Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2019
Copyright © 2019 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
Mit Illustrationen von Ute Krause
Lektorat Marie-Ann Helle
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.
Covergestaltung any.way, Barbara Hanke/Cordula Schmidt
Coverabbildung Ute Krause; Shutterstock
Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.
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ISBN 978-3-644-40433-5
www.rowohlt.de
Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.
ISBN 978-3-644-40433-5
Hätte ich Zack und Attila damals im Park einfach sitzenlassen, wäre ich an diesem Morgen ganz sicher länger im Bett geblieben. Schließlich hatte ich erst zur Zweiten, und da gab es für mich gar keinen Grund, so früh aufzustehen. Aber ich hatte den alten Zauberer und seinen Chamäleon-Drachen mit nach Hause genommen, und deswegen war ich auch schon so früh wach. Aus lauter Sorge, dass die beiden wieder irgendwas angestellt haben könnten.
Ich kletterte aus meinem Bett und lief zum Fenster. Von da aus kann ich in den Garten gucken und auch den Schuppen sehen, in dem ich alle die Sachen aufbewahre, die ich auf der Straße finde und die man vielleicht noch mal irgendwie gebrauchen kann. Ich bin Sachensammler, da kann ich gar nicht anders. Ich nehme alles mit, was ich finde, auch wenn es ein dicker, eingebildeter Zauberer und ein kleiner, feuerspuckender Drache sind.
«Puh, Glück gehabt!», murmelte ich, weil da draußen auf den ersten Blick alles völlig normal und friedlich aussah. Der Rasen wurde von einer hauchdünnen Schicht Morgennebel bedeckt, und die Morgensonne blinzelte in mein Zimmer hinein. Der Schuppen schien die Nacht unbeschadet überstanden zu haben, und gefährliche Trolle trieben sich in unserem Garten auch keine herum.
Das war mehr, als ich erwartet hatte. Viel, viel mehr.
Erleichtert drehte ich mich um, weil ich mich noch mal für eine halbe Stunde hinlegen wollte, als ich hinter mir ein lautes
hörte.
Ich lief zurück zum Fenster, und da sah ich eine Silvesterrakete in den Himmel steigen, die im nächsten Moment auch schon hoch oben zwischen den Wolken mit einem lauten
in allen Farben des Regenbogens explodierte.
Ich wusste sofort, wo die Rakete hergekommen war. Aus dem Schuppen natürlich. Da lagerten ein paar alte Blindgänger, die ich nach der letzten Silvesternacht auf einer Wiese gefunden hatte. Außerdem war jetzt ein Loch in dem dünnen Blechdach, und das war vorher noch nicht da gewesen. Das Loch war ungefähr faustdick und konnte nur bedeuten, dass sich die Rakete auf ihrem Weg zu den Sternen da durchgefressen haben musste.
Blieb nur die Frage, wer sie abgefeuert hatte?
Dumme Frage!
Das konnten nur Zack und Attila gewesen sein.
«Verdammte Hacke», fluchte ich und rannte schnell die Treppe runter.
Ich musste unbedingt wissen, warum die beiden im Schuppen mit Raketen herumschossen. Einerseits. Andererseits machte ich mir auch Sorgen um die beiden. Vielleicht brannte es ja im Inneren des Schuppens und die Rakete war deswegen losgegangen.
Vielleicht waren da aber auch Trolle im Schuppen, und die Rakete war so eine Art Hilferuf.
Vielleicht waren die zwei schon mausetot.
Bei dem Gedanken wurde ich leichenblass und vergaß sogar meine Angst, dass irgendwer in der Nachbarschaft die Rakete ebenfalls gesehen haben könnte. Und dass der dann vielleicht die Polizei rufen würde und die dann vorbeikäme, um den Schuppen zu durchsuchen. Und wenn sie dort Zack und seinen Drachen fanden, dann würden sie die beiden sicher mitnehmen und zu Professor Schrödinger bringen. Der war ja sowieso hinter ihnen her, weil er mit seiner Nicht von dieser Welt-App herausgefunden hatte, dass Zack und Attila genau das sind – nicht von hier.
