Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg
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Umschlaggestaltung Anzinger | Wüschner | Rasp, München
Impressum der zugrundeliegenden gedruckten Ausgabe:
ISBN Printausgabe 978-3-499-15685-4
ISBN E-Book 978-3-688-11717-8
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-688-11717-8
In der Kolonie bin ich als Dr. Ratte bekannt. Und da ich diesem Labor schon so lange angehöre und ein so gründliches Studium absolviert habe, ist es nur recht und billig, daß ich ein anderes Unterscheidungsmerkmal besitze als bloß eine Tätowierung im Ohr, ein Zeichen, das auch alle anderen Ratten haben. Einige haben Tätowierungen und keilförmige Einschnitte im Ohr. Manche haben sogar drei oder vier Kerben im Ohr, aber das heißt nicht, daß sie so gelehrt sind wie ich. Das heißt nur, daß man ihnen die Leber entfernt hat (eine Kerbe), Leber und Hypophyse entfernt hat (zwei Kerben), Leber, Hypophyse und Epiphyse entfernt hat (drei Kerben) und so weiter. Und wenn sie einem das Herz entfernt haben, sind keine weiteren Kerben mehr nötig, haha!
Dann legen sie bloß noch deine Knochen ein, legen sie deine Knochen ein.
Aber so langsam finde ich den Geruch von Formalin angenehm – eine 5 %-Lösung reicht aus, alle weichen Teile eines Rattenkörpers abzulösen. Ja, der Geruch ist meiner Nase angenehm, weil ich weiß, die Knochen sind nicht meine.
Von meinem Podium hier im Labyrinth aus kann ich den ganzen Vorgang überblicken – eine tote Ratte wird soeben in Formalin getaucht. Bald fallen alle weichen Teile ihres Körpers von ihr ab. Dann genügt eine einfache Lösung aus Natriumkarbonat, Chlorkalk und Wasser, um alle noch hängengebliebenen Muskel- oder Fettreste zu entfernen. Die Kosten sind nicht hoch. Für die betreffende Ratte sind die Kosten natürlich tödlich, aber was kümmert sie das, sie ist frei!
Tod heißt Freiheit, so lautet meine Devise. Ich tue für meine Mitratten, was ich kann: ich gebe ihnen meinen besten Rat. Denn wenn alles gesagt und getan ist, heißt die End-Lösung (5 % Formalin) Tod, und Tod heißt Freiheit.
Mein eigener Fall ist nicht ungewöhnlich. Ich wurde in den Labyrinthen zum Wahnsinn getrieben. Die Anfangssymptome, Zittern, Sich-im-Kreis-drehen, Beißen, haben sich jetzt alle gelegt, geblieben ist mir nur die merkwürdig verrückte Angewohnheit, Lieder und Gedichte zu schreiben. Das ist in einer wissenschaftlichen Umgebung natürlich ein bißchen unangebracht, und so setze ich alles daran, diese Neigung zu unterdrücken und meine ganze Aufmerksamkeit der Abfassung gelehrter, auf Tatsachen beruhender Aufsätze zu widmen. Ich schmeichle mir mit der Vorstellung, sie seien das Allerneueste auf dem Gebiet des Tierverhaltens.
Naja, warum sollten sie das auch nicht sein? Ich bin mit allen Tierverhaltensprogrammen vertraut. Gerade findet hier im Labor eine interessante Demonstration statt: man hat eben eine junge Ratte auf ein kleines Metallgestell gesetzt. Die Hinterpfoten hat man ihr mit Reißzwecken durchbohrt, damit sie hübsch dort bleiben, wo sie sind; die Vorderpfoten hat man angehoben, auf das Metallgestell gelegt und dort festgebunden, damit sie aufrecht stehenbleibt. Ihre Augen schießen hin und her. Ich kann das Rasen ihres Herzens fühlen, und ich rufe ihr zu, um ihr moralische Hilfestellung zu geben.
»Keine Bange, liebe Mitratte, es dauert nicht lange.«
»Was machen die denn mit mir?«
»Nichts, was sie nicht früher oder später mit uns allen machen, lieber Bruder. Denke an die Devise: Tod heißt Freiheit.«
»Ich will nicht sterben!«
Der Hochgelehrte Professor, der die vielen verschiedenen Experimente in unserem Labor leitet, ist jetzt an das Gestell herangetreten. Sorgfältig, teilnahmslos nimmt er die Lumbalpunktion vor und zieht der Ratte die Rückenmarksflüssigkeit ab. Jetzt möchte die Ratte sterben, das kann ich Ihnen sagen.
Tod heißt Freiheit, Bruder!
Und nun legt seine Knochen ein, legt seine Knochen ein.
