Arthur Schopenhauer
Das große Lesebuch
Herausgegeben von Rüdiger Safranski
Fischer e-books
Originalausgabe
Coverestaltung: bilekjaeger, Stuttgart
Abbildung: Jules Lunteschütz, ›Bildnis des Philosophen Arthur Schopenhauer‹, © Städel Museum/Artotek
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2011
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ISBN 978-3-10-402023-5
conf: Kritik d. R. V. [2. Aufl.] p 550.
Ich werde ein Glied, ein Gefäß, einen Theil nach dem andern gewahr d.h. ich schreibe auf, unbekümmert wie es zum Ganzen passen wird: denn ich weiß es ist alles aus einem Grund entsprungen. So entsteht ein organisches Ganzes und nur ein solches kann leben. Die da meinen man dürfe nur irgendwo einen Faden anzetteln und dann weiter dran knüpfen, eins nach dem andern, in hübsch ordentlicher Reihe, und als höchste Vollendung aus einem magern Faden durch Winden und Weben ein[en] Strumpf wirken – wie Fichte, (das Gleichniß gehört Jakobi), – die irren.
mein Geist nimmt Nahrung aus der Welt durch Verstand und Sinne, diese Nahrung giebt dem Werk einen Leib, doch weiß ich nicht wie, noch warum bei mir und nicht bei andern die dieselbe Nahrung haben.
Dies Alles findet sich mit großer Euphemie ausgedrückt in dem Verse des Sophokles: xari« xarin gar esti Ł tiktoys# aei. Ajax, 517.
Es ist klüger auf Reichthum, Macht, Ansehn, Stärke, und auf alles trotzen, als auf innern wahren Werth. – Was besser zu haben sei ist aber eine andre Frage.
Die horizontale Linie ist der Weg der Wissenschaft und des Genusses: die senkrechte der Weg der Kunst und der Tugend.
Der Satz vom Grunde in seinen 4 Gestalten gleicht einem Sturm ohne Anfang und Ende, der Alles mit sich fortreißt; auch die Wissenschaft geht seinen Weg, stolzirend im Wahn eines Ziels: aber die Kunst gleicht dem ruhigen Sonnenlicht das kein Sturm erschüttert und das den Sturm durchschneidet. – Der Philosoph vergesse nie daß er eine Kunst treibt und keine Wissenschaft. Läßt er sich im mindesten von jenem Sturm von der Stelle rücken, läßt er sich auf Ursach und Wirkung, auf früher und später, oder gar auf Abspinnen aus Begriffen ein; so ist ihm die Philosophie verloren, und an ihrer Statt werden ihm Mährchen. Nicht dem Warum gehe er nach wie der Physiker, Historiker und Mathematiker; sondern er betrachte blos das Was, lege es in Begriffen nieder (die ihm sind was der Marmor dem Bildner) indem er es sondert und ordnet, jedes nach seiner Art, treu die Welt wiederholend, in Begriffen, wie der Mahler auf der Leinwand.
Die Scholastiker sagten daher recht gut: ›causa finalis movet non secundum suum esse reale, sed secundum esse cognitum‹ [die Endursache wirkt nicht nach ihrem wirklichen, sondern nach ihrem erkannten Wesen] (siehe Suarez: ›Disputationes metaphysicae‹ disputatio 23, sectiones 7 et 8).
Auch kann folgende Betrachtung dem, welchem sie nicht zu subtil ist, dienen, sich deutlich zu machen, daß das Individuum nur die Erscheinung, nicht das Ding an sich ist. Jedes Individuum ist einerseits das Subjekt des Erkennens, d.h. die ergänzende Bedingung der Möglichkeit der ganzen objektiven Welt, und andererseits einzelne Erscheinung des Willens, desselben, der sich in jedem Dinge objektiviert. Aber diese Duplizität unsers Wesens ruht nicht in einer für sich bestehenden Einheit: sonst würden wir uns unserer selbst an uns selbst und unabhängig von den Objekten des Erkennens und Wollens bewußt werden können: dies können wir aber schlechterdings nicht, sondern sobald wir, um es zu versuchen, in uns gehn und uns, indem wir das Erkennen nach innen richten, einmal völlig besinnen wollen; so verlieren wir uns in eine bodenlose Leere, finden uns gleich der gläsernen Hohlkugel, aus deren Leere eine Stimme spricht, deren Ursache aber nicht darin anzutreffen ist, und indem wir so uns selbst ergreifen wollen, erhaschen wir mit Schaudern nichts als ein bestandloses Gespenst.
Scholastici docuerunt, quod aeternitas non sit temporis sine fine aut principio successio, sed Nunc stans; i.e. idem nobis Nunc esse, quod erat Nunc Adamo: i.e. inter nunc et tunc nullam esse differentiam. [Die Scholastiker lehrten, die Ewigkeit sei nicht eine Aufeinanderfolge ohne Ende oder Anfang, sondern ein beharrendes Jetzt, d.h. daß wir dasselbe Jetzt besitzen, welches das Jetzt für Adam war; d.h. daß zwischen dem Jetzt und dem Damals kein Unterschied sei.] Hobbes: ›Leviathan‹ cap. 46.
In Eckermanns ›Gesprächen mit Goethe‹ (zweite Auflage Bd. 1, S. 154) sagt Goethe: ›Unser Geist ist ein Wesen ganz unzerstörbarer Natur: es ist ein Fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit. Es ist der Sonne ähnlich, die bloß unsern irdischen Augen unterzugehn scheint, die aber eigentlich nie untergeht, sondern unaufhörlich fortleuchtet.‹ – Goethe hat das Gleichnis von mir; nicht etwan ich von ihm. Ohne Zweifel gebraucht er es in diesem 1824 gehaltenen Gespräch infolge einer vielleicht unbewußten Reminiszenz obiger Stelle; da solche mit denselben Worten wie hier in der ersten Auflage S. 401 steht; auch ebendaselbst S. 528 wie hier am Schlusse des § 65 wiederkehrt. Jene erste Auflage war ihm im Dezember 1818 übersandt worden, und im März 1819 ließ er mir nach Neapel, wo ich mich damals befand, seinen Beifall durch meine Schwester brieflich berichten und hatte einen Zettel beigelegt, worauf er die Zahlen einiger Seiten, welche ihm besonders gefallen, angemerkt hatte: also hatte er mein Buch gelesen
Im Veda ist dies dadurch ausgedrückt, daß gesagt wird, indem ein Mensch sterbe, werde seine Sehkraft eins mit der Sonne, sein Geruch mit der Erde, sein Geschmack mit dem Wasser, sein Gehör mit der Luft, seine Rede mit dem Feuer usw. (›Oupnekhat‹ Bd. 1, S. 249ff. [erweitert aus ›Brihadazanyaka-Upanischad‹ 4,4,2]) – wie auch dadurch, daß in einer besonderen Förmlichkeit der Sterbende seine Sinne und gesamten Fähigkeiten einzeln seinem Sohne übergibt, als in welchem sie nun fortleben sollen (ebendaselbst Bd. 2, S. 82ff.).
›Oupnekhat‹ Bd. 1, S. 60ff.
Indem ich gedankenvoll wandele, befällt mich ein so starkes Mitleid mit mir selber, daß ich oft laut weinen muß; was ich doch sonst nicht pflegte.
