Monika Salzer

OMAS GEGEN RECHTS

Warum wir für die Zukunft
unserer Enkel kämpfen

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Monika Salzer

Monika Salzer, 1948 in Wien geboren, hat Psychologie und Evangelische Theologie studiert und als Seelsorgerin und Psychotherapeutin gearbeitet. Im November 2017 gründete sie auf Facebook die Gruppe OMAS GEGEN RECHTS, die in der Zivilgesellschaft in Österreich bald große Bekanntheit erhielt und mittlerweile auch in Deutschland 100 Ortsgruppen hat. Monika Salzer lebt in Wien und Niederösterreich. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und drei Enkelkinder und arbeitet nach wie vor als Psychotherapeutin.

Impressum

© 2019 der eBook-Ausgabe Droemer eBook

© 2019 Droemer Verlag

Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit

Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Jan Strümpel

Covergestaltung: Covergestaltung: Isabella Materne

Coverabbildung: Droemer Knaur/Markus Röleke

ISBN 978-3-426-45764-1

Hinweise des Verlags

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.


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Legende

»Rechts« bedeutet rechtsextrem oder rechtspopulistisch

Regierung Kurz/Strache bedeutet: Regierung Kurz (ÖVP)/ Strache (FPÖ),
Dezember 2017 bis Mai 2019

OMAS bedeutet OMAS GEGEN RECHTS

Dieses Buch widme ich all den mutigen, tapferen, lebendigen,
kreativen politischen Frauen und Männern der Zivilgesellschaft,
die sich in Österreich und Deutschland als
OMAS GEGEN RECHTS engagieren.

Wir Gutmenschen

Vorwort von Susanne Scholl

Wann ist es eigentlich Mode geworden, das Wort »Gutmensch« als Schimpfwort zu benutzen? Und wieso haben wir, die solcherart Apostrophierten, nicht sofort mit der Einführung des Schimpfwortes »Bösmenschen« reagiert?

Weil wir eben Gutmenschen sind. Also Menschen, die tatsächlich versuchen, dieser Bezeichnung gerecht zu werden.

Wir haben Werte, das allein macht uns schon verdächtig. Denn Hand aufs Herz, wer hat heutzutage noch Werte? Heute geht es doch um das äußere Erscheinungsbild, um Eloquenz, Schläue und Manipulationsfähigkeit. Der höchste Wert ist Macht, danach kommt das Geld, und dann kommt lange nichts.

Nein, natürlich sind wir nicht alle zu hohlen Hüllen verkommen. Und natürlich gibt es sehr viel mehr echte Gutmenschen als Bösmenschen. Allerdings ist es wie immer: Die Gutmenschen sind viel leiser als die Bösmenschen. Die meisten zumindest.

Wir aber, die kollektiven Gutmenschen, inzwischen ziemlich weltbekannt unter dem Namen OMAS GEGEN RECHTS, haben uns geschworen, nicht leise zu sein. Und wir sind stolz darauf, wenn man uns Gutmenschen nennt und uns damit signalisieren will, wir seien im Grunde lächerlich und verabscheuungswürdig.

Wir widersetzen uns allem, was man von Menschen in unserem Alter erwartet. Wir wollen mehr, als mit gesenktem Kopf, womöglich mit Kopftuch – dem österreichischen, das man vorn unter dem Kinn zusammenknotet –, Einkäufe zu erledigen, um dann rasch zu Hause für die Familie zu kochen, zu nähen oder zu stricken.

Wir finden, dass wir für unsere Kinder und Enkelkinder viel mehr tun müssen. Wir sind nicht leise und unterwürfig. Wir äußern uns lautstark zu dem, was in unserem Land vor sich geht, und machen uns bemerkbar als Menschen, denen die Zukunft aller am Herzen liegt.