Die Rückenmarksflüssigkeit wird von einem unserer wissenschaftlichen Assistenten untersucht, dann schüttet er sie in den Ausguß. Er wird immer besser in diesem Experiment. Es gehört zu meiner Arbeit, die vielversprechenden jungen Wissenschaftler zu beobachten und in meinem Mitteilungsblatt vorzustellen. Zu Anfang waren die Hände dieses Burschen nervös und zittrig. Er sah ein bißchen wie eine junge Ratte aus, die gleich kastriert werden soll – die mehr als 30 Gramm wiegen, werden gleich nach der Geburt selektiert. Aber nach der Schulung an zweiundfünfzig Ratten ist der Junge wirklich Spitze. Mit erfülltem Lächeln wäscht er sein Reagenzglas aus.
Und hier drüben, in dieser geeisten Thermosflasche, sehen Sie mehrere junge Ratten, die auf minus zwei Grad Celsius abgekühlt werden.
»Dr. Ratte, wir f-f-f-frieren!«
»Ganz recht, meine Freunde, und bald werdet ihr k-k-k-kastriert sein wie ich. Aber ihr werdet überhaupt nichts spüren. Eure Eier werden taub sein und ganz leicht abgehen.«
»Bitte, Dr. Ratte, h-h-h-helfen Sie uns!«
»Meine lieben Freunde, nur keine Angst. Wenn eure K-K-K-Klöten ab sind, kommt euer B-B-B-Bild ins Mitteilungsblatt, und das geht um die ganze Welt.«
Auf diese Weise verbreite ich im ganzen Labor gute Laune und helfe meinen Mitratten zu begreifen, welche wichtige Rolle sie im Weltgeschehen spielen.
Ich würde jetzt gern »Drei blinde Ratten« singen. Das gehört zum musikalischen Versuchsprogramm, mit dem man bestimmte Ratten berieselt, um sie gefügiger und freundlicher zu stimmen. Mehrere von ihnen beginnen denn auch tatsächlich, sich gegenseitig zu beschnüffeln, eine vollführt sogar ein leicht-phantastisches Tänzchen mit dem Schwanz, genau im Takt.
Im Nachbarkäfig haben wir tatsächlich drei blinde Ratten. Eigentlich haben wir hier dreiundzwanzig blinde Ratten, sie gehören zu einem großartigen neuen Experiment, das von einem sehr ehrgeizigen Studenten begonnen wurde, den ich im Mitteilungsblatt dieses Monats vorstellen werde. Er ist ein sensibler Junge, und eben diese hochgradige Sensibilität war es, die ihn hat ersinnen lassen, was jetzt hier im Labor der letzte Schrei ist: die sagenhafte Entfernung der Eier aus dem Körper einer weiblichen Ratte und ihre Verpflanzung auf verschiedene Körperteile einer männlichen Ratte – auf den Schwanz, auf das Ohr, auf den Bauch. Und die letzten dreiundzwanzig Tage hat er sie ihnen auf die Augen verpflanzt! Es ist also an der Zeit, daß wir diesem hoffnungsvollen, jungen Wissenschaftler ein Lied singen. Ich schreite zur Mitte des Labyrinths und klettere auf die Belohnungsleiter, auf der mich alle deutlich sehen können.
»Brüder und Schwestern Ratte, Mitglieder des Chors, ich möchte, daß wir im Rahmen unseres Forschungsprogramms gemeinsam ›Drei blinde Ratten‹ singen. Singt:
Drei blinde Ratten
Augen leere Ritzen
Seht wie sie flitzen
Seht wie sie flitzen
Wir alle rennen der Unilaufbahn hinterher
Und schneiden euch die Eier ab mit Messern wie bisher
Habt ihr je ein Geschenk gesehn das nobler wär
Für drei blinde Ratten!«
Die Stimmen der Ratten im Hämorrhagie-Käfig sind wirklich gut ausgebildet. Sie werden in wenigen Augenblicken beobachten können, wie eine von ihnen eingelegt wird. Wenn man sie zu lange in der End-Lösung läßt, zersetzen sich die kleineren Knochen. Aber wenn man sie rechtzeitig herausnimmt, kann man sie scheuern und bürsten, bis sie blitzblank sind, und der Hochgelehrte Professor sieht das gern. Jedesmal schöne saubere Knochen. Das gibt ihm das Gefühl, daß wirklich ganze Arbeit geleistet wurde.
Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei dem jungen Mann, der mit den Rattenaugen experimentiert. Er wird zweifellos eine der ungewöhnlichsten wissenschaftlichen Arbeiten dieses Jahres liefern. Sie ist von derselben Bedeutung wie die Resektion des Magens und die Verbindung der Speiseröhre mit dem Duodenum.
Hörte ich nicht eben einen Schrei? Oh du, oh du, oh du, oh Duodenum, und die Enthauptung als Schlußprozedur. Ich möchte, daß jeder von euch sicher ist, daß er ruhig stirbt, ganz ohne Furcht und Krampf, damit die jungen Wissenschaftler dort in der Lage sind, euch schnell und sauber zu erledigen. Denkt daran, Röntgenaufnahmen können von der Ratte auch nach ihrem Opfertod gemacht werden, indem man ihr den Kopf mit einer scharfen Säge oder einem Rasiermesser abschneidet, und danach teilen wir deinen Leichnam mit einem Hackmesser in vier Teile.