Hiezu Kap. 47 des zweiten Bandes. Es ist wohl kaum nötig zu erinnern, daß die ganze §§ 61–67 im Umriß aufgestellte Ethik ihre ausführlichere und vollendetere Darstellung erhalten hat in meiner ›Preisschrift über die Grundlage der Moral‹.
Dieses ist eben auch das Pradschna-paramita der Buddhaisten, das ›Jenseit aller Erkenntnis‹, d.h. der Punkt, wo Subjekt und Objekt nicht mehr sind (siehe Isaak Jakob Schmidt, ›Über das Mahayana und Pradschna-paramita‹).
›Leibnitii epistulae‹ collectio Kortholti: epistula 154
›Es findet sich eine Beschreibung ihrer Unterredung, deren Gegenstand die Schöpfung ist – durch wen die Welt hervorgebracht sei? Buddha richtet mehrere Fragen an Brahma: ob er es gewesen, der dies oder jenes Ding gemacht oder hervorgebracht und es mit dieser oder jener Eigenschaft begabt habe? ob er es gewesen, der die verschiedenen Umwälzungen zur Zerstörung und Wiederherstellung der Welt verursacht habe? – Brahma leugnet, daß er jemals irgend etwas dergleichen getan habe. Endlich fragt er selbst den Buddha, wie die Welt hervorgebracht sei – durch wen? Nun werden alle Veränderungen der Welt den moralischen Werken animalischer Wesen zugeschrieben und wird gesagt, daß alles in der Welt bloße Illusion sei, keine Realität in den Dingen, alles leer. Der also in Buddhas Lehre unterrichtete Brahma wird sein Anhänger.‹
Ich habe mich hier nicht eigentlich ausdrücken dürfen: der geneigte Leser hat daher die Phrase in eine Aristophanische Sprache zu übersetzen.
Wer liebte je, der nicht beim ersten Anblick liebte?
Ich frag’ nicht, ich sorg’ nicht,
Ob Schuld in dir ist:
Ich lieb’ dich, das weiß ich,
Was immer du bist.
Noch mehr als andre scheint man die zu neiden,
Die, durch der eignen Flügel Kraft gehoben,
Aus dem gemeinen Käfig aller scheiden.
Das Nomadenleben, welches die unterste Stufe der Zivilisation bezeichnet, findet sich auf der höchsten im allgemein gewordenen Touristenleben wieder ein. Das erste ward von der Not, das zweite von der Langenweile herbeigeführt.
Was die Menschen gesellig macht, ist eben ihre Armut.
Rüdiger Safranski
Philosophie, hat Egon Friedell einmal sinngemäß gesagt, sei Reichtum an Problemen. Den aufgedeckten Problemen, nicht irgendwelchen Lösungen, verdanke sie ihr Fortleben. Mit der Philosophie Schopenhauers verhält es sich anders. Sie beansprucht kühn und geradezu grimmig, das Lösungswort auf die Frage aller Fragen gefunden zu haben: Was ist die Welt, was hat es mit dem Sein auf sich? Schopenhauers Antwort ist so kurz wie der Titel seines Hauptwerkes: Die Welt ist unsere »Vorstellung«, und darüber hinaus, ihrer eigentlichen Substanz nach, ist sie »Wille«.
»Vorstellung« ist sie im Medium unseres Bewußtseins. »Wille« ist sie als innere Erfahrung, als Realität, die wir am eigenen Leibe spüren und von der wir annehmen müssen, daß sie in der gesamten Natur wirkt, der belebten und unbelebten. Die Vorstellungen betreffen die Außenseite, der gespürte Wille die Innenseite der Welt. Dieser Wille aber ist auf kein Ziel gerichtet, er will nur sich selbst. Er ist blind und manifestiert sich in der Gestaltenreihe der Natur, nicht friedlich, sondern im Streit, im Fressen und Gefressenwerden, im Erwachen und Erlöschen. Im Menschen hat dieser Wille sich »ein Licht aufgesteckt«, um die Objekte seiner Begierde besser sehen zu können. Am dunklen Treiben der Welt hat sich dadurch im Prinzip nichts geändert.
Das ist der eine zentrale Gedanke, aus dem die ganze Schopenhauersche Philosophie sich entfaltet. Er verzweigt sich in die verschiedenen, üblicherweise getrennten Bereiche von Erkenntnistheorie, Ästhetik, Staatslehre, Moral. Diese Verwurzelung in dem einen Gedanken verleiht dieser Philosophie, die mit großer Sprachkunst vorgetragen wird, eine eigentümliche Abgeschlossenheit, so als hätte hier eine grundsätzliche Option des menschlichen Denkens – das Denken der Negativität – ihre klassische Vollendung gefunden. Die Schopenhauersche Philosophie liegt wie ein gewaltiger Findling in der geistigen Landschaft des 19. Jahrhunderts. Und immer noch geht ein dunkler Glanz davon aus.
Zunächst aber ignorierte man diese Philosophie. Kein Wunder, wenn man die Zeitumstände bedenkt: Schopenhauers erster Auftritt fällt in die große Zeit des Deutschen Idealismus. Als Fichte, Schelling und Hegel noch lehrten, mußte Schopenhauers Philosophie als ärgerliches Paradox wirken. Es war eine Zeit, da man noch glaubte, daß es der Geist sei, der die Welt zuinnerst zusammenhält. Bei Schopenhauer aber ist der Grund ein Abgrund, und der Logos ist zum Herz der Finsternis geworden. Eben darum bedeutet seine Philosophie einen wirklichen Einschnitt in der Geschichte des abendländischen Denkens. Denn bis dahin war man, wenn man sich zu den letzten Dingen durchfragte, an die guten Gründe geraten. In dieser Tradition war man eigentlich nie über Platon hinausgekommen. Der fragende Geist entdeckt draußen in der Wirklichkeit etwas, das ihm entspricht, eben den alles durchwaltenden Geist. Gleiches wird durch Gleiches erkannt, hieß es. In Schopenhauers Philosophie verdüstert sich die Metaphysik, aber sie bleibt Metaphysik, denn sie fragt auch weiterhin nach den letzten Gründen, entdeckt aber statt einer höheren Vernunft nur den dunklen Trieb.
