
Sir Walter Scott
Ivanhoe
Roman
Roman
Aus dem Englischen von Leonhard Tafel
Fischer e-books
Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.
Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.
Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Covergestaltung: bilekjaeger, Stuttgart
Coverabbildung: Ferdinand Piloty, Wandgemälde aus dem Zyklus »Die Parzival-Sage« © Picture-Alliance/akg-images
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2010
Unsere Adressen im Internet:
www.fischerverlage.de
www.fischer-klassik.de
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-10-401235-3
Dies waren, wie Turner berichtet, die gewöhnlichen Getränke der alten Sachsen. Von Honig mit Maulbeersaft gemischt ward der Morat bereitet. Pigment war ein starkes, süßes Getränk, das aus stark gewürztem Wein mit Honig gesüßt bestand.
In jenen Zeiten standen die Juden unter einem Schatzmeister, der eigens hierzu bestimmt war.
So nannten sich die Räuberbanden und Geächteten der damaligen Zeit.
Beauséant war der Name des Templerbanners, das halb schwarz, halb weiß war, um – wie man sagte – anzudeuten, daß sie redlich und gut gesinnt gegen Christen, aber furchtbar und erbarmungslos gegen die Ungläubigen seien.
Nichts wurde bei den Sachsen für so beschimpfend und entehrend gehalten, als den schändenden Namen ›Nidering‹ zu verdienen. Selbst Wilhelm der Eroberer, so verhaßt er auch war, sammelte ein großes Heer Angelsachsen unter seinen Fahnen, indem er drohte, die zu Hause Bleibenden als Nidering zu brandmarken. Bartholinus, glaube ich, erwähnt einen ähnlichen Ausdruck, der von gleichem Einfluß bei den Dänen war.
Der Derrydown ist ein alter, nicht nur aus den Zeiten der Heptarchie, sondern selbst noch von den Druiden herstammender Gebrauch, und scheint ihre Hymnen begleitet zu haben, wenn diese ehrwürdigen Leute sich in den Wald begaben, um Mispeln zu sammeln.
Die Noten für das Jagdhorn wurden früher Worte genannt, und werden in alten Jagdgeschichten nicht durch musikalische Zeichen, sondern durch Worte ausgedrückt.
Reginald Fitzurse, William de Tracy, Hugh de Morville und Richard Brito waren Hofkavaliere Heinrichs II., die auf die leidenschaftlichen Ausfälle ihres Fürsten hin den berühmten Thomas a Becket erschlugen.
So sprachen sie, indessen nach der Hütte
Die Schweine kehrten, die nach ihrer Sitte
Sich heftig sträubten, lärmend, grunzend, träge,
Und doch bezwungen durch die Macht der Schläge.
POPES ODYSSEE
In jener lieblichen Gegend Englands, welche der Fluß Don bewässert, erstreckte sich vor alten Zeiten ein ansehnlicher Wald, der den größten Teil der schönen Hügel und Täler bedeckte, die zwischen Sheffield und der freundlichen Stadt Doncaster liegen. Noch jetzt finden sich Überbleibsel dieser Waldung in der Nähe der Rittersitze von Wentworth, Warncliffe Park und um Rotherham. Hier hauste vor alters der fabelhafte Drache von Wantley, hier ward manche verzweifelte Schlacht in den Bürgerkriegen der ›Rosen‹ ausgefochten, und hier war es, wo in alten Zeiten jene Banden tapferer Geächteten ihr Wesen trieben, deren Taten in den alten englischen Volksliedern besungen werden.
Dies ist der Schauplatz unsrer Erzählung. Ihr Zeitalter fällt in das Ende der Regierung Richards I., als seine Rückkehr aus langer Gefangenschaft für sein verzweifeltes Volk mehr ein Gegenstand der Wünsche als der Hoffnungen war, da dieses in der Zwischenzeit unter mancherlei hartem Druck zu leiden hatte. Die Edeln, deren Macht während der Regierung Stephans keine Grenzen mehr kannte, und die Heinrich II. mit der größten Anstrengung kaum in einige Abhängigkeit von der Krone zu bringen vermochte, überließen sich nun wieder in vollem Maße der früheren Ungebundenheit und kehrten sich wenig an die schwache Vermittlung des englischen Staatsrats. Sie befestigten ihre Schlösser, vermehrten die Zahl ihrer Reisigen und brachten alles um sich her in einen Zustand von Abhängigkeit, indem sie alle Mittel anwandten, sich an die Spitze einer Macht zu stellen, durch die sie instand gesetzt würden, bei den bevorstehenden Erschütterungen des Staates eine bedeutende Rolle zu spielen.
Die Lage des niedern Adels oder der sogenannten Franklins, welche nach den Gesetzen und dem Geist der englischen Konstitution berechtigt waren, sich von der Feudaltyrannei unabhängig zu erhalten, mußte in hohem Grade schwankend und unsicher werden. Dadurch, daß sie sich, wie es gewöhnlich der Fall war, unter den Schutz eines der kleinen Könige ihrer Nachbarschaft stellten und gewisse Lehnsdienste in dessen Haushalt übernahmen, oder durch gegenseitige Schutz- und Trutzbündnisse sich verpflichteten, ihm Heeresfolge zu leisten, mochten sie sich für den Augenblick Ruhe erkaufen. Aber dies geschah nur mit Aufopferung der jeder englischen Brust so teuern Unabhängigkeit, wodurch sie in jedes unbesonnene Wagnis, das der Ehrgeiz ihres Schutzherrn herbeiführte, verwickelt werden konnten.
Auf der andern Seite standen jenen mächtigen Baronen so viele Mittel der Verfolgung und Unterdrückung zu Gebote, daß es ihnen nie an Vorwand und selten an Willen fehlte, ihre weniger mächtigen Nachbarn zu quälen und zu verfolgen, wenn sie es in jenen gefährlichen Zeiten im Vertrauen auf die Gesetze des Landes wagten, sich ihrer Obhut zu entziehen. Ein Umstand, der sehr viel dazu beitrug, die Tyrannei des Adels und die Leiden der untern Klassen zu erhöhen, entsprang aus der Eroberung Englands durch Wilhelm von der Normandie. Vier Generationen hatten nicht vermocht, das feindliche Blut der Normannen und Angelsachsen zu vermischen, oder durch gleiche Sprache und gemeinschaftliches Interesse die beiden feindlichen Stämme zu vereinigen, von denen der eine immer noch im Übermute des Sieges auftrat, während der andere unter den Folgen der Niederlage seufzte. Durch den Sieg bei Hastings war alle Macht in die Hände des normannischen Adels gekommen, der sie, nach dem Zeugnis unserer Geschichtschreiber, keineswegs mit Mäßigung handhabte. Die sächsischen Fürsten und Edeln waren mit wenigen Ausnahmen entweder gänzlich ausgerottet oder ihres Erbes beraubt. Nicht groß war die Zahl derer, welche auch nur als Eigentümer der zweiten oder einer noch geringeren Klasse Ländereien in dem Erbe ihrer Vorfahren besaßen. Lange Zeit war es Politik der Herrscher, jedes Mittel, gleichviel ob gesetzlich oder ungesetzlich, anzuwenden, um die Macht derjenigen Untertanen zu schwächen, die man mit Recht als die zu betrachten hatte, welche den eingewurzeltsten Haß gegen ihre Unterdrücker nährten. Alle Monarchen aus dem Geschlechte der Normannen hatten die entschiedenste Vorliebe für ihre normannischen Untertanen gezeigt. Die Jagdgesetze und noch manche anderen, dem mildern, freien Geiste der sächsischen Konstitution unbekannten Beschränkungen wurden den Unterjochten aufgebürdet, als geschehe es nur, um die drückenden Ketten der Feudaldespotie noch drückender zu machen. An den Höfen wie auf den Schlössern des hohen Adels, wo man die Pracht der Hofhaltungen nachahmte, ward nur das Normannisch-Französische gesprochen; an den Gerichtshöfen fanden die Verhandlungen und Rechtsprechungen in derselben Mundart statt. Kurz, die französische Sprache war die Sprache der Ehre, der Ritterlichkeit sowie der Gerichte, indes das weit männlichere, ausdrucksvollere Angelsächsische in den Kreis der Bauern und des niedern Volkes verbannt worden war, wo man keine andere Sprache kannte.
