Für meine liebe Freundin Ute. Unerwartet und sehr leise hast du dich auf den Weg gemacht, ich wünsche dir eine gute Reise.
Sind Sie genauso pflanzenverrückt wie ich? Ich vermute es, sonst würden Sie kaum diese Zeilen hier lesen. Willkommen im Club der Pflanzenflüsterer. Damit Sie aber zu einem wirklichen Pflanzenversteher werden, sollten Sie lernen, mit Ihren Pflanzen zu sprechen, sollten lauschen, wenn Zimmerpflanzen Ihnen ihre Bedürfnisse zurufen, wenn Ihre Schützlinge also Wasser, Licht oder Nährstoffe benötigen. Ja, richtig, manche Pflanzen schreien so laut, dass man sie nicht überhören kann, nur setzt das voraus, dass wir in der Lage sind, ihre etwas andere Kommunikation zu deuten. Palmen, Birkenfeigen oder der Bubikopf haben eben eine andere Sprache als wir Menschen. So wie wir Fremdsprachen lernen, um die Menschen aus anderen Ländern zu verstehen, sollten wir das auch bei unseren Pflanzen tun. Zumal diese ja allgegenwärtig und meist sehr nah sind, nur wenige Meter von uns entfernt (wenn überhaupt), wir müssen dazu nicht einmal in einen Zug oder in ein Auto steigen oder gar die halbe Welt umrunden. Extrem nachhaltig ist das.
Verständnis für Pflanzen zu entwickeln, bedeutet aber auch, Einblicke in ein faszinierendes Ökosystem zu bekommen, letztlich, wie alles mit allem zusammenhängt. Hat man sich das bewusst gemacht, wird man automatisch zum Naturschützer. Wie wir Menschen bauen Pflanzen nämlich Beziehungen zu ihrer Umwelt auf, können genauso wie wir Stress empfinden, zwar nicht dann, wenn einem die Arbeit über den Kopf wächst oder die Kinder krank sind, aber es gibt für sie ebenfalls reichlich Situationen, in denen sie sich gar nicht wohlfühlen. Zu viel Wasser, zu wenig Wasser, zu kalt, zu warm, zu viel oder zu wenig Licht, Infektionen durch Fraßfeinde oder eine unliebsame Nachbarschaft (das ist auch Menschen nicht fremd). Nicht jede Pflanze freut sich über jeden anderen grünen Gesellen, den man neben ihr aufs Fensterbrett platziert. Mit dieser merkwürdigen Topfblume soll ich mir den Raum teilen? Muss das sein? Die stinkt, die hat viel zu große Blätter und lässt mich im Dunkeln stehen. Auch wenn es manche Zimmergenossen gern kuschelig mögen und es lieben, viele fremde Blätter und Blüten um sich zu haben, so vertreten einige eben die klare Meinung, tendenzielle Wettbewerber könnten ruhig verduften. Zu eng. Zu kratzbürstig. Platzhirschgebaren.
Als Pflanzeneinsteiger könnte man jetzt einen Schreck bekommen: Himmel, diese Sprache werde ich ja nie lernen, das ist mindestens so kompliziert wie Chinesisch oder Finnisch. Keinesfalls, denn Sprachenlernen kann auch einfach sein, Spaß machen und einem eine völlig neue Welt erschließen. Wir können dadurch nämlich Neues in uns entdecken. Eine Reise in unsere Natur machen – in die der Menschen und der Pflanzen und ihr Zusammenleben. Und vielleicht erkennen: Pflanzen können gut und gerne ohne uns Menschen auskommen, wir aber nicht ohne sie.
Und überhaupt, ich bin schließlich auch noch da, ich kann Ihnen beim Lernen der Pflanzensprache zur Seite stehen und jederzeit mit Tipps in diesem Buch helfen. Gemeinsam finden wir auch die richtigen Pflanzen für Sie, ganz gleich, ob Sie ein Einsteiger oder ein alter Hase sind, ob Sie eine Zimmerbewohnerin fürs Schlaf- oder Wohnzimmer, für die Küche oder das Bad suchen. Im besten Fall verwandeln wir Ihr Zuhause sogar in einen Dschungel, das ist gerade Trend, Urban Jungle genannt.
