[1]
Das Zitat hat wahrscheinlich gar nichts mit Twain zu tun, sondern kommt vielleicht von einem alten dänischen Sprichwort: https://quoteinvestigator.com/2013/10/20/no-predict/
[1]
Hesekiel (Ezechiel) 21:26.
[2]
Ray Hyman. Cold reading: how to convince strangers that you know all about them (etwa: Menschen lesen: Wie man andere überzeugt, alles über sie zu wissen), Zetetic 1 (1976/77) 18–37.
[3]
Ich weiß nicht, ob «glühende Kohlen» richtig ist, aber so taucht es in verschiedenen Quellen in diesem Zusammenhang auf: John G. Robertson, Robertson’s Words for a Modern Age (Nachdruck), Senior Scribe Publications, Eugene Oregon 1991. http://www.occultopedia.com/c/cephalomancy.htm
[4]
Falls mit «das System überlisten» gemeint ist, dass man seine Chancen erhöht, die Gewinnzahlen zu wählen, dann sagt die Wahrscheinlichkeitstheorie, dass jeder solche Versuch allenfalls zufällig Erfolg hat. Falls es bedeutet, dass man im Fall eines Gewinns den Gewinn maximiert, dann gibt es dafür ein paar einfache Vorkehrungen. Die wichtigste ist: Wählen Sie keine Zahlen, die wahrscheinlich auch viele andere Leute wählen. Falls Ihre Zahlen gewinnen (was ebenso wahrscheinlich eintritt wie die Ziehung anderer Zahlen), werden Sie den Gewinn mit weniger Menschen teilen müssen.
[1]
Die Wellengleichung ist ein gutes Beispiel. Ursprünglich stammt sie aus einem mathematischen Modell für eine Violinsaite als eine in einer Ebene schwingende Linie. Aus diesem Modell erwuchsen realistischere, die man heutzutage in allen möglichen Anwendungen findet, von der Analyse des Klangs einer Stradivari bis zur Berechnung der Struktur des Erdinnern aus Erdbebendaten.
[2]
‹We ditched fate to make dice fairer› (etwa: Wir verwarfen das Schicksal, um Würfel fairer zu machen), New Scientist 3162 (28. Januar 2018) 14.
[3]
Falls Sie die Erklärung mit den gefärbten Würfeln verstehen, aber nicht überzeugt sind, dass es stimmt, wenn die Würfel identisch aussehen, kann ich Ihnen zwei Hilfen geben. Zunächst einmal, woher sollen die eingefärbten Würfel «wissen», wie sie doppelt so viele Kombinationen erzeugen, wie sie es täten, wenn sie dieselbe Farbe hätten? In anderen Worten: Wie können die Farben die Würfe in diesem Ausmaß beeinflussen? Zweitens: Würfeln Sie sehr oft mit zwei Würfeln, die sich so ähnlich sehen, dass Sie sie nicht unterscheiden können, und bestimmen Sie den Anteil der Ergebnisse mit zwei Vieren. Falls ungeordnete Paare für das Ergebnis verantwortlich wären, würden Sie ein Resultat in der Nähe von 1/21 herausbekommen. Bei geordneten Paaren läge es näher bei 1/36. Falls Sie auch die Erklärung mit den eingefärbten Würfeln unbefriedigend finden, gibt es dieselben Hilfen, nur führen Sie diesmal das Experiment mit verschiedenfarbigen Würfeln durch.
[4]
Dies sind die 27 Möglichkeiten, 10 als Summe dreier positiver ganzer Zahlen zu schreiben:
1 + 3 + 6 1 + 4 + 5 1 + 5 + 4 1 + 6 + 3
2 + 2 + 6 2 + 3 + 5 2 + 4 + 4 2 + 5 + 3 2 + 6 + 2
3 + 1 + 6 3 + 2 + 5 3 + 3 + 4 3 + 4 + 3 3 + 5 + 2 3 + 6 + 1
4 + 1 + 5 4 + 2 + 4 4 + 3 + 3 4 + 4 + 2 4 + 5 + 1
5 + 1 + 4 5 + 2 + 3 5 + 3 + 2 5 + 4 + 1
6 + 1 + 3 6 + 2 + 2 6 + 3 + 1
Die 25 Möglichkeiten, 9 zu erhalten, lauten:
1 + 2 + 6 1 + 3 + 5 1 + 4 + 4 1 + 5 + 3 1 + 6 + 2
2 + 1 + 6 2 + 2 + 5 2 + 3 + 4 2 + 4 + 3 2 + 5 + 2 2 + 6 + 1
3 + 1 + 5 3 + 2 + 4 3 + 3 + 3 3 + 4 + 2 3 + 5 + 1
4 + 1 + 4 4 + 2 + 3 4 + 3 + 2 4 + 4 + 1
5 + 1 + 3 5 + 2 + 2 5 + 3 + 1
6 + 1 + 2 6 + 2 + 1
[5]
https://www.york.ac.uk/depts/maths/histstat/pascal.pdf
[6]
Das Verhältnis, in dem der Einsatz aufgeteilt werden sollte, lautet
falls Spieler 1 noch r weitere Runden zum Gewinn benötigt, und Spieler 2 noch s viele. Im Beispiel ist das Verhältnis
[1]
Persi Diaconis, Susan Holmes, and Richard Montgomery. Dynamical bias in the coin toss, SIAM Review 49 (2007) 211–235.
[2]
M. Kapitaniak, J. Strzalko, J. Grabski and T. Kapitaniak. The three-dimensional dynamics of the die throw, Chaos 22 (2012) 047504.
[1]
Stephen M. Stigler, The History of Statistics, Harvard University Press, Cambridge 1986, S. 28.
[2]
Wir wollen (x–2)2 + (x–3)2 + (x–7)2 minimieren. Das ist quadratisch in x und der Koeffizient vor x2 ist 3, also positiv. Der Ausdruck hat also ein eindeutiges Minimum. Das liegt dort, wo die Ableitung null wird, also 2(x–2) + 2(x–3) + 2(x–7)=0 und folglich x=(2 + 3 + 7)/3, das arithmetische Mittel. Die Herleitung funktioniert genauso bei einem beliebigen, endlichen Datensatz.
[3]
Die Formel ist eine Näherung für die Wahrscheinlichkeit, in n Würfen x-mal «Kopf» zu erzielen.