Ist das nicht ein Schrei?
Höre ich nicht einen Schrei?
Ja, es ist einer, dort am Ende der Käfigreihe. Wollen wir uns nicht dorthin verfügen und uns ein paar Notizen machen?
»Hilfe, Hilfe!«
Bitte, junger Freund, es gibt doch keinen Grund, sich über deinen kleinen Beitrag für die Wissenschaft so aufzuregen. Friß ein bißchen Preßkeks, bevor du stirbst. Iß tüchtig und denk dran: Tod heißt Freiheit!«
»Was machen die mit mir, Dr. Ratte?«
»Laß mich mal eben in meinen Notizen nachsehen … ja, da haben wir’s. Du bist die zehnte Ratte in dieser Woche, der man mit einem pneumatischen Rohr das Hirn heraussaugt.«
»Hilfe, Hilfe!«
Ich tröste meine Mitratten, wo ich kann. Das erfordert natürlich psychologisches Verständnis. Und da ich wahnsinnig bin, habe ich die notwendige Qualifikation in Psychologie.
Wir alle rochen es. Jeder Hund im Umkreis hatte es plötzlich in der Nase. Ich war draußen und machte gerade meinen Morgenlauf. Mein Herrchen hatte mich das immer machen lassen, ungefähr eine Stunde durfte ich in der Gegend herumlaufen, aber immer in Pfiffweite. Immer wenn ich diesen Pfiff hörte, lief ich zurück zu einem köstlichen Knochen. Aber an diesem Morgen war alles anders.
Es gibt viele Gerüche auf der Welt, gute und schlechte, aber es gibt nur einen Geruch wie diesen, nur einen Geruch, der absolut nicht zu ignorieren ist, so lieblich und wohltuend ist er.
Es ist kein Geruch aus dem Rinnstein oder nach Futter oder nach einer läufigen Hündin; er kommt nicht von Pflanzen oder aus dem Wasser oder der fetten schwarzen Erde. Ich trottete gerade das Gäßchen hinunter, als ich ihn in der Luft bemerkte. Woher kam er? Ich hob die Nase, drehte mich langsam im Kreis und suchte, aus welcher Richtung er kam.
Ich folgte ihm. Ihm nicht zu folgen, wäre unmöglich gewesen. Ich ließ alles sausen und rannte los. Herrliche Knochen, nahrhafte Frühstücke, liebevolles Streicheln – nichts ließ sich mit diesem Duft vergleichen, so vertraut und doch so flüchtig. Verliert ihn nicht, verliert ihn nicht, keiner von euch. Riecht ihn jetzt – da, um die Ecke, da, die Straße runter, bleibt ihm auf der Spur, setzt ihm nach, riecht ihn heraus aus allen anderen Gerüchen. Durch Feuer und Wasser müßt ihr gehen, um diesem Geruch auf der Fährte zu bleiben.
Durch die Stadt – aus Gassen und die Straßen entlang, zurück in die Gassen, sich windend, sich wendend. Es gibt gewisse Gerüche, die diesem ähneln, aber nur vage, und ihnen fehlt die überwältigende Autorität, die nun zu uns spricht. Der Geruch brennender Kerzen, der Geruch eines Flusses im Morgengrauen – das sind schwache Vergleiche, aber sie suggerieren dennoch einen Geruch, dessen Wesen aus den schmerzlichsten Verheißungen besteht, die im zarten Brennen der Kerze und in den ziehenden Nebeln des Flusses nur angedeutet werden. Es scheint mir nun, daß ich, schon in meinen Hündchenjahren, einen Hauch dieses Geruchs aufschnappte, dessen Anhauch geheime Kammern in meinem Herzen öffnete. Aber ehe ich mich in diese Kammern stürzen konnte, war der Geruch verschwunden, und ich fand mich neben einem Abfalleimer wieder oder in einem Haufen nasser Blätter und nannte mich einen Träumer.
Träume ich nun wieder?
Überall um mich herum, in wachsender Zahl – Hunde, Hunde, Hunde! Wir sind am Rande der Stadt und rennen durch die letzten verfallenen Straßen, wo sich arme und hungrige Hunde aus kleinen Teerpappebuden uns anschließen. Sie sind dürre, wieselige Kreaturen, aber ihre Stimmung ist so hochgespannt wie die des feinsten Zuchthundes unter uns, von denen es ebenfalls viele hier gibt.
Ja, hier gibt es funkelnde Halsbänder und klingelnde Hundemarken aller Art. Hunde der Gesellschaft wie Promenademischungen werden von diesem mächtigen Köder angezogen. Gemeinsam, wir alle gemeinsam – oh, es ist herrlich, so dahinzutrotten, mit wedelnden Schwänzen, in die Luft gestreckten Nasen, und der Geruch überall um uns herum.