So, jetzt ist es raus.
Zackarius der Große, genannt Zack, und sein Drache stammen nicht von unserer Welt. Sie sind aber keine Außerirdischen oder Aliens oder grüne Männchen oder so was. Die zwei kommen aus einer Welt, die keinen Namen hat. Einer Welt, in der auch Trolle, Einhörner, Drachen und Zwerge leben. Ich habe die zwei gefunden, als sie in einem riesigen Fass in unserem Park gelandet sind. Gelandet ist der falsche Ausdruck. Sie sind mit einem gewaltigen
mitten vor meine Füße geknallt und hätte ich nicht kurz angehalten, um mich nach einem verrosteten Kartoffelschäler zu bücken, wäre ich heute platt wie ein Tablet. Das Fass ist auf dem Parkweg dann ins Rollen geraten und über den Rasen in den Teich gekullert. Ich habe es schnell da rausgeholt, damit die beiden nicht ertrinken.
Was hätte ich sonst tun sollen?
Ich musste ihnen helfen, das hätte jeder gemacht.
Und dann habe ich sie mit zu mir genommen und sie bei mir zu Hause im Schuppen untergebracht. Okay, DAS hätte vielleicht dann doch nicht jeder gemacht, aber ich sagte ja schon, dass ich ein Sachensammler bin, der alles mit nach Hause schleppt, was er unterwegs findet.
Im Schuppen haben sie mir erzählt, dass die hundsgemeine Infamia sie verbannt hat, weil die zwei ihr das magische Xalabu geklaut hatten. Die hundsgemeine Infamia ist die Herrscherin im Land ohne Namen, aus dem Zack und Attila stammen. Die ganze Geschichte war schrecklich verworren, und es hat ewig gedauert, bis ich alles verstanden habe. Ich hätte das auch nie geglaubt, wenn der kleine Drache nicht tatsächlich reden und Feuer spucken könnte und die zwei sich nicht auch sonst ziemlich komisch benommen hätten. Sie hatten zum Beispiel noch nie ein Auto oder einen Hubschrauber oder eine Glühbirne gesehen. Die dachten wirklich, Autos wären gefährliche Ungeheuer und Helikopter fliegende Drachen und die Glühbirne im Schuppen hielten sie für eine winzige Sonne, die man mit einem Knipszauber ein- und wieder ausschalten kann. Aber so richtig überzeugt war ich von ihrer Geschichte erst, als die Trolle in unserer Schule aufgetaucht sind. Die hundsgeheime Infamia hatte die geschickt, damit sie ihr das Xalabu zurückbrachten, und wir konnten diese schrecklichen Monster nur mit dem Duft eines Deosprays vertreiben, das nach Kokosnüssen roch. Und hatte ich schon erwähnt, dass Attila seine Farbe wechseln kann, genau wie ein Chamäleon? Daher sieht man ihn oft nur ganz schwer, weil er so gut getarnt ist. Und Zack kann hypnotisieren. Ich glaube, das ist der einzige Zaubertrick, den er wirklich beherrscht, und deswegen habe ich immer eine Sonnenbrille dabei, damit ich nicht Sachen machen muss, die ich gar nicht machen will. Wenn ich die Sonnenbrille trage, klappt das nämlich nicht mit der Hypnose.
Seit ich die beiden in unserem Schuppen einquartiert hatte, war jedenfalls eine ganze Menge passiert und mein Leben nicht mehr dasselbe wie vorher.
«Finn, wo willst du denn hin?», rief meine Mutter, als ich an der Küche vorbeirannte, um durch die Terrassentür schnell in den Garten und dann zum Schuppen zu kommen.