Dieser schwarze Metaphysiker Arthur Schopenhauer, 1788 als Sohn eines reichen Danziger Kaufherrn geboren, hätte nach dem Wunsch des Vaters Kaufmann werden sollen. Der Vater mußte zuerst sterben (1805) und die Mutter ihn gewähren lassen, damit er das werden konnte, was er sich beizeiten in den Kopf gesetzt hatte: ein Philosoph. Er war wirklich einer. Philosophieprofessor wurde er nie. Auf ausgedehnten Reisen, noch mit den Eltern unternommen, lernte der junge Arthur die Welt kennen. Er habe, wird er später stolz erklären, nicht nur in Büchern, sondern im Buch der Welt gelesen. Seine Leidenschaft für die Philosophie kommt aus dem Staunen über die Welt. Bekanntlich ist das der älteste Antrieb zur Philosophie. Früh mischt sich bei ihm in dieses Staunen auch ein Entsetzen. Die Lebenslasten, das Leid, die allgegenwärtige Ungerechtigkeit, Erfahrungen mit der Bosheit der Menschen, ihren Dummheiten und Verlogenheiten. Das alles notiert er in seinem Reisetagebuch. Eine besonders grelle Szene wird dort verzeichnet: Er besucht das berüchtigte Arsenal von Toulon, wo die Galeerensklaven gefangen gehalten werden: »läßt sich eine schrecklichere Empfindung dencken, wie die eines solchen Unglücklichen, während er an die Bank in der finstern Galeere geschmiedet wird, von der ihn nichts wie der Tod mehr trennen kann! – Manchem wird sein Leiden wohl noch durch die unzertrennliche Gesellschaft dessen erschwert, der mit ihm an Eine Kette geschmiedet ist.«
Aber auch über die Augenblicke von Erhabenheit, über die Aufschwünge und Beseligungen wird pünktlich Buch geführt. Er protokolliert sein Erlebnis bei der Besteigung des Pilatus: »Mir schwindelte als ich den ersten Blick auf den gefüllten Raum warf […] Alle kleinen Gegenstände verschwinden, nur das große behält seine Gestalt bey. Alles verläuft in einander, man sieht nicht eine Menge kleiner abgesonderter Gegenstände, sondern ein großes, buntes, glänzendes Bild, auf dem das Auge mit Wohlgefallen weilt.« Das sind Augenblicke der Erhabenheit. Man gehört nicht mehr dazu, ist dem Gewühl und Getümmel entkommen. Auf der Bergeshöhe darf man nur noch sehen – man wird zum »Weltauge«, wie das Schopenhauer später nennen wird. Das Bergerlebnis der Jugend gibt ihm einen Vorgeschmack auf das Glück der Philosophie; wenn das Sein sich zum Sehen verwandelt. In einem Hüttenbuch hat sich die Eintragung des 16jährigen gefunden: »Wer kann steigen und schweigen. Arthur Schopenhauer aus Hamburg«.
Schopenhauer konnte, da er ererbtes Vermögen hatte, für die Philosophie leben. Er brauchte nicht von ihr zu leben. Im damaligen professionellen Philosophiebetrieb hatte er keine Chance. Nach der Veröffentlichung des Hauptwerkes 1818 bot er zwar Vorlesungen an. Aber die Vorlesungen fanden ausgerechnet in Berlin statt, wo Hegel, der König der Philosophie in Deutschland, residierte. Schopenhauer, selbstbewußt und streitlustig, las zur selben Zeit wie Hegel, mit der Folge, daß kaum jemand ihn hören wollte. Ohne einen richtigen Auftritt gehabt zu haben, tritt er ab, für annähernd dreißig Jahre, die er als Privatgelehrter von 1831 bis zu seinem Tode 1860 in Frankfurt am Main verbringt. Daß man nicht auf ihn hört und ihn nicht liest, hat ihn nicht an sich selbst zweifeln lassen. Die eigene Philosophie hat ihn enttäuschungsfest gemacht und ihm Kraft gegeben, das durchzustehen. Aber natürlich wartet auch er auf Antwort. Als dann, sehr spät, die ersten Klopfzeichen zu vernehmen sind, weiß er: Man ist endlich bei ihm angekommen. Dieser Kaspar Hauser der deutschen Philosophie wird am Ende sein langwährendes Inkognito als den langen Weg zur Wahrheit deuten.
In seinen letzten Jahren also beginnt, was er die »Komödie seines Ruhmes« nennt: ein behagliches Kokettieren mit der pessimistischen Weltsicht dieses in der verjährten Mode des späten 18. Jahrhunderts gekleideten Eremiten, den man alle Tage seinen Spaziergang hinüber nach Sachsenhausen machen sieht, begleitet vom unvermeidlichen Pudel. In Frankfurt schreitet man zur nachahmenden Anschaffung von Pudeln.
Es war nicht lange vor seinem Tod, als Schopenhauer sagte: »Die Menschheit hat Einiges von mir gelernt, was sie nie vergessen wird.« Man hat von ihm gelernt, hat aber oft vergessen, daß man von ihm gelernt hat. Vergessen hat man inzwischen, daß es bereits Schopenhauer war, der jene von Freud so genannten drei großen »Kränkungen« des menschlichen Größenwahns zu Ende gedacht hat, Kränkungen, die zur Signatur des modernen Welt- und Selbstbewußtseins gehören. Die kosmologische Kränkung: Unsere Welt ist eine der zahllosen Kugeln im unendlichen Raum, auf der ein »Schimmelüberzug lebender und erkennender Wesen« (Schopenhauer) existiert. Die biologische Kränkung: Der Mensch ist ein Tier, bei dem die Intelligenz den Mangel an Instinkten und die unzureichende organische Einpassung in die Lebenswelt kompensieren muß. Die psychologische Kränkung: Unser bewußtes Ich ist nicht Herr im eigenen Hause. Das Bewußtsein wird vom Unbewußten beherrscht. Das wollte man aber zunächst nicht hören in einer vernunftgläubigen Zeit, als die Geschichtsphilosophie zunächst bei Hegel dann bei Marx zur Heilsgeschichte wurde und bei den aufstrebenden Naturwissenschaften der Geist des Machens, der allseitigen Nützlichkeit und der Naturbeherrschung triumphierte.
Schopenhauer steht noch im Banne der geistigen Revolution um 1800. Er geht, wie auch Schelling, Fichte und Hegel, von Kant aus. Der hatte die Begrenztheit der Erkenntnis nachgewiesen und die Welt, wie sie »an sich« ist, als das schlechthin Unbegreifliche, als das »Ding an sich« bezeichnet. Kant hatte das »Ding an sich« fern gerückt, auf sich beruhen lassen. Seine idealistischen Nachfolger aber nahmen es als ein Inkognito des absoluten Geistes oder Gottes, dem sich eine menschliche Vernunft in Höchstform durchaus nähern könnte. Bei Schopenhauer hingegen führen alle Wege in die dichte, dunkle Immanenz des Willens. Dieser am eigenen Leibe gespürte und in der Natur insgesamt erahnte Wille ist für ihn das schlechthin Lebendige, Mächtige, aber eben darum auch das Sinnlose; seine Bedeutung besteht darin, daß er keine hat, sondern nur – ist. Er ist das »Ding an sich« ohne vielversprechende Transzendenz. Für die anderen war das »Ding an sich« etwas geheimnisvoll Entrücktes, Fernes, eine Art Jenseits. Für Schopenhauer war es etwas sehr Nahes, ein zwar unmittelbar gelebtes, aber noch nicht genügend bedachtes Diesseits.
So prägnant der Titel des Hauptwerkes – »Die Welt als Wille und Vorstellung« – die Philosophie Schopenhauers benennt, so mißverständlich ist er auch. Denn Schopenhauer verwendet die Begriffe »Wille« und »Vorstellung« durchaus abweichend vom üblichen Gebrauch.