[1]
Stellen Sie sich vor, die Menschen würden den Raum nacheinander betreten. Nachdem k Menschen eingetreten sind, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass sie alle verschiedene Geburtstage haben
weil mit jedem neuen Eintritt die vorhergehenden k–1 Geburtstage wegfallen. Das Produkt ist 1 minus der Wahrscheinlichkeit, dass mindestens zwei Personen denselben Geburtstag haben. Also suchen wir das kleinste k, für das dieses Produkt einen Wert kleiner als 1/2 annimmt. Und das ist 23. Weitere Einzelheiten findet man auf https://en.wikipedia.org/wiki/Birthday_problem
[2]
Nicht gleichverteilte Geburtstage findet man in M. Klamkin and D. Newman. Extensions of the birthday surprise, Journal of Combinatorial Theory 3 (1967) 279–282 diskutiert. Ein Beweis, dass die Wahrscheinlichkeit für das Zusammentreffen zweier Geburtstage für die Gleichverteilung am kleinsten ist, gibt es in: D. Bloom. A birthday problem, American Mathematical Monthly 80 (1973) 1141–1142.
[3]
Die Abbildung sieht ähnlich aus, außer dass diesmal das Quadrat in 365 × 365 kleine Quadrate unterteilt ist. Die dunklen Streifen in jedem Quadranten enthalten 365 Quadrate. Doch gibt es einen Überlapp von 1 in der Zielregion. Daher enthält sie 365 + 365 – 1=729 dunkle Quadrate, während es 365 + 365=730 dunkle Quadrate außerhalb gibt. Die Zahl der dunklen Quadrate ist somit 729 + 730=1459. Die bedingte Wahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen, beträgt 729/1459, also 0,4996.
[1]
Bei seinen Berechnungen benutzte Quetelet eine Binomialver teilung für 1000 Münzwürfe, die er bequemer fand, aber in seinen theoretischen Arbeiten betonte er die Bedeutung der Normalverteilung.
[2]
Stephen Stigler, The History of Statistics, Harvard University Press, Cambridge 1986, S. 171.
[3]
Das ist nicht ohne Einschränkung wahr. Es setzt voraus, dass man jede Verteilung durch Kombination von Glockenkurven erhalten kann. Doch für Galtons Zwecke reichte es.
[4]
Der Begriff «Regression» stammt aus Galtons Arbeiten über Vererbung. Er benutzte die Normalverteilung, um zu erklären, warum Kinder mit entweder zwei großen oder zwei kleinen Eltern meist irgendwo dazwischenliegen; er nannte das «Regression auf den Mittelwert».
[5]
Ein weiterer Forscher verdient, erwähnt zu werden: Francis Ysidro Edgeworth. Ihm fehlte zwar Galtons visionäre Weitsicht, aber er war der weitaus bessere Rechner, und er stellte Galtons Ideen auf soliden mathematischen Grund. Leider sind seine Beiträge zu technisch, um sie hier aufzuführen.
[6]
In Formeln geschrieben:
Dabei steht die rechte Seite für die kumulative (aufintegrierte) Normalverteilung mit Mittelwert 0 und Varianz 1.
[1]
Es gilt P(A|B)=P(A&B)/P(B)und folglich P(B|A)=P(B&A)/P(A). Das Ereignis A&B fällt aber mit dem Ereignis B&A zusammen, das heißt P(A|B)/ P(B|A)=P(A)/P(B). Deswegen kürzen sich diese Terme weg, wenn man die eine Gleichung durch die andere teilt: Dann multipliziere man noch mit P(B|A).
[2]
Frank Drake stellte seine Gleichung 1961, beim ersten Treffen von SETI (Search for Extra Terrestrial Intelligence) auf, um einige Schlüsselfaktoren zusammenzufassen, die in die Wahrscheinlichkeit fremder Lebensformen einfließen. Sie wird häufig benutzt, um die Anzahl außerirdischer Zivilisationen in unserer Galaxie abzuschätzen, doch viele der in der Gleichung vorkommenden Variablen sind schwer zu schätzen, und deswegen ist die Gleichung für diesen Zweck ungeeignet. Überdies enthält sie einige ideenarme Modellannahmen. https://en.wikipedia.org/wiki/Drake_equation
[3]
N. Fenton and M. Neil. Risk Assessment and Decision Analysis with Bayesian Networks, CRC Press, Boca Raton 2012.
[4]
N. Fenton and M. Neil. Bayes and the Law, Annual Review of Statistics and Its Application 3 (2016) 51–77. https://en.wikipedia.org/wiki/Lucia_de_Berk
[5]
Ronald Meester, Marieke Collins, Richard Gill, Michiel van Lambalgen. On the (ab)use of statistics in the legal case against the nurse Lucia de B. arXiv:math/0607340 [math.ST] (2008).
[1]
Der Wissenschaftshistoriker Clifford Truesdell soll gesagt haben: «Jeder Physiker weiß, was der erste und zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagen, dummerweise stimmen keine zwei Physiker darin überein.» Siehe dazu: Karl Popper. Against the philosophy of meaning, in German 20th Century Philosophical Writings (Hrg. W. Schirmacher), Continuum, New York 2003, S. 208.
[2]
Alles Weitere findet man in https://lyricsplayground.com/alpha/songs/f/firstandsecondlaw.html.
[3]
N. Simanyi and D. Szász. Hard ball systems are completely hyperbolic, Annals of Mathematics 149 (1999) 35–96. N. Simanyi. Proof of the ergodic hypothesis for typical hard ball systems, Annales Henri Poincaré 5 (2004) 203–233. N. Simanyi. Conditional proof of the Boltzmann-Sinai ergodic hypothesis. Inventiones Mathematicae 177 (2009) 381–413. Es gibt auch eine Vorveröffentlichung aus dem Jahr 2010, die offenbar nie in Druck ging: N. Simanyi. The Boltzmann-Sinai ergodic hypothesis in full generality. https://arxiv.org/abs/1007.1206
[4]
Carlo Rovelli. The Order of Time, Penguin, London 2018 (dt. Ausgabe: Die Ordnung der Zeit, Rowohlt 2018).
[1]
Die Abbildung entstammt einer Computerberechnung und unterliegt denselben Fehlern. Warwick Tucker fand einen Computer-gestützten, aber strengen Beweis, dass die Lorenzgleichungen einen chaotischen Attraktor haben. Die Komplexität ist also real und keineswegs ein Artefakt der Berechnung. W. Tucker. The Lorenz attractor exists. C. R. Acad. Sci. Paris 328 (1999) 1197–1202.
[2]
Technisch gesprochen, ist die Existenz invarianter Maße, die zur richtigen Wahrscheinlichkeit führen, nur für bestimmte Klassen von Attraktoren bewiesen worden. Tucker bewies im selben Paper, dass der Lorenz-Attraktor ein solches Maß besitzt. Zahlreiche numerische Berechnungen legen nahe, dass es sich um dasselbe handelt.
[3]
J. Kennedy and J. A. Yorke. Basins of Wada, Physica D 51 (1991) 213–225.
[1]
P. Lynch. The Emergence of Numerical Weather Prediction, Cambridge University Press, Cambridge 2006.
[2]
Fish erklärte später, der Name beziehe sich auf einen Wirbelsturm in Florida.