Meine Mutter hatte schon ihre schicken Arbeitsklamotten an, weil sie gleich ins Büro wollte. Da ist sie öfter als zu Hause, weil sie die Einzige ist, die in unserer Familie richtig Geld verdient. Mein Vater bastelt im Keller Schlüsselbretter, die wie Flamingos oder Einhörner aussehen, und verkauft die dann im Internet. Zumindest versucht er es, allzu viel verkauft hat er davon nämlich noch nicht. Der Vorteil ist, dass mein Vater dafür nicht in ein Büro muss, sondern die meiste Zeit zu Hause ist. Daher hatte er auch noch auch seinen Schlafanzug an. Genau wie ich.
«Möchtest du nicht erst was frühstücken, bevor du in die Schule gehst?» Mein Vater schien es für völlig normal zu halten, dass ich mich in meinem Schlafanzug auf den Schulweg machte. Kein Wunder, er geht ja auch im Pyjama in seinen Bastelkeller.
«Später, ich habe gestern im Schuppen meinen Ranzen vergessen. Den will ich schnell holen», schwindelte ich, weil meine Eltern nicht wussten, dass ich Zack und Attila dort einquartiert hatte. Ist besser so, und zum Glück hatten die beiden auch die Rakete nicht gesehen, weil sie beim Frühstück immer auf ihre Tablets starren, um dort die neuesten Nachrichten zu lesen.
Ich rannte barfuß über den taunassen Rasen und hielt Ausschau nach Trollen, die sich vielleicht hinter dem Zaun oder dem Baum versteckt hatten, um über mich herzufallen. Aber es waren keine Trolle zu sehen, und so lief ich weiter zum Schuppen. Drinnen war es ganz ruhig, und da war ich ganz erleichtert. Einerseits. Andererseits konnte das natürlich auch bedeuten, dass Zack und Attila tatsächlich tot waren. Ich zögerte einen Moment. Dann setzte ich meine Sonnenbrille auf, öffnete die Tür und starrte in die vor Begeisterung funkelnden Augen des dicken Zauberers.
«Trollschwerenot! Hast du das gesehen?», fragte Zack und fuchtelte mit einer Silvesterrakete vor meiner Nase herum. «Erst ein zischendes Tschuiiii, dann ein lautes Peng! und dann Wow!!! Diesen harmlosen Stöckchen wohnt ein großer, großer Zauber inne. Nicht mal ein Drache mit Trollhusten kann so schöne Funken spucken wie diese dünnen, magischen Stöckchen.»
«Pffhh, von wegen», fauchte Attila beleidigt. «Kleinigkeit, jeder Babydrache kriegt das hin.»
Wäre der Chamäleon-Drache stumm geblieben, hätte ich ihn gar nicht gesehen. Er saß in einem der Regale, auf dem ich meine gefundenen Schätze aufbewahre und hatte die Farbe des Regalbretts angenommen.
«Wie ist der Name der wundersamen Bäume, an denen diese Funkenzweige wachsen?» Der dicke Zauberer besah sich die Rakete von allen Seiten, so als könnte er auf diese Weise ihr Geheimnis erkunden. Dann klopfte er auf die Plastikkapsel am Ende des Holzstabs. «Das Rote hier ist bestimmt die Knospe, aus der dann am Himmel die Funkenblumen wachsen.»
«So ähnlich», murmelte ich, weil es ja tatsächlich so ähnlich war, nur dass es keine Knospe, sondern eine Treibladung und irgendeine chemische Mischung war, die die Rakete zum Explodieren brachte.
«Du lebst wirklich in einer großartigen Welt mit ganz außergewöhnlich beeindruckenden Pflanzen und Bäumen», schwärmte Zack. «Trollblitzdonnerwetter, lass uns noch so eine Blüte in den Himmel jagen.»
«Nein, nein, nein! Das ist viel zu gefährlich», widersprach ich. «Das macht man nur draußen an der frischen Luft und auch nur an Silvester. Was ist überhaupt passiert?»
