Cover

Maggie Stiefvater

Ballade

Der Tanz der Feen

Aus dem Amerikanischen von Katharina Volk

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Maggie Stiefvater

Maggie Stiefvater, geboren 1981, führt in Virginia mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern ein »wildes Hippie-Leben«, wie sie es selbst nennt. Maggie arbeitet als Schriftstellerin und Künstlerin, mag Rock, besonders Celtic-Rock, und alte Autos. Wie Deidre und Luke, die Helden in ihren Romanen »Lamento - Im Bann der Feenkönigin« und »Ballade - Tanz der Feen« ist auch Maggie sehr musikalisch und spielt Harfe und Flöte.

Über dieses Buch

Luke flüsterte mir ins Ohr, so nah, dass seine Lippen mein Haar streiften: »Sag mir, dass du mich wiedersehen willst.«

 

Eigentlich ist Deirdre eine ganz normale Sechzehnjährige – und ganz ehrlich: Sie findet ihr Leben gerade ein bisschen langweilig. Doch dann hat sie immer öfter seltsame Träume. Immer wieder taucht darin ein faszinierender Junge auf, dessen geheimnisvolle Augen Deirdre verzaubern. Als ihr Luke eines Tages leibhaftig gegenübersteht, wird Deirdres Leben ausgesprochen aufregend … aber gleichzeitig schwebt sie nun in großer Gefahr. Sind ihre Gefühle für Luke stark genug, um einen uralten Fluch zu brechen?

 

Spannend, geheimnisvoll, romantisch: Eine wunderbare Geschichte über geheime Wünsche und die Macht der Liebe!

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel

»Ballad. A Gathering of Faerie« bei Flux, Woodbury, USA.

Deutsche Erstausgabe Mai 2010

Copyright © 2009 by Maggie Stiefvater

Copyright © 2010 der eBook Ausgabe by Knaur eBook.

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit

Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Michael Meyer

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Umschlagabbildung: buchcover.com / Sabine Schoenberger

ISBN 978-3-426-40303-7

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Leanan Sidhe

Die Jägerin zu sein, daran war ich gewöhnt. Wenn ich etwas sah, das ich wollte, stellte ich ihm nach, witterte es, holte es mir.

Mit »es« meine ich natürlich »ihn«. Ich mochte sie jung, begabt, männlich. Je hübscher, desto besser. Versüßte mir die ganze Sache. Ich musste sie mir schließlich anschauen, bis sie starben. Da war es selbstverständlich angenehmer, wenn sie gut aussahen.

Ich war nicht grausam. Ich war großzügig. Jeder von ihnen bettelte mich geradezu um das an, was ich ihm dann gab: Schönheit, Inspiration, Tod. Ich verwandelte ihr gewöhnliches Leben in etwas Außergewöhnliches. Ich war das Beste, was jedem Einzelnen von ihnen passieren konnte.

Ja, eigentlich war ich weniger eine Jägerin, mehr eine Wohltäterin.

Aber heute, in diesem herbstlichen Wald, war ich keines von beidem. Jemand hatte mich herbeigerufen, mich aus meiner nicht greifbaren Gestalt in einen richtigen Körper gezogen. Ich sah hier niemanden, konnte aber noch die Überreste eines Zaubers riechen. Ich konnte meine Schritte im trockenen Laub hören, und das Geräusch machte mich nervös. Ich fühlte mich verletzlich in diesem blutroten Wald, kam mir laut und allzu sichtbar vor in meiner Gestalt als Menschenmädchen. Daran war ich nicht gewöhnt. Überall um mich roch es nach verbranntem Thymian und schwelenden Blättern, nach Beschwörungszaubern und Herbstfeuern. Sobald ich den ersten menschlichen Gedanken zu fassen bekäme, würde ich mich daran festkrallen und von hier verschwinden.

»Hallo, Fee.«

Ich drehte mich um, gerade rechtzeitig, um noch den Eisenstab zu erblicken, der mir durchs Gesicht gestoßen wurde.

Neue Textnachricht

An:

James

 

Kannst du noch hellsehen? Kannst du unsere zukunft an der t-a sehen? Ich habe das gefühl, alles aus dem letzten sommer verfolgt uns noch. Ich dachte, es sei vorbei.

 

Absender:

Dee

 

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James

Musik ist mein Leben.

Ich hatte sämtliche Broschüren der Thornking-Ash School of Music gelesen, ehe ich mich beworben habe. Darin wurde behauptet, die Schule würde unsere vielversprechenden musikalischen Anlagen fördern. Akademische Herausforderungen sollten uns erwarten. Nach den Versprechungen in den Broschüren würden wir als hochbegabte Superteenager mit Bestnoten von der Highschool abgehen und bräuchten bei der Bewerbung an den besten Universitäten nur noch unser vielfältiges außerschulisches Engagement auf den Tisch zu legen, um den Stich zu machen.

Damals dachte ich: cool. Außerdem ging Deirdre dahin, also musste ich mitgehen.

Aber all das hatte ich gedacht, bevor es wirklich losging. Als ich dann da war, stellte ich fest, dass eine Schule eben doch nur eine Schule ist. Jacke wie Hose. Dasselbe in Grün. Natürlich war ich erst seit sieben Tagen an der Thornking-Ash, also sollte ich der Sache vielleicht etwas mehr Zeit lassen. Aber Geduld war nun mal nicht meine Stärke. Und offen gestanden, war mir einfach nicht klar, weshalb wir uns wegen ein paar Wochenstunden Musiktheorie und der Unterkunft auf dem Campus hinterher von anderen Highschool-Schülern unterscheiden sollten.

Wahrscheinlich hätte ich das anders gesehen, wenn ich Cello oder so was spielen würde, denn dann hätte ich in einer der acht Millionen Orchestergruppen an der Schule mitspielen können. Wenn die Leute von »Musikern« sprachen, meinten sie damit irgendwie nie »Dudelsackspieler«. Wenn ich die Wörter »Folkmusiker« oder »Sackpfeifer« noch ein einziges Mal hören müsste, würde ich jemanden schlagen.

Jedenfalls waren wir (meine Mitschüler und ich) an den Tagen eins bis sechs damit beschäftigt, uns zu »orientieren«. Wir lernten, wo welcher Unterricht stattfand, wie die Lehrer hießen, wann man im Speisesaal zu essen bekam und dass die Tür zu meinem Wohnheimzimmer im dritten Stock klemmte. Am fünften Tag kannte ich mich aus. Am sechsten war mir bereits alles vertraut.

Am siebten Tag wurde mir langweilig. An jenem Abend setzte ich mich ins Auto meines Bruders und hörte Musik, in der eine ordentliche Portion Wut mitschwang, garniert mit Sehnsucht. Ich hatte mal irgendwo von einer Studie gelesen, bei der Wissenschaftler einer Gruppe Ratten Rockmusik und einer anderen Gruppe Klassik vorgespielt hatten. An die Einzelheiten konnte ich mich nicht erinnern, aber nach ein paar Wochen stiegen die Klassikratten friedvoll die Karriereleiter empor oder trugen Birkenstocks, während die Rockratten zu Kannibalen geworden waren und sich gegenseitig in Stücke gerissen hatten. Ohne die Angabe, welche Band sich die Rockratten anhören mussten, weiß ich nicht, was das beweisen soll. Ich weiß nur: Wenn ich mir zwei Wochen lang ununterbrochen Pearl Jam anhören müsste, würde ich auch meinen Zimmernachbarn fressen.