Bösmenschen allerdings finden ja, dass wir – die OMAS GEGEN RECHTS – »schon länger leben, als wir nützlich sind«. Moment, was war das jetzt? Darin steckt jenes Denken, das seinerzeit meinen Großeltern zum Verhängnis wurde. Mir, der Enkelin von Holocaustopfern und auch deshalb heute OMA GEGEN RECHTS, wird von einem Bösmenschen mein Recht auf Leben abgesprochen?

Das werde ich, das werden wir, die bösen Gutmenschen, nicht zulassen. Dass sich dieser grauenhafte Abschnitt europäischer Geschichte in irgendeiner Form wiederholt, und sei es auch nur als Farce. Und je länger man versucht, uns unser Gutmenschsein zum Vorwurf, ja zur Schande zu machen, umso stolzer können wir darauf sein.

Und seien wir ehrlich: Es gibt gar nicht so viele Bösmenschen, vor denen wir uns fürchten müssten. Sie, die Bösmenschen, sollten sich vielmehr vor uns fürchten. Vor uns, den Gutmenschen.

Einleitung

Es war Nacht, und der nächste Tag würde schwer werden. Meine Mutter war friedlich gestorben, in hohem Alter, die Trauerfeier stand bevor. Ich saß am Tisch vor zahlreichen Alben und stöberte in den Fotos meiner Vorfahrinnen: die Hebamme, die Straßenbahnschaffnerin, die Fabrikarbeiterin, die Sekretärin, die Lehrerin – beeindruckende Frauen, unabhängig und stark in schweren Zeiten. In ihren Gesichtern lag eine Entschiedenheit, die ansteckend war und zu Herzen ging. Mein Leben lang war ich empfänglich für Geschichten, die von Hoffnung erzählen, und die Großmütter steckten voll von ihnen.

Die wesentlichen Dinge bekommt man geschenkt: das eigene Leben, die große Liebe, die Kinder und Enkelkinder. Die Welt meiner Großmütter war von großen Verlusten geprägt gewesen, von Krieg und Zerstörung. Meine Generation und die meiner Kinder wuchsen in einem weitgehend friedlichen Land auf, wenn auch direkt an einer fast unüberwindlichen Grenze, die die Welt in zwei politische Sphären teilte. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs lebten meine Enkel dann in einem Europa ohne Grenzen, das scheinbar endlose Freiheit versprach.

Ausgerechnet der Aufstieg der sogenannten »Freiheitlichen« bedrohte das lieb gewonnene und vielleicht zu wenig verteidigte Modell einer freien, toleranten und offenen Gesellschaft. Stück für Stück eroberten diese Leute politisches Terrain, schafften es in einige Bundes- und Landesregierungen. Spätestens nach der Nationalratswahl vom 15. Oktober 2017 war klar, dass Österreich einen Rechtsruck erlebt hatte und die Rechten in der Mitte der Gesellschaft angekommen waren. Sie sollten Österreich nun mitregieren, nicht als kleine Mehrheitsbeschaffer, sondern mit sattem Stimmenergebnis und auf Augenhöhe mit ihrem bürgerlichen Koalitionspartner.

Angesichts dieser Situation kam Verzweiflung über mich, doch was nützt es, verzweifelt durchs Leben zu gehen? Ich erinnerte mich an meine starken Großmütter und wurde aktiv: Am 16. November 2017 gründete ich eine kleine Facebook-Gruppe, die OMAS GEGEN RECHTS. Der Name wurde Programm.

Statt mich zu ängstigen, dachte ich mir: Steh auf!

Statt die Luft zum Atmen zu verlieren: Geh hinaus!

Statt zu leiden: Mach dem Leiden ein Ende!

Das Böse ins Gute zu wandeln, setzt große Energien frei. Schon nach einer Woche erfreute sich die Gruppe regen Zuspruchs, es war etwas geglückt. Vielleicht hatte ich die Zeichen der Zeit erkannt und den richtigen Moment erwischt, aber im Grunde folgte ich einfach meinem Gefühl. Sensibilisiert durch die politischen Entwicklungen, sah ich radikal, was auf uns zukommen könnte: eine illiberale Demokratie. Ich habe mich nicht getäuscht.