Allen voran laufen die Jagdhunde. Sie haben den Versammlungsort als erste erreicht, Jagdhunde aller Rassen, die auf dem leeren Grundstück am Stadtrand hin und her laufen. Die Nasen haben sie am Boden und kläffen eine Kreatur an, die schneller ist als jeder Fuchs oder Hase, ein Wesen, das nicht sichtbar ist dessen Geruch allein verrät, daß es da ist. Die Beagles jaulen und jagen im Kreis herum, die Hühnerhunde wittern in alle Richtungen, denn der Duft ist überall. Auf das leere Grundstück strömt dann der Rest der Hunde – Collies und Bullies, Terrier und Windhunde, kleine Pekinesen auf winzigen Pfötchen, Bernhardiner mit ungeheuren Pranken und Bastarde jeder Größe und Form.
Auf dem Hügel über dem Feld sehe ich streunende Katzen nervös hin und her schleichen und mich beobachten. Und von den Rändern des Feldes, durchs Gras spähend, kommen zahllose Ratten, Mäuse und Maulwürfe herbei. Alle sind sie dem Duft auf der Spur. Menschen können ihn nicht riechen, denn ihre Nasen sind aus der Übung. Aber wir Tiere sind mit ihm vertraut, auf dem leeren Grundstück, während wir uns zu einem Meer aus Hauern und Fellen sammeln.
Natürlich suchen wir unter uns nach Anführern, nach den Hunden, die vielleicht in der Lage wären, die Feinheiten des Duftes zu deuten und uns mehr darüber mitzuteilen. Und aus dem Wald über der Stadt kommen die wilden Hunde.
Du falscher Hund!«
Wir haben mehrere solcher Hunde hier im Labor, Straßenköter, die unsere Jugend mit revolutionären Gedanken aufzuhetzen versuchen. Natürlich schneiden wir den Hunden die Stimmbänder durch, sobald sie ins Labor kommen, aber das reicht nicht, denn wie Sie sicher wissen, haben wir Tiere wortlose Verständigungsmöglichkeiten, die auf Empfindungsreizen beruhen, die subtiler sind als die Sprache.
Ich habe dem Hochgelehrten Professor immer und immer wieder vorgeschlagen, uns Ratten eine eigene, selbständige Abteilung zu geben, aber nein. Alle Tiere befinden sich hier in einem einzigen riesigen Raum, und das kann uns noch teuer zu stehen kommen. Bei unserer gegenwärtigen Hitzschlag-Untersuchung wird ein besonders aufsässiger Köter ausgewertet, den man aus irgendeiner Gasse geholt hat, und der ist randvoll mit übler Propaganda. Man hat ihn an eine Tretmühle in einem geheizten Glaskäfig gekettet. Hier rennt er, tagein tagaus, seinem Tod entgegen, der, was mich angeht, gar nicht früh genug kommen kann. Ich wünschte, er fiele jetzt in diesem Moment, von einem Hitzschlag getroffen, tot um, dann müßte ich mir nicht mehr sein Geschwätz anhören.
Er macht Tag und Nacht weiter und schickt uns seine aufrührerischen Bilder zu. Er ist stumm, aber geschickt benutzt er die Intuitionsfrequenzen für seine heimtückischen Botschaften. Ich bin sicher, Sie spüren sie in der Luft. Seine Bildsprache ist äußerst subtil und suggestiv. Und so liegt hier etwa eine Ratte und leistet für die Wissenschaft einen echten Beitrag, indem sie sich die Luftröhre durchschneiden läßt, und plötzlich ist sie vollkommen in revolutionäre Vorstellungen eingesponnen. Ihr ganzer Körper wird vom Gefühl der Freiheit durchflutet. Und solche Gefühle sind nicht zu dulden, wie Sie wissen.
»Guten Abend, Hochgelehrter Herr Professor!« Hier kommt er wieder, der Hochgelehrte Professor, aber natürlich reagiert er nicht auf meinen Gruß, denn seine intuitive Empfänglichkeit ist verkrustet. Das ist sehr schade, denn irgendwie muß ich ihm die Tatsache klarmachen, daß er gefährliche Aufrührer in seinem Labor hat.
Oh Gott, hier kommt seine reizende wissenschaftliche Assistentin, deren langes blondes Haar sich sanft um ihre Schultern kräuselt. Gegen eine Kopulation mit ihr hätte ich weiß Gott nichts einzuwenden. Ihre Ohren würden zucken, wenn ich ihr den Nacken streichelte, und nach der manuellen Stimulierung ihres Beckens würden Sie an ihrem Rücken eine plötzliche Krümmung bemerken, wenn sie sich meinem erfahrenen Kopulations-Reaktionstest überließe. Ihre äußeren Geschlechtsteile würden ihre charakteristische blaue, zu ihren Augen passende Färbung annehmen, und sie würde mehrere Male erregt ums Laufrad herumrennen, dann mich besorgt ansehen, weil sie wüßte, daß ich, ein starkes weißes Männchen, in zwanzig Minuten siebzig Kopulationsversuche mit ein, zwei Ejakulationen unternehmen würde, haha!
