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Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Juli 2016

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ISBN Printausgabe 978-3-499-63157-3 (1. Auflage 2016)

ISBN E-Book 978-3-644-56611-8

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-56611-8

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

 

jetz grade, wo ich diese Zeilen verfass, bin ich am Liegen, passend zum Titel von dem Buch. Deswegen schreib ich dat auch nich selber auf, weil, dat geht im Liegen nich, sondern ich diktier es meine Tippse in Form von mein Frau. Dat geht im Liegen wunderbar!

Tja, wer kennt dat nich, dat viele Tätigkeiten, die man im Stehen verrichten muss, einem zunehmend schwerer fallen, gerade im Alter! Und da kommt auch mein Motto ins Spiel, wat auch der Titel von mein neues Buch geworden is: Im Liegen geht’s!

Wat weiß ich, Spülen, Abtrocknen, Saugen, Fensterputzen, dat sind doch alles Tätigkeiten, die man sich im Liegen viel besser ankucken kann, als dat man einfach nur doof dabeisteht.

Ja, manchmal muss man ers ein gewisses Alter erreichen, um zu Reife und Weisheit zu gelangen. Und davon handelt auch dies Buch, wo ich wieder Geschichten erzähl, die sich gewaschen haben und die es wahrlich in sich haben, wo ich manchma selber denk, wat, dat solls du alles erlebt haben?! Na ja, aber im Liegen ging’s.

Noch ein Tipp: Wenn ihr dat Buch lest, legt euch lieber hin! Sons haut et euch womöglich um, und dann liegt ihr da!

 

Euer Herbert Knebel

Alten-WG

Boh glaubse, der Fred Zowislo hat sich jetz endlich seinen langgehegten, ursprünglichen Lebenstraum erfüllt. Und zwar is der jetz auf seine alten Tage doch noch in eine Wohngemeinschaft gezogen. Jetz muss man dazu sagen, ich kenn den Fred schon seit dem Krieg, also … Vietnamkrieg. Da ham wir beide seinezeit gegen protestiert. Ich weiß noch, wie wir immer gerufen haben, «USA SA SS!» oder «Hohohohohotschiming!». Ich weiß bis heute nich, wat dat heißt. Ja, ich bin da eigentlich nur mitgelaufen, weil ich scharf war, also … auch gegen den Krieg, aber eigentlich auf die Petra Schlecker. Ich wollte die mit mein Protest durch mich auf mich aufmerksam machen. Dabei sah die gar nich so gut aus, aber der Name hat mich irgendwie angesprochen. Petra!

Na ja, auf jeden Fall, damals war der Fred ja infiziert von diese Aufbruchzeit, weiße, mit Kommune, Protest, Beatmusik, lange Haare, enge Buxen, Hasch und freie Liebe. Ja, der Fred wollte neue Lebensformen ausprobieren und hat direkt mitte freien Liebe angefangen. Und dann hatte sich dat damit aber ruck, zuck erledigt, ja, weil er direkt bei die Erste, die frei war, en Volltreffer gelandet hat! Neun Monate später wurd geheiratet, und dann hieß et ersma 40 Jahre lang «Mama, Papa, Kind». «Auto» hab ich noch vergessen.

Ja, und seit geräumige Zeit is der Fred alleinstehend. Ich vermute ma, dat dat mit den Tod von seine Frau zusammenhängt. Und jetz fiel ihm dat wieder ein mit sein Traum von damals. Und dann hat der inseriert und is auf Gleichgesinnte gestoßen. Und jetz wohnt der eben in sonne Wohngemeinschaft und hat mich neulich eingeladen.

Da war ich natürlich neugierig, wie die da so hausen. Und ich hatte mir spaßeshalber vorgestellt, weiße, wie ich da schell, und da macht en Oppa die Tür auf mit Rollator, aber son Ofenrohr von Joint inne Hand, und hinter ihm sonne Omma, die mit ihrn Afrolook im Türrahmen stecken bleibt. Und ausm Hintergrund hörse Musik von damals: «Macht kaputt, wat euch kaputt macht!» oder «Karamba, Karacho, ein Whisky».

Ja, da komm ich da hin, da is dat genauso! Und der Oppa mit den Joint is der Fred Zowislo! Ich sach, Fred, seit wann has du denn en Rollator?! Da sacht er, Herbert, dat is kein Rollator, dat is en mobilen Aschenbecher. Wat meins du, wat hier weggeraucht wird!