Indessen entstand durch die Berührung der Herren des Bodens mit seinen untergebenen Bebauern nach und nach eine eigene aus dem Französischen und dem Angelsächsischen gebildete Mundart, durch die sie sich einander verständlich machten. Aus dieser Notwendigkeit der Verständigung ist endlich die jetzige englische Sprache entstanden, in der sich die Sprachen der Sieger und der Besiegten so glücklich vereinten, und die seitdem aus dem Schatze der klassischen Sprachen sowohl als auch aus denen der südlicheren Nationen Europas so reichlich bedacht worden ist.
Diesen Stand der Dinge glaubte ich dem Leser im Überblick darlegen zu müssen, da er vielleicht vergessen mochte, wie die große eigentümliche Verschiedenheit zwischen den Angelsachsen und ihren Besiegern fortdauerte, obgleich keine großen geschichtlichen Ereignisse, Kriege oder Empörungen nach den Zeiten Wilhelms II. sie als ein für sich bestehendes Volk auftreten lassen. Die Erinnerung an das, was sie waren und worauf sie beschränkt wurden, ließ selbst noch unter der Regierung Eduards III. die Wunden nicht verharschen, welche die Unterjochung geschlagen hatte, und noch immer bestand eine Scheidewand zwischen den Abkömmlingen der siegreichen Normannen und denen der besiegten Angelsachsen.
Die untergehende Sonne beschien einen der üppigsten Grasplätze des Waldes, dessen wir zu Anfang des Kapitels erwähnten. Hunderte von breiten, kurzstämmigen Eichen, die vielleicht schon den stattlichen Zug der römischen Legionen mit angesehen hatten, breiteten ihre knorrigen Arme über das dichte, frische Grün aus. Buchen und andere Waldbäume, oft so dicht, daß der Strahl der Sonne nicht durchdringen konnte, zeigten sich an manchen Stellen; auf andern waren sie wieder so regelmäßig geordnet, daß sie lange, anziehende Durchsichten bildeten, worin das Auge sich gerne verliert und die der Phantasie mit der Ahnung noch dichterer Einsamkeit schmeicheln.
Hier gaben die roten Strahlen der Sonne ein ungewisses, glanzloses Licht, das auf den dickbelaubten Ästen und den moosigen Stämmen zitterte; dort beleuchteten sie mit glänzendem Scheine die Stellen des Rasens, zu denen sie durchzudringen vermochten. Ein ziemlich großer, offener Raum in der Mitte dieser Ebene schien ehedem dem Gottesdienste der Druiden geweiht zu sein; denn auf der Spitze eines künstlich gebildeten Hügels fand man noch immer einen Kreis von großen unbehauenen Steinen. Sieben standen noch aufrecht; die übrigen aber waren wahrscheinlich durch den Eifer eines christlichen Bekehrers umgeworfen und lagen zerstreut umher. Einer dieser großen Steine war ganz hinabgerollt und hatte den Lauf eines kleinen Baches gehemmt, der sanft um den Fuß des Hügels sich herumwand und nun einen kleinen Fall bildend in leisem Murmeln dahinfloß.
Zwei menschliche Gestalten vollendeten dieses Landschaftsgemälde. Kleidung und Gestalt verrieten den wilden und rauhen Charakter der Waldbewohner des westlichen Teils von Yorkshire. Der ältere dieser Männer hatte ein finsteres, rohes und wildes Aussehn; seine Kleidung war die einfachste, die man sich denken kann, denn sie bestand aus einer engen Jacke mit Ärmeln, die aus dem gegerbten Felle eines Tieres gemacht war, auf dem sich noch das ursprüngliche Haar befand, das aber an vielen Stellen so abgetragen war, daß man schwer bestimmen konnte, welcher Tierart es eigentlich angehört hatte. Diese altertümliche, von der Brust bis zu den Knien reichende Kleidung vertrat die Stelle aller andern Kleidungsstücke und hatte bloß oben eine Öffnung, um den Kopf durchzulassen, so daß man es wie ein Hemd der heutigen Zeit oder wie einen altertümlichen Küraß überwerfen konnte. Sandalen mit Riemen von Schweinsleder schützten die Füße, dünnes Leder war kunstvoll um die Beine gewunden bis über die Waden hinauf und ließ die Knie nackt, wie bei den schottischen Hochländern. Damit sich die Jacke noch enger an den Leib anschlösse, war sie in der Mitte mit einem breiten ledernen Gurt vermittelst einer metallenen Schnalle zusammengehalten. An der einen Seite des Gürtels hing eine Art Tasche, an der andern ein Widderhorn, durch ein Mundstück zum Blasen eingerichtet. Ein langes, breites, scharfgespitztes, zweischneidiges Messer mit Horngriff, in der Nachbarschaft verfertigt und schon damals unter dem Namen Sheffielder Messer bekannt, steckte ebenfalls in dem Gurt. Der Mann hatte keine andere Kopfbedeckung als sein eigenes, dickes Haar, das, ineinander verworren und verfilzt, durch die Sonne zu einer rostigen, rotschwarzen Farbe ausgedörrt war, die einen wunderlichen Gegensatz zu dem Bart bildete, der Backen und Kinn bedeckte und eine gelbe, bernsteinähnliche Farbe hatte. Ein Teil seiner Kleidung darf nicht übergangen werden: es war dies ein eiserner Ring, dem Halsbande eines Hundes ähnlich, der jedoch ohne irgendeine Öffnung um den Hals geschmiedet und nur so weit war, daß das Atmen dadurch nicht verhindert wurde. Auf dem Halsschmucke stand mit sächsischen Buchstaben: ›Gurth, der Sohn Beowulphs, ist der geborene Leibeigene Cedrics von Rotherwood‹.