Gewöhnlich besagt »Vorstellen«: sich einbilden, vors geistige Auge stellen. Wenn wir etwas mit unseren wirklichen Augen sehen, dann würden wir das nicht ›Vorstellen‹ nennen. Aber genau dieses: etwas mit Augen sehen, mit der Hand spüren, mit der Nase riechen – das sind für Schopenhauer bereits Akte des Vorstellens. Warum? Weil es bei jeder Sinneswahrnehmung nur Erregungsdaten am eigenen Leibe gibt, die das Gehirn dann als Wirkungen einer Ursache versteht, die in den Raum dort draußen projiziert wird. Mit den Erregungsdaten am eigenen Leibe fängt es an. Alles andere gehört dann schon zu der Tätigkeit des – Vorstellens. Eigenkörperliche Zustände müssen als Wirkung begriffen werden, damit es draußen eine Wirklichkeit gibt. Darum gehört diese ganze äußere Wirklichkeit zur Welt der Vorstellung.
Wenn alles Wahrnehmen und Erkennen in diesem Sinne ›Vorstellen‹ ist, bleibt man dann nicht rettungslos in einem Traum befangen? Ja und Nein.
Was das ›Nein‹ betrifft, so weist Schopenhauer, im Anschluß an Kant, darauf hin, daß wir unsere Vorstellungen ständig einer alltäglichen Erfolgskontrolle unterwerfen, wodurch sie an die Wirklichkeit angepaßt werden, ohne daß wir deswegen schon wissen können, was die Wirklichkeit eigentlich sei. Mit unseren Vorstellungen kommen wir praktisch ganz gut zurecht, weil wir eben vieles ausprobieren. Wenn man einen Hund versteht, kann man sich auch von einem Menschen einen ganz guten Begriff machen, hat Schopenhauer einmal grimmig konstatiert. Wenn der Hund mit einem langen Stock im Maul durch die Tür hindurchkommen will, wird er den Kopf so lange drehen und wenden, bis es klappt. Wie der Hund durch die Tür, so kommt der Mensch durch die Pforte der Wahrheit, die dann aber nicht mehr ist, was sie einmal war: Sie hat ihr ehrwürdiges Pathos verloren. Das Examen Rigorosum der Metaphysik wird durch ein Praktikum vor Ort ersetzt.
Eingesponnen in unsere Vorstellungen, bleiben wir also doch nicht versunken in einem Traum, einerseits. Andererseits, so Schopenhauer, bleiben wir doch Träumer. Wir bewegen uns zwar ganz gut in der Wirklichkeit der Vorstellungen, aber wir werden das Gefühl nicht los, daß wir von der wirklichen Wirklichkeit getrennt bleiben. Was ist die Welt, außer daß sie meine Vorstellung ist? Finden wir einen Weg dorthin? Hier setzt Schopenhauers geniale Wendung ein. »Man ging nach Außen in alle Richtungen, statt in sich zu gehen, wo jedes Rätsel zu lösen ist.« Wie durch Verrat, schreibt Schopenhauer weiter, werden wir unversehens ins Innere der Festung versetzt, die wir von außen, ausgehend von unseren Vorstellungen, nicht erstürmen können. Schopenhauer verwendet auch gerne das Bild der Kugel. Wir können ihre Oberfläche vermessen, können immer genauer, wie es die empirischen Wissenschaften tun, die Relationen, Verknüpfungen und Kausalitäten erfassen, bleiben aber doch an der Oberfläche. So kommen wir nicht in den Mittelpunkt der Kugel. Der ist dort, wo das Bewußtsein das Sein wirklich berührt, und das geschieht nur an jenem Punkt, wo, wie Schopenhauer sagt, das Subjekt des Erkennens und das Subjekt des Wollens zusammenfallen – im Individuum. Hier und nur hier sind wir zugleich das, wovon wir Erkenntnis haben. Hier liegt der Einheitspunkt von Wille und Vorstellung: ein Wille, der sich weiß, und ein Wissen, das will. Das ist eine starke Allianz, aber eine, bei welcher der Wille eindeutig die Vorherrschaft ausübt.
Der von innen erlebte Wille ist uns so nahe, daß er vielleicht gerade deshalb von der Philosophie bis dahin so wenig bedacht wurde. Die Denkwege der Philosophie, die in die Welt hinausführen, beginnen in der Regel beim Intelligiblen, bei Gott, bei den Zahlen oder beim denkenden Ich. Das Denken verbürgt das Sein: Ich denke, also bin ich, erklärte Descartes. Anders Schopenhauer. Nicht das denkende, sondern das leibende Ich besitzt bei ihm die Schlüsselgewalt für das innere Geheimnis der Welt. Die Seinsvergewisserung darf nicht beim Sekundären beginnen, beim Denken also, sondern muß seinen Anfang nehmen bei der Erfahrung des eigenen Leibes und dessen Regungen.
Der Mensch kann seinen eigenen Körper natürlich auch von außen wahrnehmen, als Vorstellung – aber da gibt es eben noch den anderen Zugang: »von Innen«. Er spürt dann den eigenen Körper als »jenes Jedem unmittelbar Bekannte, welches das Wort Wille bezeichnet«. Wille, das ist: Schmerz, Begehren, Lust, Antrieb – Modifikationen des Seins am eigenen Leibe. Und dann zieht Schopenhauer den außerordentlich kühnen Analogieschluß: Außer der Welt der Vorstellung und dem am eigenen Leibe erfahrenen Willen ist uns nichts bekannt. Soll also die übrige Körperwelt mehr sein als unsere Vorstellung – wovon wir selbstverständlich ausgehen müssen –, kommen wir nicht umhin, ihr »an sich und ihrem innersten Wesen nach« zuzusprechen, »was wir in uns selbst unmittelbar als Wille finden«. Auf die Frage, was die Welt sei, außer daß sie meine Vorstellung ist, gibt Schopenhauer also die Antwort: Sie ist Wille.
Man bemerkt: Schopenhauer gibt auch dem Begriff des Willens eine ungewöhnliche Bedeutung. Der Willens-Begriff der philosophischen Tradition und des alltäglichen Gebrauchs ist mit den Begriffen »Absicht«, »Zweck« und »Ziel« verbunden. Ich will etwas. Dieses »Etwas« habe ich mir vorgestellt, ausgedacht, gesehen. Auf jeden Fall ist das derart Gewollte, Bezweckte schon in meinem Geist, ehe ich zur Aktion des Wollens selbst komme. In solchem Verständnis ist der Wille bereits intellektualisiert. Er ist allenfalls der Treibsatz, den man zündet, nachdem der Verstand seine Pläne gemacht hat. So aber versteht Schopenhauer »Wille« gerade nicht. Wille ist ihm eine primäre, vitale Strebung und Bewegung, die sich im Grenzfall, im Menschen eben, auch noch ihrer selbst bewußt werden kann und dann erst das Bewußtsein eines Zieles, einer Absicht, eines Zweckes gewinnt. Schopenhauer weist darauf hin, daß wir häufig das bloße Wünschen mit dem Wollen verwechseln. Eine Regung des Willens setzt sich unmittelbar in Aktion um, so unmittelbar, daß wir erst an unseren Handlungen bemerken, was und daß wir gewollt haben. »Nur die Ausführung stempelt den Entschluß«, sagt Schopenhauer. Das Wünschen demgegenüber ist ein Vorklingen oder Nachklingen des Willens und liegt noch ganz im Bereich des Vorstellens. Gegenüber dem Willen ist das Bewußtsein immer zu spät oder zu früh. Die Willensaktion selbst ist der Ernstfall, alles andere sind Wünsche, Vorsätze, Pläne. Die Aktion allein ist das Phänomen, alles andere sind Epiphänomene. Mit anderen Worten: Wille ist der Kern des Lebendigen, die gleichsam heiße Sphäre des Seins. Wille ist primär kein Bewußtseinsphänomen. Er kommt uns aber zu Bewußtsein. Durch den Schmerz etwa merken wir, daß unser Wille verletzt, beeinträchtigt ist. Das Entsprechende gilt für die Lust. In ihr merken wir, daß dem Wille genüge getan ist.