Ich wusste, dass dies der siebte Abend war, weil ich sieben Striche auf dem rechten Handrücken hatte. Sechs gerade und den siebten schräg hindurch. Ich saß da in meiner eigenen kleinen grauen Welt und drehte die Bässe so auf, dass ich sie in den Pobacken spürte. In den Wohnheimen galt ein strenges Lärmlimit, vor allem für die Stunden des Tages, an denen die Möglichkeit bestand, dass ein Schüler üben könnte. Deshalb war es schwer, hier einen Platz zu finden, an dem man Musik hören konnte. Wenn das keine Ironie war …

Ich sah zu, wie die sinkende Sonne mein Wohnheim in stechend rotes Licht tauchte. Im Gegensatz zu den übrigen Gebäuden auf dem Schulgelände, alles imposante Bauwerke im georgianischen Stil mit Säulenvorbau, waren bei den Unterkünften keine Ambitionen zu erkennen. Es waren eher Kästen mit tausend starren Fensteraugen.

Die Musik im Auto war so laut, dass ich das Klopfen am Fenster erst nicht hörte. Als ich es dann bemerkte, überraschte mich das Gesicht, das zu mir hereinschaute, schon irgendwie: rund, durchschnittlich, unsicher. Mein Zimmergenosse Paul. Er spielte Oboe. Die von der Schule dachten wohl, wir würden uns verstehen, weil unsere Instrumente beide ein Doppelrohrblatt hatten oder so, denn ansonsten hatten wir wirklich nicht viel gemeinsam. Ich kurbelte das Fenster herunter.

»Wollen Sie Pommes dazu?«, fragte ich.

Paul lachte viel zu laut und sah dann ganz so aus, als sei er stolz auf seinen eigenen Wagemut. Ich glaube, er hatte Angst vor mir.

»Mann, das ist echt witzig.«

»Nur eine meiner besonderen Dienstleistungen. Was gibt’s?«

»Ich war gerade auf dem Weg ins Zimmer und wollte die … du weißt schon …« Er wedelte mit einem Notizbuch vor mir herum, als müsste mir das etwas sagen. »… Mathehausaufgaben machen. Willst du noch daran arbeiten?«

»Ob ich will? Nein. Ob ich Hilfe brauche? Ja.« Ich stellte das Radio leiser. Plötzlich merkte ich, dass ich Gänsehaut an den Armen hatte, obwohl es so heiß war. Ich zog den Arm ins Auto. Mein hellsichtiges Unterbewusstsein flüsterte mir Dinge in irgendeiner Sprache zu, die ich nicht verstand. Kalt durchflutete mich die subtile Warnung: Hier geht etwas Merkwürdiges vor. Ich dachte, ich hätte dieses Gefühl hinter mir gelassen, weil ich es seit dem Sommer nicht mehr gespürt hatte. Trotzdem schaffte ich es, Pauls Blick zu erwidern. »Ja, klar.«

Ein Ausdruck der Erleichterung breitete sich auf Pauls Gesicht aus, als hätte er etwas anderes erwartet. Er begann über unseren Mathelehrer und die anderen in der Klasse zu schwafeln. Selbst wenn ich nicht von der Eiseskälte abgelenkt gewesen wäre, die über meine Haut kroch, hätte ich nicht zugehört. Die Leute reden zu viel, und wenn man den Anfang und den letzten Teil von dem hört, was sie sagen, dann ergibt sich die Mitte meistens von allein.

Plötzlich brachte mich ein Halbsatz dazu, meine Aufmerksamkeit wieder auf Paul zu richten. Es war wie eine einzelne Stimme, die sich aus allgemeinem Gemurmel erhebt, und ich drehte den Knopf am Radio ganz herum und schaltete es aus.

»Hast du gerade gesagt ›So singen die Toten‹?«

Paul runzelte die Stirn. »Was?«

»So singen die Toten. Hast du das gesagt?«

Energisch schüttelte er den Kopf. »Nein, ich habe gesagt ›singt man den Ton‹. Ich hatte Singen vom Blatt. Bei …«

Ich öffnete die Autotür und nickte, ehe er zu Ende gesprochen hatte. Obwohl das Radio ausgeschaltet war, hörte ich Musik. Und sie zerrte an mir, erschien mir wichtig auf eine Art, auf die Paul niemals wichtig sein würde. Ich musste mir Mühe geben, um einen vollständigen Satz für ihn zustande zu bringen. »Hey, treffen wir uns doch gleich in unserem Zimmer, ja? Ich brauch noch ein paar Minuten.«

Es war, als hätte dieser falsch gehörte Halbsatz – So singen die Toten – eine Tür geöffnet, durch die ich jetzt Musik wahrnahm. Drängende, beharrliche Musik: eine schwungvolle Melodie in Moll mit einer Menge seltsamer, archaischer Versetzungszeichen. Sie wurde von einer tiefen Männerstimme gesungen, die mich irgendwie an alles erinnerte, was für mich unerreichbar war.

Paul stammelte eine Zustimmung, während ich ausstieg, die Autotür zuschlug und abschloss.

»Ich muss mich beeilen«, sagte ich.

»Ich wusste gar nicht, dass du noch was vorhast«, entgegnete Paul, aber ich war bereits weg.

Ich sprintete über den Parkplatz, vorbei an den quadratischen Wohnheimen, der Yancey Hall mit ihren Buttercremesäulen und dem Brunnen mit dem lachenden Satyr vor der Seward Hall. Meine Turnschuhe machten auf dem mit Backsteinen gepflasterten Weg klatschende Geräusche, und ich folgte dem Lied, gab der Anziehung nach.

Die Musik wurde immer intensiver und vermischte sich mit der Musik, die mich in Gedanken ohnehin ständig begleitete – mit jenem psychischen Gefüge, das mir Orientierung bot, das mir sagte, wo ich mich befand auf der Welt. Der gepflasterte Weg endete, doch ich rannte weiter und stolperte über die unebene, mit hohem Gras bedeckte Wiese. Es fühlte sich an, als spränge ich über den Rand der Welt. Die herbstliche Abendsonne glühte hinter den Hügeln, und mein einziger Gedanke war: Ich komme zu spät.

Aber da war er, wer auch immer er sein mochte: weit entfernt in den Hügeln, schon fast außer Sicht. Er war nicht viel mehr als eine Silhouette, eine dunkle Gestalt von nicht erkennbarer Größe auf einem endlosen Hügel aus gleißendem Gold. Er streckte seitlich die Hände aus und drückte sie gleichzeitig nach unten; die Geste erweckte den Anschein, als wollte er die Erde dazu bringen, anzuhalten. Kurz bevor er sich so weit von mir wegbewegte, dass ich ihn nicht mehr von den fernen, dunklen Bäumen hätte unterscheiden können, blieb er stehen.