Neben dem Schweinehirten, denn das war Gurths Amt, saß auf einem der umgestürzten Druidensteine ein Mensch, dem Anscheine nach wohl zehn Jahre jünger, dessen Kleidung aber, obwohl der seines Gefährten im Schnitte gleich, doch von besserem Stoffe und einem phantastischeren Aussehen war; seine Jacke war einst glänzend purpurfarben gewesen und zeigte noch einige groteske Versuche verschiedenfarbiger Verzierungen. Er trug überdies einen kurzen Mantel von karmesinrotem Tuch, der kaum bis zur Mitte seines Körpers reichte, ziemlich beschmutzt und mit einem gelben Streifen eingefaßt war; und da er ihn rund um den Leib geschlagen hatte, bildete die Weite gegen die fehlende Länge einen seltsamen Kontrast. Er trug dünne, silberne Armbänder und um den Nacken ein Halsband von gleichem Metall mit der Inschrift: ›Wamba, der Sohn von Witleß, ist der Leibeigene Cedrics von Rotherwood‹. Auch er hatte dieselben Sandalen wie sein Gefährte, statt der ledernen Bekleidung der Beine aber eine Art Gamaschen, die eine rot, die andere gelb. An seiner Mütze hingen mehrere Schellen von der Größe derer, welche man den Falken umhängt, womit er bei jeder Wendung des Kopfes ein Klingeln hervorbrachte; und da er selten einen Augenblick in derselben Stellung blieb, so tönte es beständig. Den Rand der Mütze aber umgab ein Band von steifem Leder, welches, auf der höchsten Spitze geteilt, eine Art von Krone bildete, aus der ein länglicher Beutel, wie bei unsern Husarenmützen, bis auf die Schulter herabhing. An diesem Teil der Mütze befanden sich die Schellen. Alles, sowohl die Form seines Kopfputzes wie der halb verwirrte, halb listige Ausdruck seines Gesichtes, ließ in ihm einen jener Hofnarren oder Possenreißer erkennen, deren man sich in den Häusern der Reichen zum Zeitvertreib und zur Aufheiterung bediente. Wie sein Gefährte trug auch er am Gürtel eine Tasche, aber weder Horn noch Messer, da man es vermutlich für gefährlich hielt, Leuten seiner Art schneidende Instrumente anzuvertrauen. Statt dessen war er mit einem ledernen Schwerte bewaffnet, dem ähnlich, womit der Harlekin auf der neuen Bühne seine Wunder tut.
Das Äußere dieser beiden Leute war ebenso verschieden wie ihr Blick und ihr Benehmen. Das des Hirten war finster und mürrisch; mit dem Anschein tiefer Niedergeschlagenheit blickte er auf den Boden, und man hätte es leicht für Gefühllosigkeit halten können, hätte nicht das aufblitzende Feuer aus seinem rötlichen Auge deutlich gezeigt, daß unter dem Scheine mürrischer Untertänigkeit ein Gefühl der Unterdrückung und eine Neigung zur Widersetzlichkeit schlummere.
In Wambas Blicken dagegen las man die Leuten seines Schlags eigene müßige Neugier und rastlose Unruhe, innig vereint mit der höchsten Selbstzufriedenheit mit seiner eigenen Lage und seiner äußern Erscheinung. Ihr Gespräch ward in angelsächsischer Mundart geführt, die, wie wir schon erwähnten, mit Ausnahme der normannischen Soldaten und der unmittelbaren Diener der großen Lehnsherrn selbst, allgemein von den niedern Klassen gesprochen wurde.
»St. Witholds Fluch über die verdammten Schweine!« rief der Hirt, nachdem er aus Leibeskräften in das Horn gestoßen, um die zerstreuten Schweine zu sammeln, die seinen Ruf zwar mit gleich melodischen Tönen beantworteten, sich aber nicht sehr beeilten, das leckere Mahl von Eicheln und Bucheckern, das sich ihnen darbot, zu verlassen, oder sich von dem schlammigen Ufer des Flusses zu trennen, an dem mehrere halb versunken im Morast gemütlich ausgestreckt lagen.
»Hol der heilige Withold sie und mich!« sprach Gurth. »Wenn die zweibeinigen Wölfe nicht noch vor Nacht einige von ihnen wegschnappen, so bin ich kein ehrlicher Mann. – Heda! Fangs! Fangs!« rief er mit voller Stimme einem zottigen, wolfartigen Tiere zu, halb Windhund, halb Kettenhund, der lässig hin und her hinkte, als ob er seinem Gebieter beim Zusammentreiben der widerspenstigen Grunzer beistehen wollte; der aber, die Signale des Hirten falsch deutend, das Übel ärger machte und sie immer mehr auseinandertrieb.
»Der Teufel möge dem Waldläufer die Zähne ausreißen und seine Großmutter den Buschklepper vollends zu Schanden bringen, der unsern Hunden die Vorderklauen stutzt und sie zu ihrem Geschäft untauglich macht! Auf, Wamba! und steh mir bei, wenn du ein tüchtiger Kerl bist; lauf dort um den Hügel herum, gewinn ihnen den Wind ab, dann treibst du sie wie unschuldige Lämmer vor dir her.«
Ohne sich zu rühren entgegnete Wamba: »Fürwahr, ich habe meine Beine hierüber zu Rate gezogen, und sie sind der Meinung, daß es sehr unfreundschaftlich gegen meine gestrenge Person und königliche Garderobe sein würde, wenn ich meine schönen Kleidungsstücke durch den Morast ziehen wollte. Deshalb rate ich dir, Gurth, ruf Fangs zurück und überlaß die Herde ihrem Schicksal, welches, mögen sie nun auf umherstreifende Soldaten, oder Geächtete, oder wandernde Pilger stoßen, dasselbe sein wird, als wenn sie, noch ehe der Morgen tagt, in Normannen verwandelt würden, zu deiner nicht geringen Freude und Bequemlichkeit.«
»Die Schweine in Normannen verwandelt, zu meiner Bequemlichkeit?« fragte Gurth, »erklär mir das, Wamba, denn mein Gehirn ist zu stumpf und mein Gemüt zu geplagt, um Rätsel zu lösen.«
»Nun, wie nennst denn du die grunzenden Bestien da, die hier auf ihren vieren herumlaufen?« fragte Wamba.
»Schweine, Narr, Schweine!« versetzte der Hirt, »jeder Narr weiß das.«
»Und Schweine ist gut Sächsisch«, sagte der Narr, »aber wie nennst du denn die Sau, wenn sie ausgenommen, abgebrüht, geviertelt und an den Beinen wie ein Hochverräter aufgehängt ist?«
»Pork!« versetzte der Schweinehirt.
