Bernd Gieseking
Das kuriose Finnland-Buch
Was Reiseführer verschweigen
FISCHER E-Books
Bernd Gieseking ist gerne auf Reisen, und zwar am liebsten da, wo es kalt ist: Arktis, Grönland, Spitzbergen – und natürlich Finnland. Als sein jüngerer Bruder sich ausgerechnet in eine Finnin verliebt hatte und nach Lahti gezogen war, kam der »Ü-50« nach vielen Jahren noch einmal in den Genuss eines Familienausflugs mit seinen alten Eltern – und machte aus den vielen großartigen Erlebnissen ein wunderbares Buch: »Finne dich selbst!«. Für das kuriose Finnland-Buch ist er wieder auf Reisen gegangen und hat noch viel mehr Typisches und Einmaliges gefunden: seltsames Suomi.
Wenn Gieseking nicht reist, dann schreibt er: Kolumnen für die »Wahrheit«-Seite der »taz«, Kinderbücher, Kinderhörspiele für den WDR Hörfunk, vor allem aber satirisch-literarische Solo-Programme wie seinen Jahresrückblick »Ab dafür!« – und mit dem reist er dann wieder, quer durch die Republik.
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Erschienen bei FISCHER E-books
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2014
Covergestaltung: Geviert - Büro für Kommunikation, München
Coverabbildung: Shutterstock
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ISBN 978-3-10-402987-0
Hin und weg
Der Mensch braucht Ziele. Träume. Die einen gehen auf den Jakobsweg, die anderen besteigen den Mount Everest. Mein Traum ist Finnland. Ich hatte bislang Turku, Tampere und Lahti besucht, war in Helsinki, Vääksy und Pietarsaari gewesen und hatte das Land zwischen diesen Städten gesehen. Ich war im Winter in Ivalo, Inari und Saariselkä gewesen und hatte einen Ausflug zur restlos verschneiten russischen Grenze gemacht. Ich hatte damit schon mehr von Finnland gesehen als die meisten, aber eigentlich immer noch unfassbar wenig.
Auf der letzten Reise hatte ich im Sommer am Vesijärvi-See gesessen, den Abendhimmel in seinen glühenden Farben gesehen, und in mir formte sich immer mehr die Idee, man müsste mal um Finnland herumfahren. Komplett. Die verschiedenen Landschaften sehen, die unterschiedlichen Mentalitäten erleben.
Ich kaufte mir eine Straßenkarte. Und war schnell entschieden! Mein Reiseplan war so klar wie ungefähr: Start in Helsinki, die Küste entlang Richtung Turku, dann am Bottnischen Meerbusen hoch, weiter an den Grenzen zu Schweden, Norwegen und Russland entlang durch Lappland, durch Karelien bis zum Finnischen Meerbusen, Suomenlahti, und an diesem entlang, auf dem »Königsweg«, Kuninkaantie, zurück bis Helsinki – immer möglichst auf der der Grenze oder dem Meer nächstgelegenen Straße. Ympäri Suomen. Einmal rund um Finnland.
Ich würde allein in meinem Auto sitzen. »A poor lonesome cowboy, a long way from home.« Dem gleißenden Licht des finnischen Sommers entgegen, und auf dem Rückweg würde ich immer noch lange Schatten werfen. Ich wollte von außen auf das Innere schauen. Den Finnen entdecken. Den Faszinierendsten aller Europäer. Ich hatte viele Fragen im Gepäck und sechs Wochen Zeit. Dann brach ich auf.
Nicht auf jede Frage habe ich Antworten gefunden, aber Erstaunliches und Interessantes fand ich allemal. Folgen Sie mir nun zu Kuriositäten und zu Offensichtlichem, zu den Rentieren in Lappland, zur Trüffelsuche in Lahti, zum joulupukki in Rovaniemi, zu den Mumins und Angry Birds, zu Flying Finns und Water Cross, zu giftigen Pilzen und tödlichen Mäusen, zu Joiks und Zauberkünsten. Folgen Sie mir zu den Finnen.
