Den letzten Gang serviert der Tod

Jörg Maurer

Den letzten Gang serviert der Tod

Alpenkrimi

FISCHER E-Books

Über Jörg Maurer

Weitere Titel von Jörg Maurer:

›Föhnlage‹, ›Hochsaison‹, ›Niedertracht‹, ›Oberwasser‹, ›Unterholz‹, ›Felsenfest‹, ›Der Tod greift nicht daneben‹, ›Schwindelfrei ist nur der Tod‹, ›Im Grab schaust du nach oben‹, ›Stille Nacht allerseits‹, ›Am Abgrund lässt man gern den Vortritt‹, ›Im Schnee wird nur dem Tod nicht kalt‹, ›Am Tatort bleibt man ungern liegen‹,sowie ›Bayern für die Hosentasche: Was Reiseführer verschweigen‹

 

Die Webseite des Autors: www.joergmaurer.de

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Über dieses Buch

Es ist ein sonniger Herbsttag, die Berge leuchten vor tiefblauem Himmel, das Laub färbt sich bunt und man möchte gleich in die Pilze gehen. Aber Kommissar Jennerwein muss zu einem ungewöhnlichen Tatort: eine Restaurantküche, in der ein Kochclub seine Treffen veranstaltet, nun ein Mordschauplatz. Die Hobby-Köche, die dort üblicherweise genussvoll Rezepte ausprobieren, sind im idyllisch gelegenen Kurort wohlbekannt und hoch angesehen. Aber jetzt wird überall heftig spekuliert: Wer hasst das Opfer so sehr, dass er sogar vor einem Mord nicht zurückschreckt? Welche Rivalitäten köchelten unter der Oberfläche? Kommissar Jennerwein stellt fest, dass er es mit einem höchst unübersichtlichen Tatort zu tun hat. Die Spuren führen in so viele verschiedene Richtungen. Um den wahren Tathergang zu enthüllen, müssen sich Jennerwein und sein Team überraschende Ermittlungsmethoden einfallen lassen. Und das kann gefährlich werden.

Impressum

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

© 2020 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main

 

Covergestaltung und -abbildungen: www.buerosued.de

Abbildung (Pilze): © photovs – Can Stock Photo Inc.

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-491163-2

Fußnoten

Im Original: Sha ji gei hou kan. (Töte den Hahn und zeig ihn dem Affen.)

Doch, den zweiten. Da war gerade Hochsaison.

Der derzeitige Weltrekord beim Kugelstoßen steht bei 23,12 Meter.

Auch danach zu googeln ist nicht ratsam. Denn abgesehen davon, dass man nur seltsame Suchergebnisse bekommt, lenkt man die Aufmerksamkeit gewisser italienischer Familien auf sich, die die Spur zurückverfolgen können.

Die folgende Übersetzung ins Deutsche besorgte meine Lektorin, Frau Dr. Cordelia Borchardt, die mich auch sonst bei diesem dreizehnten Fall wieder korrektiv, kreativ und produktiv begleitet hat. Ihr sei aus dieser ungewohnten, aber doch profunden Perspektive ein herzliches Dankeschön zugerufen!

Marion Schreiber aber wollte ich gerade diesen schweren Gang nicht auch noch aufhalsen. Sie hilft mir genug bei den vielen tausend organisatorischen Arbeiten, die beim Romanschreiben anfallen. Hier aus der Fußnote heraus (die Fußnote ist die Quarantänestation der Literatur) bedanke ich mich dafür!

Simmert eine Brühe auf allerkleinster Flamme dahin, so dass sie nur ganz schwach blubbert, sprechen französische Köche davon, dass sie »lächelt«: »Le bouillon sourit«. Entstanden ist diese Niedergarmethode am Hofe des französischen Herrschers Ludwig XIV. Man erzählt sich, dass der König, gelangweilt durch die Gespräche seiner Hofgesellschaft und von einem unbestimmten Heißhunger nach bäuerlich-deftigen Genüssen erfasst, von der überreich gedeckten, porzellan- und glasglitzernden Tafel aufstand und sich heimlich in die Schlossküche schlich, wo in einer großen gusseisernen Pfanne gerade Speck, Knoblauch und Selleriesamen angebraten wurden. Die fieberhaft arbeitenden Knechte und Mägde bemerkten den König wegen des vielen Rauchs nicht, Majestät beliebten nun lustvoll aus den verführerisch dahinbrodelnden Töpfen zu kosten. Wohl wissend, dass er damit gegen das strenge Hofzeremoniell verstieß, genoss er es nachgerade, mit der nackten Hand eine Kelle zu formen und auf diese Weise eine lauwarme Sauce nach der anderen zu schlürfen. Schließlich aber erkannte ihn sein alter blinder Diener Jean-Baptiste am unverkennbar majestätischen Gang und am Klappern der mit Diamanten verzierten Schuhschnallen. Mit einem Aufschrei ehrfürchtigsten Entsetzens fiel das Küchenpersonal auf die Knie und verharrte regungslos. Der König kostete noch dies und das, nagte ein Hähnchenbein ab, schleckte Kuchenteig,

 