Ja, da gingen wir da in den Wohngemeinschaftsgemeinschaftsraum rein, da sah dat wirklich aus wie inne Hippiezeit: Poster anne Wand, Matratzen aum Boden, aber auch ein Pflegebett mit Defibrillator, falls ma einer wiederbelebt werden muss, und en Infusionsständer. Ich kuck so auf den Ständer und sach, Fred, apropos, wie sieht dat denn hier mit freie Liebe aus? In dem Moment geht die Tür auf, und wer is im Rahmen? Die Petra Schlecker! Ich sach, Petra, jetz hätt ich dich aber fast nich wiedererkannt! Ich mein, 40 Jahre Wind und Wetter hinterlassen an jedem Gebäude Spuren. Da kuckt sie mich an und sacht, kennen wir uns? Ich komm grad nich auf Sie drauf. Ich sach, ja, dat Gefühl kenn ich noch von damals! Ich sach, ich bin’s, Hohohohotschiming! Herbert, der Mitläufer! Ach, natürlich!, sacht sie, sie wär damals ja eigentlich nur mitgelaufen wegen mir. Sie hätte meinen Namen so anziehend gefunden. Knebel!

Und dann sind wir da richtig abgegangen, also … mit Kaffee und Kuchen. Da kamen die andern vonne WG noch mit dabei, und dann ham wir die alten Zeiten aufleben lassen. Da ham wir die Bude gerockt! Meine Güte, war da eine Stimmung! Da kamen nachher sogar noch die Bullen. Aber wir ham uns alle tot gestellt, und dann sind die beruhigt wieder abgezogen.

Ja, und paar Stunden später dann, wie ich so mitte Guste beim Essen am Abendbrottisch saß, da wurd mir nochma schlagartig bewusst, wat dat fürn schönes Model is. Also, gez nich die Guste, sondern mit die Altenwohngemeinschaft.

Automation

Boh glaubse, neulich dacht ich, mich laust en Affe! Und zwar war ich unterwegs mit mein Auto und stand anne Ampel aufe Spur für Linksabbieger. Und aufe rechte Spur kommt neben mir einer zum Stehen, wo ich denk, häh?! Wo is denn der Fahrer?! Ja, ich sah nur den Beifahrer. Ich denk, jou, gez isset so weit; wat lange Zeit nur inne Phantasie war oder in diese Sinse-Fiktion-Filme, dat is gez auch bei uns in Deutschland angekommen!

Und ich mach so die Scheibe runter und ruf so rüber, leck mich am Arsch! Also, weil ich so vonne Socken war. Und dann fuhr er aber los, weil er Grün krichte, und ich sah, dat dat mit die Fahrerlosigkeit nur an sein Kennzeichen lag. Der kam nämlich aus England. Und der Engländer fährt ja traditionell ohne Fahrer. Da muss immer der Beifahrer ran.

Aber immerhin fährt da noch einer! Bei uns is ja gez wirklich inne Diskussion, dat se dat irgendwann einführen wollen, dat keiner mehr fährt. Sogar bei de Brummis! Da sitzt dann zwar noch einer drin, aber der kann wat anderes machen. Wahrscheinlich dat, wat er schon immer gemacht hat, nur jetz ganz in Ruhe und mit Hingabe und Leidenschaft.

Also, ich find, damit schießen die sich doch int eigene Knie! Kucken Se ma, wat da für Einnahmequellen wegfallen! Zum Beispiel die ganzen Blitzanlagen. Da kann ja keiner mehr geblitzt werden, wenn da keiner mehr am Steuer sitzt, der aufe Tube drücken kann. Und dat war ja bisher für viele Städte ne sichere Einnahmequelle, oft der letzte Strohhalm.

Wat meinse, wie viele Stadtkämmerer über die Jahre inne Rathauskantine gesessen haben und bei Rührei mit Lachs und Prosecco gebetet haben, hoffentlich wird heute einer geblitzt! Sons machen se uns am Ende noch die Kantine dicht!

Ja, und die Fahrerlosigkeit wird ja auch für viele Bereiche Arbeitslosigkeit nach sich ziehen. Zum Beispiel bei de Taxifahrer. Wat soll aus die ganzen Akademiker werden?! Ja, wenn Taxifahren keine Perspektive mehr is. Die können doch nich alle kellnern. Und am Ende werden die Kellner auch noch ersetzt durch Servierautomaten.