Der Kauf von Pflanzen ist hierbei das geringste Problem. Vielleicht kennen Sie das und haben es schon selbst erlebt: Im Gartencenter, von dem einen oder anderen Tisch aus, raunt und flüstert es: «Nimm mich mit.» Pflanzen für den Garten haben es satt, länger ausgestellt zu sein, sie wollen in die Erde eingesetzt werden und zeigen, was sie draufhaben. Bei Zimmerpflanzen ist die Sache jedoch etwas subtiler. Zimmerpflanzen sind die etwas anderen Haustiere. Denn: Hauspflanzen, richtig behandelt, können zu Ihren wertvollsten Mitbewohnern werden. Und zwar auf Augenhöhe. Aus vielen «Hausbesuchen» und aus der Pflanzen-Sprechstunde in meiner Pflanzenklinik weiß ich, dass einige Angst davor haben, von ihren grünen Zimmergenossen regelrecht versklavt zu werden. Sie fühlen sich wie Diener in englischen Landhäusern, ständig in Bereitschaft, etwas für die «Herrschaft» tun zu müssen, sozusagen verpflichtet, um Punkt fünf den Tee – beziehungsweise das Wasser – zu servieren, möglichst kalkarm und am besten aus der Regentonne. Natürlich haben Sie, holen Sie sich Zimmerpflanzen ins Haus oder in die Wohnung, die Aufgabe, sich um sie zu kümmern und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Aber fühlen Sie sich versklavt, wenn Sie sich um Ihre Familienmitglieder kümmern? Nun gut, beim Verräumen von müffelnden Socken oder herumliegendem Kinderspielzeug könnte man schon manchmal auf den Gedanken kommen, aber das sind – hoffentlich – nur Momente. Im Grunde möchte man niemals mehr ohne seine Liebsten sein. Liebe und Hingabe, das ist vielleicht die bessere Charakterisierung, wenn es um das Verhältnis von Mensch und Zimmerpflanze geht.
Und denken Sie dabei auch daran: Nicht nur Haustiere suchen oft ein neues Zuhause, Pflanzen verlieren ebenso ihren umsorgten Standort. Besitzer verlassen unsere Welt, und manche von ihnen hinterlassen eine über Jahrzehnte gepflegte Pflanzenvielfalt in ihren Wohnungen. Diese findet dann nicht selten den Weg auf den Kompost oder in die Grüne Tonne. Gemeinsam können wir Augen und Ohren offen halten für diese Pflanzen, die sicherlich einiges erlebt haben und denen wir ein neues Zuhause bieten sollten. Bei vielen Haushaltsauflösungen sind Pflanzen nämlich die großen Verlierer.
Als Pflanzenarzt bin ich viel unterwegs und werde natürlich auch zu solchen Notfällen gerufen. Einmal fuhr ich wegen eines solchen traurigen Vorfalls in den Vorharz. Eigentlich hatte man mich kommen lassen, um einige Pflanzen im Garten zu begutachten und für diese ein neues Zuhause zu finden. Während ich dies tat, wurde nach und nach das Haus ausgeräumt. Als ich dann sah, dass alle Zimmerpflanzen, die herausgetragen wurden, halb vertrocknet waren und nun komplett in die Tonne wandern sollten, blieb mir fast das Herz stehen. Das konnte ich nicht zulassen. Mit einem folgenreichen Resultat: So hatte ich auf einmal viele neue Patienten, die ich ins Auto lud, begleitet von den skeptischen Blicken meiner Auftraggeber, die nicht verstehen konnten, was ich da für vergammelte Pflanzen einsammelte. «Sind die denn nicht tot?», fragten sie irritiert. Nein, tot waren sie noch nicht. Nicht ganz jedenfalls. In meiner Pflanzenklinik (ein großes Gewächshaus in Kissenbrück) bekamen sie eine Aufbaukur – und weil die Pflanzen mir wohl dankbar für meine Aktion waren, entwickelten sie sich prächtig, mit einem Meer an Blüten.