Wenn es auch gute Gründe gibt, dem Wahrheitsgehalt dieser mündlich überlieferten Anekdote kritisch gegenüberzustehen, so ist doch eines sicher: Das Glücksgefühl des unmittelbaren, gierigen und unbeherrschten Naschens aus dem Kochtopf kann durch nichts übertroffen werden, auch nicht durch noch so raffinierte Darreichungsweisen auf noch so feinem Porzellan am noch so liebevoll gedeckten Tisch. Kein Service kann so gut sein, dass er dem Urgefühl des anarchischen Schlürfens und Schlabberns das Wasser reichen könnte. Keine noch so kunstvoll gearbeitete Sauciere mit einer noch so detailverliebten Schnaupe in Form eines feuerspeienden Löwen bringt die Sauce mehr auf den Punkt, als wenn sie mit einem schlichten Holzlöffel oder gar der bloßen Hand aus der Kasserolle geschöpft wird. Nie ist der Genießer der Speise näher, nie hört er ihr geheimnisvolles Zischen und Wispern deutlicher.

 

 

Der Topf kochte auf der allerniedrigsten Stufe, die ringförmig angeordneten Gasflämmchen hielten sich gerade noch am Leben, trotzdem warf das dickflüssige, goldfarbene Gebräu kinderhandtellergroße, geräuschvoll platzende Blasen. Sie erzählten etwas vom weiten, wild schäumenden Meer, aber auch von gewürzkräuterumflorten, sonnigen Berghängen. Vielleicht kündeten sie sogar von der evolutionären Ursuppe, in der vor vier Milliarden Jahren das Leben selbst entstanden ist. Herrlich betörende Gerüche stiegen auf, selige Verzückung spiegelte sich in der Physiognomie des Mannes. Seine Wangen röteten sich, er wedelte mit der Hand den Duft in die großporige, schmachtende Nase. Noch ein Stück weiter beugte er sich vor, hinter seinem Rücken wippte er mit einem Silberlöffel, der einem aufgeregten Hundepürzel glich. Ganz im Hier und Jetzt des dampfenden Elixiers versunken, bemerkte er den Schatten nicht, der hinter ihm erschien. Von einem Augenblick auf den anderen versank der Kopf des Saucenschleckers in der heißen Brühe, die schmatzend über ihm zusammenschwappte. Ob das Gurgeln von ihm oder von der heißen Flüssigkeit herrührte, war nicht mehr zu

Der kleine bucklige Mann, der draußen vor dem Fenster stehen geblieben war, schnappte bei dem schrecklichen Anblick fassungslos nach Luft. Sein Mund öffnete sich zu einem Schrei, doch es kam nur ein heiseres Krächzen heraus. Kleine grellfarbige Punkte tanzten ihm vor den Augen, unwillkürlich schlug er die Hände vors Gesicht. Doch das Chaos in seinem Kopf ließ sich so nicht abstellen. Er wandte sich ab, sprang von der Stufe, auf der er gestanden hatte, und stolperte ein paar Schritte vom Fenster weg, über die Terrasse, auf die angrenzende Wiese zu. Seine Knie zitterten, er keuchte schwer. Was um Gottes willen war dort in der Küche geschehen? Hatte er jetzt völlig den Verstand verloren? War er nicht mehr Herr seiner Sinne? Und vor allem: Was hatte er getan? Er lief weiter. Als er die frisch gemähte Wiese erreicht hatte, die sich vor der Terrasse des Restaurants ausbreitete, beruhigte er sich wieder etwas. Es musste wohl eine Halluzination seines matschigen Hirns gewesen sein. Doch er wagte nicht zurückzuschauen. Vielmehr blickte er mit hervorquellenden Augen auf die frisch geschnittenen Grashalme und ballte die Fäuste, bis es schmerzte. Nein, das war kein Albtraum. Er hatte sich das nicht eingebildet. Jetzt hörte er undeutliche Stimmen aus Richtung des Hauses. Ganz, ganz vorsichtig blickte er sich um. Auf der Terrasse, zwischen den edlen Teaktischen und angeketteten Flechtstühlen war niemand zu sehen. Die Stimmen mussten

 

Siegfried Schlatt konnte bei diesem Thema durchaus mitreden. Er war Pilzexperte. Er kannte sie alle, die tausend Arten und hunderttausend lokalen Varianten. Er wusste, was der Unterschied zwischen einem Blassen Birkenreizger und dem täuschend ähnlichen Zottenreizger war. Gar nicht einmal vom Geschmack her: Pilzgerichte standen selten auf Siegfried Schlatts Speiseplan. Er hatte sogar ein bisschen Abscheu davor, in das wabbelige Fleisch zu beißen. Was ihn weitaus mehr faszinierte, war das Aussehen der vielgestaltigen Waldfrüchte. Schon als Kind hatte er stundenlang vor den ausladenden Hexenringen des Fuchsigen Rötelritterlings und Wohlriechenden Schnecklings gesessen, hatte irgendwann einmal Block und

 

Schritte. Knackende Äste. Laub wurde niedergestampft. Schlatt hielt den Atem an, seine Augen weiteten sich vor Schreck, seine Hände verkrampften sich in dem trockenen Moos. Er kauerte immer noch hinter seinem Haselnussstrauch und hoffte inständig, dass sich die Schritte wieder entfernten. Denn jetzt hörte er auch noch Stimmen, halb geflüstert, ganz in der Nähe, nur ein paar Meter weit weg von ihm.