Und wodran vor mir noch keiner gedacht hat von die Herren Erfinder, dat sind nämlich die Fahrlehrer! Dat sind doch die ärmsten Schweine! Ich mein, wer macht da noch en Führerschein, wenn er nich mehr fahren brauch?!

Ja, aber dat is der Fortschritt. Da machse nix. Irgendwann wird dann wahrscheinlich keiner mehr gebraucht. Nur noch Altenpfleger.

Ballonfahrt

Boh glaubse, die Tage, da hatt ich mir en richtiges Eigentor geschossen. Und zwar hatt ich mich ja jahrelang beschwert über meine Geburtstagsgeschenke. Et gab ja jedes Jahr dat Gleiche: SOS – Socken, Oberhemd, Schlips. Manchma auch umgekehrt: Schlips, Oberhemd, Socken. Aber immer SOS.

Ja, jetz fühlte sich mein Frau bemüßigt, ma richtig wat Originelles rauszuhauen: eine Ballonfahrt übert Ruhrgebiet. Da könnt ich ma alles von oben sehen, praktisch ause Vögelperspektive.

Ja, da war ich ersma geschockt! Ich mein, ich hab dat ja schon dat ein oder andere Mal anklingen lassen, dat ich Flugangst hab im Flugzeug. Und son Ballon, dat is ja nochma ne ganz andere Herausforderung. Da sind ja keine Stewardessen, die dadrauf geschult sind, ein zu beruhigen. Klo hasse da oben auch nich, wenne ma richtig Schiss has, und dann is da auch noch alles offen, praktisch Cabrio!

Jetz wollt ich mein Frau aber nich enttäuschen und dat Geschenk ablehnen, weil sie sich ja so viel Mühe gegeben hatte, und da hab ich so getan, als würd ich mich freuen.

Ja, am Tach X standen dann auch noch meine Enkeln aufe Matte, die sich an dem Geschenk beteiligt hatten. Ich denk, na komm, hasse wenigstens seelischen Beistand. Jetz kamen wir da zu den Startplatz hin, da standen da schon einige Leute. Ich denk, wie wollen wir denn alle in den Korb reinpassen? Dat is doch ne viel zu kleine Körbchengröße! Da war nämlich einer dabei, der war praktisch selber en Ballon, und die Frau von ihm war auch nich gerade en Hungerhaken. Und die hatten noch ihre drei Kinder mit dabei und en Hund, den Whiskey, son kleinen Rehpinscher.

Ja, nachdem die da in den Korb eingestiegen waren, dacht ich noch, jetz wird et aber eng für uns! Aber kaum war ich eingestiegen, da sachten meine Verwandten, viel Spaß, Oppa, guten Flug, Hals- und Beinbruch! Und bevor ich aus meine Schockstarre wieder raus war, saßen die auch schon im Auto und düsten los. Und ich seh noch die Rücklichter von mein Auto und denk, wer fährt denn da von die Erbschleicher?!

Ja, da war der Ballon schon inne Steigungsphase, und der Whiskey war direkt am Winseln. Und ich aber auch! Da hab ich ersma die Augen zugemacht und mich am Ballonführer festgehalten. Und wie ich mich so an ihm am Anklammern bin, ruft eins von die Saublagen, Papa, Papa, kumma, der Oppa is schwul!

Ich sach, ich gib dich gleich «Oppa»! Die denken heute, die könnten sich alles rausnehmen! Aber der Führer nahm dat ganz locker und sachte, er wär dat gewohnt. Ich sollte einfach die Aussicht genießen, dann ging die Angst wie von selber weg.

Ja, nach ner halben Stunde hab ich mich dann auch getraut, die Augen aufzumachen. Und dat Erste, wat ich seh, is dat Dach vonne Veltins-Arena. Und weil ich ja Borusse bin, hab ich die Augen drekt wieder zugemacht. Und als ob dat mit die Arena nich schlimm genug wär, entpuppte sich die Familie als Schalker. Die fingen drekt an zu singen: Blau und Weiß, wie lieb ich dich. Und wie auf Kommando fing der Whiskey an zu hopsen, und alle hopsten se mit, bis auf den Führer und mich, und skandierten: Wer nich hüpft, der is kein Schalker!

