge, wie Sie das meiste aus diesem Buch herausholen können
  1. Hegen Sie den aufrichtigen, brennenden Wunsch, die Grundregeln im Umgang mit Menschen zu beherrschen.

  2. Lesen Sie jedes Kapitel zweimal, ehe Sie das nächste in Angriff nehmen.

  3. Machen Sie beim Lesen öfter eine Pause und fragen Sie sich, wie Sie in Ihrem Fall jede Regel praktisch anwenden können.

  4. Unterstreichen Sie jede wichtige Regel.

  5. Nehmen Sie das Buch jeden Monat wieder neu zur Hand.

  6. Wenden Sie die darin enthaltenen Grundsätze bei jeder Gelegenheit an, und benützen Sie es bei der Lösung Ihrer täglichen Probleme als Handbuch.

  7. Machen Sie sich einen Sport daraus, die Regeln zu lernen, indem Sie jemandem aus der Familie oder einem Freund jedesmal ein Geldstück bezahlen, wenn er Sie dabei ertappt, daß Sie einen der Grundsätze verletzen.

  8. Kontrollieren Sie Ihre Fortschritte jede Woche und fragen Sie sich, welche Erfolge Sie buchen konnten, welche Fehler Sie gemacht haben und was Sie daraus für die Zukunft lernen können.

  9. Führen Sie Buch darüber, wie und wann Sie nach diesen Grundsätzen gehandelt haben.

Erster Teil Grundregeln für den Umgang mit Menschen