»Er muss hier irgendwo sein … einen Schatten gesehen … über die Wiese gelaufen …«

Sie suchten nach ihm. Sie hatten ihn also am Tatort bemerkt und jagten ihn jetzt. Es war keine Einbildung gewesen. Oder doch? Schlatt wurde übel vor Angst und Panik. Gleich würde ihn eine Hand an der Schulter packen und hochziehen. Doch jetzt waren die Stimmen verstummt. Und dann entfernten sich die Schritte im Laub. Vorsichtig und quälend langsam zog er ein Fläschchen aus seiner Hosentasche. Es enthielt garantiert naturbelassenes, eigenhändig aus ausgewählten Magic

Kriminalhauptkommissar Hubertus Jennerwein und Polizeiobermeister Franz Hölleisen waren beide überhaupt nicht mit den stummen und reglosen Waldfrüchten zu vergleichen, dafür waren sie viel zu beweglich und zu zielstrebig. Geschickt wie die Eichkätzchen kletterten sie vom Jeep, flink wie die Stichlinge schwärmten sie aus, um das letzte Stück des Weges zum Waldrestaurant zu Fuß zu gehen. Sie hätten auch mit dem Einsatzwagen direkt vor das Restaurant fahren können. Jennerwein hatte sich jedoch für die schrittweise Annäherung an den Tatort entschieden, auf die Art war er schon mehr als einmal auf entscheidende Auffälligkeiten gestoßen.

Schon vom Parkplatz aus konnten sie in der Ferne das Gebäude sehen. Es stach bunt und werbeträchtig aus dem dezenten Waldgrün heraus, man sah den neuen Anstrich, man glaubte sogar die giftig gelbe Holzschutzlasur zu riechen. Die geschwungenen Eisengitter vor den Fenstern des ersten Stocks und das steile, ziegelgedeckte Dach wiesen darauf hin, dass es sich um ein betagteres Gebäude handelte, das chic und rustikal modernisiert worden war, ohne den hundertzwanzig Jahre alten Jugendstil-Charme zu zerstören. Die Dachziegel waren moosig grün und verwittert, die kleinen Dachgauben wirkten wie Sahnehäubchen.

Jennerwein wandte den Blick ab und betrachtete den bewusst grob

HUBSCHMIDT’s

Lodge, Resort, Mushrooms and More

10 Gehminuten

Dienstag geschlossen

»Mitten im Wald und so abgelegen hätte ich kein Restaurant erwartet«, sagte Jennerwein, während er die Schiefertafel mit den Wochenspezialitäten studierte.

»Es ist sogar ein Edelrestaurant«, erwiderte Hölleisen und verzog dabei neckisch blasiert das Gesicht. »Weißwürstchen mit Zanderfüllung und Senf aus Mango! Ich selbst war noch nie drin, mein Einkommen aus dem mittleren Polizeidienst gibt das nicht her.«

»Na, für einmal im Jahr, zum Hochzeitstag mit der Frau Gemahlin, wirds doch reichen, Polizeiobermeister?«

»Ja schon, aber wenn ich da gesehen werde, dann heißt es doch gleich: Schau hin, dort sitzt er, der feine Pinkel! Hält sich für was Besseres! Tut immer so volkstümlich und stopft sich dann im Hubschmidt’s mit Hummer und Kaviar voll. Da hat man gleich einen Ruf weg. Außerdem bin ich kein Feinschmecker. Ich fühle mich in so einer geschleckten Umgebung überhaupt nicht wohl.«

»Ich doch auch nicht«, erwiderte der Kommissar lächelnd.

Eigentlich hatte niemand im Team ein besonders enges Verhältnis zu abgehobenen gastronomischen Genüssen. Sie alle aßen gerne gut, gewiss. Aber ohne viel Aufhebens. Im polizeilichen Alltag blieb dafür auch keine Zeit. Hansjochen Becker war der typische Hamburger-und-Bagel-Beißer-Cop, Ludwig Stengele aus Mindelheim zog einen Teller mit deftigen

»Aber nur die von der Metzgerei Moll!«, pflegte er zu sagen, denn das war sein Maßstab.

Die spindeldürre Polizeipsychologin Maria Schmalfuß hielt ein Übermaß an Raffinesse bei der Nahrungsaufnahme für eine psychopathogene, narzisstische Störung mit hohem Therapiebedarf. Sie naschte und pickte bei Tisch eher, als dass sie schlemmte. Nicole Schwattkes Kochkünste wiederum bewegten sich nach eigenen Angaben in strengen westfälischen Grenzen, und von Kommissar Jennerweins diesbezüglichen Neigungen hatte man die ganzen Jahre über nie etwas gehört. Nur ein einziges Mal hatte er angekündigt, für das Team ein leckeres Mitternachtssüppchen zuzubereiten, aber dazu war es wegen der dramatischen Ereignisse auf seiner Hütte vor zwei Jahren leider nicht gekommen. Vielleicht holte er das ja irgendwann einmal nach. Versprochen hatte er es jedenfalls.