Ja, da krichte der Ballon Schlagseite, weil die dicken Eltern sich auf eine Seite befanden. Und der Führer rief noch, verteilt euch! Aber da kam der Ballon auch schon ins Trudeln.

Ich denk, toll, dein letztes Stündchen hat geschlagen, und dat ausgerechnet hier, in Feindesland, über de Veltins-Arena! Kann ein Mensch tiefer sinken?! In dem Fall muss ich sagen, ja, Gott sei Dank! Der Führer hatte den Ballon nämlich stabilisiert gekricht, trotz meiner neuerlichen Umklammerung! Also eine flugtechnische Meisterleistung. Aber weil wir schon so tief gesunken waren, war er zu eine Notlandung gezwungen. Und wissen Se wat, mitten im Anstoßkreis vonne Veltins-Arena!

Dat stand auch am nächsten Tach groß inne Zeitung: Rückschlag für Schalke! Ballon-Notlandung stört Geheimtraining vor Champions-League-Aus!

Ich mein, irgendwie war ich mitte Nerven schon ziemlich runter, aber am Ende war et dann doch gar nich so schlecht. Dat war ma en anderes SOS!

Bombenalarm

Boh glaubse, bei uns war wat los! So wat ham wir hier noch nie erlebt! Da war die ganze Siedlung in Aufruhr. Dabei fing dat alles ganz harmlos an.

Und zwar klingelte die Tage einer von meine Nachbarn an, der Willi Ketzer. Er wär im Garten auf wat Hartes gestoßen, und zwar beim Umgraben. Irgendwat Metallisches. Und für Metall würd man ja jede Menge Geld kriegen beim Klüngelskerl. Ob ich ihm helfen könnte, weil, dat wär wohl vonne Ausmaße her en Riesen-Otto.

Da bin ich mitgegangen. Und dann sind wir da mit Spaten und Spitzhacke beigegangen. Und so beim Beigehen sachte ich noch so, Willi, nich, dat wir hier ne Bombe ausbuddeln! Und als wir dat Ding komplett freigelegt hatten, mussten wir feststellen, dat et wohl tatsächlich eine war.

Oben auf die Bombe drauf stand als Absender dick und fett RAF. Ich denk, dat gibbet doch nich, Baader Meinhoff! Und dann sah ich aber, dat et im Kleingedruckten nochma ausgeschrieben stand: Royal Air Force. Kuck an, denk ich, Grüße vom Tommy!

Ich sach, Willi, am besten, du bleibs hier und passt auf, dat nix passiert, und ich geh die Polizei anrufen. Mit zittrige und schweißnasse Finger hab ich gewählt. Mein Gott, wie oft hab ich mich verwählt, bei 110!

Kurze Zeit später war schon Tatütata im Anmarsch. Und als der Spezialist vom Kampfmittelräumdienst sich den Weg durch die ganzen Gaffer gebahnt hatte und den Zünder von den Blindgänger in Augenschein genommen hatte, sachte er direkt, oh oh, dat kann ja heiter werden! Und wir sollten ma en bissken weiter weggehen, am besten so fünf Kilometer.

Ja, da musste die ganze Gegend großräumig evakuriert werden. Ich sofort nach Hause. Ich sach, Guste, wir müssen weg, Bombenalarm! Wir können nur dat Nötigste mitnehmen. Ja, da sind wir direkt im Streit geraten, wat dat Nötigste is. Für mich war klar, BVB-Mitgliedsausweis, große Teile von meine Schallplattensammlung und en warmen Schal.

Ich sach, Guste, wills du auch wat mitnehmen, weil, eigentlich ham wir ja alles. Da meinte sie, ihre Aussteuer müsste mit. Ich sach, Guste, du wills doch nich allen Ernstes die verfickte Biberbettwäsche mitschleppen?!

Ja, da war se beleidigt und hat nich mehr mit mir gesprochen. Und da kann ich ja auch auf stur schalten. Da ham wir uns dann inne Wohnung angeschwiegen, während sich draußen die Flüchtlingstrecks aufn Weg machten in Richtung Turnhalle, wo se se vom Krisenstab unterbringen wollten.

Ich glaub, irgendwann waren wir die Einzigsten inne Siedlung. Und et war wirklich totenstill. Und inne Stille hör ich auf einma ein beten. Ich geh so am Fenster, und von mir aus hab ich ja en guten Blick auf den Willi Ketzer sein Garten, ja, da steht da der Entschärfer mit gefaltete Hände. Und wie ich dat Fenster aufmach, hör ich noch so, wie er sacht, dein Reich komme, dein Wille geschehe.