Es ist ungemein wichtig, Schopenhauer an diesem Punkt richtig zu verstehen, weil man ihm andernfalls unterstellt, er würde im Stile der Bewußtseinsphilosophie den bewußtseinsgeleiteten Willen, also Geist, in die Natur projizieren. Es ist aber eher umgekehrt: Schopenhauer will nicht Natur vergeistigen, sondern den Geist naturalisieren. Doch hier gibt es schon wieder ein naheliegendes Mißverständnis. Denn diese »Natur«, die Schopenhauer im Willen entdeckt, ist nicht die »Natur« der modernen Naturwissenschaft, sondern ist das undurchdringliche dunkle X, der unauflösbare Rest, der übrig bleibt bei aller analytischen Zerlegung der Natursubstanz: Es ist der treibende Seinsgrund, den wir in uns spüren und von dem wir annehmen müssen, daß er überall wirkt, wo uns Wirklichkeit begegnet.
Indem sich Schopenhauer nicht zufrieden gibt mit der Erkundung der Relationen und Kausalitäten, die sich der Vorstellung darbieten, erweist er sich als ein Philosoph, der an der alten, zuerst von Platon glanzvoll begründeten metaphysischen Unterscheidung zwischen Erscheinung und Wesen festhält. In gut metaphysischer Manier fragt er nach dem »Wesen« der Welt. Schopenhauers Denken führt bis zu jenem Punkt, wo traditionellerweise mit der Frage: Was verbirgt sich hinter der erscheinenden Welt?, der Übergang zu irgendeiner Art von Transzendenz erfolgt. Auch Schopenhauer stellt diese Frage. Er schlägt dieselbe Bühne auf, wo sonst nur Gott, das Absolute, der Geist ihren Auftritt haben. Doch statt dieser erlauchten Gestalten der Sinngebung tritt der Wille auf die Bühne, wie die Erscheinung eines schwarzen Lochs, wo sich alle Energie konzentriert, wo aber auch alles Licht verschluckt wird. Eine eindrucksvolle Passage im Werk Schopenhauers, worin die Dunkelheit des Grundes oder des ›Wesens‹ der Natur ins helle Licht gesetzt wird, lautet: »Die Dunkelheit, welche über unser Dasein verbreitet ist, […] muß man sich nicht daraus zu erklären suchen, daß wir von irgendeinem ursprünglichen Licht abgeschnitten wären, oder unser Gesichtskreis durch irgendein äußeres Hindernis beschränkt wäre, oder die Kraft unseres Geistes der Größe des Objekts nicht angemessen wäre; durch welche Erklärung alle jene Dunkelheit nur relativ wäre, nur in Beziehung auf uns und unsere Erkenntnisweise vorhanden. Nein, sie ist absolut und ursprünglich: sie ist daraus erklärlich daß das innre und ursprüngliche Wesen der Welt nicht Erkenntnis ist, sondern allein Wille, ein Erkenntnisloses. Die Erkenntnis überhaupt ist sekundären Ursprungs, ist ein Accidentelles und Äußeres: darum ist nicht jene Finsternis ein zufällig beschatteter Fleck mitten in der Region des Lichtes; sondern die Erkenntnis ist ein Licht mitten in der grenzenlosen ursprünglichen Finsternis, in welche sie sich verliert.«
Der Schopenhauersche »Wille« ist also das Wesen der Natur, und als Wille ist dieses Wesen das an sich selbst Dunkle in der Natur.
Bekanntlich aber weist die moderne Wissenschaft (übrigens auch schon zu Schopenhauers Spätzeit) solche Wesens-Fragen überhaupt zurück. Sie zerlegt in Elemente, aber nicht etwa, um das Wesen eines Phänomens in irgendeinem Element zu fixieren, so wie es etwa die Vorsokratiker taten, als sie wahlweise die Luft, das Feuer, das Wasser als Urstoff annahmen. Kein besonnener Naturwissenschaftler würde beispielsweise das DNS-Molekül oder die Gene als das »Wesen« des Menschen bezeichnen. Die Zerlegung in Elemente dient lediglich dazu, das Funktionieren eines Phänomens, seine Kausalitäten, Wechselwirkungen, Relationen zu erfassen. Man hat sich inzwischen von dem traditionellen Schema: Substanz und Akzidens (Eigenschaft), gelöst und untersucht strenggenommen nur noch die Akzidenzien. Man verzichtet also – schon aus methodischen Gründen – auf die Frage nach dem Wesen oder der eigentlichen Substanz. Das überläßt man der Spekulation, die man eben darum nicht ernst nimmt. Wenn man spekuliert, dann allenfalls auf das Geld, das die Forschung möglicherweise einbringt, indem sie Nutzen verspricht oder das Publikum sonstwie beeindruckt.
Schopenhauer indes bleibt hartnäckig. Er hört nicht auf, nach dem Wesen zu fragen. Genau das macht ihn zu einem großen Philosophen, denn er läßt sich die zwei fundamentalen Rätselhaftigkeiten, aus denen überhaupt erst die Frage nach dem Wesen entspringt, nicht abmarkten. Da ist zum einen das Rätsel des nackten ›Daß‹. Daß es überhaupt etwas gibt und nicht vielmehr nichts. Die christliche Metaphysik hatte dieses Rätsel in die Urgeschichte des Anfangs zurückverlegt: die Creatio ex nihilo, die Schöpfung aus dem Nichts. Das Nichts wird mitgedacht, damit das Vorkommen der Welt nicht aufhört, etwas überaus Erstaunliches zu sein. Unsere modernen Anfangshypothesen – Urknall usw. – sind demgegenüber schlechte Anfänge, weil sie immer schon angefangen haben, wenn es mit ihnen anfängt. Heidegger hat der abendländischen Philosophie ›Seinsvergessenheit‹ zum Vorwurf gemacht, mit Schopenhauer könnte man demgegenüber von einer Nichts-Vergessenheit der modernen Wissenschaften sprechen.
Die zweite Rätselhaftigkeit, welche die Frage nach dem Wesen veranlaßt, hängt damit zusammen, daß wir nicht nur das ›Daß‹ überhaupt erfahren, sondern immer auch ein ganz bestimmtes ›Daß‹. Daß etwas ist und daß es gerade so ist, wie es ist. Das Staunen darüber steht also am Anfang der Philosophie. Schopenhauer fragt nach dem Wesen der Welt, weil er noch einen Sinn für dieses doppelte Rätsel hat: daß es die Welt überhaupt gibt und daß sie so ist, wie sie ist.
Und wie ist sie?