Der Gesang ging weiter und war laut auf die Art, wie Musik in Kopfhörern laut ist – er schien von meinem Hirn und für mein Hirn allein geschaffen worden zu sein. Aber jetzt wusste ich irgendwie, dass die Musik nicht für mich bestimmt war. Sie erklang für jemanden oder etwas anderes, und ich hatte lediglich das Pech gehabt, sie auch zu hören.

Ich war zutiefst enttäuscht.

Die männliche Gestalt drehte sich zu mir um und blickte mich einen Moment lang an, von Angesicht zu Angesicht. Ich war gefangen, als wäre ich am Boden festgewachsen: nicht von seinem anhaltenden Gesang, der sich gegen die Musik drängte, die schon in meinem Kopf war, und der mir befahl: Wachse erhebe dich folge mir – sondern von seiner Fremdartigkeit. Von seinen Fingern, die über der Erde ausgebreitet waren und etwas niederzuhalten schienen, von seinen gestrafften Schultern, die Kraft und Unergründbarkeit ausdrückten, aber vor allem von dem mächtigen, dornigen Geweih auf seinem Kopf, das wie Zweige in den Himmel emporragte.

Dann war er plötzlich fort, und ich hatte sein Verschwinden verpasst, als in dem Augenblick die Sonne vom Rand der Hügel fiel und die Welt der Abenddämmerung überließ. Ich blieb allein zurück, ein wenig außer Atem, und spürte meinen Pulsschlag in der Narbe über meinem linken Ohr. Ich starrte auf die Stelle, an der er gestanden hatte. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich diese gehörnte Gestalt lieber nie gesehen hätte, um einfach so weitermachen zu können wie zuvor. Oder wünschte ich mir eher, ich wäre früher hier gewesen, um herausfinden zu können, warum ich jetzt wieder Wesen wie ihn sah?

Ich wandte mich ab, um zur Schule zurückzugehen, als mich irgendetwas von der Seite rammte. Ein fester Körper stieß mich beinahe um, ich rang um mein Gleichgewicht.

Der Besitzer dieses Körpers japste: »O Gott, tut mir leid!«

Die Stimme klang schmerzlich vertraut. Deirdre. Meine beste Freundin. Konnte ich sie immer noch so bezeichnen? Ich keuchte: »Ist schon gut. Ich brauche schließlich nur eine Niere.«

Errötend fuhr Dee herum und setzte so schnell eine neue Miene auf, dass ich den früheren Ausdruck nicht mehr erkennen konnte. Ich hatte Dee – ihr schmales, blasses Gesicht, beherrscht von grauen Augen – schon so oft in Gedanken betrachtet, dass es mir seltsam vorkam, sie jetzt ganz normal anzuschauen.

»James. James! Hast du sie gesehen? Sie müssen direkt an dir vorbeigekommen sein!«

Mühsam riss ich mich zusammen. »Wer sind sie?«

Sie trat einen Schritt von mir zurück, kniff die Augen zusammen und sah zum Hügel, der in der Dämmerung lag. »Die Feen. Es waren … ich weiß nicht genau – vier? Oder fünf?«

Langsam, aber sicher machte sie mich nervös. Sie bewegte sich so schnell, dass ihr zotteliger Pferdeschwanz in kleinen Kreisen herumschwang. »Okay, Dee, bleib mal ganz still stehen, bitte. Ich werde noch seekrank. Also – Feen? Schon wieder?«

Dee schloss einen Moment lang die Augen. Als sie sie wieder öffnete, wirkte sie etwas normaler, mehr wie sie selbst. Nicht so hektisch. »Dumm von mir. Ich bin wohl nur erschrocken. Aber es kommt mir so vor, als würde ich sie überall sehen.«

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Sie auch nur anzuschauen tat irgendwie weh auf eine Art, die ich ganz vergessen hatte. Es fühlte sich so ähnlich an wie ein Splitter – nicht wenn man ihn sich einzieht, sondern dieser zähe Schmerz, nachdem er entfernt worden ist.

Sie schüttelte den Kopf. »Wie dämlich kann man eigentlich sein? Im Ernst: Ich habe dich ewig nicht mehr gesehen, aber es vergehen keine fünf Minuten, und ich jammere dir was vor. Ich sollte vor Freude im Kreis herumspringen. Ich … Es tut mir leid, dass ich dich bisher nicht besucht habe.«

Eine Sekunde lang hatte ich geglaubt, dem »Es tut mir leid« würde etwas anderes folgen. Etwas ungeheuer Bedeutsames, mit dem sie in irgendeiner Form zu erkennen gab, dass ihr bewusst war, wie sehr sie mich verletzt hatte. Als das nicht kam, hätte ich am liebsten geschmollt und dafür gesorgt, dass sie sich mies fühlte, aber das brachte ich nicht fertig. Stattdessen kam ich ihr zur Rettung, weil ich eben ein galanter Idiot bin, der auf Schmerz und Bestrafung steht. »Na ja, in der Broschüre steht, dass der Campus über sechs Hektar groß ist. Da hätte es Jahre dauern können, bevor wir uns mal über den Weg laufen.«

Deirdre biss sich auf die Lippe. »Ich hatte ja keine Ahnung, wie heftig der Stundenplan hier ist. Aber – hey. Es tut richtig gut, dich zu sehen.«

Ein langer, unbehaglicher Augenblick folgte, in dem normalerweise eine Umarmung stattgefunden hätte – vor dem vergangenen Sommer. Vor Luke und lange vor dieser SMS, die ich ihr geschickt hatte. Die SMS, die keiner von uns beiden vergessen konnte.

»Du bist ganz braun gebrannt«, sagte ich. Das war eine Lüge: Dee wurde nie braun.

Dee lächelte schief. »Und du hast dir die Haare schneiden lassen.«

Ich strich mir über den Kopf und erlaubte meinen Fingern, die frische Narbe über meinem Ohr zu betasten. »Sie mussten die Stelle rasieren, um sie zu nähen. Ich habe dann alles abgeschnitten, damit der Rest dazu passt. Eigentlich wollte ich mir am Hinterkopf meine Initialen einrasieren, aber – das wird dich sicher schockieren – mir ist erst da klargeworden, dass meine Initialen JAM ergeben. Und als Marmelade herumzulaufen fand ich demütigend.«

Dee lachte. Das freute mich in absurdem Maße. »Es steht dir irgendwie«, sagte sie, doch ihr Blick war auf meine Hände und die Wörter gerichtet, mit denen beide bis hinauf zum Handgelenk vollgekritzelt waren. Mehr Tinte als Haut.

Ich wollte wissen, wie es ihr ging, wollte sie nach den Feen fragen, nach der SMS, aber anscheinend brachte ich nichts von Bedeutung heraus. »Jedenfalls besser, als es dir stehen würde.«

Sie lachte wieder. Es war kein echtes Lachen, aber das war okay, denn ich hatte auch nicht rasend komisch sein wollen. Ich hatte bloß irgendetwas antworten müssen.