Da wusst ich, der Mann hat en Problem! Und ich ruf so zu ihm runter, denk dran, der Tommy hat Linksgewinde! Da drehte er sich zu mir um, schlug sich vor de Stirn, lächelte so erleichtert zu mir hoch, reckte beide Daumen inne Höhe und sachte, deshalb komm ich hier nich weiter! Bingo! Ich sach, angenehm, Knebel!

Ja, und dann war die Sache im Handumdrehen erledigt. Ich sach, Guste, kanns die Biberbettwäsche wieder einpacken, der Herr Bingo hat die Situation entschärft.

Ja, manchma hat son Ehestreit eben auch wat Gutes! Wer weiß, wo wir sons gelandet wären, inne Turnhalle oder im Himmel?!

Deeskalation

Boh glaubse, die Tage war ich mit dem Arnold Eggermann unterwegs. Ja, den kenn ich noch von ganz, ganz früher. Dat war en ehemaligen Sportskamerad. Wir ham uns inne E-Jugend vom Fußballverein kennengelernt. Mit dem Arnold war nich gut Kirschen essen. Der war damals schon als Kind gefürchtet wegen seine Art. Und zwar ging der sofort immer steil, aber in jede Beziehung.

Wenn da zum Beispiel der Schirri gemeint hat, der Ball war aus, und der Arnold anderer Meinung war, da hättse den ma sehen sollen! Da hat der dem Schirri die Linie gezeigt, aber von ganz nah! Und auch sons is der bei die kleinsten Kleinigkeiten ausgeflippt. Wenn die Mama ma wat Falsches gekocht hatte, wat weiß ich, Auflauf, dann hat der der Mama mit dem Auflauf en Einlauf gemacht. Oder wenn er sich anne Bude ne Fußballbildertüte gekauft hatte, und da waren die falschen Spieler drin, dann hat der Budenbesitzer direkt dat Rollgitter runtergelassen, um seine Verkaufsstelle vor den Arnold sein Vandalismus zu schützen.

Jaa, der Arnold war schwierig. Der war nich jedermanns Geschmack. Wobei ich immer ganz gern mit dem zusammen war, weil, da fiel ich dann nich so unangenehm auf.

Ja, und wat soll ich Sie sagen, neulich geht dat Telefon, da is der Arnold dran. Da war ich überrascht, weil, ich hatte den ja Jahre nich gesehen. Ob wir uns nich ma verabreden könnten für en schönen Ausflug. Ich sach, wie wär et mit heut Nachmittag? Dat kam mir nämlich ganz gelegen, weil ich ausn Elektrofachgroßhandel noch unsre neue Waschmaschine abholen musste. Da waren zwei starke Hände sehr willkommen!

Ja, gesacht, getan. Wir dahin, da war da aum Parkplatz kein Parkplatz. Ich sach, pass auf, Arni, scheiß drauf! Wir stellen uns einfach mim Warnblinker aufe Straße. Dat dauert ja nich ewig.

Wir steigen aus, da seh ich direkt, wie sonne Politesse angeschossen kommt. Ich denk, Baby, schnall dich an! Ich hab den Arnold dabei! Ein falsches Wort, und der explodiert! Ja, da sacht sie prompt, hier könn Se nich stehen bleiben! Ich kuck so erwartungsvoll zu den Arnold rüber, ob der schon Betriebstemperatur hat, ja, aber er machte noch en ganz coolen Eindruck. Ich denk, oh, die Ruhe vor dem Sturm. Wahrscheinlich pumpt der innerlich schon auf.

Ich sach, junge Frau, wir gehn nur kurz im Geschäft, und dann sind wir ruck, zuck wieder weg. So schnell könn Sie gar nich kucken. Da sacht sie nochma, Sie können hier nich stehen bleiben! Ich kuck wieder so nach den Arnold, immer noch nix. Da sacht die Knöllchen-Olle, ich fordere Sie ein letztes Ma unverzüglich auf! Ich stubs den Arnold so an und sach, Arni, has du gehört, wie man versucht, uns hier zu demütigen und zu maßregeln?! Aber er steht einfach nur da. Ich denk, wann zündet denn die Lunte endlich?!