[3]
T. N. Palmer, A. Döring, and G. Seregin. The real butterfly effect, Nonlinearity 27 (2014) R123–R141.
[4]
E. N. Lorenz. The predictability of a flow which possesses many scales of motion. Tellus 3 (1969) 290–307.
[5]
T. N. Palmer. A nonlinear dynamic perspective on climate prediction. Journal of Climate 12 (1999) 575–591.
[6]
D. Crommelin. Nonlinear Dynamics of Atmospheric Regime Transitions, PhD Thesis, University of Utrecht, 2003. D. Crommelin. Homoclinic dynamics: a scenario for atmospheric ultra-low frequency variability, Journal of the Atmospheric Sciences 59 (2002) 1533–1549.
[7]
Die Rechnung geht so:
insgesamt über 90 Tage 90 × 16=1440
insgesamt über 10 Tage 10 × 30 = 300
insgesamt über 100 Tage 1740
Durchschnitt 1740/100 = 17,4
also um 1,4 größer als 16.
[8]
Für die 800000-Jahr-Daten siehe: E. J. Brook and C. Buizert. Antarctic and global climate history viewed from ice cores, Nature 558 (2018) 200–208.
[9]
Dieses Zitat stammt aus dem Juliheft von Reader’s Digest des Jahres 1977 ohne Quellenangabe. Die New York Times brachte einen Artikel «How a ‹Difficult› Composer Gets That Way» (etwa: Wie man ein «schwieriger» Komponist wird) von dem Komponisten Roger Sessions am 8. Januar 1950. Darin stand: «Mir fällt eine Bemerkung von Albert Einstein ein, die mit Sicherheit auf die Musik zutrifft. Sinngemäß hat er gesagt, alles solle so einfach wie möglich sein, aber nicht einfacher.»
[10]
Aus Daten der U. S. Geological Survey geht hervor, dass die Vulkane der Erde jährlich etwa 200 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Verkehr und Industrie erzeugen 24 Milliarden Tonnen, 120 mal so viel. https://www.scientificamerican.com/article/earthtalks-volcanoes-or-humans/
[11]
The IMBIE team (Andrew Shepherd, Erik Ivins, and 78 others). Mass balance of the Antarctic Ice Sheet from 1992 to 2017, Nature 558 (2018) 219–222.
[12]
S. R. Rintoul and 8 others. Choosing the future of Antarctica, Nature 558 (2018) 233–241.
[13]
J. Schwartz. Underwater, Scientific American (August 2018) 44–55
[1]
E. S. Yudkowsky. An Intuitive Explanation of Bayes’ Theorem. http://yudkowsky.net/rational/bayes/
[2]
W. Casscells, A. Schoenberger, and T. Grayboys. Interpretation by physicians of clinical laboratory results, New England Journal of Medicine 299 (1978) 999–1001. D. M. Eddy. Probabilistic reasoning in clinical medicine: Problems and opportunities, in: D. Kahneman, P. Slovic, and A. Tversky (Hrg.), Judgement Under Uncertainty: Heuristics and Biases, Cambridge University Press, Cambridge 1982. G. Gigerenzer and U. Hoffrage. How to improve Bayesian reasoning without instruction: frequency formats, Psychological Review 102 (1995) 684–704.
[3]
Der Kaplan-Meier-Schätzer verdiente, erwähnt zu werden, wenn er nicht zu weit vom Weg geführt hätte. Es handelt sich um die meist verwendete Methode zur Abschätzung von «Überlebensraten» bei Versuchsobjekten, die vorzeitig aus der Datenerhebung ausscheiden – sei es durch Tod oder durch andere Gründe. Der Test ist nichtparametrisch und steht auf der Liste der meistzitierten mathematischen Publikationen an zweiter Stelle. Siehe dazu: E. L. Kaplan and P. Meier. Nonparametric estimation from incomplete observations, Journal of the American Statistical Association 53 (1958) 457–481. https://en.wikipedia.org/wiki/Kaplan%E2%80%93Meier_estimator
[4]
B. Efron. Bootstrap methods: another look at the jackknife, The Annals of Statistics 7 B (1979) 1–26.
[5]
Alexander Viktorin, Stephen Z Levine, Margret Altemus, Abraham Reichenberg, and Sven Sandin. Paternal use of antidepressants and offspring outcomes in Sweden: nationwide prospective cohort study, British Medical Journal 316 (2018); 361, doi.org/10.1136/bmj.k2233.
[6]
Konfidenzintervalle sind verwirrend und werden häufig missverstanden. Rein technisch hat ein 95-Prozent-Konfidenzintervall die Bedeutung, dass der wahre Wert einer Statistik in 95 Prozent der Fälle, in denen man ein Konfidenzintervall für eine Stichprobe berechnet, innerhalb dieses Intervalls liegt. Es steht nicht für «die Wahrscheinlichkeit, dass die wahre Statistik mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit in diesem Intervall liegt».
[1]
Ein unternehmerischer Euphemismus für: «Diese Leute werden uns ihre Schulden niemals zurückzahlen können.»
[2]
«Nobel» in Anführungszeichen, weil es sich in Wirklichkeit um einen Wirtschaftspreis der schwedischen Nationalbank handelt, der 1968 zu Ehren Alfred Nobels ins Leben gerufen wurde, und nicht um eine Preiskategorie, die Nobel in seinem Testament 1895 verfügt hat.
[3]
Technisch gesprochen hat eine Verteilung f(x) einen «fetten Schwanz» (auch «langen Schwanz»), wenn sie nach einem Potenzgesetz im Unendlichen abfällt. Das heißt für f(x) ~x–(1 + a) große x mit einem a > 1.
[4]
Warren Buffett. Letter to the shareholders of Berkshire Hathaway, 2008. http://www.berkshirehathaway.com/letters/2008ltr.pdf
[5]
A. G. Haldane and R. M. May. Systemic risk in banking ecosystems, Nature 469 (2011) 351–355.
[6]
W. A. Brock, C. H. Hommes, and F.O. O. Wagner. More hedging instruments may destabilise markets, Journal of Economic Dynamics and Control 33 (2008) 1912–1928.
[7]
P. Gai and S. Kapadia. Liquidity hoarding, network externalities, and interbank market collapse, Proceedings of the Royal Society A (2010) 466, 2401–2423.
[1]
Lange Zeit dachte man, das menschliche Gehirn enthielte zehnmal so viele Gliazellen wie Neuronen. Glaubwürdige Internetquellen sprechen immer noch vom Vierfachen. Ein Review-Artikel aus dem Jahr 2016 kommt aber zu dem Schluss, dass es etwas weniger Gliazellen als Neurone im menschlichen Gehirn gibt. Christopher S. von Bartheld, Jami Bahney, and Suzana Herculano-Houze, The search for true numbers of neurons and glial cells in the human brain: a review of 150 years of cell counting, The Journal of Comparative Neurology, Research in Systems Neuroscience 524 (2016) 3865–3895.