»Was tun Sie hier?«

Dee und ich fuhren herum, und vor uns stand eine der Lehrerinnen: Eve Linnet, Dramatische Literatur. Im fahlen Licht wirkte sie wie ein kleines, blasses Gespenst. Ihr Gesicht wäre vielleicht hübsch gewesen, wenn sie nicht so finster dreingeblickt hätte. »Dieser Teil gehört nicht mehr zum Schulgelände.«

Irgendetwas erschien mir falsch, aber ich brauchte eine Sekunde, um zu erkennen, was das war. Sie war aus Richtung der Hügel gekommen, nicht von der Schule her.

Linnet reckte den Hals, als hätte sie Deirdre eben erst bemerkt. Dees Wangen waren so rot, als wären wir bei etwas Verbotenem erwischt worden. Mit scharfer Stimme fügte Linnet hinzu: »Ich weiß nicht, von was für Schulen Sie beide kommen, aber hier wird so etwas nicht geduldet.«

Vor dem vergangenen Sommer hätte ich irgendeinen Witz über Dee und mich gemacht – so sei das gar nicht, ich sei ihr seit meiner Geburt als Liebessklave verpflichtet, oder es sei nichts passiert, weil Dee von einer geheimnisvollen chemischen Substanz in meiner Haut abgestoßen werde. »So ist das aber nicht«, sagte ich stattdessen lahm.

Ich wusste, dass meine Antwort schuldbewusst klang, und sie war offenbar derselben Meinung, denn sie erwiderte: »Ach nein? Was haben Sie dann so weit hier draußen zu suchen?«

Das war die Idee. Ich schaute an ihr vorbei zu den Hügeln, und sie folgte sofort meiner Blickrichtung. »Wir haben auf Sie gewartet.«

Dee starrte mich an, doch nicht auf die Art, wie Linnet es tat. Linnet sah zornig aus, vielleicht auch ängstlich. Sie schwieg eine Weile und erklärte schließlich: »Ich glaube, keiner von uns sollte jetzt hier draußen sein. Wir gehen zu den Wohnheimen zurück, und ich werde einfach vergessen, dass wir uns begegnet sind. Das wäre doch eine scheußliche Art, das Schuljahr zu beginnen – mit Schwierigkeiten.«

Als Linnet sich umdrehte, um uns zur Schule zurückzuführen, warf Dee mir einen bewundernden Blick zu. Nickend und mit den Augen rollend, wies sie auf Linnet, was unmissverständlich ausdrückte: Die spinnt!

Ich zuckte mit den Schultern und gestand Dee ein halbes Grinsen zu. Allerdings glaubte ich nicht, dass es irgendwelche Zweifel an Linnets Geisteszustand gab. Ich glaubte vielmehr, dass ich nicht der Einzige war, der dieser Musik bis in die Hügel gefolgt war.

Neue Textnachricht

An:

James

 

Gestern abend war’s komisch. Wir können nicht reden wie früher, das fehlt mir. Nicht dass du hören möchtest, woran ich denke. Luke z.b. Jetzt weiß ich, was liebeskummer bedeutet. Wenn ich an ihn denke, wird mir speiübel.

 

Absender:

Dee

 

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James

Tag elf (11) (onze), den Strichen auf meiner linken Hand nach zu schließen. Die erste Woche – ganz schüchterne Vorstellungsrunden in den einzelnen Kursen und locker-flockige Hausaufgaben – war vorbei, und die zweite Woche zeigte nun Zähne. Da kamen sie zum Vorschein, die gigantischen Hausarbeiten, die vollgeschriebenen Tafeln und das allgemeine Ächzen und Stöhnen, was eben so zu einer Highschool gehört. Es war schon komisch: Im Stillen hatte ich tatsächlich gedacht, eine Schule voller Musikstreber würde anders sein als eine normale Highschool. Aber eigentlich bestand der einzige Unterschied darin, dass sich unsere Rollen danach bestimmten, wo wir im Orchester saßen. Blechbläser: Deppen. Holzbläser: Snobcliquen. Streicher: Superstreber, die sich zu absolut jeder Frage meldeten. Schlagwerk: Klassenclowns.

Sackpfeifer: ich.

Der einzige Unterricht, an dem sich in der zweiten Woche nicht viel änderte, war Englisch bei Mr.Sullivan: erste Stunde am Dienstag, Donnerstag und Samstag. Koffein war selbst mitzubringen. Er erlaubte uns, im Klassenzimmer Kaffee zu trinken. Alles andere wäre aber auch ungeheuer scheinheilig gewesen.

Sullivan hatte das Schuljahr damit begonnen, dass er auf seinem Schreibtisch saß und während des Unterrichts auf der Stereoanlage Musik laufen ließ. Die anderen Lehrer ließen es erst locker angehen, knöpften den Kragen in der zweiten Woche wieder zu und machten Ernst. Sullivan hingegen blieb derselbe, ein junger, dünner, knochiger Botschafter für Shakespeare und Kollegen. Schon in der ersten Woche hatte er uns mörderisch viel Lesestoff aufgegeben, und auch daran änderte sich nichts. Das hätte uns vielleicht mehr ausgemacht, wenn er uns nicht erlaubt hätte, Kaffee zu trinken, unsere Tische so herumzurücken, wie wir sie haben wollten, und nötigenfalls zu fluchen.

»Wir werden uns mit Hamlet beschäftigen«, verkündete Sullivan an Tag elf. Er hielt einen riesigen Thermobecher in der Hand, der Kaffeeduft im ganzen Raum verbreitete. Ich hatte ihn noch nie ohne Kaffee gesehen. Als einer der jüngsten Lehrer wohnte er auf dem Schulgelände und war gleichzeitig Betreuer unseres Wohnheims. Es hieß, seine Frau habe ihn wegen des Geschäftsführers einer Firma verlassen, die Mein kleines Pony oder so einen Mist herstellte. Im Flur vor seinem Zimmer roch es ständig so, als betrete man gleich einen Kaffeetempel. »Wie viele von euch haben das Stück schon gelesen?«

Die Klasse war klein, sogar nach den Standards der Thornking-Ash: acht Schüler. Niemand hob die Hand.

»Banausen«, meinte Sullivan freundlich. »Na ja, es ist wahrscheinlich besser, dass ihr alle Hamlet-Jungfrauen seid. Ich nehme doch an, ihr habt zumindest von dem Stück gehört.«

Zustimmendes Gemurmel. Ich hatte Hamlet nicht gelesen, stand aber mit Shakespeare auf gutem Fuß. Von dem Moment an, da ich »Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler« gehört hatte, fand ich Shakespeare echt okay. Ich hatte keine Fanposter von ihm an der Wand oder so, aber wenn wir uns im Flur begegnet wären, hätten wir einander sicher zugenickt.