«Das war alles seine Schuld!» Der dicke Zauberer zeigte auf das Regal.
Es dauerte, bis ich kapierte, dass er nicht den Chamäleon-Drachen, sondern einen Blechaffen meinte. Wenn man den mit einem Schlüssel aufzog, schlug er auf eine Trommel und machte dabei einen höllischen Lärm. Ich hatte den Affen mal in einer Kiste gefunden, die irgendjemand zum Sperrmüll auf den Bürgersteig gestellt hatte. Von allen Schätzen, die ich gesammelt hatte, war es eines meiner liebsten Fundstücke.
«Der hat angefangen», behauptete Zack. «Stimmt doch, Attila, oder?»
Der Drache nickte nur, ohne den Affen dabei aus den Augen zu lassen. Attila sah aus, als rechnete er jederzeit mit einem hinterhältigen Überfall des Blechspielzeugs.
«Der? Was hat er denn getan?», fragte ich.
«Der trollfiese Zwerg da hat wild auf seine Kriegstrommel geschlagen, weil er uns angreifen wollte. Das war reine Notwehr.» Der dicke Zauberer hielt wieder die Rakete in die Luft. «Ich habe nach diesen Wunderstöcken gegriffen, um mich zu verteidigen, und Attila hat ein bisschen gepustet. Dann machte es plötzlich Tschuiiiii und Peng! und auf einmal war da – Wow! – ein Loch in der Decke und am Himmel blühten Blumen.»
So langsam konnte ich mir zusammenreimen, was im Schuppen geschehen war. Aus irgendeinem Grund hatte der Aufziehaffe angefangen zu trommeln, wahrscheinlich hatte sich eine alte Feder gelöst oder sowas. Der dicke Zauberer hatte daraufhin Schiss bekommen und nach einer von den Raketen gegriffen. Das war ja noch nicht schlimm. Schlimm wurde es erst, als Attila sich eingemischt hatte. Seine Flamme musste die Zündschnur erwischt haben, und da war die Rakete losgegangen, hatte sich durch das dünne Blechdach gefressen und war dann am Himmel explodiert. Das hatte ich ja von meinem Fenster aus gesehen.
«Können wir nicht doch noch eine Funkenblüte blühen lassen?», fragte Zack. «Du bist doch ein großer, großer Zauberer, solange du dabei bist, kann überhaupt nichts passieren, Finn der Mittelgroße.»
Das mit dem Zauberer und dem Mittelgroßen muss ich erklären. Weil ich mit dem Lichtschalter im Schuppen die Glühbirne ein- und wieder ausschalten kann, hält mich Zackarius der Große für einen Zauberer. Und Finn den Mittelgroßen nennt er mich, weil ich wirklich nicht gerade riesig bin und er selber ja schon der Große heißt, obwohl er auch eher klein ist.
Mir ist es egal, wie er mich nennt.
Nein, das stimmt nicht ganz.
In Wirklichkeit genieße ich es, dass er mich für einen großen, großen Zauberer hält und den Namen Finn der Mittelgroße finde ich auch ziemlich cool.
In der Schule werde ich sonst nämlich immer nur Müllsammler, Bürgersteigglotzer oder Grashalmzähler genannt, weil ich doch überall Sachen sammle, die man vielleicht noch mal gebrauchen kann. Und um die zu finden, laufe ich halt meistens mit gesenktem Kopf durch die Gegend, die Augen starr auf den Boden gerichtet.
«Aua!», rief ich, weil mir Zack die Rakete in die Seite gestoßen hatte. «Was soll das?»
«Trollschwerenot, was ist denn nun mit der Funkenblume?», fragte der dicke Zauberer ungeduldig. «Lassen wir die jetzt noch mal blühen, oder nicht?»
Ich wollte gerade antworten, dass das hier drinnen keine gute Idee war, als der Blechaffe erneut zu trommeln begann.