[2]
D. Benson. Life in the game of Go, Information Sciences 10 (1976) 17–29.
[3]
Elwyn Berlekamp and David Wolfe. Mathematical Go Endgames: Nightmares for Professional Go Players, Ishi Press, New York 2012.
[4]
David Silver and 19 others. Mastering the game of Go with deep neural networks and tree search, Nature 529 (1016) 484–489.
[5]
L. A. Necker. Observations on some remarkable optical phaenomena seen in Switzerland; and on an optical phaenomenon which occurs on viewing a figure of a crystal or geometrical solid, London and Edinburgh Philosophical Magazine and Journal of Science 1 (1832) 329–337. J. Jastrow. The mind’s eye, Popular Science Monthly 54 (1899) 299–312.
[6]
I. Kovács, T. V. Papathomas, M. Yang, and A. Fehér. When the brain changes its mind: Interocular grouping during binocular rivalry. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 93 (1996) 15508–15511.
[7]
C. Diekman and M. Golubitsky. Network symmetry and binocular rivalry experiments, Journal of Mathematical Neuroscience 4 (2014); doi: 10.1186/2190-8567-4-12.
[8]
Juvenal. Satires (Satire VI, Zeilen 347–348). Juvenals Thema an dieser Stelle ist allerdings der Ehebruch.
[1]
Richard Feynman, in einer Vorlesung: «Die Natur physikalischer Gesetze». Schon früher hatte Niels Bohr geäußert: «Jeder, den die Quantentheorie nicht schockiert, hat sie nicht verstanden.» Allerdings hat das nicht ganz dieselbe Bedeutung.
[2]
Richard P. Feynman, Robert B. Leighton, and Matthew Sands. The Feynman Lectures on Physics. Volume 3, Addison-Wesley, New York 1965, S. 1.1–1.8.
[3]
Roger Penrose, Uncertainty in quantum mechanics: faith or fantasy? Philosophical Transactions of the Royal Society A 369 (2011) 4864–4890.
[4]
https://en.wikipedia.org/wiki/Complex_number
[5]
François Hénault. Quantum physics and the beam splitter mystery. https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/1509/1509.00393
[6]
Ist n die Spinquantenzahl, so ist der zugehörige Drehimpuls , wobei h die Plancksche Konstante ist.
[7]
Der Elektronspin ist merkwürdig. Eine Überlagerung von zwei Spinzuständen ↑ und ↓, die in entgegengesetzte Richtungen zeigen, kann man als einen einzelnen Spinzustand interpretieren, dessen Achsenrichtung sich nach den Gewichten der beiden überlagerten Zustände orientiert. Bei einer Messung in einer beliebigen Richtung kommt aber immer 1/2 oder –1/2 heraus.
[8]
Eine stillschweigende Voraussetzung lautet hier: Wenn eine klassische Ursache eine klassische Wirkung hervorruft, dann produziert ein Quantenportion dieser Ursache (in einem Überlagerungszustand) einen Quantenteil derselben Wirkung. Ein halb zerfallener Atomkern erzeugt eine halbtote Katze. In Wahrscheinlichkeiten formuliert, mag das sinnvoll sein, aber wenn es ganz generell zuträfe, würde eine Halbwelle (im Mach-Zehnder-Interferometer) einen Strahlteiler beim Auftreffen halbieren. Also kann diese Art Superposition klassischer Erklärungsmuster schwerlich auf die Quantenwelt zutreffen.
[9]
Ich habe Schrödingers Katze ausführlich in «Die Berechnung des Kosmos» (Rowohlt 2018) diskutiert.
[10]
Tim Folger. Crossing the quantum divide, Scientific American 319 (July 2018) 30–35.
[11]
Jacqueline Erhart, Stephan Sponar, Georg Sulyok, Gerald Badurek, Masanao Ozawa, and Yuji Hasegawa. Experimental demonstration of a universally valid error disturbance uncertainty relation in spin measurements, Nature Physics 8 (2012) 185–189.
[12]
Lee A. Rozema, Ardavan Darabi, Dylan H. Mahler, Alex Hayat, Yasaman Soudagar, and Aephraim M. Steinberg. Violation of Heisenberg’s measurement disturbance relationship by weak measurements, Physical Review Letters 109 (2012) 100404. Erratum Physical Review Letters 109 (2012) 189902.
[13]
Erzeugt man ein Teilchenpaar, dessen Partner nicht verschwindenden Spin haben, und zwar so, dass der Gesamtspin 0 ist, garantiert der Drehimpulserhaltungssatz (Drehimpuls ist ein anderes Wort für Spin), dass die Teilchen auch nach der Trennung immer genau entgegengesetzten Spin besitzen – solange sie nicht gestört werden. Ihre Spins zeigen also immer in entgegengesetzte Richtungen längs einer Achse. Bringt man durch die Messung an einem Teilchen die Wellenfunktion zum Kollaps, so zeigt sein Spin in eine bestimmte Richtung, und das andere muss dann zwangsläufig in die entgegengesetzte Richtung zeigen. Es klingt verrückt, aber es scheint zu funktionieren. Das entspricht exakt meinem Spionenpaar; sie haben lediglich ihre Uhren antisynchronisiert.
[1]
Richard P. Feynman, Robert B. Leighton, and Matthew Sands. The Feynman Lectures on Physics. Volume 3, Addison-Wesley, New York 1965, S. 1.1–1.8.
[2]
Even male insects feel pleasure when they «orgasm», New Scientist (28. April 2018) 20.
[3]
J. S. Bell. On the Einstein Podolsky Rosen paradox, Physics 1 (1964) 195–200.
[4]
Jeffrey Bub meint, dass Bell und Hermann von Neumanns Beweis missverstanden haben, und dass er nicht darauf abzielt zu zeigen, verborgene Variablen seien vollkommen unmöglich. Jeffrey Bub. Von Neumann’s «no hidden variables» proof: a re-appraisal, Foundations of Physics.
[5]
(2010) 1333–1340.
[6]
Adam Becker, What is Real?, Basic Books, New York 2018.
[7]
Genau genommen verlangt Bells ursprüngliche Version, dass die Ergebnisse auf beiden Seiten des Experiments exakt antiparallel sind, wenn die Detektoren parallel stehen.
[8]
E. Fort and Y. Couder. Single-particle diffraction and interference at a macroscopic scale, Physical Review Letters 97 (2006) 154101.
[9]
Sacha Kocsis, Boris Braverman, Sylvain Ravets, Martin J. Stevens, Richard P. Mirin, L. Krister Shalm, and Aephraim M. Steinberg. Observing the average trajectories of single photons in a two-slit interferometer, Science 332 (2011) 1170–1173.