Sullivan fuhr fort: »Gut, fangen wir also ganz von vorn an. Was fällt euch ein, wenn ihr ›Hamlet‹ hört? Nein, Paul. Ihr braucht euch nicht zu melden. Redet einfach drauflos.«

»Tragödie«, sagte Eric. Genau genommen war Eric kein Schüler, sondern Hilfslehrer. Jedenfalls war er uns als Assistant Teacher vorgestellt worden, aber ich hatte noch nie erlebt, dass er Sullivan bei irgendwas assistiert hätte. »Ich meine, das ist doch eine, oder?«

Diese Antwort war dermaßen platt, dass der Rest der Klasse sich sofort entspannte. Die Messlatte lag damit so niedrig, dass wir so ziemlich alles in den Raum werfen konnten.

»Geister«, sagte Megan. Sie war Sängerin. Sänger irritierten mich ein bisschen, weil es schwierig war, sie in die orchestralen Persönlichkeitsgruppen in meinem Kopf einzusortieren.

»Sein oder nicht sein!«, rief Wesley, der ebenfalls Paul hieß und seinen Nachnamen benutzte, damit es keine Verwirrung gab. Es war nett von ihm gewesen, das anzubieten, denn mein Zimmergenosse Paul hieß mit Nachnamen Schleiermacher, und diesen Namen konnte ich kaum buchstabieren, geschweige denn mehrmals täglich aussprechen.

»Alle sterben irgendwann«, fügte Paul hinzu. Irgendwie erinnerte mich das an die gehörnte Gestalt hinter dem Schulgelände.

»Selbstmord«, sagte ich, »und Mel Gibson.«

»Mel Gibson?«, fragte Eric hinter mir.

Sullivan zeigte mit dem Finger auf mich. »Du hättest dich vorhin melden sollen, Morgan. Du kennst Hamlet ja doch!«

»Danach haben Sie nicht gefragt«, entgegnete ich. »Sie haben gefragt, ob wir es gelesen haben. Ich habe einen Teil des Films im Fernsehen gesehen. Und ich fand, dass Mel Gibson im Kilt besser war.«

»Was eine hervorragende Überleitung ist. Die Sache mit dem Film, meine ich, nicht das mit dem Kilt. Wir werden uns zuerst den Film anschauen – nicht die Version mit Mel, tut mir leid, James – und anschließend das Stück lesen.« Sullivan deutete auf einen Fernseher hinter sich. »Deshalb habe ich auch den da mitgebracht. Nur …«

Er sah sich im Raum um und betrachtete unsere Tische, die wir in einem Kreis um ihn herum aufgestellt hatten. Dann blickte er uns an, die wir an seinen Lippen hingen und auf seine weisen Worte warteten. »Nur fürchte ich, dass ihr euch den Hintern platt sitzt, wenn ihr euch auf diesen Stühlen einen ganzen Film anschaut. Wir brauchen etwas Besseres. Wer von euch hat ordentlich Kraft in den Armen?«

Wir holten also zwei Sofas aus dem Aufenthaltsraum im ersten Stock. Je vier von uns schleppten eine Couch den Flur entlang, an den geschlossenen Türen der anderen Unterrichtsräume vorbei und in unser Klassenzimmer. Sullivan half uns, sie an die Wand zu schieben und die Jalousien zu schließen, damit sich nichts auf dem Bildschirm spiegelte. Es wurde dunkel im Raum, und man konnte beinahe vergessen, dass es früher Vormittag war.

Wir quetschten uns auf die Sofas. Neben uns drehte Sullivan seinen Stuhl mit der Rückenlehne nach vorn und setzte sich. Wir sahen uns das erste Viertel von Hamlet an (der sich selbst viel zu ernst nahm), und Sullivan ließ uns über die melodramatischeren Stellen herziehen (also praktisch alle). Zum ersten Mal, seit ich angekommen war, hatte ich das Gefühl, irgendwie auch dazuzugehören.

Neue Textnachricht

An:

James

 

Als ich die feen gesehen habe, dachte ich, evtl. sehe ich auch luke. Aber sie waren nicht echt. Es ist so seltsam hier. Wie wenn du glaubst, du kommst in den himmel, aber wenn du da bist, stellst du fest, du bist in cleveland.

 

Absender:

Dee

 

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James

Ein weiterer schmerzlich schöner Herbsttag im Land der Privatschulen. Hier im Tal waren die Bäume noch grün, aber an einigen Nordhängen der umgebenden Hügel und Berge leuchteten die Blätter schon orangerot und rot. Die Kombination ließ das Bild künstlich wirken, wie die Landschaft um eine Modelleisenbahn. Ich hatte die Stereoanlage im Auto auf »unerträglich laut« gedreht, weshalb ich das Telefon wohl nicht klingeln hörte; erst als ich aus dem Augenwinkel das Display blinken sah, merkte ich, dass mich jemand anrief.

Vielleicht war das endlich Dee.

Ich schnappte mir das Handy vom Beifahrersitz und schaute nach der Nummer. Mom. Seufz. Ich stellte auf Freisprechen und legte das Gerät aufs Armaturenbrett. »Ja.«

»James?«

»Ja.«

»Wer spricht denn da?«

»Dein geliebter Sohn. Die Frucht deines Leibes und die von Dads Lenden, nachdem ich weiß Gott wie lange schon ein schmutziger Gedanke …«

Mom fiel mir ins Wort. »Das hört sich an, als ob du in einem Windkanal steckst.«

»Ich bin im Auto.«

»In einem Windkanal?«

Ich beugte mich vor und rückte das Handy ein Stück näher. »Ich habe auf Freisprechen gestellt. So besser?«

»Kaum. Warum fährst du überhaupt Auto? Es ist doch mitten am Tag, und du hast Schule, oder nicht?«

Ich klemmte das Mobiltelefon zwischen Himmel und Sonnenblende. Vermutlich würde sie immer noch ein lautes Rauschen hören, aber mehr würde ich ihr nicht bieten. »Wenn du das weißt, warum hast du dann angerufen?«

»Schwänzt du etwa?«

Ich kniff die Augen zusammen und las die Straßenschilder. Auf einem kleinen Schild mit der Aufschrift »Gallon, VA, historisches Stadtzentrum« (das VA fand ich ziemlich überflüssig, denn wer bis hierher gekommen war, müsste längst wissen, dass er sich im Bundesstaat Virginia befand) zeigte ein Pfeil nach links. »Nein, Mom. Schwänzen ist was für Loser, die nirgends Arbeit finden und direkt in den Knast wandern.«

Mom machte eine kurze Pause, denn sie erkannte ihre eigenen Worte; ich hatte sie außerdem mit Fistelstimme und in ihrem leichten schottischen Akzent vorgetragen. »So ist es«, erwiderte sie dann. »Also, wo fährst du hin?«

Ich betrachtete die malerische, aber ökonomisch mangelhafte Hauptstraße von Gallon und antwortete: »Ich bin unterwegs zum Unterricht. Und ehe du fragst: Es geht um meine Dudelsackstunden. Und ehe du fragst: Nein, die Thornking-Ash hat keinen eigenen Sackpfeifenlehrer. Und ehe du fragst: Nein, ich weiß auch nicht, warum sie einem Schüler ein Stipendium geben sollten, dessen Hauptinstrument der Dudelsack ist, wenn man die Antwort auf Frage Nummer zwei bedenkt.« Schüler der Thornking-Ash mussten für zwei Jahre ein musikalisches Hauptfach belegen, um die Noten zu erhalten, die wir nachher für erfolgreiche Bewerbungen an den Universitäten brauchen würden. Daher die Dudelsackstunden.