 

»Läuft das Restaurant denn gut?«, fragte Jennerwein.

»Ja, ich glaube schon. Es heißt, dass man nie einen Platz dort bekommt. Aber jammern tun die in der Gastronomie trotzdem alle: kein Personal, und wenn, dann nur stinkfaules. Von den Gästen kein Trinkgeld, kein Benehmen, keinen Respekt. Und dann natürlich die Vorschriften aus Brüssel –«

Sie hatten jetzt einen jähen Anstieg erreicht, den sie schweigend hinaufstapften. Durch die scharfen Serpentinen war das Hubschmidt’s wieder außer Sicht gekommen. Jennerwein blieb in der Mitte einer Steilkurve stehen und zeigte auf einen einzeln stehenden, auffällig herausleuchtenden Pilz am Wegrand. Es war ein saftiger Prachtbursche, der halbkugelige,

»Wissen Sie, was das für ein Exemplar ist, Hölleisen?«

Hölleisen betrachtete den Pilz näher.

»Das ist wahrscheinlich ein Pappel-Schüppling«, sagte er mit einem kleinen listigen Lächeln. »Es könnte allerdings auch ein Gemeiner Gurkenschnitzling sein.«

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Hölleisen? Die Namen haben Sie sich doch gerade ausgedacht.«

Hölleisen warf seinem Chef einen komisch entrüsteten Blick zu.

»Nein, wo denken Sie hin – ich und mir was ausdenken! Die heißen wirklich so. Ganz bestimmt. Ob er aber essbar ist, das weiß ich nicht.«

Jennerwein richtete seinen Blick wieder auf den Weg.

»Gibt es irgendwelche Besonderheiten bei dem Restaurant? Welche, die uns bezüglich des Falls interessieren könnten?«

»Ich habe natürlich in unseren Dateien nachgeschaut. Das Restaurant ist schon einige Male polizeiauffällig geworden. Nichts Hochkriminelles, aber es hat mehrere Anzeigen wegen Wettbewerbsverzerrung, unlauterem Wettbewerb, Geschäftsschädigung und was weiß ich noch alles gegeben.«

»Um was ging es?«

»Worum es bei Restaurants heutzutage immer häufiger geht: schlechte Bewertungen im Internet. Ein Konkurrent hat sich beschwert. Er hat dem Rico Hubschmidt vorgeworfen, Bewertungen manipuliert zu haben.«

»Ist denn das so leicht möglich?«

 

Sie stiegen weiter den Serpentinenweg hoch. Leiser Wind rauschte durch die Blätter, an vielen Stellen lag schon Laub. Ein schwachbrüstiger Herbstmond zitterte sich unentschlossen durch den frühen Oktobernachmittag. Jennerwein drehte sich zu Hölleisen um.

»Heute hat das Restaurant Ruhetag. Dann waren die Angestellten wohl gerade bei den Vorbereitungsarbeiten für morgen?«

»Nein«, erwiderte Hölleisen. »Es sind gar keine Angestellten da. Heute haben die Mitglieder eines Laienkochclubs die Restaurantküche gemietet. Einer davon, ein gewisser Pascal Bretten, war als Erster am Tatort und hat es uns gemeldet.«

»Bretten, sagen Sie? Pascal Bretten? Der Name kommt mir bekannt vor.«

»Vielleicht waren Sie schon einmal Kunde in seinem Geschäft: Augenoptik Pascal Bretten. In der Steinstraße.«

»Nein, einen Brillenladen habe ich noch nie betreten. Mit meiner Sehschärfe hätte ich Pilot oder Luchs werden können.«

»Bretten spielt in seiner Freizeit kleine Rollen im hiesigen Theater. Vielleicht kennen Sie seinen Namen daher. Ich habe ihn auf der Bühne allerdings noch nie gesehen. Theater ist nicht so meins. Eine halbe Stunde packe ich immer, dann schweife ich mit den Gedanken ab.«

»Wo ist Pascal Bretten jetzt?«

»Maria Schmalfuß bearbeitet ihn gerade. Der Anblick am Tatort hat ihn sehr schockiert. Er ist einer von der sensiblen Sorte.«

»Und wie darf ich mir diesen Kochclub vorstellen?«

»Es ist ein sehr exklusiver Verein, mit lauter angesehenen und ehrbaren Bürgern. Die treffen sich regelmäßig, und dann lassen sies krachen. Man hört, dass unter dreizehn Gängen gar nichts geht. Deshalb nennen sie sich auch so: Die dreizehn Gänge. Deutsch klingts natürlich nicht so edel, deshalb hat ein französischer Name hermüssen: Les Treize Plats.« Hölleisen blieb stehen und deutete einen höfischen Kratzfuß an. »S’il vous plaît, mon commissaire!«

Jennerwein hätte gerne etwas in dieser Art erwidert, doch er wusste nicht, was Polizeiobermeister in der Sprache der Flics hieß. Der Französischunterricht bei Frau Haage lag einfach schon zu lange zurück. Und solche nützlichen Sachen hatte man bei ihr sowieso nicht gelernt.