Nun hatte ich aber das Problem, dass der Platz in meinem Gewächshaus nur begrenzt war. Eine Lösung musste her, denn auch wenn ich alle Pflanzen ins Herz geschlossen hatte, konnten sie nicht auf Dauer bei mir bleiben. In unterschiedlichen Abständen veranstalte ich seitdem ein «Pflanzen brauchen ein neues Zuhause»-Treffen in Kissenbrück. So bekommen meine hochgepäppelten Schützlinge ein neues Zuhause, wobei jede Pflanze einen Namen und eine Geschichte hat, sodass ihre ehemaligen Besitzer in den Pflanzen weiterleben. Selbstverständlich habe ich meine Lieblinge, die bei mir bleiben. Das sind dann die sogenannten Mutterpflanzen, die durch Stecklinge vermehrt werden. Aber ich freue mich genauso, wenn Menschen strahlend ihre Neuerwerbungen mit zu sich nehmen und für sie sorgen wollen.
Durch die Pandemie 2020 und 2021 fingen zudem viele Menschen an, die Natur mit anderen Augen zu sehen. Schon vorher hatte das chemiefreie Gärtnern eine immer größere Akzeptanz gefunden, doch während der Lockdowns hielt sich nun jeder so oft wie er nur konnte im Freien auf, dort, wo es möglichst grün war. Die Gesellschaft von Bäumen, Sträuchern und Blütenpflanzen wirkte beruhigend und sorgte vielerorts dafür, dass Menschen wieder zu sich kamen, durchatmen konnten, nicht in Depressionen versanken, womöglich auch nicht ausrasteten. Glück hatten die Menschen, die einen eigenen Garten besaßen und nicht in einer Dreizimmerwohnung im zehnten Stock eines Hochhauses wohnten. Aber auch hier half es, wenn in diesen Räumen Zimmerpflanzen zu Hause waren. Ist die Wohnung noch so klein, Zimmerpflanzen finden immer ein Plätzchen und sorgen für Wohlbehagen.
Ich möchte Sie also mit diesem Buch ermutigen, sich auf grüne Mitbewohner einzulassen – und je mehr Sie über diese wissen, umso spannender wird die neue WG.
Dieses Mal gehe ich nicht mit Ihnen durch den Garten, nein, dieses Mal machen wir eine Wohnungs- oder Hausbesichtigung, jedes Zimmer wird in Augenschein genommen, ganz gleich, ob Wohn- oder Schlafzimmer, Kinderzimmer oder Küche, Flur oder Gästetoilette, nicht zu vergessen der Wintergarten. Für jeden Raum, für jede Ecke finde ich für Sie die richtige Pflanze. Einige werden Wochen mit Ihnen leben, andere Monate, wieder andere begleiten Sie durchs ganze Leben und darüber hinaus.
Aber wieso haben wir Menschen eigentlich Pflanzen in unsere vier Wände geholt? Was zeichnet Zimmerpflanzen genau aus, und wer kam auf die Idee, sie über die Schwelle der Haustür zu tragen? Heute macht man sich darüber wenig Gedanken, denn sie gehören – zum Glück – zu unserer Wohnkultur. Doch das war nicht immer so. Genau ist nicht bekannt, wer als Erstes den Einfall hatte, Pflanzen in Gefäßen zu kultivieren. Man weiß nur, dass die antiken Griechen und Ägypter laut historischen Überlieferungen Pflanzen in Töpfe setzten und zu ihren tagtäglichen Begleitern machten. Aus dem Mittelalter wissen wir, dass heimische Pflanzen in Kübeln gehegt und gepflegt wurden, mit dem Ziel, üble Gerüche und Ungeziefer und was es sonst noch so an Unangenehmem gibt, aus dem Haus zu vertreiben. Oft wurden sie an die Decke oder an Balken gehängt, teilweise auch getrocknet und unter die Matratze oder das Kopfkissen gelegt.