»Das freut mich sehr, daß jeder Narr dies weiß«, sagte Wamba, »und ›pork‹ ist, glaube ich, gut Normannisch-Französisch. Solang nun das Tier lebt und von einem sächsischen Leibeigenen bewacht wird, läuft es unter seinem sächsischen Namen; es wird aber normannisch und wird ›pork‹ genannt, wenn es in die Halle des Schlosses zum Feste der Großen gebracht wird – nun, was meinst du dazu, Freund Gurth, he?«
»Ja, ja, das ist nur zu wahr, Freund Wamba, obgleich es in deinem Narrengehirn gewachsen ist.«
»Ich kann dir noch mehr sagen«, fuhr Wamba in dem nämlichen Tone fort, »da ist ein Alderman Ochs, der behält seinen sächsischen Namen, wenn er unter der Bewachung der Sklaven und Leibeigenen bleibt, wie du einer bist, aber er wird zum bœuf, zu einem stolzen, galanten Franzosen, wenn er vor die gestrengen Kinnbacken kommt, die ihn zu verzehren bestimmt sind. Mynheer Kalb wird auf gleiche Weise zum Monsieur de veau; es ist Sachse, solang es der Wartung bedarf, und nimmt einen normannischen Namen an, wenn es zum Genusse dient.«
»Beim heiligen Dunstan«, antwortete Gurth, »du sprichst eine traurige Wahrheit; wenig mehr als die Luft, die wir einatmen, ist uns geblieben, und auch diese scheint man uns ungern und nur darum zu lassen, damit wir fähig sind, die Lasten zu tragen, die man uns auferlegt. Der fetteste und feinste Bissen kommt auf ihren Tisch, das Lieblichste in ihr Bett; die Besten und Tapfersten ergänzen ihre Heere in der Fremde und bleichen entfernte Länder mit ihren Gebeinen, während wenige zurückbleiben, die den Willen und die Macht hätten, die unglücklichen Sachsen zu beschützen. Gottes Segen über unsern Herrn Cedric, der hat gehandelt wie ein Mann und sich vor den Riß gestellt; aber Reginald Front de Bœuf kommt in Person ins Land, da werden wir sehen, wie wenig Cedrics Bemühungen nützen werden. – Hierher, hierher!« rief er wieder aus, seine Stimme erhebend. »Hoho! hoho! recht so, Fangs! Jetzt hast du sie alle vor dir und bringst sie ordentlich zusammen.«
»Gurth«, sagte der Spaßmacher, »ich weiß, du hältst mich für einen Narren, sonst würdest du nicht so unbesonnen deinen Kopf in meinen Rachen stecken. Ein einziges Wort an Reginald Front de Bœuf oder Philipp de Malvoisin, daß du verräterisch gegen die Normannen gesprochen, und du bist am längsten Schweinehirt gewesen. Du müßtest hier an einem dieser Bäume zappeln, ein warnendes Beispiel für alle, die gegen würdige Leute Übles reden.«
»Hund, du wirst mich doch nicht verraten wollen«, versetzte Gurth, »da du mich selbst dahin führtest, daß ich Nachteiliges von ihnen sprach?«
»Dich verraten!« antwortete der Spaßmacher, »nein, das könnte nur ein weiser Mann tun; ein Narr kann sich nicht halb so gut helfen – aber still, wer ist denn das?« fragte er, dem jetzt hörbar werdenden Pferdegetrappel lauschend.
»Ei, so kümmere dich nicht darum«, antwortete Gurth, der nun seine Herde beisammen hatte und mit Hilfe Fangs eine lange, dunkle Allee hinabtrieb.
»Nein, ich muß erst die Reiter sehen«, antwortete Wamba, »sie kommen vielleicht aus dem Feenlande mit einer Botschaft vom König Oberon.«
»Hol dich der Teufel«, erwiderte der Schweinehirt, »wie magst du nur auch solchen Unsinn reden, da ein solches Unwetter mit Donner und Blitz gegen uns im Anzuge ist? – Horch, wie der Donner rollt! Nie sah ich bei einem Sommerregen so starke Tropfen senkrecht aus den Wolken fallen. Trotz der Windstille seufzen und krachen die Eichen mit ihren großen Ästen, als wollten sie einen Sturm verkünden. Du kannst meinethalben den Starkgläubigen machen, aber spute dich, daß wir nach Hause kommen, ehe der Sturm zu wüten beginnt; die Nacht wird furchtbar sein.«
Wamba schien die Kraft seiner Gründe zu fühlen und begleitete seinen Gefährten, der seine Reise antrat, nachdem er einen langen Knüttel, der ihm zur Seite lag, ergriffen hatte. Schnell schritt dieser zweite Eumäus, indem er die ganze Herde seiner unharmonisch lärmenden Pflegebefohlenen vor sich her trieb, durch die Waldebene hin.
Da war ein Mönch der schmuckste Kavalier,
Zog Tag für Tag ins lustge Waldrevier.
Die stattliche Figur war wohl des Krummstabs wert;
Ihm wiehert in dem Stall manch stolzes Pferd,
Und wenn er ritt, so drang zu manchem Ohr
Des Zügels Klingen wie Gesang empor.
So scharf und laut, als wollte dir sein Läuten
Den Lord als Hüter der Kapelle deuten.
CHAUCER
Trotz der Ermahnungen und Vorwürfe seines Gefährten konnte sich Wamba nicht enthalten, unter mancherlei Vorwand auf der Straße zurückzublicken und auf die immer näher tönenden Hufschläge zu achten. Bald riß er ein Büschel halbreifer Haselnüsse ab, bald wandte er sich um, einem Bauernmädchen nachzusehn, das des Weges daherkam; die Reiter hatten sie deshalb auch sehr bald eingeholt.
Es waren ihrer zehn; die beiden Vorausreitenden schienen Leute von Bedeutung zu sein, die andern ihr Gefolge auszumachen; auch fiel es nicht schwer, Stand und Charakter des einen dieser beiden zu bestimmen. Er war augenscheinlich ein Geistlicher von hohem Rang; seine Kleidung war die eines Zisterziensermönches, nur daß sie aus feinern Stoffen bestand, als sonst die Regel des Ordens gestattete. Mantel und Kapuze von dem feinsten flandrischen Tuch umgaben in weiten, anmutigen Falten den schönen, wenngleich etwas wohlgenährten Mann. Sein Äußeres trug so wenig die Spuren der Selbstverleugnung, als seine Kleidung Verachtung weltlichen Glanzes zeigte. Man konnte seine Züge schön nennen, wenn nicht unter dem gesenkten Augenlid jenes schlaue epikureische Blinzeln gelauscht hätte, das den vorsichtigen geistlichen Wollüstling kennzeichnet. Stellung und Beruf hatten ihn sonst vollkommen gelehrt, den Ausdruck seines Gesichtes zu beherrschen, so daß er nach Gefallen die Miene der andächtigsten Feierlichkeit annahm, obgleich sein natürlicher Ausdruck der einer wohlgelaunten geselligen Jovialität war. Trotz der Regeln des Klosters und der Verbote der Päpste und Konzilien waren die Ärmel dieses Ehrenmannes mit kostbarem Pelzwerk gefüttert und besetzt, der Mantel über der Brust mit goldnen Spangen befestigt und die ganze Ordenskleidung so verschönert und verziert wie die einer heutigen Quäkerschönheit, welche, ungeachtet aller Einfachheit in Schnitt und Farbe, durch die Wahl des Stoffes und die Art, ihn zu verwenden, der Kleidung einen Anstrich von Koketterie zu geben versteht, der nur gar zu sehr nach den Eitelkeiten der Weltkinder schmeckt.