 

Bald waren sie am oberen Ende des Weges angelangt. Das Restaurantgebäude mit seiner weit vorgeschobenen Terrassenanlage lag vor ihnen. Rundum flatterten polizeiliche Absperrbänder, und einige Jäger und Sammler aus Hansjochen Beckers Spurensicherertruppe flitzten und krabbelten herum wie Ameisen, die Zuckerstücke wegschleppten. Es waren

»Ich glaube, da können wir noch nicht rein«, sagte Hölleisen.

»Erzählen Sie mir inzwischen noch mehr von dem Kochclub«, sagte Jennerwein. »Sie scheinen ja ganz gut Bescheid zu wissen.«

»Ich kenne einige von den Treize Plats. Ein paar sogar näher. Darum ist dieser Fall für mich persönlich gar nicht so leicht zu packen, das müssen Sie mir glauben. Aber ich will es professionell angehen.« Er räusperte sich. »Bei denen ist es ein bisschen wie bei einem Geheimbund. Man kann da nicht einfach Mitglied werden, jemand muss für einen bürgen, wie bei den Freimaurern. Der Rico Hubschmidt ist der Einzige, der vom Gastronomiefach ist. Die anderen sind Ärzte, Unternehmer, Rechtsanwälte, mit dem Laienschauspieler Pascal Bretten haben sie auch einen Künstler dabei.«

»Es sind lauter Männer? Wie man sich das bei einem Kochclub so vorstellt?«

»Nein, bei den Dreizehn Plattlern sind auch Frauen dabei. Zum Beispiel die Erika Lorek, die zusammen mit ihrem Mann, dem Dachdeckermeister Thomas Lorek, zu den Kochabenden geht. Wahrscheinlich sind die beiden so etwas wie die Quotenproletarier.«

»Thomas Lorek – ist das nicht das Opfer, das in der Suppe ertrunken ist?«

»Richtig. Der Lorek ist der letzte Spross einer alten Dachdeckerdynastie gewesen. Fünfte Generation, gut laufendes Geschäft, viele treu ergebene Angestellte, seine Frau Erika ein bisschen bieder, aber bildhübsch, herzige Kinder – und dann

»Die Mitglieder sind also lauter ehrenwerte Bürger.«

»So ist es. Und ganz arm ist da auch niemand. Jedenfalls veranstalten die manchmal Wohltätigkeitsaktionen: einen Stand auf dem Christkindlmarkt, Spendenaufrufe, Sammlungen mit der Klingelbüchse, Schirmherrschaften, solche Charity-Sachen halt.«

»Der Angriff könnte also dem Club insgesamt gegolten haben?«

Hölleisen kratzte sich am Kopf.

»Ich weiß nicht so recht. Was soll jemand gegen solch einen zwar gspinnerten, aber dann doch letztendlich harmlosen Verein haben?«

Jennerwein zuckte die Schultern.

»Wird denn immer in diesem Restaurant gekocht?«

»Meistens, ja. Da haben sie wahrscheinlich die am besten ausgestattete Küche. Der jeweilige Löffelführende bestimmt die Gerichte, und einer darf immer einen Überraschungsgast mitbringen.« Verschwörerisch und mit einer angedeuteten vorgehaltenen Hand fügte Hölleisen hinzu: »Einmal, so wird gemunkelt, soll der Bundespräsident höchstpersönlich dabei gewesen sein.«

»Nur gemunkelt? Bei so einem Kaliber wie dem Bundespräsidenten müsste sich das doch herumgesprochen haben, schon allein wegen der Koordination der Security mit der lokalen Polizei.«

»Eben nicht! Der soll ganz alleine gekommen sein und sich darauf verlassen haben, dass nichts nach außen dringt.«

Jennerwein schüttelte verwundert den Kopf. Hölleisen seufzte. Auf seinem gutmütigen Gesicht erschien ein Anflug von Sorge.

Über Jennerweins Miene huschte ein sorgenvoller Schatten.

»Die schon wieder. Ich wusste gar nicht, dass die kochen kann. Ihre Apfel-Maracuja-Muffins beim letzten Klassentreffen waren jedenfalls steinhart.«

»Vielleicht hat sie sich ja deshalb den Dreizehn Gängen angeschlossen. Um es zu lernen.«

Jennerwein musste lächeln. Antonia war Klassenkameradin von ihm gewesen, schon damals hatte er sich mit ihr gefetzt, wo es nur ging. In den letzten Jahren hatten sich ihre Wege immer wieder und in immer kürzeren Abständen gekreuzt. Antonia hatte sich in ihrer Eigenschaft als zuständige Staatsanwältin in seine Ermittlungen eingemischt und ihn dabei oft zur Weißglut getrieben. Sie hatte ihm dazwischen aber auch immer wieder geholfen. Umgekehrt genauso. Er hatte sie einmal sogar aus einer lebensgefährlichen Situation befreit. Aber im Grunde schien sie nur ihre gegenseitige Abneigung zu verbinden.