Aus meinem Reisetagebuch I
Ich wollte mit der Fähre von Stockholm nach Turku übersetzen. Müde stand ich im Regen am Kai in der Warteschlange. Abfahrt der Fähre nach Turku: 7 Uhr 10. Kaum war ich an Bord, riss der Himmel auf. Die Ausfahrt durch Stockholms Schärenlandschaft ist genauso einzigartig wie die Einfahrt zwischen den Finnland vorgelagerten Schären bei Turku.
Auf dieser Überfahrt von etwa achteinhalb Stunden Dauer kann man bereits Finnland-Typisches »erschnuppern«, einerseits am Buffet, vor allem aber bei den Kulturangeboten an Bord.
Im vorderen Schiffsteil, in der Iskelmä Bar (»Schlager-Bar«) folgte auf die Kinderanimation das bei Finnen so beliebte Karaoke. Ich stellte das Handy um auf finnische Zeit, denn Bordzeit ist Finnland-Zeit. Vor allem war jetzt Frühstückszeit an Bord der »Baltic Princess«. Ich hatte Hunger. Ich befahl mir: »Du isst, was alle anderen auch essen.« Puuro! 2 Euro 50. Auf Schwedisch »Gröt« – Grütze! Ich bedankte mich innerlich bei Mutter und Großmüttern – so etwas musste ich zu Hause in Ostwestfalen nie essen!
Puuro ist erstaunlich geschmacklos, also hilft man mit Marmelade nach. Oder mit Zucker und Zimt. Ich brauchte viel Marmelade. Es war aber nur noch wenig Marmelade da. Finnen, Schweden und Balten wussten, warum. Sie beluden ihre Teller kellenweise. Man hörte das Porzellan beinah bersten. Es war, als seien sie alle nach wochenlanger Havarie erstmals wieder in der Nähe von Herd und fester Nahrung. Wobei – fest? Puuro hat die Konsistenz von Kleister, nur wirkt es körniger. Ich assoziierte Klebstoff. Wenn das nicht stopfte, was dann? Ich würde nun tagelang nichts mehr essen müssen. Und können.
Ich schlenderte zum Supermarkt an Bord. Hier waren Bierpaletten gestapelt, in Höhe und Ausmaß, als wollte man den Pyramiden Konkurrenz machen, nur ohne das pyramidale Konzept und den Wunsch nach Überdauern in Ewigkeit. Hier ging es eher um den sisyphosgleichen steten Ab- und Wiederaufbau der bieralen Turmbauten zu Turku!
Wegen der strengen Alkoholgesetze im Norden Europas sind die Fährfahrten jenseits der reinen Überquerung von Wasserflächen in purer Urlaubsabsicht auch für eine Fahrt »zwischendurch« sehr beliebt, denn hier kann man alle möglichen Alkoholika zu zollfreien Preisen einkaufen. Vor Jahren schon staunte ich über die kleinen Einkaufstrolleys, auf denen vier Paletten Bier gestapelt und durch ein Gummiseil gesichert waren. Vier Paletten zum Sonderpreis, rollfertig gepackt, der Trolley im Preis inbegriffen. Nun sah ich etwas Neues. Den Trolley hatte man nachgebessert und die Räder verstärkt. Nun gab es zusätzlich die Variante mit acht Paletten! Es kann nicht mehr lange dauern, und es wird eine neue Weltmeisterschaft geben, einen Hindernisparcour, den man mit dem achtfach gepackten Trolley vom Supermarkt bis zu den Autodecks zu durchfahren hat.
Ich holte mir einen Kaffee am Automaten. Drei Knöpfe: einer für heißes Wasser. Daneben einer für »Svart Kaffe« auf Schwedisch, auf Finnisch: Kahvi. Dann: »Svart Kaffe – plats för mjölk«, Finnisch: Kahvi maitovaralla. Hier wird die Tasse nicht ganz voll gemacht, damit Platz für Milch bleibt. Ich bewunderte den Finnen und seinen absoluten Hang zum Praktischen.
Aus meinem Reisetagebuch II
Ich wartete gespannt auf das Karaoke. Karaoke gehört in Finnland seit einigen Jahren zur Volkskultur. Das sangesfreudige Volk macht das nicht nur in Diskotheken, mittlerweile bietet jede Kneipe, oft mehrfach in der Woche, Karaoke an.