Dieser würdige Sohn der Kirche ritt ein wohlgenährtes Maultier, dessen Reitzeug reich verziert war; der Zaum war nach der Sitte jener Zeit mit silbernen Glöckchen behangen. Seine Haltung verriet keineswegs das linkische Benehmen eines Klosterbruders, sondern zeigte vielmehr die leichte Anmut eines wohlgeübten Reiters; in der Tat schien auch das demütige Maultier, so gut es imstande und so bequem es zugeritten war, von dem galanten Mönche nur auf der Landstraße benutzt zu werden. Einer der Laienbrüder seines Gefolges führte zu seinem anderweiten Gebrauch einen der schönsten andalusischen Hengste, wie sie damals mit großer Gefahr und Mühe für bedeutende Personen durch Handelsleute eingeführt wurden. Sattel und Schabracke dieses prächtigen Zelters waren mit einer langen Decke belegt, die fast bis zur Erde hing, worauf Bischofsmützen, Kreuze und andere geistliche Sinnbilder prangten. Ein anderer Laienbruder führte ein zweites Saumtier, das wahrscheinlich das Gepäck des geistlichen Herrn trug, und zwei Mönche des Ordens von geringerer Klasse ritten lachend und schwatzend hintennach, ohne sich viel um die übrigen Reiter zu kümmern.
Der Gefährte des Prälaten war ein Mann über die Vierzig hinaus, schlank, aber stark und kräftig gebaut, eine wahre Athletengestalt, der lange Strapazen und Anstrengungen keinen Zug der zarteren menschlichen Form mehr gelassen. Er schien nur aus Knochen, Sehnen und Adern zu bestehen, die tausendfache Anstrengungen ertragen hatten und bereit waren, es noch mit Tausenden aufzunehmen. Eine scharlachrote, mit Pelz verbrämte Mütze von der Art, welche die Franzosen wegen der Ähnlichkeit mit einem umgekehrten Mörser ›mortier‹ nennen, bedeckte sein Haupt. Sein Gesicht war somit völlig frei, und seine Miene war geeignet, Achtung, wo nicht Furcht einzuflößen. Seine von Natur stolzen, strengen, aber höchst ausdrucksvollen Züge waren durch die südliche Sonne fast negerschwarz gebrannt und schienen in ihrem gewöhnlichen Zustande zu schlummern, nachdem der Sturm der Leidenschaften darüber hinweggegangen war. Allein die stark hervortretenden Adern auf der Stirn, das Zucken der Oberlippe und des starken, schwarzen Schnurrbartes, das bei der leichtesten Aufregung auftrat, zeigten deutlich, daß der Sturm schnell und leicht wieder zu wecken sei. Seine kühnen, durchdringenden schwarzen Augen verkündeten mit jedem Blick die Geschichte überwundener Schwierigkeiten und Gefahren und schienen einen Widerstand gegen seine Wünsche herauszufordern, um das Vergnügen zu haben, ihn durch entschlossenen Willen und festen Mut aus dem Wege zu räumen. Eine tiefe Narbe über den Augenbrauen erhöhte den Ernst seiner Züge und gab dem einen Auge einen unheimlichen, finstern Ausdruck, da es durch sie leicht beschädigt war, und die Pupille einen etwas schiefen Blick erhalten hatte, obwohl die Sehkraft nicht geschwächt war.
Das Oberkleid dieses Mannes glich im Schnitt dem seines Gefährten, da es ebenfalls ein langer Mönchsmantel war; allein seine scharlachrote Farbe bewies, daß er keinem der gewöhnlichen vier Mönchsorden angehörte. Auf der rechten Seite des Mantels befand sich ein Kreuz von weißem Tuch und von ganz besonderer Form. Dies Oberkleid verbarg etwas, das beim ersten Anblick nicht zu ihm zu passen schien: es war ein Panzerhemd mit Ärmeln und Handschuhen von demselben Stoffe, das sich ebenso schmiegsam dem Körper anpaßte wie die Hemden, welche jetzt auf den Strumpfwirkerstühlen aus minder hartem Material gefertigt werden. Die Vorderseite seiner Beine, wo der faltige Mantel auseinanderschlug, war gleichfalls mit Metallschuppen bedeckt, Knie und Füße schützten Stahlplatten, künstlich übereinandergelegt, indes ein Schuppenstrumpf die Beine vom Knöchel bis zum Knie umschloß. Im Gürtel trug er einen langen, zweischneidigen Dolch, die einzige Angriffswaffe, die er bei sich führte. Er ritt nicht wie sein Gefährte ein Maultier, sondern einen tüchtigen Klepper, um sein Streitroß zu schonen, das von einem Knappen nachgeführt wurde, vollkommen in Schlachtrüstung gehüllt, mit einer stählernen Kappe über dem Kopf, die vorn mit einer kurzen Pike versehen war. An der einen Seite des Sattels hing eine kurze Streitaxt, reich damasziert, an der andern des Ritters Helm mit wallenden Federn und die Sturmhaube, sowie das lange zweihändige Schwert, das die Ritter jener Zeit zu führen pflegten. Ein anderer Knappe hielt die Lanze seines Herrn, an deren Spitze ein schmaler Streif flatterte, auf dem ein Kreuz von derselben Form wie das auf dem Mantel zu sehen war. Auch trug er den kleinen dreieckigen Schild, der am obern Ende breit genug war, die Brust zu schützen, dann aber spitz zulief. Er war mit einem scharlachroten Tuche bedeckt, so daß man den Wahlspruch darauf nicht erkennen konnte.
Diesen beiden Knappen folgten zwei Diener, deren dunkle Gesichtsfarbe, weiße Turbane und morgenländische Tracht sie als Söhne des fernen Ostens bezeichneten. Wild und fremd war der Aufzug des Kriegers sowie seiner Begleiter; die Kleidung der Knappen war kostbar, und die morgenländischen Diener trugen silberne Halsbänder um den Nacken und Spangen von demselben Metall um ihre schwarzbraunen Arme und Beine, die bis zum Ellbogen und vom Knöchel bis zum halben Bein entblößt waren. Seide und Stickerei zierte ihre Kleidung und zeugte von dem Reichtum ihres Gebieters, indes sie zugleich einen auffallenden Kontrast zu seinem eigenen Anzug bildete. Sie waren mit krummen Säbeln bewaffnet, deren Griff und Gehänge mit Gold ausgelegt waren; ihre türkischen Dolche waren beinahe von noch köstlicherer Arbeit. Jeder von ihnen hatte an dem Sattelknopf ein Bündel Pfeile oder Wurfspieße, die etwa vier Fuß lang waren und starke Stahlspitzen zeigten; eine Waffe, die damals bei den Sarazenen sehr gebräuchlich war, und deren Andenken sich noch in dem kriegerischen Spiele ›el lerrid‹ erhalten hat, das noch heute im ganzen Morgenlande üblich ist.
Auch die Pferde dieser Diener erschienen ebenso fremd als ihre Reiter. Sarazenischen Ursprungs, waren sie demnach von arabischer Rasse, und ihre feineren, schlankeren Glieder, ihre dünnen Mähnen und schmalen Hufe nebst ihrem leichten, raschen Gang bildeten einen starken Gegensatz zu den schweren, stark gebauten Rossen, die sowohl in Flandern wie in der Normandie gezogen wurden, um die Krieger jener Zeit in ihrer vollen Waffenrüstung zu tragen. Beide nebeneinandergestellt, schienen die morgenländischen Renner der bloße Schatten ihrer abendländischen Brüder zu sein. Das sonderbare Äußere dieses Reiterzuges erregte nicht nur Wambas Neugier, sondern auch die seines minder beweglichen Gefährten. Den Mönch erkannte er sogleich als den Prior der Abtei von Jorvaulx, viele Meilen in der Runde wohlbekannt als ein Liebhaber der Jagd, der Tafelfreuden und – wenn ihm die böse Welt nicht zu viel tat – noch anderer weltlicher Vergnügungen, die sich noch weniger mit seinem Klostergelübde vertrugen.