[10]
Dieser Abschnitt beruht auf: Anil Anathaswamy, Perfect disharmony, New Scientist (14. April 2018) 35–37.
[11]
Es kann ja nicht an der Größe liegen. Siehe Strahlteiler (Phasenverschiebung um 1/4) und Teilchendetektor (verwurstet die Wellenfunktion). Beide sind angenehm makroskopisch. Der Erste sieht den Quantencharakter, der Zweite weiß, dass es nicht so ist.
[12]
D. Frauchiger, R. Renner. Quantum theory cannot consistently describe the use of itself, Nature Communications (2018) 9:3711; doi: 10.1038/S41467-018-05739-8.
[13]
A. Sudbery. Quantum Mechanics and the Particles of Nature, Cambridge University Press, Cambridge 1986, S. 178.
[1]
E. Ott, C. Grebogi, and J. A. Yorke. Controlling chaos, Physics Review Letters 64 (1990) 1196.
[2]
Dass Chaos und nicht einfach Zufall bei Herzversagen eine Rolle spielt, haben Untersuchungen an Patienten ergeben: Guo-Qiang Wu und sieben weitere, Chaotic signatures of heart rate variability and its power spectrum in health, aging and heart failure, PLos Online (2009) 4(2): e4323; doi 10.1371/journal.pone.0004323.
[3]
A. Garfinkel, M. L. Spano, W. L. Ditto, and J. N. Weiss. Controlling cardiac chaos, Science 257 (1992) 1230–1235. Ein neuerer Artikel über Chaoskontrolle an Modellherzen findet sich in: B. B. Ferreira, A. S. de Paula, and M. A. Savi. Chaos control applied to heart rhythm dynamics, Chaos, Solitons and Fractals 44 (2011) 587–599.
[1]
Damals entschied Präsident George W. Bush, den Irak nicht in Antwort auf den 11. September anzugreifen. Kurze Zeit später marschierten die USA und ihre Verbündeten doch ein, mit der Begründung, Saddam Hussein unterstütze den Terrorismus. Der Guardian vom 7. September 2003 zitierte eine Umfrage, laut derer «sieben von zehn US-Amerikanern weiterhin glauben, Saddam Hussein habe bei den Angriffen eine Rolle gespielt», obwohl es keine Belege dafür gab. https://www.theguardian.com/world/2003/sep/07/usa.theobserver
Die ursprüngliche englische Ausgabe von Wetter, Viren und Wahrscheinlichkeit (Do Dice Play God?) erschien vor Beginn der COVID-19-Pandemie; darum wurde dieses aktuelle und wichtige Beispiel für Ungewissheit und ihre Berechnung auf globaler Ebene nicht erwähnt – ich hole das in diesem Vorwort nach, das während der Pandemie selbst verfasst wurde.
Die Pandemie illustriert sehr deutlich einige Schlüsselelemente, die den heutigen Umgang mit Ungewissheit kennzeichnen. Zunächst sollte man anführen, dass das Ausmaß, in dem ein solches Ereignis «vorhersehbar» ist, davon abhängt, was man vorhersagen will. Die Ärzteschaft und die wichtigsten internationalen medizinischen Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben seit Jahren gewarnt, eine große und globale Pandemie sei unausweichlich und dass Regierungen in aller Welt sich darauf vorbereiten sollten. Die Logik dahinter ist leicht nachvollziehbar. Ständig entwickeln sich neue Viren. Störungen der natürlichen Umwelt, die in großem Maßstab stattfinden, können dazu führen, dass einige Viren von Tieren auf Menschen überspringen, und das geschieht dann auch. Durch den weltweiten Reiseverkehr, vor allem den Flugverkehr, kann sich eine neue Infektionskrankheit innerhalb weniger Wochen über den ganzen Globus verbreiten. Unser Lebensstil schafft ideale Bedingungen für die Entwicklung und die weltweite Verbreitung neuer Krankheitserreger.
Niemand indessen konnte vorhersagen, wann eine Pandemie ausbrechen würde und welche Form sie annehmen würde. Viele Regierungen erstellten Pläne, um mit einer Influenza-Pandemie fertigzuwerden; nur wenige zogen die Möglichkeit einer Coronavirus-Pandemie in Betracht, obgleich die WHO ausdrücklich vor einer solchen Möglichkeit gewarnt hatte.
Der nächste Punkt ist, dass wir inzwischen über Instrumente zur Untersuchung und Bekämpfung von Epidemien und Pandemien verfügen. Viele dieser Werkzeuge verdanken wir Fortschritten in Biologie, Medizin und Ingenieurswissenschaften; die erstaunlich rasche Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen gegen COVID-19 ist ein gutes Beispiel dafür. Da es in diesem Buch um Mathematik geht, will ich mich auf eine Auswahl der mathematischen Instrumente beschränken, die uns inzwischen zur Verfügung stehen.
Die Auswirkungen einer Infektionskrankheit hängen von vielen Faktoren ab: wie ansteckend sie ist, wie lange die Inkubationszeit dauert, ob schon offensichtliche Symptome auftreten, bevor die Erkrankung ansteckend wird oder erst danach, und wie stark sie die menschliche Gesundheit gefährdet. Keines dieser Merkmale ist in dem Sinne vorhersagbar, dass wir es im Vorhinein bestimmen können. Aber sobald sich die Krankheit manifestiert und wir immer mehr Informationen erhalten, kann die medizinische Gemeinschaft wissenschaftliche Methoden einsetzen, um sie besser zu verstehen, und mathematische Methoden verwenden, um zu prognostizieren, wo und wann die Krankheit sich ausbreiten wird. Auch wenn solche Prognosen nicht perfekt sind, so sind sie doch ausreichend präzise, um der Politik als Leitfaden zu dienen, und die Bandbreite wahrscheinlicher Fehler lässt sich einschätzen.
Dazu werden verschiedene mathematische Methoden eingesetzt. Mithilfe der Statistik lässt sich die Wahrscheinlichkeit abschätzen, mit der sich Menschen anstecken oder an der Infektion sterben; ebenso, in welcher Weise bestimmte Interventionen die Ausbreitung der Krankheit beeinflussen. Die medizinische Statistik ist heutzutage hoch entwickelt: Siehe dazu auch Kapitel 12.
Ein weiterer Ansatz ist die Modellierung, bei der Wissenschaftler ein «mathematisches Modell» entwickeln. In diesem Zusammenhang meint der Begriff «Modell» nicht irgendetwas, das man aus Kunststoffteilen baut, zum Beispiel ein Modellflugzeug. Vielmehr bezieht er sich auf ein mathematisches System, das Schlüsselelemente der Infektion enthält, gewöhnlich als ein System von Gleichungen. Diese Gleichungen fassen grundlegende Merkmale der Krankheit zusammen, und die Lösungen der Gleichungen lassen uns verstehen, wie sich die Krankheit entwickelt und ausbreitet. Bis zu einem gewissen Grad erlauben uns diese Lösungen auch Vorhersagen, wie dies geschieht und welche Auswirkungen verschiedene Strategien (wie das Tragen von Masken oder Impfungen) vermutlich haben werden.