In anderen Ländern ist Karaoke meistens ein Gruppenvergnügen. Die Finnen sind Individualisten, auch hier. Es singt, wer Lust hat zu singen. Das geht durch alle Altersstufen und ist im Vortrag von einer ehrfurchtgebietenden Ernsthaftigkeit, die keinerlei Schadenfreude zulässt. Können wird belohnt, Amateurhaftes aber nicht abgestraft. Internationale Hits sind selten zu hören, meistens werden finnische Schlager vorgetragen.
Ein Mann sang. Aikaan täysikuun. Die finnische Version von »California Blue«. Sofort wurde getanzt. Dann sang ein junges Paar gemeinsam. Ein großartiges Duett. »Is it true, when you say, that you love me …«. »I will stay«, ein Hit der »Hurriganes«.
Niemand muss hier zum Singen aufgefordert oder animiert werden. Wie von Zauberhand sind immer wieder genügend Sangeswillige am Mikrophonständer und starren konzentriert auf den Bildschirm, auf dem die Songtexte durchlaufen. Und kein Sänger erwartet Applaus. Man geht mit dem letzten Ton einfach wieder zurück an seinen Platz.
Aus meinem Reisetagebuch III
Die Fähreinfahrt in Turku: 18 Uhr und die Sonne knallte – Sommer in Finnland. Das Umland von Turku war in aufgeräumter Stimmung. Finninnen in Badeanzügen winkten uns von den Felsen zu wie die Sirenen einst Odysseus. Häuser stehen hier zwischen Kiefern und Birken an den Uferwegen. Sobald eine Schäre, der Fels, die Fläche eines normalen Esstischs überschreitet, setzt der Finne ein Haus darauf. Die schönste Landschaft der Welt, alles andere ist höchstens genauso schön. Als Gott die Erde geschaffen hat, muss ihm die Idee dazu auf einer Schäre gekommen sein.
»Man ist nicht zu betrunken, solange man auf dem Boden liegen kann, ohne sich festzuhalten.«
(Finnisches Sprichwort)
Was dem Finnen wichtig ist
Warum liebt der Finne windige Tage? Dann steht seine Flagge gut im Wind. Und der Finne ist stolz auf seine Fahne und hängt sie gern und oft in den Wind. Die Suomen lippu oder auf Schwedisch, in der zweiten Amtssprache, »Finlands flagga«, heißt im Land auch siniristilippu, Blaues-Kreuz-Flagge. Ein blaues Kreuz quer auf weißem Grund. Das Weiß symbolisiert die schneereichen Winter, das Blau die Seen Finnnlands.
Die finnische Flagge fußt in ihrem Design auf dem »Dannebrog« (»dänisches Tuch«), der dänischen Nationalflagge, einem weißen Kreuz auf rotem Grund, einer der ältesten Flaggen überhaupt, die bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Finnland bekam seine Fahne mit Erlangen der Unabhängigkeit von Russland 1917. Designer waren Eero Snellman und Bruno Tuukkanen.
Neben der Suomen lippu gibt es noch die im Design abweichende Staatsflagge, mit integriertem finnischen Wappen, die Präsidentenflagge und die Kriegsflagge. Sámi und Åländer haben eine eigene Fahne (und zusätzliche eigene Flaggentage), die Finnlandschweden haben inzwischen auch eine eigene, allerdings »nichtoffizielle« Flagge.
Jeder Finne darf die Flagge hissen, wann er will, an Flaggentagen oder zu privaten Anlässen. Das wird besonders augenfällig, wenn man erst die hauptstädtische Region um Helsinki hinter sich lässt, denn ab da ist fast alles ländlich, und viele Einfamilienhäuser haben stolz den Fahnenmast auf dem Grundstück in den Boden gepflanzt. Und da zieht der Finne die Fahne hoch. Bei Taufe und Konfirmation flattert sie im Wind, genauso bei Hochzeiten, und bei Beerdigungen im Familienkreis wird sie auf halbmast gehängt.