Ich hoffe sehr, daß ich das richtig dargestellt habe. Da ich bei meiner Geburt kastriert wurde, besitze ich über diese Dinge keine wirklichen Kenntnisse aus erster Hand. Natürlich halte ich hier im Labor Augen und Ohren offen und mache stets gründliche Feldbeobachtungen, sobald sich ein Weibchen nervös zu strecken und zu spreizen beginnt. Bei dieser Blondine neben dem Hochgelehrten Professor deuten alle Anzeichen darauf hin, daß sie eben in die Phase der höchsten sexuellen Empfänglichkeit eintritt. Sie macht mich ganz schwindlig, sie bringt mich dazu, daß ich beginne, um meine Drehscheibe herumzulaufen, immer im Kreise herum. Es ist eine Metallscheibe von 12 Zoll Durchmesser (weiteres entnehmen Sie meinem wissenschaftlichen Aufsatz »Ratten auf dem Rad«, Psych.Zschr., 1963). Im Moment klappt’s wirklich prima. Dem Zyklometer entnehme ich, daß ich bereits fünfzehn Umdrehungen hinter mir habe!
Das genügt, um mich eine Zeitlang in Form zu halten. Nun muß ich weiter meine Runden drehen. Da ich ein Hochgelehrter Irrer Doktor bin, habe ich vollkommen freien Zugang zum Labyrinthtisch, was mir Kontaktmöglichkeiten mit nahezu allen anderen Abteilungen des Labors verschafft.
»Dr. Ratte, mir ist so merkwürdig.«
»Aber natürlich. Bist du nicht die Ratte, die fortwährend mit völlig ungeeigneter Nahrung vollgestopft wird?«
»Ja, Dr. Ratte, aber das hat damit nichts zu tun.«
»Seit wieviel Wochen bist du schon auf diese Kost gesetzt?«
»Seit vier.«
Sie hat noch zwei Wochen vor sich, und dann wird der Tod eintreten, völlig nach Plan. »Ich würde mir keine Gedanken darüber machen, wie du dich fühlst, mein Sohn. Es ist wahrscheinlich nur die beginnende Verhornung des Cornea-Epithels. Du kannst nicht richtig sehen, das ist alles.«
»Dr. Ratte, es ist kein physisches Problem.«
»Sie hatten dich doch im Labyrinth, stimmt’s? Leicht meschugge geworden, könnte ich mir denken. Mach dir nichts draus. Bist du erstmal total plemplem, besitzt du die Qualifikation für einen akademischen Titel in Psychologie.«
»Doktor, es ist auch kein psychisches Problem.«
»Kein physisches und kein psychisches? Mein Junge, was denn sonst noch?«
»Mein Geist.«
»Verkalkte Nieren und brüchige Knochen, das ist alles, was dir zu schaffen macht, vielleicht noch eine kleine Überreiztheit.«
»Nein, Doktor, ich spreche vom Allertiefsten in mir.«
»Du meinst, tiefer als ein Gummikatheter Nummer acht mit flacher Öffnung dringen kann?«
»Tiefer, viel tiefer.«
»Willst du etwa mir, einem Hochgelehrten Irren Doktor, erzählen, daß es etwas in der Ratte gibt, das der Mensch noch nicht kennt?«
»Mein Licht, Doktor, das Licht in mir …«
»… durch das Rectum eingeführt …«
»Ich habe eine Lichtquelle in mir gesehen. Doktor, wir entstammen dieser Quelle.«
»Wir entstammen dem Kopulationsakt, mein Lieber. Wie alt bist du denn?« Es ist bedauerlich, daß wir hier im Labor keine bessere Sexualaufklärung haben. Das kommt davon, wenn man Jungfrauen Glasstäbe in die Vagina einführt.
»Ich bin alterslos, Doktor, und zeitlos.«
Die arme überfütterte Ratte sieht mich mit einem solchen Leuchten in den Augen an, daß ich sicher bin, ihr sind kleine Mengen Natriumamytal injiziert worden. Da humpelt sie davon, um mit den anderen Ratten zu reden und ihre Lehre zu verbreiten. Ich habe keine Zeit für sowas. Tod heißt Freiheit, das ist die alles umfassende Lehre.
Die Wildhunde sind also unsere Anführer. Sie sagen, sie seien schon seit Jahren hinter dem Geruch her, und er hat sie hierher geführt, zu dieser großen Hundeversammlung. Nun ziehen wir gemeinsam los, und wir ziehen wirklich los, weg von dem leeren Grundstück am Rande der Stadt und hinein in den Wald, die Wildhunde vorneweg. Hier zeigen sie ihre klare Überlegenheit, wenn sie mit Pfoten, die rasch und sicher sind, durchs Gestrüpp gehen. Sie haben den Duft in der Nase, und wir auch. Überall sind Hunde, die durch Wald und Sträucher jappen.