«Troll-Alarm!», brüllte der dicke Zauberer und deutete mit der Rakete auf den Affen. «Das Biest greift wieder an! Töte es, Attila, töte es, bevor es Eier legt und uns zahlenmäßig überlegen ist.»
Bevor ich Zack erklären konnte, dass der Blechaffe völlig harmlos war, hatte Attila auch schon losgepustet. Diesmal wollte der Chamäleon-Drache offensichtlich auf Nummer sicher gehen und stieß eine ganz besonders heiße Stichflamme aus. Der harmlose Blechaffe schmolz in der Hitze zu einem formlosen Klumpen, aus dem nur ein paar Zahnräder und Metallfedern herausragten. Ich schnappte mir schnell einen alten Lappen, um den Brand auf dem Regal zu löschen.
«Trollwütiger! Wir haben gewonnen! Das Biest ist besiegt!», jubelte Zack und beugte sich zu Attila hinunter, um ihm zur Belohnung einen Kuss auf den schuppigen Panzer zu geben. Dabei kam er mit der Rakete etwas zu nah an den immer noch glühenden Metallhaufen.
«Vorsicht! Passen Sie doch auf!», brüllte ich, aber da war es schon zu spät.
Die Zündschnur hatte Feuer gefangen, und im nächsten Augenblick ging die Rakete mit einem zischenden
auch schon los. Diesmal schoss sie nicht nach oben durchs Dach ins Freie, sondern raste wie ein wildgewordenes Glühwürmchen kreuz und quer durch den Schuppen.
Ich schmiss mich auf den dicken Zauberer, riss ihn zu Boden und presste meinen Körper ganz dicht auf die Erde, während die Rakete über uns hin und her schoss.
«Hey, was fällt dir ein, was soll das? Trollblitzdonnerwetter, lass mich los!» Zack richtete sich auf, doch genau in dem Augenblick raste die Rakete über ihn hinweg und riss ihm seinen großen Hut vom Kopf.
«Bleiben Sie unten!», brüllte ich, und das tat er dann auch, bis die Rakete endlich mit einem lauten
in einem knallbunten Funkenregen zwischen den Regalen explodierte.
Als das Feuerwerk zu Ende war, richtete ich mich auf und schaute mich um. Das war gerade noch mal gut gegangen. An ein paar Stellen brannte es zwar, aber die Flammen konnte ich mit dem alten Lappen schnell ersticken. Der dicke Zauberer lag währenddessen die ganze Zeit auf dem Boden und hielt sich schützend die Arme über den Kopf. Erst nachdem ich alle Brandherde gelöscht hatte, fragte er: «Ist sie verblüht?»
«Wer?», fragte ich verständnislos.
«Er meint die Funkenblume», antwortete Attila, dann seufzte er traurig. «Ja, leider.»
«Diese Zauberäste sind ja ganz schön gefährlich. Schön, aber gefährlich.» Zack stand auf, hob seinen Hut auf und steckte einen Finger durch das Loch, das die Rakete in den Hut gebrannt hatte. «Das nächste Mal solltest du ein bisschen vorsichtiger sein. Trollwütiger, da hätte ja sonst was passieren können.»
«Vorsichtiger? Ich?!» Fassungslos starrte ich ihn an.
«Wir wollen keine große Trollsache daraus machen, merke es dir einfach für die Zukunft, Finn der Mittelgroße», erklärte Zack großzügig. «Und jetzt ist es höchste Zeit fürs Frühstück. Nach gewonnenen Schlachten habe ich immer einen trollmäßigen Hunger.»
«Wie wäre es mit ein paar von deinen leckeren Sandwiches?», schlug Attila vor. «Die waren großartig, nicht wahr, Zückerchen!»
«Wie oft soll ich dir noch sagen, du sollst mich nicht Zückerchen nennen», knurrte Zack, dann wandte er sich mir zu. «Aber zu ein wenig kaltem Einhornbraten zum Frühstück würde ich auch nicht Nein sagen.»