Die Fahne darf nicht beschmutzt werden. Weder beim Hissen noch beim Einziehen darf sie den Boden berühren. Flaggen werden normalerweise um 8 Uhr morgens hochgezogen und nicht später als 21 Uhr abgenommen. Außer am »Tag der finnischen Flagge«, da wird sie am Vorabend von Mittsommer um 18 Uhr gehisst und bleibt über Nacht bis 21 Uhr am darauffolgenden Tag, dem Mittsommerfest, am Mast hängen.
Bei der Fahne versteht der Finne keinen Spaß. Als der deutschstämmige Autor und Schauspieler Roman Schatz auf dem Titelbild seines Buches »Der König von Helsinki« mit Filzzylinder und Hula-Halskette in den Deutschlandfarben nackt in der Sauna, mit seinem blanken Po auf der finnischen Flagge sitzend, abgebildet war, wurde ihm das von vielen Finnen sehr übel genommen. Eine finnische Freundin von mir, die zu einem deutsch-finnischen Basar die Flagge als Tischtuch verwandt hatte, wurde von ihren Landsleuten streng ermahnt.
Die offiziellen Flaggentage sind:
der Tag der finnischen Kultur, 28. Februar, Kalevalan päivä
der Tag der Arbeit, 1. Mai, vappu
der Muttertag, der zweite Sonntag im Mai
der Tag des Flaggenfestes der Armee am 4. Juni, poulustusvoimain lippujuhlan päivä
juhannus, das Mittsommerfest und gleichzeitig der Suomen -lipun päivä, der »Tag der finnischen Flagge«, am Samstag zwischen dem 20. und 26. Juni
der Unabhängigkeitstag am 6. Dezember, itsenäisyyspäivä
alle Tage, an denen Wahlen, nationale, kommunale, die Europawahl oder Volksabstimmungen, abgehalten werden
der Tag, an dem der Präsident ins Amt kommt
In Finnland unterscheidet man offizielle und sogenannte eingebürgerte Flaggentage. An offiziellen Flaggentagen muss an öffentlichen Gebäuden gehisst werden. Keine Pflicht, aber Brauch ist es, an folgenden Tagen, den »eingebürgerten« Flaggentagen, ebenfalls die Fahne zu hissen:
am Runebergin päivä, dem Runeberg-Tag am 5. Februar. Runeberg gilt als finnischer Nationaldichter. Von ihm, dem Finnlandschweden, stammt der Text zur Nationalhymne Maamme. Am Runeberg-Tag isst ganz Finnland Runeberg-Törtchen Runebergin torttuja, Mandeltörtchen mit Zuckerguss und Himbeermarmelade, denen man nachsagt, seine Frau habe sie erfunden, und von denen er angeblich jeden Tag eines aß.
am Tag der Gleichberechtigung, dem Minna-Canth-Tag, Minna Canthin päivä. Minna Canth (1844–1887) war Schriftstellerin und Frauenrechtlerin. Sie schrieb hochpolitische Dramen und Romane zur Situation der Frauen, und das – obwohl Finnlandschwedin – auf Finnisch. Als erstes europäisches Land führte Finnland, und das war auch ihrem Wirken zu verdanken, 1907 das Frauenwahlrecht ein. Ihr Geburtstag, der 19. März, wurde zum Tag der Gleichberechtigung.
am Tag der finnischen Sprache. Mikael Agricolan päivä, der Mikael-Agricola-Tag, ist am 9. April, seinem Todestag im Jahre 1557. Agricola ist Theologe und Reformator, und man sieht in ihm den Vater des Finnischen als Schrift- und Literatursprache. Er ist quasi der Martin Luther Finnlands. Agricola wirkte in Turku im Domkapitel und an der Lateinschule, arbeitete erst für den dortigen Bischof und wurde dann dessen Nachfolger. Agricola übersetzte die kirchliche, also lateinische Glaubenslehre ins Finnische, u.a. das Vaterunser, ebenso das Neue Testament. 1543 beendet, erschien es 1548 in Stockholm. Übersetzungen aus dem Alten Testament folgten.
am Nationalen Veteranentag, dem 27. April, Kansallinen veteraanipäivä.