»Und wer ist dein Lehrer? Kann er was?« Mom klang zweifelnd.

»Mom. Ich will nicht darüber nachdenken. Das wird nur entsetzlich deprimierend, und du weißt doch, dass ich der Welt gern ein angstfreies, fröhliches Gesicht zeige.«

»Erinnerst du mich bitte noch mal daran, warum du überhaupt dort bist, wenn nicht deiner Musik wegen?«

Das wusste sie verdammt genau, aber sie wollte, dass ich es aussprach. Ha. Ha, ha! Kam gar nicht in Frage. »Gebrauche deine mütterliche Intuition. Hey, ich glaube, ich habe die Adresse gefunden. Ich muss Schluss machen.«

»Ruf mich an«, sagte Mom. »Später. Wenn du nicht mehr so scharfzüngig bist.«

Ich parkte vor dem Musikgeschäft Evans-Brown. Allmählich vermutete ich, dass es in dieser Gegend Tradition war, allem und jedem einen Doppelnamen zu verpassen. »Ist gut. Ich merke mir einen Termin vor. Sagen wir, wenn ich dreißig bin, ja?«

»Halt den Mund.« Moms Stimme war voller Zuneigung, und einen Moment lang wallte mächtiges, kindisches Heimweh in mir auf. »Du fehlst uns. Pass gut auf dich auf. Und ruf mich nachher an. Nicht erst, wenn du dreißig bist.«

Ich versprach es ihr und legte auf. Dann holte ich meinen Dudelsackkoffer aus dem Kofferraum und betrat den Musikladen. Im Gegensatz zu der kränklich grünen Fassade wirkte das Innere warm und einladend mit dem dunkelbraunen Teppichboden und den goldbraunen Wandpaneelen hinter den aufgereihten Gitarren. Ein alter Mann, dem anscheinend die Sechziger nicht gut bekommen waren, saß hinter einem Tresen und las eine Ausgabe des Rolling Stone. Als er zu mir aufblickte, entdeckte ich, dass sein silberfarbenes Haar hinten zu einem straffen kleinen Zopf geflochten war.

»Ich komme zum Musikunterricht«, erklärte ich.

Er betrachtete etwas auf dem Ladentisch. Währenddessen musterte ich die Tätowierungen an seinen Armen; die größte davon war ein Zitat aus einem der radikaleren Songs von John Lennon. Er fragte: »Um wie viel Uhr?«

Ich deutete auf meine Hand. Mit zusammengekniffenen Augen suchte er meinen Handrücken ab, bis er die entsprechende Notiz gefunden hatte.

»Drei Uhr? Da bist du ja pünktlich.«

Ich warf einen Blick auf die Wanduhr hinter ihm, die zwischen Flyern und Postkarten hing. Danach war es exakt zwei Minuten vor drei. Es ärgerte mich ein bisschen, dass er zur vollen Stunde aufrundete und mein frühes Erscheinen einfach ignorierte, aber ich sagte nichts.

»Nach oben.« Der alte Hippie deutete zur Rückseite des Ladens. »In den Übungsraum, in dem Bill gerade ist. Er ist im Moment der einzige Lehrer hier.«

»Danke, Genosse«, sagte ich, und der Hippie lächelte mich an. Ich stieg die knarrende, mit Teppich belegte Treppe in den ersten Stock hinauf. Dort war es heißer als im Hades, und es roch nach Schweiß und Nervosität. Drei Türen gingen von dem dunklen, schmalen Gang ab, und Bill war hinter Tür Nummer zwei. Ich schob sie ein Stück weiter auf und musterte die Akustikplatten an den Wänden. Die alten Holzstühle sahen aus, als hätten Tigerbabys sie als Kratzbäume benutzt, und ein Mann mit staubgrauem Haar saß auf einem davon.

Er hatte erstaunlich viel Ähnlichkeit mit George Clooney. Ich dachte kurz daran, ihm das zu sagen, fand aber dann, dass das zu dreist wäre. »Hola. Ich bin James.«

Er stand nicht auf, lächelte aber einigermaßen nett, gab mir die Hand und deutete auf den Stuhl gegenüber. »Ich bin Bill. Wie wär’s, wenn du deine Übungspfeife herausholst und mir etwas vorspielst, damit ich weiß, wo du stehst? Es sei denn, du bist nervös – wir können uns auch ein bisschen unterhalten, aber eine halbe Stunde Musikunterricht ist ziemlich kurz.«

Ich stellte den Koffer ab, kniete mich daneben und ließ die Verschlüsse aufschnappen. »Nein, das passt schon.« Während ich neben meinem Instrument nach der Übungspfeife kramte, blickte ich zu Bill auf. Er hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt und las die Aufkleber, mit denen mein Koffer verziert war. Solange er sich mit dem beschäftigte, auf dem Vorsicht, wenn du auf Drachen triffst, denn mit Ketchup schmeckst du besonders lecker stand, betrachtete ich Bill genauer. Seine Übungspfeife lag neben seinem Stuhl. Sie war neu und glänzte; meine war zerschrammt, und bunte Klebebandstückchen verdeckten einige der Löcher teilweise, damit sie genau richtig gestimmt war. Seine Schultern waren gerade; bei mir stand immer eine etwas höher als die andere, weil ich so viel Dudelsack spielte. Sein Dudelsackkoffer schien noch fast neu zu sein; meiner sah aus, als wäre er schon ein paarmal durch die Hölle gegangen. Allmählich bekam ich den Eindruck, dass das hier Zeitverschwendung war – vor allem, als sich beim Anblick meiner Übungspfeife seine Augen weiteten.

Ich legte den Practice Chanter zurück in den Koffer. Diese Übungspfeife ist eine dünne Plastikversion der Spielpfeife an einem echten Dudelsack, und ihr größter Vorzug liegt darin, dass sie etwa tausendmal leiser ist als die echte – womit das Risiko tausendmal geringer ist, beim Üben innerhalb von Gebäuden gesteinigt zu werden. Vom Kraftaufwand her ist sie auch viel leichter zu spielen: Man erspart sich das ganze Geschnaufe und Gepuste, um den Sack aufzublasen. Außerdem klingt sie wie eine sterbende Gans; wenn man wirklich Eindruck machen will, muss man den richtigen Dudelsack nehmen. Deshalb griff ich nun danach. »Äh, hätten Sie etwas dagegen, wenn ich stattdessen etwas auf dem Dudelsack spiele? In der Schule finde ich nur schwer einen Platz zum Üben, und ich habe das Gefühl, ich habe das Ding ewig nicht mehr aus dem Koffer geholt.«

Bill blickte ein wenig überrascht drein, zuckte aber mit den Schultern. »Sicher, es sind gerade keine anderen Schüler da. Mach das, womit du dich am wohlsten fühlst. Was willst du denn spielen?«

»Weiß ich noch nicht genau.« Ich holte meine Sackpfeife heraus. Der Geruch nach Leder und Holz war mir so vertraut wie mein eigener. Die Bordunpfeifen schmiegten sich an meine Schulter, als ich den Sack mit Luft füllte. Sobald sie die ersten Töne von sich gaben, merkte ich, wie unglaublich laut der Dudelsack in diesem winzigen Raum klingen würde. Ich hätte meine Ohrstöpsel mitbringen sollen.