Ja, da fing die Schergin vom Ordnungsamt an, dat Protokoll auszufüllen. Und da bin ich ausgerastet und hab sie im Namen vom Arnold beleidigt. Und zwar so, dat ich jetz ne Anzeige wegen Beamtenbeleidigung anne Backe hab.

Und dann hab ich den Arnold zur Rede gestellt und ihm gesacht, dat ich sehr enttäuscht wär und von unsern Treffen eigentlich mehr erwartet hätte. Ja, da stellte sich raus, dat er seit 30 Jahre Deeskalationstraining macht, und seit ner Woche würd et klappen. Deswegen hätt er mich auch angerufen, quasi als Härtetest, um zu kucken, ob er wirklich drüber weg wär.

Also … auf nix is mehr Verlass! Ich hab dann den Name von dem Psychologe rausgekricht. Ich geh da auch ma hin. Den falt ich zusammen!

3-D-Film

Boh glaubse, die Tage, da war ich im Kino gewesen. Ach, da war ich schon ewig nich mehr. Ich glaub, dat letzte Mal war ich, dat muss so inne Siebziger gewesen sein, wie hieß der Film noch? Irgendwat mit «mein Frau». Ah, jetz weiß ich wieder: «Deine Frau, dat unbekannte Wesen».

Ich weiß noch, als ich den Film gesehen hab, da warn wirklich en paar Details, die kannte ich so von mein Frau noch gar nich. Ja, danach hab ich dann nur noch Fernseh gekuckt. Mein Frau hab ich ja auch zu Hause, dafür brauch ich nich im Kino gehen.

Obwohl, nee, dat is nich ganz richtig. Einma war ich noch. In «Lass jucken, Kumpel!». Da hatt ich ers gedacht, dat wär son Film über son Bergmann. Die hab ich ja immer gerne gesehn, die Ingmar-Bergman-Filme. Aber der «Lass jucken, Kumpel!» war wahrscheinlich sein schlechtester.

Auf jeden Fall hatte mich mein Kumpel, der Rudi Eisenstein, überredet, mit mir zusammen im Kino zu gehen. Da gäb et gez immer mehr 3-D-Filme. Und dat müsste wohl ganz toll sein, weil, man hätte dat Gefühl, man wär mittendrin dabei! Und da sind wir in son Sinse Fiktion reingegangen. «Rakete 12 antwortet nich».

Ja, beim Kauf vonne Karten sachte die Verkäuferin, hier, Ihre Brille! Ich kuck mir die an und sach, danke, sonne ähnliche hab ich ja schon auf. Sie lächelte dann so ganz charmant und meinte, dat wär aber ne ganz spezielle. Ich sach, findse meine etwa nich speziell? Ja, et ginge aber doch um den 3-D-Effekt! Ich sach, junges Fräulein, wat meins du, wat ich mit die Brille schon alles in 3-D gesehn hab! Dat nackte Elend! Da hätt ich mir oft gewünscht, et wär nur Doppel-D gewesen! Da sachte sie, ich müsste mir keine Sorgen machen, der Film wär jugendfrei.

Ja, da sind wir da rein mit die Brillen, und nach ne Dreiviertelstunde ging der Film auch schon los. Und der Rudi sachte, Herbert, setz die Brille auf! Gez geht et rund! Hömma, ich hatte die kaum auf, da war ich mitten im Weltraum! Und dat war so echt, dat ich regelrecht Beklemmungen gekricht hab. Man hatte wirklich so die Illusion, man schwob so durch dat All. (singt) Völlig losgelöst vonne Erde …

Da war wat los! Dat kannte ich so von 2-D gar nich: unendliche Tiefen, ordentliche Weiten, alles voller Nebel, Galaxienhaufen und, und, und. Und irgendwann kam sonne Szene, wo son Alien am Wirken dran war. Und durch dat 3-D has du wirklich dat Gefühl gehabt, du has da einen stehen, also … en echten Alien. Mitten im Kino! Auf einma kuckt der mich so an und kommt genau auf mich zu! Ich denk, Herbert, gez wird et Ernst! Und da hab ich so im Reflex affektartig auf den draufgewichst! Ja, weiße, so mitte flache Hand. Aber ich hab en wohl nich erwischt, sondern stattdessen sonne Frau inne Reihe vor mir. Da war direkt Tumult!