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Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg

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Umschlaggestaltung Anzinger | Wüschner | Rasp, München

 

 

Impressum der zugrundeliegenden gedruckten Ausgabe:

 

 

ISBN Printausgabe 978-3-499-17375-2

ISBN E-Book 978-3-688-11425-2

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-688-11425-2

Herbert Haag
dem liebenswürdigen Kollegen
und tapferen Mitkämpfer
in gemeinsamer Sache
zum 65. Geburtstag
als Zeichen des Dankes
für zwanzig Jahre Zusammenarbeit
in der Katholisch-Theologischen
Fakultät Tübingen

Vorwort

Der Wind hat sich gedreht: wieder einmal! Nachdem durch den Pontifikat Johannes’ XXIII. und das Zweite Vatikanische Konzil die «Reform an Haupt und Gliedern» in der katholischen Kirche starken Auftrieb bekommen hatte, bläst ihr jetzt der Wind der Restauration immer heftiger ins Gesicht. Die neuesten Lehräußerungen, die Disziplinierungsfälle von Theologen, die an ihrer kirchlichen Loyalität keinen Zweifel gelassen haben in Frankreich, Holland, Deutschland, Nord- und Südamerika, der deprimierende Ausgang der Holländischen Sondersynode in Rom beweisen: Wir stehen wieder einmal an einer Wendemarke der neueren Kirchengeschichte. Vieles, was in den vergangenen zwei Jahrzehnten aufgebrochen war an hoffnungsvoller Erneuerung, an theologischer Kreativität, an reformerischer Praxis, an neuer Weltoffenheit droht wieder zugeschüttet zu werden: ein neues Amts- und Priesterverständnis, eine neue Mitgestaltung der Laien in der Kirche, neue Antworten auf Fragen der Ehe- und Familienmoral, ein neues dialogisch-kollegiales Miteinander von Papst und Bischöfen, Bischöfen und Theologen, Priester und Laien, neue ökumenische Ansätze im Gespräch mit Nichtkatholiken und Nichtchristen. Keine Frage: die katholische Kirche begann offener, gastfreundlicher, dialogbereiter, menschlicher, ja christlicher zu werden. Und dies alles nicht aus falsch verstandener Anpassung an die herrschenden Trends einer permissiven westlichen Konsumgesellschaft. Nein, aus genuin christlichen Motiven: aus dem Bemühen heraus, die frohe Botschaft Jesu Christi den Menschen von heute glaubwürdig zu verkünden, ihnen Mut zum Glauben, Mut auch zum Einsatz für die Mitmenschen zu machen. «Kollegialität» und «Dialog» waren Schlüsselbegriffe einer so erneuerten Kirche und nicht das Suchen nach Irrtümern, Irrlehren, Irrlehrern.

Soll dies alles nicht mehr gelten? Soll die Kirche wieder wie in vorkonziliarer Zeit zu einer «Festung» (Kardinal Ottaviani) werden, abgeschlossen und abgekapselt, auf die Herausforderung der Welt mit ängstlichem Festhalten an Überkommenem reagierend? Gibt es angesicht der neuesten Entwicklungen noch Hoffnung auf Erneuerung? Hat die Kirche eine Zukunft?

Die drohende Restaurationsphase vor Augen, tut es gut, sich noch einmal auf die theologischen Grundlagen und programmatischen Forderungen zu besinnen, von denen die Erneuerung der Kirche in den letzten Jahren seit dem Konzil weitgehend getragen wurde. Das vorliegende Buch will dazu einen Beitrag leisten. Es enthält kleinere theologische Schriften aus den letzten zehn Jahren, die heute so aktuell wie damals sind, weniger überholt denn je – leider, wird man hinzufügen dürfen! Im Gegenteil: Sie sprechen immer noch in eine Zukunft hinein, die uns nach allen bisherigen Erfahrungen, so hoffe ich, doch immer noch bevorsteht.

Worum es mir in den ganzen, seit Jahren nun schon andauernden theologischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzungen immer positiv gegangen ist, zeigen in Teil A der Vortrag «Was in der Kirche bleiben muß», und das Gespräch «Die Bergpredigt und die Gesellschaft». Hier sind von Person und Botschaft Jesu Christi her Kriterien entwickelt, nach denen sich Denken und Handeln in der Kirche zu orientieren haben. Die ökumenischen Implikationen der gegenwärtigen Krise werden deutlich in dem bilanzierenden Beitrag: «Katholisch – evangelisch. Eine ökumenische Bestandsaufnahme».