am 12. Mai, dem Tag der finnischen Kultur, dem J.V. Snellmanin päivä. Johan Vilhelm Snellman, am 12. Mai 1806 geboren, war ein finnischer Philosoph, Journalist und Staatsmann. Wirtschaftpolitisch gelangen ihm zwei »Revolutionen«, zum einen die Durchsetzung der finnischen Mark als Zahlungsmittel gegenüber den Finnland verwaltenden russischen Behörden, gekrönt mit der Ratifizierung des sogenannten Währungsmanifestes durch Zar Alexander den II. im Jahr 1865. Die zweite revolutionäre Änderung, die wahrscheinlich weittragendere, war ihm fast genau zwei Jahre zuvor, 1863, gelungen, ein Abkommen mit Zar Alexander, am Senat vorbei, über die Ablösung des Schwedischen als alleinige Amtssprache mit einer Übergangszeit von 20 Jahren – was dann zwar länger dauerte, aber hier seinen Weg nahm. Das finnische Volk könne sich nur durch Nutzung und Entwicklung des Finnischen als Sprache zur Nation entwickeln, so das staatsphilosophische Denken Snellmans.
am Tag der Dichtung und des Sommers, am 6. Juli, dem Eino-Leino-Tag, Eino Leinon päivä. Eino Leino, oder Armas Einar Leopold Lönnbohm, war Schriftsteller, Lyriker, Literaturkritiker und übersetzte u.a. Goethe und Schiller. Sein Geburtstag im Jahr 1878 bestimmt dieses Datum.
am Tag der finnischen Literatur, dem 10. Oktober, dem Aleksis Kiven päivä, dem Aleksis-Kivi-Tag. Auch Kivi zählt zu den Nationaldichtern. Geboren 1834, traf er in jungen Jahren wichtige Finnen wie Snellman und Elias Lönnrot. Er scheiterte aber anfangs mit seinem später weltberühmten Roman »Die sieben Brüder« an der Kritik, auch der von Kollegen. Allgemein hieß es, der Roman gebe ein völlig falsches Bild des aktuellen Finnlands wieder. August Ahlquist, Sprachforscher und Schriftsteller, wohl damals eine Art Gralshüter finnischer Sprache und Literatur, ein Reich-Ranicki seiner Zeit, beurteilte den Roman im Erscheinungsjahr 1870 als »eine lächerliche Arbeit und ein Schandfleck der finnischen Literatur«. Kivi wurde depressiv und starb mit nur 38 Jahren. Später wurden »Die sieben Brüder« in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Die deutsche Erstausgabe erschien 1901.
am 24. Oktober, dem UNO-Tag oder Tag der Vereinten Nationen, Yhdistyneiden kansankuntien päivä. Die 192 angeschlossenen Staaten erinnern damit an den Tag, an dem die Charta im Jahre 1945 in Kraft trat. Finnland trat der UNO am 14.12.1955 bei.
am Tag der schwedischen Kultur, ruotsalaisuuden päivä, dem 6. November, feiert die schwedischsprachige Minderheit, die Finnlandschweden, ihre Kultur und die Zweisprachigkeit Finnlands. In Schweden ist an diesem Tag der Gustav-Adolf-Tag, der 1632 in der Schlacht bei Lützen starb. In den 1930er Jahren des letzten Jahrhunderts war dieser Tag nicht unumstritten, und es kam zwischen Finnen und Finnlandschweden sogar zu Straßenschlachten. Die Finnen feierten damals nach der jahrhundertelangen schwedischen Herrschaft das Ende des »aggressiven Imperialismus«. Inzwischen ist dieser Tag nicht mehr Schauplatz politisch divergierender Meinungen, sondern vielmehr ein Zelebrieren der finnischen Zweisprachigkeit.
am zweiten Sonntag im November begeht Finnland seinen Vatertag, und hier kann geflaggt werden, im Gegensatz zum Muttertag, da muss!
am Tag der finnischen Musik, am 8. Dezember, dem Jean-Sibelius-Tag, Jean Sibeliuksen päivä. Auch hier ist dessen Geburtstag am 8. Dezember 1865 in Hämeenlinna zum Jahrestag geworden. Dies ist der jüngste der Gedenktage, erst 2011 eingerichtet und benannt nach dem größten finnischen Komponisten.