»Ist sie schon informiert?«

Die Antwort Hölleisens ging im lauten Geknatter eines Hubschraubers unter, der hinter dem Gebäude startete. Becker ließ damit wohl die ersten Materialproben ins Labor fliegen.

 

Die Spurensicherermaden taten ihre kleinteilige und schweißtreibende Arbeit, die meisten von ihnen befanden sich auf der anderen Seite des Gebäudes. Vorsichtig hob Jennerwein das Absperrband hoch, um über die Wiese zum eigentlichen Tatort zu gelangen. Sie zeigten ihre Dienstmarken, eine der Maden winkte, näher zu treten.

Es war ein zweistöckiges Haus mit gut erhaltenem Mauerwerk und gelb bemalten Holzverblendungen. Im ersten Stock waren kleine Zierbalkone zu sehen, die Fenster dort waren mit schmiedeeisernen Gittern gesichert, eine deutliche Erinnerung an die ehemalige Nervenheilanstalt.

»Ja, der Rico Hubschmidt hat das alte, verfallene Sanatoriumsgebäude renoviert«, sagte Hölleisen. »Er hat dabei ziemlich viel Geld reingesteckt. Aber wenn sie natürlich so einen wie den Bundespräsidenten einladen, dann ist diese Lage schon das Beste. Etwas erhöht, mit mehreren Fluchtwegen nach allen Seiten. Sogar einen Hubschrauberlandeplatz gibt es hinter dem Haus.«

»Ich brauche jedenfalls eine Liste der Mitglieder von Les Treize Plats.«

»Ich habe schon damit angefangen, Chef. Manche kenne ich ja. Aber eine vollständige Liste zu bekommen, ist wahrscheinlich nicht so ganz einfach, nachdem es ja ein Geheimbund ist. Doch angesichts der traurigen Umstände werden sie schon damit rausrücken.«

 

Sie gingen auf der breiten, edel mit Terrakotta gepflasterten Terrasse um das Gebäude herum, versuchten auch ein paar Blicke durch die Fenster zu werfen. Die meisten waren jedoch durch altmodische, ebenfalls frisch gestrichene Fensterläden verschlossen. Über den Fenstern waren Tafeln angebracht, auf denen launige Sentenzen zum Thema Wein, Bier und Schnaps zu lesen waren. Sokrates, Goethe, Freud, Adorno – es schien so, als hätte jeder Dichter und Denker etwas zu dem Thema geschrieben.

Kurt Tucholsky

 

»Der Wein wandelt den Maulwurf zum Adler.«

Charles Baudelaire

 

»Der Rausch ist ein Zustand, der zu Affekten disponiert, indem er die Lebhaftigkeit der anschaulichen Vorstellungen erhöht, das Denken in abstracto dagegen schwächt und dabei noch die Energie des Willens steigert.«

Arthur Schopenhauer

Bald standen sie vor der Küchenzeile. Hier war die Fensterfront auslagenähnlich vergrößert worden, sie lud zum Hineinschauen ein, die vorbeiflanierenden Gäste sollten wohl den Eindruck einer sauber-kreativen Küche bekommen, die nichts zu verbergen hat.

»Ein merkwürdiger Tatort«, murmelte Jennerwein. »Eine voll erleuchtete, offene Bühne.«

Einer der Spurensicherer winkte sie wortlos näher, als ob durch eine gesprochene Aufforderung allzu feine Spuren, die noch in der Luft lagen, zerstört worden wären. Er zeigte auf eine Stufe schräg neben dem Fenster, von wo aus man einen relativ guten Blick in die Küche hatte. Als Jennerwein und Hölleisen sich genau an der Stelle befanden, von der aus Siegfried Schlatt vorher in die Küche geschaut hatte, bot sich den Polizisten der gleiche schreckliche Anblick. Ein großgewachsener Mann mit quietschgrünem T-Shirt und saucenverschmierter Kochschürze war über den Herd gebeugt, sein Kopf war vollständig in einem großen Topf versunken. Die Hubschraubergeräusche waren inzwischen verstummt, die völlige Ruhe wirkte wie ein Paukenschlag.

Jennerwein beugte sich vor. Die Hände des Mannes waren unter das Eisengitter des Gasherds geschoben, die Finger gespreizt und unnatürlich verdreht, was den Körper daran hinderte, vom Herd herunterzurutschen und auf den Boden zu fallen. Die Hände waren an einigen Stellen bis auf die Knochen verbrannt. Der Topf selbst war bis zum Rand gefüllt, viele eingetrocknete Suppenspritzer neben dem Gasbrenner verrieten, dass er übergelaufen war. Eine Armlänge vom Topf entfernt lag der passende Deckel dazu. Jennerwein fiel auf, dass er blitzblank war. Es schien so, als ob er nachträglich hingelegt worden wäre.

 

Ein Räuspern ertönte. Hansjochen Becker, der Alphaspurensicherer, stand hinter ihnen. Seine Haare waren superkurz geschnitten, deswegen fielen seine großen, abstehenden Ohren besonders auf. Becker hatte seinen Helm abgenommen, bunte, herausquellende Drähte und ein blinkendes Display in der Sichtscheibe verrieten, dass es sich um einen Funktionshelm handelte mit Infrarotsensor, Kamera, Materialbestimmungstool und anderen Messgeräten.