Etwa zwanzig Sekunden lang sah Bill mir beim Stimmen zu, beobachtete meine Haltung und hörte, wie gleichmäßig ich den Ton während des Stimmens hielt. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, langsam anzufangen und dann mit einem so überragenden Stück abzuschließen, dass er mir die Füße küssen würde. Aber der Dudelsack dröhnte in dem Zimmer dermaßen laut, dass ich es nur hinter mich bringen wollte. Und so setzte ich zu einem meiner liebsten Reels an, einem schottischen Volkstanz, bei dem es einem leicht die Finger verknoten konnte, den ich jedoch praktisch im Schlaf hätte spielen können. Schnell. Sauber. Fehlerfrei.

Bills Gesicht war leer – es zeigte keinerlei Regung. Als hätte ich ihm mit der bloßen Lautstärke den Ausdruck vom Gesicht geblasen. Ich nahm das Instrument von der Schulter.

»Ich kann dir nichts beibringen.« Bill schüttelte den Kopf. »Aber das wusstest du schon, als du herkamst, nicht wahr? Hier in der Umgebung findest du sicher niemanden, der dir etwas beibringen könnte. Vielleicht nicht einmal im gesamten Bundesstaat. Trittst du bei Musikwettbewerben an?«

»Bis diesen Sommer, ja.«

»Warum hast du aufgehört?«

Ich zuckte mit den Schultern. Aus irgendeinem Grund machte es mir keine Freude, es ihm zu sagen. »Bin ganz oben angekommen. Danach fand ich es irgendwie langweilig.«

Erneut schüttelte Bill den Kopf. Er musterte mein Gesicht, und ich konnte seine Gedanken erraten, denn genau das dachten sie immer: Du bist so jung (und ich bin so alt). Mit tonloser Stimme erklärte er: »Ich werde mich dann wohl mit der Schule in Verbindung setzen. Ihnen Bescheid sagen, damit sie sich etwas anderes für dich überlegen können. Aber die wussten das auch schon alles, ehe sie dich aufgenommen haben, nicht wahr?«

Ich ließ den Dudelsack sinken. »Ja.«

»Du solltest dich am Carnegie Mellon College bewerben. Die haben einen Studiengang mit Schwerpunkt Sackpfeifen.«

»Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen«, gab ich zurück. Mein Sarkasmus entging ihm völlig.

»Du solltest dir das wirklich überlegen, wenn du hier fertig bist.« Bill sah mir zu, während ich mein Instrument einpackte. »Es wäre ein Jammer, wenn du nur auf irgendein Konservatorium gehen würdest.«

Ich nickte nachdenklich und ließ ihn weitere intelligente Bemerkungen machen, dann gab ich ihm die Hand und ließ den Unterrichtsraum hinter mir. Ich war enttäuscht, obwohl ich das eigentlich nicht hätte sein sollen. Schließlich hatte ich ja genau das bekommen, was ich erwartet hatte.

 

Als ich aus der Musikalienhandlung kam, saß ein Mädchen auf dem Bordstein. In meiner ziemlich üblen Laune hätte ich die junge Frau keines zweiten Blickes gewürdigt, wenn sie nicht fünf Zentimeter neben meinem Auto gesessen hätte. Obwohl sie mir den Rücken zuwandte, drückte alles an ihr pure Langeweile aus.

Ich legte den Dudelsackkoffer möglichst laut und umständlich auf den Rücksitz in der Hoffnung, sie würde den Wink verstehen – dass ich sie überrollen würde, wenn sie sich nicht endlich vom Fleck rührte, weil ich losfahren wollte.

Doch als ich mit dem Lärmen fertig war, hatte sie sich immer noch nicht bewegt, also ging ich um das Auto herum und blieb vor ihr stehen. Nach wie vor hockte sie reglos da, hatte das Kinn in die Luft gereckt, die Augen gegen die Nachmittagssonne geschlossen und tat so, als würde sie mich nicht bemerken.

Vielleicht war sie mit mir in irgendeinem Kurs, und ich hätte sie erkennen sollen. Wenn sie eine Schülerin war, hielt sie sich aber definitiv nicht an die Kleidungsvorschriften – sie trug eine hautenge Bluse, bedruckt mit einem schwungvollen Schriftzug, und eine Schlaghose, unter deren Jeansstoff mächtige Plateau-Clogs hervorschauten. Dazu war ihre Frisur unverkennbar: irgendwie zerzaustes, nicht ganz lockiges blondes Haar, vorne lang und hinten trendig kurz geschnitten.

»Meine Liebe«, sagte ich höflich, »dein Hintern blockiert meine Stoßstange. Könntest du vielleicht auch ein, zwei Meter weiter südlich herumlungern und mich ausparken lassen?«

Ihre Augen öffneten sich.

Es war, als würde ich in Eiswasser ertrinken. Ich bekam Gänsehaut am ganzen Körper, und in meinem Kopf verkündete eine unheimliche Melodie: nicht normal. Die Ereignisse des vergangenen Sommers gingen mir ungebeten wieder durch den Kopf.

Das Mädchen – wenn es denn überhaupt eines war – blickte mit leuchtend blauen Augen, die durch die dunklen Schatten darunter noch strahlender wirkten, zu mir auf. Mit unendlich gelangweilter Miene sah die junge Frau mir ins Gesicht. »Ich warte schon ewig auf dich.«

Als sie sprach, umhüllte mich ihr duftender Atem: schlaftrunken nickende Wildblumen, frischer Regen und ferner Holzrauch. Eine Ahnung von Gefahr kitzelte mich hinter dem Bauchnabel. Ich wagte mich mit einer Frage vor. »Wie meinst du das, ›ewig‹ – wartest du seit ein paar hundert Jahren oder seit meine Musikstunde angefangen hat?«

»Bilde dir nur nichts darauf ein«, entgegnete sie, stand auf und wischte sich die staubigen Hände am Hintern ab. In diesen Plateauschuhen war sie so groß, dass sie mir schnurgerade in die Augen schaute. Und sie war so nah, dass ich mich beinahe in ihrem Duft hätte verlieren können. »Erst seit einer halben Stunde, aber es hat sich angefühlt wie ein paar hundert Jahre. Also los.«

»Moment mal. Was?«

»Du sollst mich zur Schule mitnehmen.«

Okay. Also kannte ich sie vielleicht doch. Von irgendwoher. Ich versuchte, sie mir in einem meiner Kurse oder sonst wo auf dem Schulgelände vorzustellen, versagte aber kläglich. Ich malte mir aus, wie sie auf einer Waldlichtung um einen Kerl herumhüpfte, den sie gerade irgendeinem heidnischen Gott geopfert hatte. Dieses Bild überzeugte mich mehr. »Äh – Thornking-Ash?«

Sie warf mir einen vernichtenden Blick zu.