»So sehn wir in der Natur überall Streit, Kampf und Wechsel des Sieges und werden ebendann weiterhin die dem Willen wesentliche Entzweiung mit sich selbst deutlicher erkennen. […] Durch die gesamte Natur läßt sich dieser Streit verfolgen, ja sie besteht eben wieder nur durch ihn: […] ist doch dieser Streit selbst nur die Offenbarung der dem Willen wesentlichen Entzweiung mit sich selbst. Die deutlichste Sichtbarkeit erreicht dieser allgemeine Kampf in der Tierwelt, welche die Pflanzenwelt zu ihrer Nahrung hat und in welcher selbst wieder jedes Tier die Beute und Nahrung eines andern wird […], indem jedes Tier sein Dasein nur durch die beständige Aufhebung eines fremden erhalten kann; so daß der Wille zum Leben durchgängig an sich selber zehrt und in verschiedenen Gestalten seine eigene Nahrung ist, bis zuletzt das Menschengeschlecht, weil es alle andern überwältigt, die Natur für ein Fabrikat zu seinem Gebrauch ansieht, dasselbe Geschlecht jedoch auch […] in sich selbst jenen Kampf, jene Selbstentzweiung des Willens zur furchtbarsten Deutlichkeit offenbart, und ›homo homini lupus‹ [der Mensch dem Menschen ein Wolf] wird.«
Warum aber diese mörderische »Selbstentzweiung« des Willens? Haben wir den »Willen« nicht soeben kennen gelernt als den treibenden Seinsgrund, als eine Art einheitliche Substanz, wovon alles zehrt? Gewiß, diese Einheit gibt es im Sinne der Einheitlichkeit der Grundqualität des Lebendigen, aber diese Einheit ist zugleich zersplittert in die unzähligen einzelnen Manifestationen des Lebendigen, und in Folge davon herrscht zwischen ihnen ein Verdrängungswettbewerb. Das ist logisch zwar nicht zwingend, aber die empirische Erfahrung zeigt, daß es so ist. Die »Entzweiung« verschärft sich unter der Voraussetzung des im Menschen erwachten Bewußtseins. Auch das könnte man sich anders vorstellen. Bewußtsein, dem sich ein ganzer Horizont des Verstehens öffnet, könnte versöhnend wirken und Verbundenheit herstellen. In Wirklichkeit aber führt es primär dazu, daß sich der Mensch um so deutlicher als ein abgegrenztes Individuum erfährt, sich unendlich wichtig nimmt und sein winziges Ich gegen den Rest der Welt zu behaupten versucht. In grandiosen Bildern führt Schopenhauer dieses Theater der Selbstbehauptung vor Augen: »Denn, wie auf dem tobenden Meere, das, nach allen Seiten unbegrenzt, heulend Wasserberge erhebt und senkt, auf einem Kahn ein Schiffer sitzt, dem schwachen Fahrzeug vertrauend; so sitzt mitten in einer Welle voll Qualen ruhig der einzelne Mensch, gestützt und vertrauend auf das principium individuationis«. Da man einerseits ein vereinzelter Wille ist, andererseits aber doch zur Substanz des Gesamtwillens gehört, überkommt einen bisweilen die Ahnung dieser Zugehörigkeit. »Aus dieser Ahndung«, schreibt Schopenhauer, »stammt jenes so unvertilgbare und allen Menschen […] gemeinsame Grausen, das sie [die Menschen] plötzlich ergreift, wenn sie durch irgendeinen Zufall irrewerden am principio individuationis«.
Das »Grausen« darüber, daß es mit dem Individuum doch nicht so weit her ist, schlägt in der Regel um in hysterische Selbstbejahung; um so blindwütender mauert man sich in seiner sogenannten Identität ein, entwickelt einen Egoismus, der seine Selbstbejahung bis zur Bösartigkeit und Grausamkeit gegen andere ›Egos‹ steigert. Schopenhauer schildert eine Welt der mit sich verfeindeten Egoismen. Vor diesem Hintergrund entwickelt er dann auch seine an Hobbes angelehnte Staatstheorie: Der Staat hängt den »Raubtieren« einen »Maulkorb« um, so werden sie zwar moralisch nicht besser, aber »unschädlich wie ein grasfressendes Tier«. Ausdrücklich widerspricht Schopenhauer den in der Nachfolge Kants entwickelten Theorien, die vom Staat eine Versittlichung des Menschen erwarten (Fichte, Schiller, Hegel) oder, in romantischem Geist, im Staat eine Art höheren Menschenorganismus erblicken (Novalis, Schleiermacher). Der Staat ist für Schopenhauer genau die von den Romantikern gestern und heute gefürchtete ›soziale Maschine‹, die im besten Falle die Egoismen bändigt und mit dem kollektiven Egoismus des Überlebensinteresses verknüpft. Schopenhauer wünscht sich für diesen Zweck einen mit starken Machtmitteln ausgestatteten Staat, aber er soll eine Macht des Äußeren bleiben. In der Gesinnung und Denkweise seiner Bürger hat er nichts zu suchen und anzuordnen. Ein starker Staat, aber ein abgemagerter Politikbegriff. Schopenhauer warnt vor einem Staat mit Seele, der dann womöglich nach der Seele seiner Bürger greift.
Das »Grausen« samt der daraus folgenden Steigerung des Selbstbehauptungswillens ist die eine Art, von diesem allseitigen Zusammenhang berührt zu werden. Die andere ist – das Mitleid. Auf diese Regung gründet Schopenhauer seine ganze Moralphilosophie. Bei Schopenhauers Begriff des Mitleids muß man alle sentimentalen Zutaten beiseite lassen. Auch handelt es sich für ihn dabei nicht um eine Norm, ein Sollen also, sondern es ist eine Erfahrung, eine bestimmte Art der Seinsverbundenheit. Im Mitleid ist, für Augenblicke jedenfalls, die wehrhafte Festung unseres Egoismus geschleift. Schopenhauer interpretiert das Mitleid als die gelegentlich durchschlagende Erfahrung, daß alles außerhalb meiner ebenso Wille ist wie ich selbst und ebenso Schmerz und Qual leidet wie ich selbst. Wer Mitleid empfindet, dem ist »der Schleier der Maja durchsichtig geworden und die Täuschung des principii individuationis hat ihn verlassen. Sich, sein Selbst, seinen Willen erkennt er in jedem Wesen, folglich auch in dem Leidenden.«
Mitleid ist eine individuelle Selbsterfahrung des Willens ohne individuelle Selbstbehauptung. Mitleid ist die Fähigkeit, in bestimmten Augenblicken die Intensität eigenleiblicher Willenserfahrung über die eigene Körpergrenze auszudehnen. Mitleid ist eine Erfahrung, sie ist kein Postulat. Es geht nur darum, ob man diese Erfahrung zuläßt oder versucht, sie zu verhindern. Man kann aber solches Verhindern – verhindern. Und darum kommt bei Schopenhauers Mitleidsphilosophie doch etwas Forderndes hinzu. Man kann es auch so sagen: Das Mitleid, diese Quelle der Solidarität, gibt es in uns, aber ob man sich dagegen sperrt oder es zuläßt und gar begünstigt – das ist tatsächlich eine Frage der moralischen Erziehung, des gesellschaftlichen Regelwerks und der einschlägigen gesellschaftlichen Einrichtungen.