Die Finnen haben ihre Mark, markka, geliebt wie wir Deutschen die unsere. Und auch die finnische markka hatte einen Wert von 100 Pfennigen. Der Weg zur eigenen Währung war lang für die Finnen, kein Wunder, dass sie die nicht so schnell verlieren wollten.
Im frühen Mittelalter galt eine »Silberwährung«. Als die Schweden im 13. Jahrhundert Finnland besetzten, brachten sie ihre Währung mit: Öre, Mark und Taler. Nach dem russisch-schwedischen Krieg geriet Finnland als Großfürstentum unter die Herrschaft der Zaren, und die führten natürlich den Rubel ein und die Kopeke.
Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert durch die finnische Zentralbank, die Suomen Pankki (auf Schwedisch »Finlands Bank«), die viertälteste Zentralbank der Welt, gegründet am 1. März 1811 in Turku, damals Hauptstadt des Großfürstentums Finnland unter zaristischer Herrschaft. (1819 zog die Suomen Pankki in die neue Hauptstadt Helsinki.) Anfangs hatte die Bank die vornehmliche Aufgabe, die schwedischen Währungen einzuziehen. 1840 gab sie erstmals Banknoten aus, und 1865 gestaltete sie den Übergang vom Rubel zur Finnischen Mark, ein wichtiger Schritt für Selbstverständnis und Selbstvertrauen der finnischen Nation und die Entwicklung eines nationalen Bewusstseins.
Durch den Beitritt zur EU übernahm Finnland um die Jahrtausendwende den Euro als Währung und schaffte die alte, eigene Währung ab. 1999 wurde der Euro als Buchgeld eingeführt, 2002 als Bargeld.
Bei den Euro-Münzen gibt es eine Besonderheit. Ein- und Zwei-Cent-Stücke sind in Finnland quasi gar nicht im Umlauf. Im Land werden traditionell fast alle Preise auf 5-Cent-Beträge auf- oder abgerundet. Laut Europäischer Zentralbank besteht aber die Pflicht, alle Münzen zu prägen, und so gibt es sie, nur in kleinen Auflagen, überwiegend für Münzsammler.
Auf den Ein-, Zwei- und Fünf-Cent-Münzen ist der finnische Wappenlöwe zu sehen, auf der Ein-Euro-Münze fliegen Singschwäne über einer Seenlandschaft, und die Zwei-Euro-Münze zeigt eine blühende Moltebeere.
Für Nostalgiker: der Umtauschwechselkurs zum Euro (EUR)
1 FIM | = 0,17 EUR (0,168188 EUR) | 1 EUR | = 5,95 FIM (5,94573) |
10 FIM | = 1,68 EUR | 10 EUR | = 59,46 FIM |
100 FIM | = 16,82 EUR | 100 EUR | = 594,57 FIM |
Die Finnen haben einen Ausweis mit Daumenkino. Weltweit einzigartig! Seit August 2012 gibt es in Finnland diesen neuen Reisepass: Auf jeder rechten Seite unten ist ein Elch abgedruckt (Alces alces, Schwedisch: »älg«, Finnisch: hirvi). Nimmt man den Pass und lässt die Ausweisseiten wie ein Daumenkino durch die Finger gleiten, sieht man, wie der Elch läuft! Eine Bewegungsstudie in insgesamt 6 Bildern, eine komplette Schrittfolge aller vier Beine. Auf insgesamt 20 Seiten läuft der Elch durch den Reisepass, und keiner gleicht dem anderen, immer ist am Bauch, am Hinterlauf, an den Hufen, am Rücken oder unter seinem Kinn ein unterschiedlicher Schattenverlauf. Alles auch im Dienste der Sicherheit, um Fälschern das Leben schwer bis unmöglich zu machen.