Aber so wenig streng waren die Begriffe jener Zeit sowohl in Hinsicht der weltlichen wie der klösterlichen Geistlichkeit, daß Prior Aymer bei alldem in seiner Nachbarschaft in gutem Rufe stand. Seine offene Jovialität und die Willfährigkeit, für gewöhnliche Sünden Absolution zu erteilen, machten ihn zum Liebling des Adels und der vornehmeren Barone der Umgegend, zumal er, aus einer angesehenen normannischen Familie entsprossen, mit vielen von ihnen in Verwandtschaft stand. Die Damen insbesondere waren gar nicht gewillt, die Sitten eines Mannes zu streng zu richten, der ein so erklärter Bewunderer ihres Geschlechts war und so manche Mittel besaß, die Langeweile zu verscheuchen, die sich nur zu leicht in die Hallen und Gärten der damaligen Adelsschlösser einschlich. Mit mehr als gebührendem Eifer ging der Prior den Jagdbelustigungen nach und ward für den Besitzer der besten Falken und Jagdhunde in der nördlichen Umgegend gehalten; lauter Vorzüge, die ihn bei dem jungen Adel sehr empfehlen mußten. Mit den Alten wußte er sich mit großem Anstand andern Lustbarkeiten zu überlassen. Seine wenn auch nur oberflächlichen Kenntnisse waren mehr denn hinreichend, ihrer Unwissenheit zu imponieren, so wie das Feierliche in seinem Benehmen und seiner Sprache, der hohe Ton, womit er von der Macht und Gewalt der Kirche sprach, nicht verfehlten, ihnen eine große Meinung von seiner Heiligkeit beizubringen. Selbst der gemeine Mann, sonst der strengste Richter der Vornehmeren, hatte Nachsicht mit den Schwächen des Priors Aymer. Er war freigebig, und Mildtätigkeit bedeckt bekanntlich auch in einem andern Sinne als dem der Schrift der Sünden Menge. Die beträchtlichen Einkünfte der Abtei, von denen ein großer Teil ihm zu Gebote stand, gaben ihm die Mittel, sowohl seine eigenen Ausgaben zu bestreiten, als auch großmütige Spenden an die Landleute zu verteilen und sie in ihrem Elend zu trösten. Sah man Prior Aymer in gestrecktem Galopp auf die Jagd reiten, zu lange beim Gastmahl verweilen oder bei Tagesanbruch von irgendeinem nächtlichen Rendezvous zum Hinterpförtchen in die Abtei hineinschlüpfen, so zuckten die Leute die Achseln und versöhnten sich mit seiner Unregelmäßigkeit bei der Erinnerung, daß viele seiner geistlichen Brüder sich dieselben Unordnungen zuschulden kommen ließen, ohne durch bessere Eigenschaften Ersatz dafür zu bieten. Unsern sächsischen Leibeigenen war also Prior Aymer nach seinem Tun und Treiben wohlbekannt, und gern bezeigten sie ihm ihre linkische, bäurische Verehrung, wofür sie sein ›Benedicite, mes fils‹ zum Lohn empfingen. Die sonderbare Erscheinung seines Gefährten und ihrer Begleiter nahm jedoch ihre Neugier so sehr in Anspruch, daß sie kaum auf die Frage des Priors von Jorvaulx achteten, ob sie nicht irgendeine Herberge in der Nachbarschaft wüßten. Wahrscheinlich mochte die Sprache, mit der der Segen erteilt worden und die Frage getan ward, in den Ohren der sächsischen Landleute unangenehm, wenn auch nicht unverständlich klingen. Deshalb wiederholte also der Prior, die Stimme erhebend, seine Frage, indem er sich der ›Linqua franca‹ bediente, wie man jene aus Normännisch, Französisch und Angelsächsisch gemischte Sprache zu nennen pflegte:
»Ich fragte euch, meine Kinder, ob sich hier in der Nähe irgendein freundlicher Hauswirt befinde, der um Gottes willen und aus Liebe zur Mutter Kirche zweien ihrer demütigsten Diener mit ihrem Gefolge für diese Nacht gastfreies Obdach und Erquickung gewähren möchte?«
Dies sprach er mit so selbstgefälligem, wichtigem Tone, daß es auffallend gegen die bescheidenen Ausdrücke abstach, deren er sich zu bedienen für gut fand.
›Zwei der demütigsten Diener der Mutter Kirche!‹ wiederholte Wamba bei sich selbst. So sehr er auch Narr war, trug er doch Bedenken, seine Beobachtung laut werden zu lassen; ›nun wahrhaftig, da möchte ich doch ihre Seneschalle, Oberkellermeister und die anderen hohen Hausbeamten sehen.‹
Nachdem er des Priors Frage auf diese Weise ausgelegt hatte, erhob er seine Augen und erwiderte:
»Wenn die ehrwürdigen Väter eine leckere Kost und bequeme Wohnung lieben, so dürfen sie nur noch ein paar Meilen weiter reiten, um in die Abtei Brinxworth zu gelangen, wo ihr Stand ihnen die ehrenvollste Aufnahme sichert. Wollen sie aber die Nacht lieber in Buße und Gebet zubringen, so mögen sie nur den freien Platz dort im Auge behalten, dann kommen sie nach der Einsiedelei von Copmanhurst, wo der fromme Waldbruder ihnen gern den Schutz seiner Klause und die Wohltat seiner Gebete gönnen wird.«
Der Prior schüttelte auf beide Vorschläge den Kopf.
»Mein ehrlicher Freund«, sprach er, »wenn das Läuten deiner Schellen dir nicht den Verstand genommen hätte, so müßtest du den Spruch wissen: Clericus clericum non decimat, das heißt: wir Geistlichen lieben es nicht, gegenseitige Gastfreiheit in Anspruch zu nehmen, sondern ziehen es vor, bei Laien einzutreten, indem wir ihnen so Gelegenheit geben, durch Verehrung und Erquickung der Diener Gottes sich diesem wohlgefällig zu machen.«
»Es ist wahr«, versetzte Wamba, »daß ich, der ich nur ein Esel bin, doch die Ehre habe, ebenso wie Ew. Hochwürden Schellen zu tragen. Aber ich hätte doch geglaubt, daß die Wohltätigkeit der Mutter Kirche und ihrer Diener gleich andrer Wohltätigkeit zu Hause bei sich anfangen müßte.«
»Schweig, frecher Bursche!« versetzte der bewaffnete Reiter, indem er mit starker und ernster Stimme sein Geschwätz unterbrach, »sag uns, wenn du kannst, den Weg zu – nun wie nennt Ihr Euern Franklin, Prior Aymer?«
»Cedric«, antwortete der Prior, »Cedric, dem Sachsen. – Sag mir, guter Bursche, haben wir weit zu seiner Wohnung, kannst du uns den Weg dahin zeigen?«
»Der Weg wird schwer zu finden sein«, antwortete Gurth, der jetzt zum erstenmal den Mund auftat, »auch geht man in Cedrics Hause früh zur Ruhe.«
»Schweig damit, Kerl«, rief der kriegerische Reiter, »sie können leicht wieder aufstehen, um Reisende, wie wir sind, aufzunehmen; wir betteln nicht um Gastfreundschaft, wo wir ein Recht haben, sie zu fordern.«
»Ich weiß nicht«, versetzte mürrisch Gurth, »ob ich denen den Weg zu meines Gebieters Haus zeigen soll, die das Obdach, das die Leute sonst als Gunst erflehen, als ein Recht ansprechen wollen.«
»Willst du mir widersprechen, Sklave?« rief der Kriegsmann, gab dem Rosse die Sporen, ließ es eine halbe Volte über den Weg machen und hob die Reitpeitsche, um die Unverschämtheit des Bauern zu bestrafen.