Wenn Ihr, die Ihr dieses Buch lest, jung seid: Vertraut den Frauen in Eurer Familie! Sie sind vom Patriarchat geprägt und haben oft keinen ausgeprägten Glauben an sich selbst. Deshalb glaubt Ihr an sie, und Ihr werdet die in ihnen ruhende Kraft spüren!

Wenn Ihr alt seid: Ihr seid das Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft und habt etwas zu erzählen! Behaltet Eure Geschichten nicht für Euch, sondern gebt sie an Eure Enkel weiter. Wie soll unsere Jugend die Zukunft gestalten ohne Wissen von Eurer Vergangenheit?

Und gleich, ob Ihr jung oder alt seid: Steht auf und lasst Euch nichts gefallen. Ihr habt mehr in der Hand, als Ihr denkt!

Ich durfte und darf das bei den OMAS erfahren. Jede bei uns verfügt über einen ungeheuren Schatz an Erfahrung, Wissen, Anteilnahme, Fürsorge und politischer Haltung. Wir haben aus der Geschichte gelernt und kämpfen heute für unsere Enkelkinder, damit die Rechten nicht siegen und Europa zerstören. Humanismus, Demokratie, Menschenrechte – das ist die Seele Europas. Es braucht uns alle, um sie zu schützen!

Ob du sechs bist oder hundert,

Sei nicht nur erschreckt, verwundert,

Tobe, zürne, misch dich ein,

Sage Nein!

 

Konstantin Wecker

 

Sage Nein!

Einen Tag nach den Wahlen zum Europäischen Parlament stürzte die österreichische Regierung am 27. Mai 2019 über ein Misstrauensvotum im Nationalrat. Damit verlor der junge Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der mit seiner Jugendlichkeit und kommunikativen Begabung viele Herzen erobert hat, zunächst einmal sein Amt. Bei den Neuwahlen zum Nationalrat im Herbst 2019 wird er es sich möglicherweise zurückerobern. Bis dahin ist eine Interimsregierung unter der ehemaligen Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein eingesetzt, der ersten Bundeskanzlerin in der Geschichte Österreichs.

Kurz, der sich zuvor als Außenminister auf dem internationalen Parkett gewandt zu bewegen und Respekt zu verschaffen wusste, hat sich verblüffend schnell zu einem autoritären Bundeskanzler aufgeschwungen, der das Parlament in Verachtung hinter sich ließ. In Österreich waren wir Operettenprinzen schon immer zugetan, ein schöner Mensch kann in unseren Augen nicht böse sein. Ältere Frauen kommen ins Schwärmen, sind nicht zu halten vor Begeisterung, wenn Kurz vor ihnen in Erscheinung tritt.

Dabei wird, was Sebastian Kurz seit seiner Amtseinführung politisch angerichtet hat, weitgehende Konsequenzen haben. In kürzester Zeit wurde die Republik umgebaut. Siebzehn Monate lang hat der junge Mann mit den Rehaugen während vieler grundlegender Maßnahmen die Opposition und deren Fachleute keines Blickes gewürdigt, geschweige denn das Gespräch mit ihnen gesucht. Er betrieb das Ignorieren nach Art psychologischer Kriegführung, wie es sie in Österreich noch nie zuvor gegeben hatte.

Die Gründer der Zweiten Republik – sagt man – hätten gemeinsam in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten gesessen und bereits dort am künftigen Aufbau der Demokratie gearbeitet. Das verband die beiden staatstragenden Parteien ÖVP und SPÖ jahrzehntelang über allen Streit hinweg. Man musste und konnte gemeinsam politische Entscheidungen treffen.