Mika Hansson vom finnischen Innenministerium ist mit Spezialaufgaben im Bereich Passwesen im Polizeipräsidium Helsinki betraut. Er war auch bei der Entwicklung dieses Ausweises eingebunden und erklärt mir die verschiedenen Sicherheitsaspekte. Er weist auf einen blassen Rand auf der Innenseite, fast wie ein Kaffeefleck wirkend, einen gezackten Kreis, für das bloße Auge unscheinbar. Dann holt er eine Vergrößerung dieser Seite. Der »Rand« ist eine umlaufende Gedichtzeile aus »Nocturne«, geschrieben vom finnischen Nationalpoeten Eino Leino:
»Ruislinnun laulu korvissani, tähkäpäiden päällä täysi kuu, kesäyön on onni omanani, kaskisavuun laaksot verhoutuu.«
Nocturne, also ein Nachtgesang. Hier der Versuch einer lyrischen Übersetzung: »Den Gesang des Wachtelkönigs in meinen Ohren, über den Ähren der Vollmond, ist das Glück mein in der Sommernacht, vom Rauch des brennenden Waldes werden die Täler verhüllt.«
Auch dies ein raffiniertes Sicherheitsfeature. Man staunt: Ein Ausweis mit Lyrik und Daumenkino!
Äußerlich ähnelt der finnische Reisepass in Format und Farbe unserem. Die Unterschiede beginnen aber schon im Aufdruck. Der finnische Ausweis ist zweisprachig, Finnisch und Schwedisch als Amtssprachen befinden sich beide bereits auf dem Titel.
Der Ausweis ist ein Meisterwerk aus Heimatliebe und Sicherheitskomponenten. Im Umschlag innen sieht man eine hügelige Landschaft, bestanden mit verschiedenen Bäumen, farbig gehalten, überwiegend in Grüntönen, von einem Singschwan überflogen. Freundlichkeit, Helle und Natur stehen dabei dem tristen Einerlei anderer europäischer Ausweise gegenüber. Auch das finnische Wappen, der Löwe mit dem Schwert, findet sich hier wieder. Auf der Rückseite findet man im führenden Design-Land der Erde Schneekristalle, nicht gedruckt, sondern als leichte Reliefs.
Mika Hansson erklärt weitere Details. So ist z.B. auch ein Chip in diesem Ausweis eingebaut, ein Verfahren, das seit 2006 möglich ist. Der finnische Reisepass ist wahrscheinlich das sicherste Reisedokument weltweit, das auf bewunderswert spielerische Weise die Sicherheitsanforderungen der EU erfüllt.
Neben dem »laufenden« Elch auf jeder rechten Seite finden sich auf jeder linken Seite im Reisepass weitere Tiere, die typisch sind für unterschiedliche finnische Regionen:
Eichhörnchen, orava auf Finnisch, ekorre auf Schwedisch, Latein: Sciurus vulgaris
Rentier, poro, ren, Rangifer tarandus tarandus
Weißrückenspecht, valkoselkätikka, vitryggig hackspett, Dentrocopos leucotos
Vielfraß, ahma, järv, Gulo gulo
Braunbrustigel, siili, igelkott, Erinaceus europeus
Sperber, varpushaukka, sparvhök, Accipiter nisus
Braunbär, karhu, björn, Ursus arctos
Hermelin, kärppä, hermelin, Mustela erminea
Kranich, kurki, trana, Grus grus
Rotfuchs, kettu, räv, Vulpes vulpes
Schneehase, metsäjänis, skogshare, Lepus timidus
Auerhuhn, metso, tjäder, Tetrao urogallus
eurasischer Luchs, ilves, lodjur, Lynx lynx
Grasfrosch, sammakko, vanlig groda, Rana temporaria
Uhu, huuhkaja, berguv, Bubo bubo
Reh, metsäkauris, rådjur, Capreolus capreolus
Wolf, susi, varg, Canis lupus
Mauersegler, tervapääsky, tornseglare, Apus apus
Fischotter, saukko, utter, Lutra lutra
Saimaa-Ringelrobbe, saimaannorppa, saimenvikare, Pusa hispida saimensis
Übrigens: Sollte der Finne seinen schönen Ausweis einmal verlieren, kann er einen Express-Pass bekommen. Das aber nur an zwei Stellen im Land, ausgegeben von der Polizei: am Helsinki-Vantaa Airport und im Stadtteil Pasila bei der Polizeistation Helsinki. Und er muss dabei ein wenig Glück haben, denn es gibt nur eine täglich limitierte Anzahl an »kurzfristigen Pässen«.