Gurth warf einen wilden, rachsüchtigen Blick auf ihn und legte mit zögernder, aber kühner Bewegung die Hand an den Griff seines Messers; allein Prior Aymer, der sich mit seinem Maultier zwischen seinen Gefährten und den Schweinehirten drängte, verhinderte die beabsichtigte Gewalttätigkeit.
»Nein, bei der heiligen Mutter, Bruder Brian, Ihr müßt nicht glauben, daß Ihr in Palästina seid und über Heiden und Sarazenen zu gebieten habt; wir Insulaner lieben keine Schläge als die der heiligen Kirche, welche diejenigen züchtiget, die sie lieb hat. – Zeig mir, guter Mensch«, wandte er sich an Wamba, indem er seiner Frage durch eine Silbermünze Nachdruck gab, »den Weg zu Cedrics, des Sachsen Haus; er kann dir nicht unbekannt sein, und es ist deine Pflicht, Wanderer auf den rechten Weg zu weisen, wenn sie auch von minder heiligem Stande wären als wir.«
»In Wahrheit, ehrwürdiger Vater«, antwortete der Spaßmacher, »der sarazenische Kopf Eures verehrten Gefährten hat mir den Heimweg gänzlich aus meinem eigenen hinausgeschreckt – ich bin selbst nicht sicher, ob ich den Weg bei Nacht dahin finden werde.«
»Schweig«, sagte der Abt, »du kannst ihn uns zeigen, wenn du willst. Der ehrwürdige Bruder da hat sein ganzes Leben um die Wiedererlangung des Heiligen Grabes gefochten; er ist vom Orden der Tempelherren, von dem ihr gehört haben werdet, er ist halb Mönch, halb Krieger.«
»Und wenn er auch nur ein halber Mönch ist«, sprach der Spaßmacher, »so sollte er nicht so ganz ungebührlich gegen diejenigen verfahren, die er auf der Straße trifft, auch wenn sie sich einmal nicht beeilen sollten, ihm auf Fragen zu antworten, die sie nichts angehen.«
»Ich vergeb dir deinen Spaß«, erwiderte der Abt, »unter der Bedingung, daß du uns den Weg zu Cedrics Wohnung zeigst.«
»Wohl denn«, antwortete Wamba, »Ew. Hochwürden bleiben immer auf diesem Wege, bis sie zu einem versunkenen Kreuze kommen, das kaum noch einen Fuß hoch vom Boden hervorragt; dann schlagt Ihr den zur Linken ein, und so hoff ich, werden Ew. Hochwürden unter Dach kommen, noch ehe das Wetter heraufzieht.«
Der Abt dankte seinem weisen Ratgeber; und den Pferden die Sporen gebend flogen die Reiter dahin, um noch vor Ausbruch des nächtlichen Sturmes ein Obdach zu finden. Als der Schall der Hufschläge verhallte, sagte Gurth zu seinem Gefährten: »Wenn sie deinem klugen Rate folgen, so werden die ehrwürdigen Väter in dieser Nacht schwerlich Rotherwood erreichen.«
»Nein«, erwiderte schmunzelnd der Narr, »aber nach Sheffield kommen sie gewiß, wenn das Glück ihnen günstig ist, und das ist ein wohlgeziemender Ort für sie. Ich bin kein so schlechter Jägersmann, um dem Hunde das Lager des Hirsches zu zeigen, wenn es mir nicht gefällt, daß er ihn jagen soll.«
»Du hast recht«, sagte Gurth, »es wäre schlimm, wenn dieser Aymer die Lady Rowena zu Gesicht bekäme, und noch schlimmer vielleicht, wenn Cedric mit diesem kriegerischen Mönch in Streit kommen würde. So laß uns also als treue Diener alles hören und sehen und nichts dazu sagen.«
Wir kehren zu unsern Reitern zurück, welche sich kaum von ihren Wegweisern getrennt hatten, als sie in der normannisch-französischen Sprache der höhern Klasse folgende Unterredung anknüpften:
»Wer waren diese unverschämten Kerls und warum verhindert Ihr mich, sie zu züchtigen?« sagte der Tempelherr zu dem Benediktiner.
»Meiner Treu, Bruder Brian«, versetzte der Prior, »es wär ein böses Ding, wenn ich hinsichtlich des einen Rechenschaft ablegen sollte; der andere Kerl aber gehört zu der wilden, stolzen und unbeugsamen Rasse, von der es noch einige gibt, die man, wie ich Euch schon oft sagte, noch immer unter den Abkömmlingen der besiegten Sachsen findet, deren höchstes Vergnügen es ist, durch alle ihnen zu Gebot stehenden Mittel ihren Widerwillen gegen ihre Besieger an den Tag zu legen.«
»Ich wollte ihm gleich Höflichkeit eingebleut haben«, bemerkte Brian, »und bin es gewohnt, mit solchen Starrköpfen umzuspringen. Unsre türkischen Gefangenen sind so trotzig und unbeugsam, als Odin selbst sein konnte; zwei Monate in meinem Haushalt, unter der Fuchtel meines Sklavenmeisters, sind sie so demütig, unterwürfig und dienstfertig, als man nur wünschen kann. Nur vor Gift und Dolch müßt Ihr auf Eurer Hut sein; denn damit sind sie gleich bei der Hand, wenn Ihr ihnen die geringste Gelegenheit dazu gebt.«
»Ei nun, ein jedes Land hat seine eigenen Sitten, und obwohl die Züchtigung dieses Burschen uns nicht den Weg zu Cedrics Wohnung gezeigt hätte, würde sie nur zu Händeln zwischen Euch und ihm geführt haben, wenn wir den Weg doch gefunden hätten. Erinnert Euch, was ich Euch sagte; dieser reiche Franklin ist ein stolzer, jähzorniger und reizbarer Mensch und hält dem ganzen Adel und selbst seinen Nachbarn Reginald Front de Bœuf und Philipp de Malvoisin, die eben keinen Scherz verstehen, Widerpart. Er tritt so mutig zum Schutz der Rechte seines Stammes auf und ist so stolz auf seine gerade Abkunft von Hereward, einem berühmten Kämpen der Heptrachie, daß er gewöhnlich nur Cedric der Sachse genannt wird und eine Ehre darein setzt, von einem Volke abzustammen, das so viele andere aus Furcht zu verleugnen suchen, damit ihnen nicht ein Teil des ›vae victis‹, der Leiden, die den Besiegten treffen, auferlegt werden möchte.«
»Prior Aymer«, entgegnete der Templer, »Ihr seid ein galanter Mann, wohlerfahren im Dienste der Damen, und trotz eines Troubadours in Liebesangelegenheiten bewandert; indessen muß diese berühmte Rowena sehr schön sein, wenn sie die Selbstverleugnung und Geduld aufwiegen soll, die ich aufbieten muß, um mir die Gunst dieses groben Trotzkopfes zu sichern, als den Ihr mir ihren Vater Cedric beschrieben habt.«