Erst Sebastian Kurz hielt es für nützlich zu behaupten, die beiden Parteien seien unfähig zur Zusammenarbeit. Stattdessen holte er die regierungsunfähige Rabauken-Partei FPÖ in die Regierung, und er hat der FPÖ mit dem Verteidigungs- und dem Innenministerium auch die Geheimdienste anvertraut. Er rühmte sich falschen Herzens, ein Reformprojekt gestartet zu haben. In Wirklichkeit wurde unter seiner Führung ein radikaler Umbau eingeleitet, durch den Österreich immer mehr Züge eines illiberalen Staates angenommen hat. Als die FPÖ einige Ministerien mit rechtsradikalen Burschenschaftern besetzte und Heer und Polizei mit Identitären unterwandern ließ, schaute Kurz nur dabei zu. Wir haben in Österreich Alarmstufe Rot: Sebastian Kurz ist ein Rechtsextremist mit schönem Antlitz.

 

Wie die Leute, mit denen sich Kurz umgibt, wirklich denken, enthüllte das Video, das im Mai 2019 zur »Ibiza-Affäre« und zum plötzlichen Ende der ÖVP/FPÖ-Regierung Kurz/ Strache führte. In dem 2017 verdeckt gedrehten Video sieht man Heinz-Christian Strache, der wenige Monate später Vizekanzler werden sollte, im stundenlangen Gespräch mit einer vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen. Gegen Spenden am »Rechnungshof vorbei« bietet er ihr unter anderem Schmankerl wie die »Kronenzeitung« und die Wasser-Privatisierung an und zeigte darin offen Bereitschaft zu Korruption, Umgehung von Gesetzen und Medienmanipulation.

Die Öffentlichkeit rang um Fassung, als sie das Video zu sehen bekam, dabei war alles gar nicht besonders erstaunlich, anderes hatte man von dieser Partei ohnehin nicht erwartet. André Heller kommentierte: »Es gibt viele, die das gar nicht abstößt, die sagen: Ah, es ist in Ordnung, dass man sozusagen bis zu einem gewissen Grad ein Mensch gewordener Rülpser wird.« Straches Partei kam denn auch glimpflich davon, bei der Europawahl nur zwei Wochen nach Bekanntwerden des Skandals brach die FPÖ in der Wählergunst kaum ein.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen beeilte sich zu sagen: »So ist Österreich nicht.« Doch schon in den 1980er-Jahren beschrieb die Schriftstellerin Inge Merkel sehr genau einen tief verwurzelten Charakterzug: »Wenn einer in Österreich ein Bösewicht ist, dann ist er kein Richard II., kein Jago, dann ist er ein Nestroy-Schuft. Diese sind zwar zutiefst gemein und niederträchtig, aber ein gefälliger Regisseur kann sie unschwer zur komischen Figur machen, über die man lachen muss; dabei vergisst man, dass Komik Niedertracht nicht ausschließt, nur gefährlicher macht.« Und Armin Thurnher bilanzierte Ende Juni 2019 in der Wochenzeitung »Falter«: »Segen für Kurz, Schwindel um Strache: ein Land gibt sich auf. Österreich verliert vor aller Augen gerade seine politische Zurechnungsfähigkeit.«

Die Werte, mit denen wir aufgewachsen sind, gelten immer weniger. Das Fundament der Demokratie ist europa- und weltweit bedroht. Die Feinde der »offenen Gesellschaft« sind bereit, die Macht zu übernehmen, oder haben sie schon an sich gerissen. Diktaturen sind im Kommen, und dazu braucht man nicht einmal brachiale Gewalt, denn die Wählerinnen und Wähler legitimieren die Politik mit ihren Stimmen. Die Spirale staatlich gelenkter Ausgrenzung und Desinformation dreht sich in vielen Ländern immer schneller, und so wird es schwerer, diesen Prozess wieder umzukehren.