»Viel Hoffnungen mache ich Ihnen diesmal nicht«, sagte er mit seiner knarzigen, unfreundlich wirkenden Stimme. Alle wussten, dass er es nicht so meinte. »Wir haben es hier mit einem aus Forensikersicht äußerst unergiebigen Tatort zu tun. Nicht, weil wir zu wenig Spuren vorgefunden haben, sondern weil es ganz im Gegenteil viel zu viele davon gibt. Auf kleinstem Raum hat sich eine Horde von Menschen bewegt. Hustende, schwitzende, herumtrampelnde Spurenvernichtungsmonster. Jeder hat die seines Vorgängers überlagert und verfälscht und sie dadurch bedeutungslos gemacht. Die

»Dürfen wir schon rein?«

»Nein, wir brauchen noch eine Weile. Die Menge an Töpfen und Tiegeln und Kisten, die wir zu untersuchen haben, ist enorm. – Aber hier auf der Terrasse können Sie sich schon frei bewegen.«

»Eine Frage habe ich noch«, sagte Jennerwein.

Becker zuckte die Schultern.

»Brannte die Gasflamme unter dem Topf noch, als Sie am Tatort eintrafen?«

»Genau das habe ich Pascal Bretten, den Augenoptiker, auch gefragt. Er gab an, dass sie bei seinem Eintreffen noch auf allerkleinster Stufe stand. Er hat sie ausgeschaltet.«

»Haben Sie die Temperatur der Brühe gemessen?«

Becker warf Jennerwein einen kurzen Blick zu.

»Nein, Chef, ich bin den ganzen Nachmittag auf der Terrasse gesessen und habe mir die Fingernägel lackiert. Ich mache hier nur Urlaub.«

 

Zur gleichen Zeit irrte der kleine, bucklige Mann mit der sandfarbenen Ballonmütze immer noch schwer atmend und mit gehetztem Blick durch den Wald. Der Landschafts- und Pilzmaler Siegfried Schlatt versuchte vergeblich, das Bild der Leiche aus seinem Kopf zu bekommen. Jetzt hielt er an und ließ sich erschöpft auf einem umgestürzten Baumstamm nieder. Er war so durcheinander, dass er inzwischen nicht mehr ausschloss, dass er selbst es war, der den Mord begangen hatte.

Hölleisen und Jennerwein traten wieder ans offene Fenster, um die Leiche des Mannes in den braunen Kniebundhosen genauer in Augenschein zu nehmen. Hölleisen schüttelte den Kopf.

»So etwas Brutales habe ich meiner Lebtag noch nicht gesehen«, sagte er mit einem winzigen Beben in der Stimme. Dann wandte er sich nachdenklich an seinen Chef. »Ich weiß nicht, wie ich sagen soll, aber mir ist da gerade eine ganz blöde Idee gekommen.«

Hölleisen sprach nicht weiter.

»Los, raus damit«, sagte Jennerwein. »Es gibt keine blöden Ideen.«

»Es ist doch schon wieder so ein Bär unterwegs«, begann der Polizeiobermeister zögerlich. »So ein Problembär wie der Bruno vor ein paar Jahren. Die Österreicher oder sogar Italiener haben ihn ausgewildert. Wie damals. Er ist hier in der Gegend gesehen worden. So ein Bär kennt natürlich keine Staatsgrenzen. In ein bewohntes Gebiet traut er sich nicht, der Bär, aber ich stell mir vor, dass er im Wald auf einmal die Wirtschaft entdeckt. Er riecht die Speisen, die Tür steht offen, er glaubt, das ist alles für ihn, er sieht den Mann und meint, dass der ihm gerade seinen Brei wegfrisst –«

Hölleisen unterbrach sich. Er erwartete wohl, dass Jennerwein ihn auslachte, aber der blickte ihn ernst an.

»Drum bin ich auf den Bären gekommen. Man muss ja, soviel ich weiß, den Kopf eines Menschen mehrere Minuten unter Wasser halten, bis man sicher sein kann, dass der Tod eingetreten ist. Da gehört eine Riesenkraft dazu.«

Hämisches Gelächter erschallte hinter ihnen.

»Der Bär? Der herumstreunende Bär, der in die Fotofalle getappt ist, der soll den armen Dachdecker in die heiße Brühe getaucht haben?«

Das war Becker, der zurückgekommen war und Hölleisens erste Arbeitshypothese wohl mitgehört hatte.

»Sonst noch Auffälligkeiten?«, fragte ihn Jennerwein.

Becker knurrte wie ein Hund. Er war schon immer ein grummeliger Typ gewesen. Aber jetzt hatte er sich dieses langanhaltende Hundeknurren angewöhnt. Vielleicht lag es ja auch an den Zähnen, die ihm beim vorletzten Fall vor zwei Jahren ausgeschlagen worden waren, bei den Geschehnissen auf der Hütte, bei denen Jennerwein nicht mehr zum Süppchenkochen gekommen war. Auch einige von Beckers Mitarbeitern hatten sich dieses Knurren inzwischen angewöhnt.