Die durch die römische Maßnahme gegen mich nun vielbeachtete, in der Bischofsdokumentation jedoch unterschlagene Schrift «Kirche – gehalten in der Wahrheit», eröffnet Teil B. Allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz hat sie keine verschärfende, negative Funktion. Sie wollte und will – wie ausdrücklich vermerkt – keinen neuen Unfehlbarkeitsstreit provozieren. Im Gegenteil: Als konstruktive Begleitschrift zu meinem Vorwort zum Buch von A.B. Hasler «Wie der Papst unfehlbar wurde». (München 1978) gedacht, hat sie – wie auch die «Kleine Bilanz zur Unfehlbarkeitsdebatte», von 1973 – eine eminent positive, vor allem ökumenische Intention. Denn dies eine ist unbestritten: Wir kommen gerade im Dialog mit den Ostkirchen, der von Papst Johannes Paul II. wieder neu angestoßen wurde, keinen Schritt weiter, wenn diese Frage von Primat und Unfehlbarkeit des Papstes nicht einer konstruktiven Lösung zugeführt wird. Über Art und Weise der Lösung freilich ist theologisch in aller Fairness und Freiheit zu streiten. Meine eigene theologische Kompromißbereitschaft in dieser Frage – gültig bis heute – ist dokumentiert im «Versöhnlichen Schlußwort unter die Debatte mit Karl Rahner». Hier ist ein Modell innertheologischer Wahrheitsfindung und innerkirchlichen Konfliktaustrags angeboten, das auch für die neueste Auseinandersetzung vorbildhaft hätte sein können. Auf die im gegenwärtigen Konflikt von verschiedenen Seiten erneut an mich herangetragene Aufforderung, doch endlich diese «unverbesserliche» Kirche zu verlassen, habe ich schon vor sieben Jahren meine definitive Antwort gegeben, an der ich auch heute nichts abzustreichen brauche. Nachzulesen in: «Warum ich in der Kirche bleibe».

Die in Teil C angesprochenen praktischen Fragen betreffen drei neuralgische Punkte, in der katholische Weite und römische Verengung hart aufeinanderstoßen. Es ist keine Frage, daß die katholische Kirche eine andere wäre, wenn Laien auf allen Entscheidungsebenen der Kirche repräsentiert wären und Mitbestimmung und Wahlkompetenz erhielten. Die echte wirksame «Mitentscheidung der Laien», ist nach wie vor ein seit dem Konzil unerfülltes Desiderat, wie auch die neuesten Konflikte um das «Amt» des Pastoralassistenten oder Pastoralreferenten in den Gemeinden zeigen. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Thema «Frau in der Kirche» zu. Für Erneuerung und Wandel des Priesterbildes (Zölibat!) wäre es entscheidend, wenn eine durchgehende, gleichberechtigte Repräsentanz der Frau auf allen Ebenen der Kirche gewährleistet wäre – einschließlich der vom Evangelium nicht ausgeschlossenen Ordination der Frau. Auch das Amt der «Bischöfe als der Nachfolger der Apostel» würde – wie vom Zweiten Vatikanischen Konzil intendiert – gegenüber dem römischen Zentralismus aufgewertet und gestärkt, wenn es sich auf seine eigenen legitimen Ursprünge besinnen würde. Gleichzeitig sind in der Sukzessionsfrage die ökumenischen Implikationen von entscheidender Bedeutung für eine theologisch verantwortbare Anerkennung der protestantischen Ämter. Pastorale Ausrichtung hat die Schrift über den Sonntagsgottesdienst «Gottesdienst – warum?», die gerade heute, angesichts des durch die neuesten Maßnahmen verstärkt weitergehenden, resignativen Massenauszugs aus der Kirche aktueller denn je ist. Wo eine Kirche so mit Menschen umgeht, wird die personelle Auszehrung von Klerus und Laienschaft weitergehen mit den bekannten verheerenden Konsequenzen für Gottesdienstbesuch, Sakramentenempfang, Glaubensbereitschaft und praktisches Engagement.

Den Schluß bildet ein Aufruf «Wider die Resignation in der Kirche». Dieser Aufruf ist gleichzeitig auch so etwas wie die geheime Intention dieses Buches. Denn dieses Buch will Hoffnung machen – trotz allem. Es will zeigen, daß Resignation in der Kirche zur Stunde das Allerfalscheste wäre. Diese Freude sollte man den Gegnern der Erneuerung nicht machen, diesen Kummer den Freunden nicht bereiten. Nein, es gilt – wieder einmal – in aller Nüchternheit und aufgeklärter Hoffnung seinen Stand zu behaupten in dieser Kirche Jesu Christi, die mit dem kirchlichen Apparat zu verwechseln ich nach wie vor nicht bereit bin. Das Gebot der Stunde bleibt: Das Ziel nicht aus den Augen verlieren, ruhig und entschlossen handeln und die Hoffnung bewahren auf eine wahrhaft christliche Kirche.

 

Tübingen, Februar 1980

Hans Küng

Teil A Zum Christsein