Mit modernen Computern ist es relativ einfach, die betreffenden Gleichungen zu lösen, es sei denn, das Modell ist extrem komplex. Der schwierige Schritt besteht darin, Modelle zu entwickeln, die so einfach sind, dass sie sich berechnen lassen, aber dennoch so realistisch bleiben, dass sie die Wirklichkeit recht präzise abbilden. Albert Einstein wird der Satz zugeschrieben, man sollte die Dinge so einfach wie möglich ausdrücken, aber nicht einfacher. Es ist die alte Zwickmühle mit der Landkarte und dem Gelände. Wenn die Karte zu simpel ist, bildet sie die Realität nicht ab, doch wenn sie allzu komplex ist, wird sie nutzlos. Wenn die Karte identisch mit dem Gelände ist, stellt sie ein perfektes Modell dar, aber dann braucht man sie nicht. Irgendwo in der Mitte findet sich der ideale Punkt, an dem die Karte einfängt, was für den beabsichtigten Zweck wichtig ist, ohne die Dinge durch Hinzunahme unwichtiger Faktoren allzu sehr zu komplizieren.
Solche Modelle zu entwickeln, erfordert viel Erfahrung, Fachwissen und eine ganze Menge an Versuch und Irrtum. Nichtmathematiker lassen sich zudem nur allzu leicht von der Komplexität des Modells und all den seltsamen Symbolen beeindrucken, in denen es sich ausdrückt, während sie sich doch darauf konzentrieren sollten, ob es einigermaßen präzise Vorhersagen über das erlaubt, was man wissen möchte.
Mathematische Modelle der Ausbreitung einer Krankheit lassen sich in zwei Haupttypen unterteilen. Ich will mit «klassischen» epidemiologischen Modellen beginnen. Sie arbeiten mit Quantitäten, die über die gesamte Population einer Stadt oder eines Landes gemittelt werden und faktisch davon ausgehen, dass jedermann in etwa demselben Infektionsniveau ausgesetzt ist und in etwa dasselbe Infektionsrisiko trägt. Hier kommt der häufig verwendete «R-Wert» – die mittlere Infektionsrate – ins Spiel. Weitere mathematische Fachbegriffe werden ebenso häufig verwendet, aber nicht immer erklärt; daher will ich versuchen, einen kurzen Überblick über die wichtigsten Begriffe zu geben, auf die Sie vielleicht schon gestoßen sind.
In der Frühphase einer Epidemie, wenn sich die Krankheit in einer Bevölkerung ohne angeborene Immunität ausbreitet, wächst die Zahl der Infizierten «exponentiell». Das heißt, dass sich die Zahl der Infizierten im Verlauf einer festgelegten Zeitspanne um einen konstanten Betrag vervielfacht. Beispielsweise kann sie sich jede Woche verdoppeln oder alle drei Tage mit 1,1 multipliziert werden. Exponentielles Wachstum finden die meisten von uns nicht intuitiv eingängig, denn es fängt langsam an und scheint zunächst keine große Gefahr darzustellen, um dann plötzlich geradewegs zu explodieren. Eine alte Legende, die aus dem Jahr 1256 n.Chr., wenn nicht gar aus noch früherer Zeit stammt, veranschaulicht dies. Der Erfinder des Schachspiels wird vom König aufgefordert, sich eine Belohnung zu wünschen. Er bittet um ein Reiskorn auf dem ersten Schachfeld, zwei Reiskörner auf dem zweiten, vier auf dem dritten und so weiter, also jedes Mal eine Verdopplung, bis alle Felder belegt sind. Der König lacht: nur ein paar Körner auf jedem Feld! Schließlich kommen nach dem sechsten Feld erst 63 Körner zusammen! Dann rechnet sein Schatzmeister ein wenig genauer nach und stellt fest, dass die Gesamtmenge an Reis all das, was das Land produzieren kann, weit übersteigt. Am Ende würden sich auf dem Schachbrett 18446744073709551615 Reiskörner türmen. Mit modernen Anbaumethoden würde es mehr als tausend Jahre dauern und den ganzen Planeten brauchen, um so viel Reis zu produzieren.
Ähnlich gibt es ein weitverbreitetes Partyspiel, bei dem ein großes Blatt Papier, zum Beispiel ein Zeitungsblatt, wiederholt auf die Hälfte gefaltet wird. Hier verdoppelt sich die Dicke mit jedem Falten. Anfangs geht das leicht, doch bald erreicht die Dicke einige Millimeter. Zugleich halbiert sich die Papierfläche mit jedem Mal weiter. Bald hält man eine kleine, dicke Masse Papier in der Hand, die zu steif ist, um sie weiterzufalten. In der Praxis sind in der Regel sieben Faltungen alles, was man schafft.
Etwa so verhält es sich bei COVID-19 – anfangs jedenfalls. Der berühmte R-Wert gibt an, wie viele weitere Menschen ein Infizierter im Mittel ansteckt. Beim ursprünglichen Virenstamm blieben Infizierte rund 8–9 Tage lang ansteckend; um die Dinge zu vereinfachen, sagen wir eine Woche. Angenommen, der R-Wert beträgt 1,1. Nach einer Woche hat jeder Infizierte im Durchschnitt 1,1 neue Infektionen verursacht. Eine Woche später beträgt die Zahl 1,1 × 1,1 = 1,21 – immer noch wenig. In den folgenden Wochen wächst diese Zahl auf 1,33, dann 1,46, dann 1,61. Nach acht Wochen liegt die Zahl knapp über 2. Noch immer scheint alles unter Kontrolle. Aber beachten Sie: Nun sind wir an derselben Stelle wie bei der Legende von dem Schachspiel und den Reiskörnern, denn die Zahl verdoppelt sich alle acht Wochen. Ist der R-Wert größer, steigen die Zahlen rascher an, und das Wachstum beschleunigt sich. Ist er kleiner, dauert es länger. Ist R gleich 1, bleibt die Zahl der Infizierten konstant; ist R kleiner als 1, sinkt sie.
Zu Beginn der COVID-19-Pandemie erlaubte die britische Regierung Passagieren aus Ländern, in denen es bereits viele COVID-19-Fälle gab, ohne Gesundheitscheck nach Großbritannien einzufliegen. Das führte offenbar zu mehr als 270 Infektionsquellen, verteilt über ganz Großbritannien. Eine Landkarte hätte 270 winzige Punkte in einer Bevölkerung von 66 Millionen Menschen gezeigt. Das sieht harmlos aus. Eine Zeitrafferkarte dessen, was dann passierte, würde jedoch zeigen, dass jeder kleine Punkt einen weiteren Punkt erzeugte, dann vier, dann acht Punkte … nach zehn Verdopplungen wären es mehr als tausend, dann zweitausend, viertausend … nach zwanzig Verdopplungen hätte jedes ursprünglich infizierte Individuum eine Million Menschen infiziert, insgesamt rund das Vierfache der Einwohnerzahl Großbritanniens.