Schopenhauer entwickelt einen rigorosen, aber radikal eingeschränkten Begriff der Moral. Nur was aus dem Mitleid kommt, rechnet er ihr zu, alles andere ist Selbstbehauptung, Egoismus, wenn auch oft moralisch bemäntelt. Egoismus bleibt der Regelfall, deshalb muß dafür gesorgt werden, daß er seine aggressive Spitze verliert und ein Minimum an Rücksichtnahme gesellschaftlich gewährleistet wird. Selbst dieses Minimum würde nicht zu erreichen sein, wenn das Mitleid nicht wenigstens als Beimischung mit im Spiel wäre.
Schopenhauers Mitleidsethik ist eine Ethik des Trotzdem. Ohne geschichtsphilosophische Absicherung und Rechtfertigung und auf dem Hintergrund einer sonst eher trostlosen Metaphysik plädiert sie für jene Spontaneität, die das fortdauernde Leiden wenigstens lindern will. Sie ermuntert zum Kampf gegen das Leiden und erklärt zugleich, daß es keine Aussicht auf prinzipielle Aufhebung des Leidens gibt. Aber sie ermuntert zu einer Solidarität, als ob es eine solche Chance gäbe. Schopenhauers Mitleidsphilosophie ist in diesem Sinne eine Philosophie des ›Als ob‹.
Von dieser Mitleidphilosophie leitet Schopenhauer über zur Philosophie der Verneinung des Willens. Wem das Leiden der anderen nicht mehr fremd ist, wem die Unio mystica des Mitleids widerfährt, dem kann es geschehen, daß sich sein Wille wendet, ihn schaudert vor den Genüssen des Lebens: »Der Mensch gelangt zum Zustande der freiwilligen Entsagung, der Resignation, der wahren Gelassenheit und gänzlichen Willenslosigkeit.« Mit der Erfahrung des Mitleids kann dieses Geschehen beginnen – es ist wirklich ein Geschehen in der Sphäre des Willens und nicht etwas, das auf ein vernünftiges Kommando hin erfolgt –, es kann sich vollenden in jenen Gestalten wie Christus, Buddha, Franz von Assisi, den großen Mystikern und Asketen, auf die Schopenhauer den Blick lenkt, mit dem deutlichen Eingeständnis allerdings, daß er selbst wohl doch von anderem Schlag ist. Er kann diese Sphäre beschreiben, aber er selbst, das erklärt er unumwunden, hat diese Wandlung nicht erreicht. Auf der Paßhöhe seiner Philosophie erreicht Schopenhauer die Grenze rationalen Argumentierens. Er muß sich damit begnügen, auf jene Genies des Herzens hinzuweisen, welche die Welt überwanden. Aber in einer wunderbaren Passage versucht er einmal die Welt so zu beschreiben, wie sie jemandem, der ihrem Drang und Treiben entronnen ist, vorkommen könnte: »Er blickt nun ruhig und lächelnd zurück auf die Gaukelbilder dieser Welt, die einst auch sein Gemüt zu bewegen und zu peinigen vermochten, die aber jetzt so gleichgültig vor ihm stehn wie die Schachfiguren nach geendigtem Spiel oder wie am Morgen die abgeworfenen Maskenkleider, deren Gestalten uns in der Faschingsnacht neckten und beunruhigten. Das Leben und seine Gestalten schweben nur noch vor ihm wie eine flüchtige Erscheinung, wie dem Halberwachten ein leichter Morgentraum, durch den schon die Wirklichkeit durchschimmert, und der nicht mehr täuschen kann«.
Schopenhauer kann diese Erfahrung beschreiben, weil sie ihm so ganz fremd nicht war. Sie steht sogar am Anfang seiner Arbeit am Hauptwerk. In seinen Tage- und Notizbüchern ist davon die Rede unter dem Titel des »bessren Bewußtseins«. Er grenzt das »bessre Bewußtsein« ab vom empirischen Bewußtsein und dem mit ihm verbundenen realitätstüchtigen Verhalten. »Ich aber sage«, so lautet eine Eintragung von 1813, »in dieser Zeitlichen, Sinnlichen, Verständlichen Welt giebt es wohl Persönlichkeit und Kausalität, ja sie sind sogar nothwendig. – Aber das bessre Bewußtseyn in mir erhebt mich in eine Welt wo es weder Persönlichkeit und Kausalität noch Subjekt und Objekt mehr giebt.« Unter dem Begriff des »bessren Bewußtseins« verbucht der junge Schopenhauer seine Erfahrungen der Entrücktheit. Das »bessre Bewußtsein« ist ihm eine Art Wachheit, die in sich ruht, nichts will, nichts befürchtet, nichts hofft. Das »bessre Bewußtsein« hat die Welt gewissermaßen unter sich, wie einst beim Bergerlebnis. Der schwere Lauf der Welt und der Stand der Dinge erscheinen von hier aus als Spiel. Schopenhauer spricht in seinem Tagebuch von einem Bewußtsein »jenseits von Raum und Zeit«, ein paradoxer Ausdruck, den die Sprache einem aufzwingt. Gemeint ist die Entrücktheit einer in sich ruhenden Aufmerksamkeit: Man ist weder drinnen noch draußen, die Unrast der Zeit berührt einen nicht, die Trennung von Ich und Welt scheint aufgehoben. Die Mystiker gaben einst dieser Erfahrung den Namen »Nunc stans«, stehendes Jetzt. Etwas Ähnliches hatte Schopenhauer in seltenen Augenblicken des »bessren Bewußtseins« erfahren und später im Hauptwerk seinen Beschreibungen der Willensverneinung zugrunde gelegt.
Schopenhauer, der immer wieder betont, daß die Vernunft am »Gängelband« des Willens geht und insofern instrumentell bleibt, gerät hier denn doch in einen heiklen Widerspruch. Denn jene Fähigkeit, Abstand zu halten in der ruhigen Kontemplation, das »interesselose Wohlgefallen« (Kant) an der Kunst zu erleben oder gar bis zur mystischen Überwindung des Willens sich zu erheben – was ist diese Fähigkeit anderes als das sublime Werk einer lebendigen Vernunft, die eben damit beweist, daß sie nicht auf ihre instrumentelle Rolle beschränkt ist.
Schopenhauers Hauptwerk deutet am Ende ein eigentümliches Erwachen an. Wenn der Wille in der Verneinung erstirbt, so bleibt doch nicht Nichts übrig. Die Welt des Willens ist vielleicht doch nicht alles. Schopenhauer hat in einem späteren Kommentar zu seinem Hauptwerk erklärt, »daß bei mir die Welt nicht die ganze Möglichkeit alles Seins ausfüllt«. Das ist eine überraschende Aussage, denn sie bedeutet, daß die Verneinung nicht auf ein ersterbendes Nichtsein hinausläuft, sondern auf ein anderes Sein.
Jede große Philosophie hat ihr Unsagbares, ihr unformulierbares Mysterium. Bei Schopenhauer scheint es mir hier in diesem Satz angedeutet: »daß bei mir die Welt nicht die ganze Möglichkeit alles Seins ausfüllt«.
In Schopenhauers Philosophie drängt alles auf ein gewandeltes Leben. Die große Wandlung wäre die heilige Erleuchtung. Auf sie kann Schopenhauer nur hinweisen. Er selbst, erklärt er, bringt es ›nur‹ zur Philosophie oder Kunst. Sie liegen für ihn auf halbem Weg, ein Vorgeschmack auf die Weltüberwindung, prosaisch gesprochen: ästhetischer oder kontemplativer Weltabstand.