»Ja, Auffälligkeiten gibt es mehr als genug«, knurrte Becker weiter. »In dem Raum, der an die Küche angrenzt und der eingerichtet ist wie ein Büro, ist ein Safe in die Wand eingelassen. Er stand sperrangelweit offen. Wohlgemerkt liegt keine gewaltsame Öffnung vor, es ist auch nicht drin herumgewühlt worden, soweit wir sehen konnten. Der Inhalt besteht hauptsächlich aus Kochrezepten, auch handgeschriebenen, manche sogar in altdeutscher Schrift. Wir haben natürlich alles sichergestellt und katalogisiert. Was wir aber in der hintersten Ecke noch gefunden haben, hat uns dann doch überrascht.« Becker machte eine genüssliche Pause. »Der

»Kokain?«, fragte Jennerwein überrascht.

»Ja, genau. In Sichtverpackungen portioniert, so ähnlich wie bei den Blistern, die man von Tabletten her kennt. Die Portionsmengen haben uns dann allerdings vor ein neues Rätsel gestellt. Zehn Milligramm Kokain scheint mir viel zu wenig für eine Linie.«

»Vielleicht ist es eine Kinderportion«, warf Hölleisen ein.

Strenger Blick von Jennerwein, missbilligendes Knurren von Becker, schuldbewusstes Schulterzucken von Hölleisen. Von Ferne näherte sich schon wieder ein Helikopter.

»Dann hat also der Restaurantbesitzer gedealt?«

»Der Hubschmidt? Ein Dealer?«, lachte Hölleisen. »Der ist so gespickt, der braucht sich wirklich nichts dazuzuverdienen.«

»Na ja, und auch die Mengen sprechen dagegen.«

»Vielleicht wollte er sein Küchenpersonal bei Laune halten. Sozusagen ein kleiner Gruß in die Küche. Man hört, dass der Beruf des Kochs sehr anstrengend sein soll. Dauernd in dieser Hitze.«

 

Hölleisen wandte seinen Blick wieder dem toten Dachdecker zu. Zwei Spurensicherer hoben den Kopf vorsichtig hoch, ein anderer zog den Topf weg, unter das Gesicht wurde eine Folie geschoben.

»Da fällt mir ein, dass der arme Teufel auch schon einmal bei mir zu Hause war«, sagte Hölleisen. »Meine Frau hat ihn angerufen, wegen eines Schuppendachs in unserem Garten, das undicht geworden ist. Er hat versprochen, es zu richten. Normalerweise ist das ja mit den Handwerkern so eine Sache. Aber der Lorek ist nicht erst nach einem halben Jahr, sondern

Die Spurensicherer hatten den Kopf Loreks vollständig mit Folie umwickelt, jetzt legten sie den Mann vorsichtig auf eine bereitgestellte Bahre. Zwei andere trugen den schweren Topf aus dem Raum. Jennerwein wandte sich an Hölleisen.

»Wenn Lorek der Chef einer großen Firma mit mehreren Filialen war, dann wundert es mich schon, dass er noch höchstpersönlich zu seinen Kunden geht, um dort Reparaturen durchzuführen.«

»Vielleicht hat er mir einen Gefallen tun wollen.«

»Vielleicht wollte er sich auch aus irgendeinem Grund mit der Polizei gut stellen und sich bei Ihnen einschmeicheln«, mischte sich Becker ein.

»Ja, schon möglich«, sagte Hölleisen. »Aber dabei hat er bestimmt nicht an seine eigene Morduntersuchung gedacht. Ich will jedenfalls meinen Teil dazu beitragen, den zu finden, der Lorek das angetan hat.«

Die Spurensicherer trugen die Leiche aus der Küche, Jennerwein beugte sich über das Fensterbrett weit in den Raum hinein. Den meisten Platz nahm ein riesengroßer Herd mit zwölf Gaskochstellen ein, der in der Mitte des Raums stand. Jennerwein schätzte, dass in dieser Küche mindestens acht Köche gleichzeitig arbeiten konnten. Zwischen Herd und Wand kamen gerade einmal zwei Leute aneinander vorbei. Die Wände waren vollgestellt mit Regalen, an den freien Flächen waren viele bunte Zettel und Listen zu sehen. Auf einer Buchstütze lag ein aufgeschlagenes Buch, vielleicht ein Rezeptbuch. Zwei große gerahmte Fotos fielen besonders auf. Das eine zeigte Rico Hubschmidt, den Inhaber, eine blendende und gutgelaunte Erscheinung. Auf dem anderen Bild war eine Gruppe von nicht minder gutgelaunten Personen

»Dort liegt die zweite Leiche«, sagte Hansjochen Becker.

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HUBSCHMIDT’s

4,3 (41) · Gehobene Küche

Dienstag geschlossen · Öffnet um 17:30

Restaurant mit stylishem naturfarbenen Design · kreative Haute Cuisine · Essen bis spätabends · Sitzplätze im Freien · Kleidung zwanglos

Bewertung (verifizierter Kunde):

(= hervorragend)

 

Hubert S. schrieb:

P. S.

»Hier kommt das Kaninchenfilet«, sagte Jacques breit lächelnd.