Ganz so war es nicht: Ich habe mit vereinfachten Zahlen gearbeitet, um das Prinzip zu verdeutlichen. Das Ergebnis war jedoch sehr ähnlich. Zunächst sieht es so aus, als sei alles unter Kontrolle, aber dann geht diese vermeintliche Kontrolle rasch verloren, und das Ganze wächst sich zu einem riesigen Problem aus. In Großbritannien wurden aus diesen einzelnen Punkten kleine Flecken, die immer weiter und immer schneller wuchsen, bis die ganze britische Landkarte mit Millionen Punkten übersät war. Wenn man eine große Krise heraufbeschwören will, sollte man ein paar Hundert Infizierte zufällig über das Land verstreuen und keinen Versuch unternehmen, die Ausbreitung der Infektion zu kontrollieren oder Leute zu testen, um herauszufinden, wer sich angesteckt hat. Eine Weile lang scheint alles in Ordnung zu sein, doch dann beginnt die Krankheit plötzlich, überall zu wüten.
Dieselben Berechnungen illustrieren einen weiteren Schlüsselpunkt. Wenn man anfangs beherzt eingreift, um die Anzahl der Infektionen zu reduzieren, denkt man vielleicht, dies mache kaum einen Unterschied. Statt 270 Infektionsquellen hat man dann, sagen wir, nur noch 90. Aber wenn man mit einem Drittel Infektionsquellen startet, sind auch alle Folgezahlen nur ein Drittel so hoch. Statt einer Million Infizierter hat man nur rund 330000. Wenn man zu Beginn ein paar Wochen gewinnt, spart man dieselbe Anzahl an Wochen am Ende, wenn sich die Infektion explosionsartig ausbreitet. So bleibt mehr Zeit, die Krankheit zu verstehen und effektiv zu kontrollieren.
All das klingt sehr gut, doch wie ich schon bemerkte, bewegen wir uns hier noch auf der Ebene von Berechnungen, von denen einige allzu sehr vereinfachen. Am nächsten Schritt in Richtung eines realistischeren Modells sind Faktoren beteiligt, die die Ausbreitung der Krankheit hemmen, sobald eine größere Anzahl von Personen infiziert ist. So blieben beispielsweise viele Menschen zu Hause und steckten sich daher nicht so leicht mit dem Virus an. Menschen, die sich infiziert haben und genesen sind, verfügen über eine gewisse und, wie sich herausgestellt hat, ganz passable Immunität. Menschen, die sich infiziert haben und nicht genesen sind, sterben, daher können sie sich nicht erneut anstecken oder andere infizieren. Die nächste Ebene des mathematischen Modells, die als logistisches Wachstum bezeichnet wird, berücksichtigt solche Faktoren. Die Anzahl der Infizierten wächst anfangs exponentiell, aber mit zunehmender Infiziertenzahl flacht die Wachstumsrate ab und sinkt schließlich. Die Anzahl der Infektionen nimmt noch eine ganze Weile weiter zu, stabilisiert sich jedoch allmählich auf einem festen Niveau.
Epidemiologen verwenden raffiniertere Versionen logistischer Wachstumsmodelle, die eine realistischere Abbildung der Infektionsausbreitung ermöglichen. Die Standardmodelle werden als Kompartiment-Modelle bezeichnet. Konzeptuell unterteilen diese Modelle die Bevölkerung in «Kompartimente», die mithilfe von Mathematik berücksichtigen, wie viele Personen darin sich in einem bestimmten Gesundheitszustand befinden, und die simulieren, wie sich Personen von einem Kompartiment zum nächsten bewegen. Ein Beispiel ist das SIR-Modell; es hat drei Kompartimente:
S: suszeptible (anfällige/ansteckungsgefährdete) Personen – also solche, die noch nicht erkrankt sind, aber erkranken können, wenn sie mit jemandem aus dem nächsten Kompartiment zusammentreffen.
I: infektiöse/ansteckende Personen – die gegenwärtig erkrankt sind und die Krankheit weitergeben können. Irgendwann bewegen sie sich in ein anderes Kompartiment weiter. R: aus Kompartiment I entfernte (englisch removed) Personen, sei es, dass sie genesen, resistent geworden oder gestorben sind.
Mit jedem Kompartiment ist zu jedem Zeitpunkt eine Zahl verknüpft: wie viele Personen sich «in» diesem Kompartiment befinden. Das Modell verwendet eine Differenzialgleichung, um vorherzusagen, wie sich diese Zahlen in Abhängigkeit von der Zeit verändern. Differenzialgleichungen spezifizieren nicht die Zahlen selbst, sondern geben an, wie rasch sie sich verändern, also im Grunde, wie sich die Krankheit in der Population ausbreitet.
Die Abbildung zeigt typische zeitliche Verläufe für die Zahl der suszeptiblen, infektiösen und aus Kompartiment I «entfernten» resistenten bzw. verstorbenen Personen (R) im SIR-Modell. Die Zahl der anfälligen Personen nimmt ab, wenn sich immer mehr von ihnen anstecken. Die Infektionen steigen an, erreichen einen Gipfel und gehen schließlich wieder zurück. Die Zahl der R-Personen ist anfangs klein, steigt dann recht rasch an und strebt schließlich einem konstanten Maximalwert zu. Der zeitliche Verlauf dieser Veränderungen hängt von der Infektion und ihren Ausbreitungsbedingungen ab.
Die Modelle weisen dieselbe Struktur für alle (geeigneten) Krankheiten auf, beziehen aber auch «Parameter» ein – Zahlenwerte, die für eine bestimmte Krankheit konstant sind, sich aber von einer zur anderen Krankheit unterscheiden. Der R-Wert ist ein solcher Parameter, der uns sagt, wie sich die Infektion von einer Person zur anderen ausbreitet. Andere Schlüsselparameter sind die Inkubationszeit (Zeitspanne zwischen Infektionsbeginn und dem Auftreten erster Symptome) und die Infektionsperiode (Zeitspanne, in der eine infizierte Person ansteckend ist). Und natürlich spielt auch die Todesrate (Mortalität) eine wichtige Rolle.