Mehrere alte Hunde sind unter uns, mit dicken Bäuchen und schwachen Augen. Dennoch halten sie im allgemeinen Gerenne mit. Jene, die den Zug verlassen, tun das, weil der andere Duft – der Duft von zu Hause – sich als zu stark für sie erweist.
Ich rieche sie, diese alte Versuchung. Alle von uns, außer den Wildhunden, müssen sie riechen, denn sie ist sehr stark, eine Mischung aus Liebe, Sehnsucht und bequemen Mahlzeiten. Wir können sie im Wind riechen, wir können sie am Boden riechen, wir können sie überall um uns her riechen, und wir laufen davor weg, weil wir ihre Gefahr kennen. Trotzdem ist vielen das Herz schwer, und ich bin einer davon, denn Herrchen und Frauchen sind gut und freundlich, aufmerksam und lieb …
Aber wir stürzen durch den Wald und schleudern die Vergangenheit hinter uns. Wir trinken aus kleinen Waldbächen, wir befreien uns von unseren Fesseln. Und die streunenden Hunde, die den Wald so gut kennen, rennen um uns herum und feuern uns mit ihren Rufen an.
»Kommt, ihr Hunde, weiter!« schreien sie, und es ist ein herrlicher, erregender Schrei. Die Wildhunde sind durchtränkt von dem geheimnisvollen Duft und von ihm gepackt – nicht wahnsinnig, aber verzückt, und ihre Verzückung ist anstekkend. Wir laufen weiter und lassen die Liebe hinter uns.
An ihre Stelle ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl getreten, das ich ganz vergessen hatte: bei seinesgleichen zu sein, seinen eigenen Gesetzen zu folgen, den Laut einer einzigen Zunge zu hören, die im Winde spricht, während das Sonnenlicht durch die Blätter scheint und den Waldboden beleuchtet. Ich sehe eine lichte Halle aus Bäumen vor mir, endlos und schön. Hier draußen renne ich auf den Sonnenuntergang zu, und mein Herz gehört mir, und ich bin frei!
»Wohin rennen wir?« rufen einige von den unsicheren Hunden, deren altes Zuhause sie noch immer an langer Leine hält.
»Nur immer der Nase nach, Bruder!« schreit lachend ein Wildhund, und fort springt er mit einer phantastischen Schnellkraft in den Beinen. Er ist einer von den Berauschten, so inbrünstig in den Duft vertieft fliegt er dahin. Der Anblick seiner Rute, die am Ende der goldenen Halle verschwindet, läßt mich noch schneller rennen, um ihn einzuholen, um mit ihm zusammen ganz an der Spitze der Meute zu laufen. Ich strenge mich aufs äußerste an und genieße meinen Lauf. Wenn keine menschlichen Augen auf mich gerichtet sind, bin ich ungehemmt. Ich bin ich selbst, ein Hund, der rennt, kläffend und glücklich.
Wir laufen durch diese Halle aus Gold, bis sie rot wird, und noch immer laufen wir weiter auf die untergehende Sonne zu. Nun ist das Laufen am schönsten, alle Gestalten verschmelzen zu einer, alle Hunde sehen gleich aus, wir alle sind einer einzigen Stimmung. Wo habe ich das schon mal erlebt? Es scheint mir so vertraut – und doch ist es anders als alles, woran ich mich seit meinen Hündchenjahren erinnern kann. Aber irgendwo, irgendwann – in Träumen vielleicht – bin ich so mit meinen Brüdern in der Abenddämmerung gerannt.
So reine und zarte Gefühle bestürmen mich, daß ich mein Bellen nicht zurückhalten kann. Ich kläffe, ich jaule, rufe sie alle und sage: »Erinnert ihr euch, erinnert ihr euch?«
Und »Ja!« antworten sie. »Ja, wir erinnern uns!«
»Woran erinnert ihr euch?«
»An das hier, an das!« schreien sie, während wir rennen, den bewaldeten Hügel hinunter, in das rote Tal hinein, ein offener Himmel über unseren Köpfen.
Wir entscheiden uns für das Tal als unser Lager für die Nacht. Wasser ist in der Nähe, und die Sonne ist weg. Wir legen uns hin, und einer nach dem anderen kommen die Hunde vom Ende unseres Zuges in das Tal und legen sich zu uns.
Erschöpft, sprechen wir wenig, wollen nur eine Weile ruhig daliegen, während langsam die Sterne hervorkommen. Einige von uns baden in dem Wasser und einige jagen noch immer ausgelassen um die Meute herum, aber die meisten von uns liegen still, mit heraushängenden Zungen da. Die Anführer nehmen die Mitte ein und bilden eine abgehobene, machtvolle Einheit, die – das wissen wir – unseren Willen verkörpert. Und auch an den Rändern sitzen wachsam starke Wächter.