«Das habe ich Ihnen doch schon erklärt. Einhorn ist hier bei uns nicht so leicht zu kriegen, und wenn stehen die bestimmt unter Naturschutz», erwiderte ich.
«Bei uns stehen die auf der Speisekarte», brummte der dicke Zauberer enttäuscht. «Aber ein bisschen Einhornschinken wirst du doch bestimmt auftreiben können, nicht wahr?»
Im Land ohne Namen züchtet man Einhörner wie bei uns Schweine oder Rinder, das hatte Zackarius der Große mir erzählt und so kugelrund wie sein Bauch war, hatte er ganz sicher schon eine ganze Menge davon gefuttert.
«Okay, ich mache ein paar Sandwiches», versprach ich. «Aber Sie verhalten sich bitte inzwischen still und unauffällig und rühren hier nichts mehr an, versprochen?»
«Großes, großes Zauberer-Ehrenwort», brummte Zack und auch Attila nickte brav, als wäre er kein Feuerzeug auf vier Beinen, sondern ein harmloses Schoßhündchen.
Ich wusste nicht, ob ich den beiden wirklich trauen konnte.
Aber hatte ich eine Wahl?
Nein, denn ich hatte selber furchtbaren Hunger, ganz schrecklichen Hunger. Ich war so hungrig, dass mein Magen laut knurrte.
«Wie ist der Arme denn da reingekommen?», wollte Attila wissen.
«Wahrscheinlich hat Finn der Mittelgroße ein Drachenei verschluckt, und dann ist der Drache in seinem Bauch geschlüpft, und seitdem lebt er da. Trollblitzdonnerwetter, das ist überaus praktisch. Da braucht unser junger Freund keine Wärmflasche, wenn er mal Bauchschmerzen hat», erklärte der dicke Zauberer. «Da muss der Drache nur ein bisschen Feuer spucken und schon geht es Finn wieder gut.»
«So ein Quatsch, ich habe kein Drachenei gegessen», widersprach ich. «Mein Magen knurrt nur, weil ich Hunger habe. Das ist bei uns Menschen immer so.»
«Ihr seid schon ein trolliges Völkchen», murmelte Zack. «Wenn wir Hunger haben, knurrt unser Magen nicht, sondern er brüllt. Willst du mal hören?»
Ohne meine Antwort abzuwarten, ertönte plötzlich ein lautes
Es war so laut, dass es mich fast umgeworfen hätte und es klang tatsächlich so, als wenn in Zacks Bauch ein richtiger Löwe hocken würde. Platz genug hätte er da gehabt, so dick wie der Zauberer war.
«Und jetzt beeil dich, ich habe nämlich Hunger, wie du gerade gehört hast», sagte Zack und scheuchte mich mit einer Handbewegung aus dem Schuppen.
Ich war schon fast draußen, da hörte ich Zack flüstern: «Und ich wette, er hat doch ein Drachenei verschluckt.»
Ich schloss die Schuppentür hinter mir und sah mich vorsichtig um, ob sich nicht doch irgendwelche Trolle in unserem Garten herumtrieben. Es ist komisch, wie schnell man sich an Dinge gewöhnt. Vor ein paar Tagen hätte ich jeden für verrückt erklärt, der nach Trollen Ausschau hält. Aber seit dem Auftauchen von Zack und Attila war das für mich völlig normal geworden, so als würde ich an einem Zebrastreifen links, rechts, links gucken, um zu sehen, ob da ein Auto kommt.
Ich war schon ein paar Meter über den Rasen gelaufen, als Zack die Schuppentür öffnete und mir hinterherbrüllte: «Für mich bitte fünf von deinen Sandwiches und für Attila drei. Aber beeil dich, wir müssen zur Schule.»
«Wir?», fragte ich überrascht.
«Du bist vergesslicher als ein schusseliger Troll. Ich fang doch da heute an als Meister des Hauses. Schon vergessen?»