Es gibt viele standardisierte Epidemiemodelle desselben Typs. So enthält das SEIR-Modell beispielsweise ein zusätzliches Kompartiment E: Personen, die der Krankheit ausgesetzt («exponiert») sind. Eine der frühesten Lockdown-Maßnahmen in vielen Ländern bestand darin, Personen, die sich anstecken können (also suszeptibel sind), aufzufordern, zu Hause zu bleiben. Das hat sofort zur Folge, dass sich das S-Kompartiment in zwei Kompartimente aufspaltet: Personen, die suszeptibel sind, der Krankheit aber nicht ausgesetzt sind, weil sie nicht mit Infizierten in Kontakt kommen, und Personen, die sowohl suszeptibel als auch exponiert sind. Nur Personen im Exponiert-Kompartiment können sich anstecken. Sie können je nach Umständen zwischen S- und E-Kompartiment wechseln, und das Modell stellt Parameter bereit, die die durchschnittliche Bewegung zwischen beiden widerspiegeln.
Wenn man diese und andere, ähnliche Modelle mathematisch analysiert, kommt bei den Berechnungen ein wichtiger Faktor zum Vorschein: Die Rede ist vom Konzept der «Herdenimmunität». Wenn ein genügend großer Teil der Bevölkerung immun ist, sei es durch eine Impfung oder nach Genesung von der Krankheit, dann erlischt die Krankheit, selbst wenn viele Menschen noch nicht immun sind. Der R-Wert kann noch immer über 1 liegen, aber suszeptible Menschen treffen nicht mehr häufig genug auf infektiöse Menschen, damit sich die Krankheit so rasch ausbreiten kann, dass die Gesamtzahl der Infizierten ansteigt. Es wird allgemein angenommen, dass die britische Regierung anfangs eine Strategie verfolgte, die keinen ernsthaften Versuch unternahm, COVID-19 zu kontrollieren, sondern vielmehr hoffte, eine unkontrollierte Ausbreitung werde zu Herdenimmunität führen. Das könnte die Verzögerung bei der Einführung von Restriktionen erklären, obwohl es klare Anzeichen für die Gefährlichkeit der Infektion gab. Leider müssen bei COVID-19 für eine Herdenimmunität jedoch offenbar 90–95 Prozent der Bevölkerung immun sein. Als Modelle ergaben, dass eine Viertelmillion Menschen würde sterben müssen, um die Herdenimmunität ohne Intervention zu erreichen, änderte die Regierung ihre Strategie. Ich sollte anmerken, dass die Regierung selbst leugnet, jemals diese Art Herdenimmunität als Strategie erwogen zu haben. Wenn das tatsächlich der Fall ist, bleibt die anfängliche Untätigkeit allerdings unerklärt.
Ein weiterer Fachausdruck, auf den man häufig stößt, ist das «Abflachen der Kurve». Es lässt sich nur schwer kontrollieren, wie viele Menschen sich letztlichbevor
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Trotz dieser einschränkenden Annahmen können Kompartiment-Modelle oft als nützlicher Leitfaden dienen. Sie haben zudem den Vorteil, dass sie leicht zu berechnen sind. Es gibt raffiniertere Modelle, die auf der Komplexitätswissenschaft basieren und in denen jedes Individuum als separater «Agent» mit eigenem Level an Immunität, Exposition etc. betrachtet wird. Sie zeigen, wie die Ausbreitung der Infektion durch Kontakte zwischen Agenten vorangetrieben wird. Die Agenten und ihre Kontakte lassen sich als Netzwerk darstellen, als eine Ansammlung von Punkten (die als Knoten oder Vertex bezeichnet werden): einer für jede Person, wobei Linien (sogenannte Kanten) Individuen verbinden, die miteinander in Kontakt kommen. Diese Netzwerke können auf statistischen Informationen basieren, zum Beispiel, wie häufig eine bestimmte Person mit einer anderen in Kontakt kommt oder wie viele Kontakte sie im Durchschnitt täglich hat. Sie können sich im Lauf der Zeit verändern. Um die Realität besser widerzuspiegeln, können sie auf «Big Data» fußen, den riesigen Informationsmengen, die sich heutzutage sammeln, speichern und computertechnisch verarbeiten lassen.
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Solche Modelle können umfangreiche reale Daten benutzen, um Epidemien und Pandemien wirksam zu bekämpfen, auch wenn wir diese nicht verhindern können. Wir können mögliche Vorgehensweisen in einem Computermodell testen, bevor wir uns für eine Strategie entscheiden. In jüngerer Zeit wurden solche Methoden in Großbritannien eingesetzt, um Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche bei Rindern zu kontrollieren. Und weiteres Modellieren im Anschluss hat die verwendete Strategie noch verfeinert.
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Wird die Infektionsrate zu hoch, bringt es nichts mehr, Proben auf diese Art zu kombinieren, doch solange die Inzidenz recht niedrig ist, lassen sich auf diese Weise viele unnötige Tests einsparen. Sie ist daher im Frühstadium einer Pandemie am nützlichsten. Methoden dieser Art verlangen jedoch eine spezielle Ausrüstung, um Proben auf die richtige Weise zu mischen; daher muss alles im Vorhinein vorbereitet werden, insbesondere, wenn komplexe Blockdesigns zum Einsatz kommen.
All diese Methoden basieren auf mathematischen Strukturen und Prozessen, doch sie erfordern eine Vielzahl von Berechnungen. Daher wurden sie erst einsetzbar, als wirklich leistungsstarke Computer aufkamen. Die Fortschritte auf diesem Gebiet sind beeindruckend: Computerübersetzungen, Bilderkennung wie die von Gesichtern, Schach- und Go-Spielen, Ableitung der dreidimensionalen Struktur von Proteinen aus der in der DNA codierten Aminosäuresequenz.
Noch vor wenigen Jahrzehnten existierten viele dieser Methoden zur Bekämpfung einer Pandemie nicht. Sie sind keineswegs perfekt, doch sie ergänzen andere Methoden. Überdies liefern sie einigermaßen objektive Maßstäbe für Erfolg oder Misserfolg einer Maßnahme – was nicht alle Regierungen begrüßen. Der menschliche Faktor bringt Ungewissheiten ins Spiel, die schwieriger zu quantifizieren sind. Unsere Fähigkeit, Impfstoffe zu entwickeln und herzustellen, hat spektakulär zugenommen, sogar noch während der Pandemie. Jedoch haben einige Nationen weitaus mehr Vakzin zur Verfügung als andere, entweder weil letztere nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen oder weil die Regierungen zu langsam reagiert haben. Die Impfbereitschaft spielt ebenfalls eine Rolle und hängt unter anderem davon ab, wie viele Menschen auf «Querdenker»-Desinformationen hereinfallen, ein tragischer Nebeneffekt eines anderen technologischen Fortschritts, des Internets. Aber selbst diese Eigenarten, die in der Natur des Menschen gründen, lassen sich bis zu einem gewissen Grad mathematisch analysieren, beispielsweise mithilfe von Big Data und Wahrscheinlichkeitstheorie.
Coventry, Großbritannien, im Herbst 2021