 

Wir alten Frauen nehmen uns, einem Wort Dietrich Bonhoeffers folgend, heraus, dem Rad der Geschichte in die Speichen zu fallen, unseren Widerstand laut zu machen, uns einzumischen, denn wir haben Angst. Keine solche Angst wie die Wählerinnen und Wähler der Rechten, die Sündenböcke brauchen, um sich abgrenzen und besser fühlen zu können. Wir haben Angst, weil wir seit unseren Jugendjahren die Demokratie genossen und zum Teil mitgestaltet haben. Wir haben Angst um unsere Jugend, die ein gutes Leben in Freiheit braucht und der wir weiterhin die Sicherheiten des Sozialstaates wünschen. Wir haben Angst, weil Europa wirtschaftlich an Boden verliert, den sozialen Ausgleich zwischen Ost und West, Nord und Süd nicht schafft und Flüchtlinge im Meer ertrinken lässt. Im Umgang mit leidenden Menschen und Regionen weltweit verspielt Europa seine moralische Integrität.

Politische Teilhabe erschöpft sich nicht mit dem Kreuzchen in der Wahlzelle und rasch hergesagten Meinungen. Niemand hört an der Wohnungstür auf, ein politischer Mensch zu sein, das lernten wir in den 1970er-Jahren. Politik durchzieht dein Leben, und Widerstand kann schon beim Einkaufen beginnen. Damals waren es die Früchte aus dem Apartheidstaat Südafrika, die wir boykottierten, heute haben wir im Alltag viele Möglichkeiten, der allgegenwärtigen Ausbeutung von Mensch und Natur bewusst entgegenzutreten.

Wir OMAS GEGEN RECHTS möchten allen Mut machen, die noch zu Hause sitzen und glauben, es ginge sie alles nichts an oder sie wären hilflos. Wir möchten Mut machen, sich zu fragen: Was müssen wir tun, um die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zu bewahren? Wohin soll sich Europa als Teil der Weltgemeinschaft weiterentwickeln? Was kann ich dazu beitragen, unserer Jugend eine gute Zukunft zu sichern? Wie positioniere ich mich im Widerstand gegen aggressiven Nationalismus und Rechtsextremismus?

Denn von den Bedrohungen einer rückwärtsgewandten Politik sind wir alle betroffen. Europaweit haben sich Bewegungen mit antidemokratischer Agenda gebildet, in Italien, in Frankreich, in Ungarn und Finnland. In Deutschland sitzt die AfD im Bundestag und sämtlichen Landesparlamenten, in der Schweiz ist die nationalkonservative SVP aus der letzten Wahl gestärkt hervorgegangen.

Dass sich Sebastian Kurz als Bundeskanzler damit brüstete, die Mittelmeerroute geschlossen zu haben, lässt sich nur im Licht dramatischer Selbstüberhöhung verstehen. Sein Mangel an Empathie, die verzerrte Sicht auf die eigenen Fähigkeiten und das narzisstische Verlangen nach Anerkennung stachen ins Auge. Widerstand gegen diese Abschottungspolitik begann sich schließlich auch in den eigenen Reihen zu regen. Nachdem Kurz seinen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner 2017 kalt abserviert hatte, schrieb dieser ein Buch mit dem Titel »Haltung« und kritisierte im Frühjahr 2019 erstmals innerparteilich die Wende der ÖVP hin zum Rechtspopulismus. Weil er die Flüchtlingspolitik als menschenverachtend bezeichnete, trug ihm das allerdings sofort den Zorn der ÖVP-Landeshauptleute ein.

Bis zur »Ibiza-Affäre« wurden wir Österreicher anderthalb Jahre lang von Menschen regiert, die immer aufs Neue frech ausloteten, was man ungestraft sagen kann. Wir lebten unter dem Trommelfeuer rechter Strategen, die ihre Worte als Waffen einsetzten und mit ihnen auf Wehrlose schossen.

Auf der anderen Seite ist dadurch die Zivilgesellschaft erwacht und hat die Straße als Ort der friedlichen Auseinandersetzung wiederentdeckt. Seit 2018 trifft man sich jede Woche in ganz Österreich bei der Donnerstagsdemonstration gegen den Rechtsruck. Inzwischen sind deutlich sichtbar die OMAS GEGEN RECHTS