Während ich in der Stille daliege und dem kleinen Bach neben mir lausche, scheint der Geruch ein Teil von mir zu sein. Gleichzeitig weiß ich, daß er sich wie Nebel um uns alle ausbreitet. Aber daß mein Körper Teil seines Wesens ist, kann ich nicht leugnen.
»Wohin laufen wir?« fragen wieder einige der Hunde.
»Liegt doch still, Brüder«, sagen die Hunde in der Mitte.
»Was für ein Duft, was für ein Duft«, sagt ein alter Hund, der aus dem Dunkel gehumpelt kommt. Sein Haar ist lang und voller Kletten, und seine Augen triefen. Aber er scheint seinen schlechten Zustand nicht zu bemerken, so hingerissen ist er vom Wunder dieses Duftes. »Immer dieser Duft«, sagt er und legt sich zu den Wildhunden. Wir sehen, daß er seinen Körper mit allen seinen Alte-Hunde-Leiden vergessen hat. Er schläft als erster ein, und wir sehen, wie er in seinen Träumen zuckt und rennt, als wäre er wieder jung. Er winselt in der Nacht und knurrt, und als wir am Morgen aufwachen, ist er tot, und wir essen ihn.
Dr. Ratte, Dr. Ratte …«
Ein junges Weibchen ruft nach mir aus seinem Käfig. Sie braucht meinen besonderen Rat, denn sie ist furchtbar aufgeregt wegen des Verbands auf ihrem Bauch. »Ja, mein Schätzchen, ist dir der Verband zu stramm?«
»Sie haben mir den Bauch aufgeschnitten!«
»Ja, natürlich. Das haben sie getan, damit sie ein Plastikfenster einsetzen und beobachten können, wie sich deine kleinen Rattenembryos entwickeln.«
»Ich will das nicht! Ich nage ihn weg! Ich beiße den Verband durch!«
»Bitte, mein Schätzchen, sei nicht hysterisch.« Ich muß sagen, sie legt absolut kein wissenschaftliches Gebaren an den Tag. Wir brauchen dieses Fenster, damit wir durch es hindurch ein dünnes Haar einführen und die kleinen ungeborenen Ratten kitzeln können, die in ihrem Bauch wachsen. Das gehört zu dem neuen Programm, für das ich gerade ausführliche Aufzeichnungen mache. Man kann eine Menge davon lernen, wenn man einen Embryo mit einem Haar kitzelt, aber selbstverständlich sind nur die höheren Semester zu einem solchen Kitzeln qualifiziert. Wie können wir dann von diesem Rattenweibchen erwarten, daß es irgendwelches Verständnis für die Feinheiten des Bauchfenster-Programms hat? Trotzdem ist es meine Pflicht, sie aufgeschlossener für dieses wissenschaftliche Haar zu machen.
»Lassen Sie bitte nicht zu, daß sie mir wehtun, bitte …«
Ich denke, ein Liedchen könnte sie vielleicht aufheitern:
»Oh schuppige Haut und Kopfschorf
und hämorrhagische Leiden,
schaut doch in unser Inneres
durch die Tür zu den Eingeweiden!«
Ich muß jetzt weiter zum nächsten Käfig, wo eine spezielle Magnesiumdiät zu fatalen Schüttelkrämpfen geführt hat:
»Oh Haarausfall und Nervenschock,
Diarrhö bis auf das Gerippe,
ein Kropf und Krämpfe und obendrein
die asiatische Grippe!«
»Dr. Ratte, ich kann nicht mehr essen!«
»Bist du nicht der Bursche, dessen Zähne man dazu abgerichtet hat, vollkommen kreisförmig zu wachsen und dabei den Gaumen zu durchbohren?«
»Ein Alptraum, Dr. Ratte. Mein Mund ist ein einziger Alptraum.«
»Wir sehen dir mit lebhaftem Interesse zu, mein Junge. Es besteht die Aussicht, daß deine Zähne wirklich genau nach oben wachsen und dein Gehirn durchstoßen. Komm, sing mit mir! Singe:
Oh unregelmäßiger Eisprung,
den Thymus zerstöre’n – wir verstehn es,
und chronische Lymphödeme
und die Amputation deines Penis!«
Entschuldigen Sie, der Hochgelehrte Professor hat mich eben gepackt und bindet mir einen Faden um die oberen Schneidezähne. Ich darf nun an meinen Zähnen in der Luft hängen als Teil eines neuen Selbsterkenntnis-Therapieprogramms – was für einen Spaß das macht, hier hin und her zu baumeln.