Was bei uns Wochenendhaus heißt und im Osten Deutschlands Datsche, das ist in Finnland das mökki. Emotional ist es aber weit mehr als das. Eigentlich ist es das Wohnzimmer des Finnen, auch wenn sich das mökki hunderte Kilometer von der eigentlichen Wohnung entfernt befindet. Der Finne fühlt sich dort wie in seinem ganz privaten Schloss Neuschwanstein. Es ist, egal wie es ausgestattet ist, Schloss Windsor und Bärenhöhle zugleich, Rückzugsort und Gemütlichkeit, Versteck genauso wie Ballsaal. Hier ist man gern allein und empfängt genauso gerne Freunde und Familie.
Früher war das mökki eine kleine Zweiraumwohnung, ein Schlaf- und Wohnraum mit kleiner Feuerstelle und daneben die Sauna, das saunamökki. Das war alles. Man quetschte sich hinein und fühlte sich wohl. Heute sind manche dieser mökkis fast schon opulent ausgestattet, es fehlt an nichts, vom Wäschetrockner bis zum Flachbildschirm mit Satellitenschüssel ist alles vorhanden.
Der Finne ist naturverbunden wie kaum ein anderer Europäer. Und fast jeder, fast jede Familie, besitzt so ein mökki. Hier wird gewerkelt und gegärtnert, Holz gehackt und gestapelt, hier werden Beeren gepflückt, wird Fisch geräuchert, mit der Eishockey-Nationalmannschaft gefiebert oder einfach nichts getan und nur in die Natur geschaut.
Das Wichtigste am mökki ist der direkte Zugang zum See und ein eigener Steg. Mökkis ohne Steg sind beinahe mökkis zweiter Klasse.
Erfunden haben die Finnen die Sauna nicht, sie ist traditioneller Bestandteil unterschiedlichster Volkskulturen seit Tausenden von Jahren. Aber nirgends wurde sie so zum bestimmenden Element des Lebens wie in Finnland. Heute spricht man von über 2 Millionen Saunen in einem Land, in dem nur 5,4 Millionen Menschen leben. Die größte Saunalandschaft der Welt.
Die Sauna gehört zum Finnen wie die Haut zum Körper. Es geht nicht ohne. Was wir vielleicht als Spleen betrachten, war ein immens wichtiger Beitrag zur Volksgesundheit – und da hätten wir uns manchen Schweißtropfen von abschneiden können.
Das Saunen ersetzte dem Finnen die Dusche, lange bevor es fließendes Wasser gab. Saunieren reinigt den Körper. Und weit mehr: Die Hitze tötet alle Bakterien, vor allem auch die Läuse. Zur Zeit des Winterkriegs und des Fortsetzungskriegs, während des Zweiten Weltkriegs, litten die russischen Soldaten unter Fleckfieber, den schlechten hygienischen Verhältnissen geschuldet und übertragen durch Läuse, Milben, Zecken oder Flöhe. Kein Problem für die Finnen, denn die saunierten auch im Krieg. Bis heute nehmen finnische Truppen in UN-Diensten mobile Saunen mit in die Einsatzgebiete, ins ohnehin heiße Eritrea genauso wie zur Friedensmission in den Kosovo. Man sagt ihnen nach, die Sauna sei das Erste, was sie im Camp errichten.
Sogar zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin wurde den finnischen Sportlern im olympischen Dorf eine Sauna installiert.
Warum tragen manche Finnen in der Sauna Woll- oder Filzmützen?
»Die trage ich auch im Winter, also kann ich sie auch im Sommer auflassen.« Timo, 57, Lempäälä
»Die ist von meiner Frau gemacht, die muss ich tragen, sonst ist sie sauer.« Janne, 48, Nokia
»Mit Wollmütze hältst du die Hitze viel besser aus.« Pentti, 67, Tampere
»Wenn ich in der Sauna keine Mütze habe, brechen meine Haare!« Paula, 38, Tampere
»Wenn du bei uns in Lappland keine Mütze aufhast, wenn du nach der Sauna in den See gehst, dann stechen dir die Mücken den Kopf kaputt!« Kimmo, 61, Sodankylä
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