»Cedric ist nicht ihr Vater«, entgegnete der Prior, »er ist bloß entfernt mit ihr verwandt; sie ist von höherer Abkunft, als er sich rühmt. Zu ihrem Vormunde hat er sich, wie ich glaube, selbst bestellt; allein sein Mündel ist ihm so teuer wie sein eigen Kind. Über ihre Schönheit sollt Ihr bald selbst urteilen können, und wenn die Vollkommenheit ihrer Gestalt und der majestätische, wenngleich sanfte Ausdruck ihrer blauen Augen Euch nicht alle schwarzlockigen Mädchen Palästinas, ja selbst die Houris in Mohammeds Paradies vergessen läßt, so bin ich ein Ungläubiger und kein echter Sohn der Kirche.«
»Sollte aber Eure gerühmte Schönheit auf der Waage zu leicht befunden werden«, sprach der Templer, »so gedenkt Ihr doch unsrer Wette?«
»Meine goldene Halskette«, antwortete der Prior, »gegen zehn Flaschen Chierwein; sie sind mir so sicher, als lägen sie schon in dem Klosterkeller unter Schloß und Riegel des alten Kellermeisters Dennis.«
»Und ich selbst soll Richter sein«, sagte der Templer, »und meine eigene Überzeugung soll mich zum Geständnis bringen, daß ich seit Pfingsten vor einem Jahr kein schönres Mädchen sah? – Prior, Eure Halskette steht in großer Gefahr. Ich will sie über meinem Ringkragen in den Schranken von Ashby de la Zouche tragen.«
»Gewinnt sie mit Recht«, versetzte der Prior, »und tragt sie, wo Ihr wollt! Ich baue auf Euer Wort als Ritter und Geistlicher, daß Ihr die Wahrheit sagt. Aber, Bruder, folgt meinem Rate und zwingt Eure Zunge zu etwas mehr Höflichkeit, als Euer Umgang mit ungläubigen Gefangenen und morgenländischen Sklaven Euch zu eigen machte. Cedric der Sachse ist leicht beleidigt, und da möchte er auf Eure und meine hohe Würde sowie auf Euer Rittertum wenig Rücksicht nehmen, uns bei Nacht und Nebel aus dem Hause werfen und ein Quartier bei den Lerchen anweisen. Habt auch acht auf Eure Blicke, mit denen Ihr Lady Rowena betrachtet, denn er bewacht sie mit der ängstlichsten Sorgfalt, und sollte er nur den geringsten Argwohn fassen, so sind wir verloren! Man sagt, er habe seinen einzigen Sohn aus dem väterlichen Hause verbannt, weil dieser es wagte, sein Auge zu ihrer Schönheit zu erheben, die man, wie es scheint, nur aus der Ferne anbeten, aber nicht mit andern Gedanken, als die heilige Jungfrau selbst, ansehen darf.«
»Schon gut«, antwortete der Tempelherr, »ich will mir diese Nacht den nötigen Zwang antun, und mich so verschämt als ein Mädchen gebärden; was aber das Hinauswerfen anlangt, dagegen will ich Euch mit meinen Knappen und Hamed und Abdallah hinlänglich schützen. Zweifelt nicht, daß wir Manns genug sind, unser Quartier zu behaupten.«
»Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen«, antwortete der Prior, »aber da ist des Narren versunkenes Kreuz, und die Nacht ist so finster, daß wir kaum etwas von einem Wege unterscheiden können. Er hieß uns, glaub ich, den zur Linken nehmen.«
»Den zur Rechten, soviel ich mich erinnere«, meinte Brian.
»Den linken ganz gewiß, den linken! Ich erinnere mich, wie er dahin mit seinem hölzernen Schwerte wies.«
»Ei, er hielt das Schwert in seiner Linken und deutete quer über seinen Körper hin«, erwiderte der Templer.
Jeder behauptete seine Meinung mit großer Hartnäckigkeit, wie es immer in solchen Fällen zu gehen pflegt; man rief die Diener heran; allein sie hatten zu fern gestanden, als daß sie Wambas Weisung hätten verstehen können. Endlich bemerkte Brian einen Gegenstand, der ihm zuvor in der Dunkelheit entgangen war. »Hier liegt ein Schlafender oder ein Toter am Fuße des Kreuzes – Hugo, stoß ihn mit der Lanze an!«
Dies war kaum geschehen, als die Gestalt sich erhob und in gutem Französisch ausrief: »Wer du auch bist, es ist sehr unhöflich von dir, mich in meinem Nachsinnen zu stören!«
»Wir wünschten nur von dir zu wissen«, sprach der Prior, »wohin es nach Rotherwood, der Wohnung Cedrics des Sachsen, geht.«
»Ich muß auch dorthin«, erwiderte der Fremde; »wenn ich nur ein Pferd hätte, ich wollt Euch dahin führen; der Weg ist schwer zu finden, obwohl er mir sehr gut bekannt ist.«
»Dir soll Dank und Belohnung werden, mein Freund, wenn du uns glücklich dahin bringen willst«, versetzte der Prior und gebot einem seiner Begleiter, sein eignes, lediges Pferd zu besteigen und seinen Klepper dem Fremden zu geben, der ihnen als Wegweiser dienen sollte.
Ihr Führer schlug nun den entgegengesetzten Weg von dem ein, den ihnen Wamba gezeigt hatte, um sie irrezuleiten. Bald führte sie ihr Weg tiefer in den Wald und über mehrere Bäche, denen sich zu nähern durch die sie umgebenden Moräste gefährlich war; allein instinktmäßig schien der Fremde den sichersten Weg und den besten Übergangspunkt zu finden. Vorsichtig und aufmerksam auf die Richtung achtend, brachte er die Reiter auf einen breiteren Waldweg, als sie bis jetzt gefunden hatten, und auf ein weitläufiges, niedriges Gebäude an dessen Ende deutend, sprach er zu dem Prior: »Dort liegt Rotherwood, der Sitz Cedrics des Sachsen.« Dies war eine erfreuliche Nachricht für Aymer, dessen Nerven keine von den stärksten waren und der bei dem Durchreiten jener gefährlichen Sümpfe so viel Angst und Sorge ausgestanden hatte, daß er noch keine einzige Frage an den Unbekannten getan hatte. Als er sich nun aber in Sicherheit und in der Nähe eines Obdachs sah, erwachte seine Neugier, und er fragte seinen Führer, wer und was er sei.
»Ein Pilger, der gerade aus dem Heiligen Lande zurückkehrt«, war die Antwort.
»Da hättest du besser getan, dort zu bleiben und für die Eroberung des Heiligen Grabes mitzukämpfen«, versetzte der Templer.