»Bekämpfen Sie sie, Dr. Ratte! Beißen Sie sie!«
Eine radikale junge Ratte schreit das aus ihrem Käfig. So ist unsere Jugend von diesem gottverfluchten schwatzhaften Hund mit seinen Intuitionsbildern bereits verdorben worden. Da wartet eventuell eine Ratte auf ihre Enthauptung, und plötzlich erblickt sie ein intuitives Bilderspiel in ihrem Gehirn, das ihr dieser Höllenhund in der Tretmühle übermittelt hat. Der Ratte kommt es so vor, als nehme sie an dem Geschehen teil, als laufe sie mit den Wildhunden. Die hohe Intelligenz der Hunde macht sie zu sehr starken Sendern, und daß sie hier unter Streßbedingungen leben, erhöht die Kraft ihrer Ausstrahlung. Unser Labor summt von revolutionären Gefühlen. »Du verdammter Köter, wie kannst du es wagen, den Geist der Abweichung unter diese glücklichen Ratten zu säen!«
Der revolutionäre Dummkopf sieht mich mit roten, scheelen Augen an. Auch Sie haben seine raffinierte Sendung empfangen, nicht wahr, mit seinen schlauen Einflüsterungen, daß man sowas wie die Freiheit gewinnen könne, wenn man einem bestimmten Geruch folgt? Aber ich kenne die Wahrheit und rufe sie nun allen zu: »Der Geruch besteht aus 5 % Formalin, Rattenbrüder, und die einzige Freiheit, die ihr jemals haben werdet, ist der Tod! Tod heißt Freiheit, das ist die Devise!«
»Ein Hurrah für Dr. Ratte!«
»Erzählen Sie’s ihnen, Doc.«
»Vielen Dank, Freunde und Gleichgesinnte, ich danke euch für euer Vertrauen. Wie ihr wißt, ist die Ratte des Menschen bester Freund. Ihr habt die Anzeige in der Zeitschrift Moderne Psychologie gesehen: ›Die Ratte Ist Unser Freund.‹ Sollen wir zulassen, daß diese wunderbare Freundschaft zusammen mit der zerebrospinalen Flüssigkeit den Bach runtergeht? Eine Ratte muß ihr Letztes geben! Das ist der Zweck unseres Daseins, deshalb sind wir hier auf Erden!«
Ich bekomme bestimmt noch eine Halsentzündung von all dem. Aber ich kann nicht zulassen, daß fünfundsiebzig Jahre Laborversuche von ein paar revolutionären Stimmen zunichte gemacht werden. Doch dieser Hund hat eine starke Position, wie er hier in unserer Mitte rennt, mit heraushängender Zunge und schlackernden Beinen, während die Tretmühle ihn herumdreht, immer im Kreise. Ich habe dem Hochgelehrten Professor gesagt, er solle doch die Hitze im Hundekäfig erhöhen, dann wären wir bald mit ihm fertig. Aber der Hochgelehrte Prof hat taube Ohren für alles, was ich sage.
Inzwischen hat der Hund für seine revolutionäre Sache viele Anhänger gewonnen. Der ganze Hämorrhagie-Käfig ist zu ihm übergelaufen. Und ich habe diesen undankbaren Ratten das Singen beigebracht! Was für ein Verrat!
»Rattenbrüder, wie könnt ihr euch von diesem Dreckshund nur so leicht umstimmen lassen? Seht mal hier, zu eurer Linken. Seht euch diese geduldige Ratte auf dem Operationstisch an. Ihr wird gerade ein Loch in den Kopf gebohrt. Hört nur, wie sie schreit. Ein frischer Tumor wird ihr ins Hirngewebe eingepflanzt. In zwei, drei Wochen wird sie auf dem Bauch herumrutschen, weil der Tumor wächst und alle ihre Bewegungen blockiert. Das ist die Wirklichkeit, ihr dämlichen Ratten. Das ist die wissenschaftliche Realität, nicht dieses dumme Hundegefasel.«
»Ach, ziehen Sie doch Leine, Doc. Hier bei uns sind Sie doch passé!«
Diese Ratten müßte man ein paarmal durch die Labyrinthgänge A und D hetzen. Sie haben jeden Respekt vor meinem Amt verloren. Aber zu meiner Freude sehe ich, daß einer dieser rüpelhaften Rebellenanführer zum Herzpunktationstisch gebracht wird. Er wehrt sich, man sieht seine weißen, bösartigen Zähne.
»Mitratte, nun, da für dich der entscheidende wissenschaftliche Moment gekommen ist, möchtest du dich da nicht eines Besseren besinnen? Gib dein Letztes mit Freuden für die Wissenschaft hin. Geh den anderen jungen Ratten mit gutem Beispiel voran.«
Mehr Revolutionäre bauen sich schnell vor mir auf. »Kein Wort mehr, Ratte. Verhöhne ihn nicht in seiner Todesangst.«
»Verhöhnen? Wer verhöhnt denn? Ich bin hier, um auf den Jungen ein Loblied zu singen, um ihn mit glühenden Worten im Mitteilungsblatt zu feiern. Wenn ihr mich gefälligst durchlassen würdet …«
Die Rebellen versperren mir den Weg. Der Hochgelehrte Professor sucht den Brustkorb der Ratte nach dem Punkt des stärksten Herzklopfens ab. Da, jetzt hat er ihn, Daumen und Zeigefinger liegen auf der vierten, fünften und sechsten Rippe.