Wollte man Schopenhauers Philosophie insgesamt charakterisieren, müßte man sie als eine Metaphysik des ästhetischen Abstandnehmens bezeichnen. Im Unterschied zur traditionellen Metaphysik liegt ihr entlastender, emphatisch gesprochen: ihr erlösender Aspekt, nicht im Gehalt dessen, was da als »Wesen« hinter der erscheinenden Welt entdeckt wird. Dieser Wesensgehalt ist ja bei Schopenhauer der universelle Wille, also das unruhige qualvolle Sein, das Herz der Finsternis. Die Entlastung oder Erlösung liegt nicht im Gehalt, sondern im Akt des distanznehmenden Denkens selbst. Es ist ein ästhetischer Weltabstand, wobei hier ›ästhetisch‹ heißt: auf die Welt sehen und dabei »schlechterdings nicht tätig darin verflochten sein«. Dieses ästhetische Abstandnehmen eröffnet einen Ort der Transzendenz, der leer bleiben muß. Kein Wollen, kein Sollen, nur noch ein Sein, das ganz zum Sehen geworden ist, zum »Weltauge«, wie Schopenhauer sagt. Alle anderen Versöhnungsangebote weist er zurück. Kein Eintauchen in die dionysische Natur, wie etwa bei Nietzsche, kein gelassenes Sich-Einfügen in den spinozistischen Absolutismus der Natur, keine Erlösung durch Geschichtsphilosophie und Fortschrittsdenken. Nur das ästhetische Sehen, aus dem Schopenhauers Philosophie entspringt.
Solches »Sehen« ist jene Art der Verneinung des Willens, welche die Philosophie als Akt selbst noch vollziehen kann. Mehr kann sie nicht. Aber wenn sie so weit kommt, dann wird das auch die Wirkung haben können, die Schopenhauer der beseligenden Kunst zuschreibt: »denn wir sind für jenen Augenblick des schnöden Willendranges entledigt, wir feiern den Sabbath der Zuchthausarbeit des Wollens, das Rad des Ixion steht still.«
Kunst, philosophische Besonnenheit und Kontemplation – das sind die Augenblicke befristeter Befreiung. Aber Schopenhauer weiß, daß der Wille zur egoistischen Selbstbehauptung immer wieder obsiegt, auch bei ihm selbst, und deshalb denkt er gegen Ende seines Lebens darüber nach, wie man unter der Voraussetzung des obsiegenden egoistischen Lebenswillens das Leben klugerweise einrichten sollte, um das bescheidene Glück einer Begrenzung des Unglücks zu erreichen. Die Ergebnisse dieses Nachdenkens hat er niedergelegt in seinen berühmten »Aphorismen zur Lebensweisheit«. Das ist seine »Philosophie für die Welt«, ein Pessimismus zum halben Preis, auch ein Weltabstand zum halben Preis. Das große Unbehagen grundiert auch diese Überlegungen, es wird aber doch zurückgehalten – dem Leben zuliebe. Die Ironie der Geschichte: Gerade diese grimmigen und lakonischen Hinweise auf eine Lebenskunst trotz alledem haben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Karriere gemacht und erweisen sich auch heute noch als beherzigenswert. Man kann sie lesen als ein Ratgeber der besonderen Art.
Schopenhauer hat nun wirklich keine Philosophie des Glücks entwickelt, aber etwas anderes kann man bei ihm erfahren: das Glück der Philosophie. Das wird einem zuteil, auch wenn man sich nicht in allen Punkten das düstere Bild des Lebens, das Schopenhauer entwirft, zu eigen macht.
Flieh’ neidsche Zeit, bis du dein Ziel erreichet,
Beschleunige der Stunden schweren Gang,
Des Eile nur dem Schritt des Senkbleys gleichet,
Es sättige dich was dein Rachen schlang,
Das Eitle, Falsche, denn nur das wird dein,
Nur Erdentand und Staub;
So wenig ist dein Raub,
Und der Verlust so klein.
Wirst endlich alles Böse du begraben,
Zulezt die eigne Gier verzehret haben,
Dann nahet Ewigkeit mit hohem Gruß
Und bringt den untheilbaren Kuß;
Und einer Fluth gleich wird die Freude steigen,
Wenn jedes wahrhaft Gute sich wird zeigen,
Das Göttliche hell scheinen
Und Wahrheit, Friede, Liebe sich vereinen
Um dessen Thron zu schweben,
Zu dem wir uns im Himmelsflug erheben,
Ihn anzuschaun durch alle Ewigkeit,
Ruhn ewig wir, in Sternen angethan,
Erhaben über Zufall, Tod und dich, o Zeit.
O Wollust, o Hölle,
O Sinne, o Liebe,
Nicht zu befried’gen
Und nicht zu besiegen!
Aus Höhen des Himmels
Hast du mich gezogen
Und hin mich geworfen
In Staub dieser Erde:
Da lieg’ ich in Fesseln.
Wie wollt’ ich mich schwingen
Zum Throne des Ew’gen,
Mich spiegeln im Abdruck
Des höchsten Gedankens,
Mich wiegen in Düften,
Die Räume durchfliegen,
Voll Andacht, voll Wunder,
Ausbrechend in Jubel,
In Demuth versinkend,
Den Einklang nur hörend;
Wie wollt’ ich vergessen
Des niedrigen Staubes,
Nicht schelten die Thoren,
Nicht neiden die Großen,
Nicht spotten der Schwachen,
Die Bösen nicht sehen,
Den Meister im Werke,
In Körpern die Geister
Nur sehen und lieben –
Doch du, Band der Schwäche,
Du ziehest mich nieder,
Daß fest mich umklammert
Das Heer deiner Fäden.
Und jegliches Streben
Nach Oben mißlingt mir.
Was wäre wünschenswerther wohl
Als ganz zu siegen
Ueber das leere und so arme Leben,
Was keinen Wunsch uns je erfüllen kann,
Ob Sehnsucht gleich uns auch das Herz zersprengt.
Wie wär’ es schön, mit leichtem leisen Schritte
Das wüste Erdenleben zu durchwandeln,
Daß nirgends je der Fuß im Staube hafte,
Das Auge nicht vom Himmel ab sich wende.
Nachdem wir zehn Tage in Marseille gewesen waren, machten wir eine Ausfahrt nach Toulon u. Hières. Eine junge Engländerinn, Miss Nichols, hatte sich uns zur Reisegesellschaft angeboten: da sie in ihrem zweysizigen Wagen allein war, nahm ich den andern Platz ein, u. fuhr mit ihr. Wir kamen durch eine sehr bergige Gegend: fuhren fast immer zwischen zwey Reihen hoher Felsen, die zur Hälfte nackt, u. übrigens mit Fichten u. Rosmarin bewachsen waren. Wir waren um Mittag ausgefahren, u. gegen Abend sahen wir Cuge
ToulonToulonToulonAguillonToulonToulonChamp de battaille
HièresHièresMarseilleMarseilleNarbonneHièresHièresHièrischenHières
ToulonBastianelliCorderie1250
Ingénieur
ForçatForçats