Bedeutungsvoll betrachtete ich ihre Jeans mit Schlag. »Ich kann mich nur nicht erinnern, ein so faszinierendes Geschöpf wie dich unter den Schülern bemerkt zu haben.«

Bei dem Wort »Geschöpf« lächelte sie und öffnete die Beifahrertür. »Ach, wirklich? Los jetzt.«

Ich starrte das Auto an, als sie die Tür hinter sich zuknallte. Ich war es gewöhnt, selbst der freche Kerl zu sein, der die Leute überrumpelte. Das Mädchen gestikulierte ungeduldig durchs Beifahrerfenster.

Ich dachte darüber nach, ob es eine schlechte Idee sein könnte, zu dieser Frau in den Wagen zu steigen. Nach einem Sommer voller Intrigen, Autounfälle und Feen war es das wahrscheinlich.

Ich stieg ein.

Das Radio erwachte summend zum Leben, sobald ich den Motor anließ, und sie verzog das Gesicht. »Wow. Du hörst dir vielleicht einen Mist an.« Damit schaltete sie auf einen der voreingestellten Sender um, und ein schwindelerregend schneller Reel ertönte. Das trübe Display des Radios zeigte 113,7. Ich bin kein Technikfreak (allerdings nur, weil Technik mich nicht so interessiert), aber ich glaubte nicht, dass Autoradios so etwas tun sollten.

»Okay«, meinte ich schließlich und fuhr an. »Du gehst also auch auf die Thornking-Ash. Wie heißt du?«

»Das habe ich nie behauptet«, erwiderte sie. Sie legte die nackten Füße aufs Armaturenbrett, die Clogs blieben auf der Fußmatte. »Ich habe dich nur gebeten, mich dort hinzufahren.«

»Aber natürlich. Wie dumm von mir. Wie heißt du?«

Das Mädchen betrachtete meine Hände am Lenkrad, als könnte die Antwort auf diese Frage auf meinen bekritzelten Handrücken zu finden sein. Nachdenklich verzog es das Gesicht. »Nuala. Nein – Elenora. Nein – Polly … Nein, warte. Nuala hat mir am besten gefallen. Ja, bleiben wir bei Nuala.«

Sie sprach den Namen aus, als enthielte er eine Menge U: Nuuuuuuuuuala. Sie lächelte halb, ein selbstgefälliges Lächeln, das mir in meinem eigenen Gesicht lieber war.

»Bist du sicher, dass du dabei bleiben willst?«

Sie musterte ihre Fingernägel und kaute dann an einem herum. »Es ist das Privileg einer Frau, es sich anders zu überlegen.«

»Bist du denn eine Frau?«, fragte ich.

Finster blickte Nuala mich an. »Hat dir noch nie jemand gesagt, dass es sehr unhöflich ist, so etwas zu fragen?«

»Selbstverständlich. Wie ungezogen von mir. Also, sind wir uns schon irgendwo begegnet?«

Nuala wedelte mit einer Hand. »Würdest du mal den Mund halten? Ich versuche zuzuhören.« Sie verstellte den Sitz, neigte die Rückenlehne weit nach hinten und starrte einen Moment lang an den Wagenhimmel, ehe sie die Augen schloss. Mich überkam die grässliche Vorstellung, dass sie gar nicht der Musik im Radio lauschte, sondern irgendeiner fernen Melodie, die nur sie hören konnte. Schweigend fuhr ich weiter, behielt sie aber im Auge. Die Nachmittagssonne fiel durch die Seitenfenster und beleuchtete eine Galaxie von Sommersprossen auf ihren Wangen. Die Sommersprossen wirkten irgendwie unpassend: sehr unschuldig. Sehr menschlich. Dann schlug sie die Augen auf und sagte: »Du bist also Sackpfeifer.«

Das brauchte keine übernatürliche Erkenntnis zu sein. Jeder, der sich während meiner Vorstellung für Bill draußen vor dem Laden aufgehalten hatte, hätte das hören müssen. Trotzdem konnte ich nicht anders, als mir einzubilden, dass ihre Worte irgendeine unterschwellige Botschaft enthielten. »Ja. Ein grandioser obendrein.«

Nuala zuckte mit den Schultern. »Du bist ganz gut.«

Ich warf ihr einen Blick zu. Sie lächelte auf ziemlich spitze Art. »Du willst mich nur ärgern.«

»Ich will damit nur sagen, dass ich schon bessere gehört habe.« Nuala wandte mir das Gesicht zu, und ihr Lächeln erlosch. »Ich habe auch eure Unterhaltung gehört, Pfeifer. Die haben dir hier nichts zu bieten. Wärst du gern besser in dem, was du tust?«

Das beunruhigende Kribbeln verstärkte sich zu einem Stechen. »Das ist eine dumme Frage. Du kennst die Antwort schon, sonst hättest du nicht gefragt.«

»Ich könnte dir helfen.«

Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, mir jedes Wort gut zu überlegen. »Wie stellst du dir das so vor?«

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sie sich aufrichtete, und gleich darauf spürte ich ihren Atem an meinem Ohr. »Ich würde dir Geheimnisse ins Ohr flüstern, die dein Leben verändern.«

Ich neigte den Kopf zur Seite, weg von ihr, ehe der Duft ihres Atems mich betören konnte. Meine Gänsehaut bekam selbst eine Gänsehaut. »Und das würdest du ganz uneigennützig tun, da bin ich sicher.«

»Weißt du, ich hätte vergleichsweise wenig davon. Du würdest es gar nicht bemerken. Und du könntest der beste Pfeifer werden, der je gelebt hat.«

»Klar.« Alle möglichen Schauergeschichten über Pakte mit dem Teufel und so weiter gingen mir durch den Kopf, und inzwischen begann ich meine Entscheidung, zu ihr ins Auto zu steigen, ernsthaft zu bereuen. »Also, ich fühle mich sehr geschmeichelt, sage aber nein.« Wir hatten die Schule fast erreicht. Ich fragte mich, was sie tun würde, wenn wir dort ankamen. »Ich bin mit dem Level meiner Genialität zufrieden. Jedenfalls zufrieden genug, um mich aus eigener Kraft weiter voranzuarbeiten. Es sei denn, du hättest so was wie ein kostenloses, unverbindliches Probeabo, das ich nach vier Wochen kündigen kann, ohne dir irgendetwas schuldig zu sein oder meine Kreditkartennummer angeben zu müssen.«