Mit Beginn des 16. Jahrhunderts, da sind die Quellen schon üppiger, hatte der Adel ein neues Hobby entdeckt, das Sammeln von exotischen Gewächsen, die man bei sich wohnen ließ, zumindest dort, wo sich die Räume beheizen ließen und man sie vorführen konnte. Man fand das sehr dekorativ, und so mancher Besucher war davon derart beeindruckt, dass sich eine wahre Sammelleidenschaft entwickelte und man diese Pflanzen für die heimische Umgebung kultivierte. Als dann auch die Wohnungen des Bürgertums komfortabler und wärmer wurden, ahmten die Bürger es dem Adel nach und sorgten für den Einzug von Pflanzen aus aller Welt. Sie schleppten sie in Kisten aus Afrika ein (durch Kolonisation im 19. Jahrhundert) oder brachten sie von Expeditionen oder sonstigen Entdeckungsreisen mit. Bei Johann Wolfgang von Goethe standen eine Königin der Nacht und eine Grünlilie («Beamtengras») auf dem Fenstersims in Weimar, mitgebracht von seinen vielen Erkundungstouren. Ihn hatte dabei aber mehr die Forschung interessiert und nicht so sehr das adlige Gebaren oder die Modeerscheinung.
Ja, auch Zimmerpflanzen unterlagen und unterliegen dem Trend. Der Gummibaum in den sechziger, die Yucca-Palme in den siebziger Jahren … Und im Biedermeier, auf den Bildern von Carl Spitzweg, prunkt der Bogenhanf (Sansevieria), aus dem einst Bogensehnen hergestellt wurden. Diese Pflanze ist übrigens wieder schwer angesagt. Passt sie doch ins Urban-Jungle-Feeling, bei dem alle anderen Farben letztlich egal sind, nur grün sollte es schon sein.
Die Blütezeit der Zimmerpflanzen jedenfalls erfolgte parallel mit der Errichtung von Orangerien, Anbauten mit hohen Fensterfronten, die dann im 19. Jahrhundert durch Gewächshäuser abgelöst wurden, in denen genügend Wärme erzeugt werden konnte, um in ihnen sogar Zitronen zu ernten. Natürlich gingen zunächst auch viele Pflanzen ein, weil, holte man die Exoten in die Wohnungen, in diesen noch unsere beliebte Zentralheizung fehlte, die Fenster zugig waren oder es den Menschen an Wissen mangelte, wie man die Gewächse zu behandeln hatte. Gerade tropische oder subtropische Pflanzen brauchen gleichbleibende warme Temperaturen, ohne diese können sie nicht gedeihen.
Hatte der Adel die grünen Mitbewohner wohl eher noch als hübsches Accessoire betrachtet, mit dem man Gäste beeindrucken konnte, so müssen dennoch nach und nach intensivere Beziehungen zu ihnen entstanden sein. Menschen ging es nahe, wenn eine Pflanze plötzlich gelb wurde und ihre Blätter verlor, sie nicht mehr blühen wollte oder lästigen tierischen Besuch hatte. Auch wurde das Herz schwer, wenn eine Pflanze zu groß für die Wohnung geworden war und abgegeben werden musste. Man sah in ihnen lebende Wesen, über deren Wünsche und Bedürfnisse man mehr erfahren wollte – was auch eine Menge über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse aussagte.
Aber was genau ist nun eine Zimmerpflanze? Sicher ist sie so etwas wie eine Couch-Potato, wenn man das Wort genau nimmt, ein Stubenhocker, der sich am liebsten nicht vom Fleck rührt, immer in den eigenen vier Wänden bleiben will. Aber ernsthaft: Ist ein Bambus eine Zimmerpflanze, wenn er sich in geschlossenen Räumen aufhält? Wenn er in einem Innen- und nicht in einem Außenraum kultiviert wird? Entscheidend ist tatsächlich: Kommt der Topf ins Spiel und wächst die Pflanze nicht auf natürlichem Boden, dann hat man es mit einem Zimmergewächs zu tun. Um ein bisschen mehr Ordnung hineinzubringen, werden sie oft aufgeteilt in Blühpflanzen, Grünpflanzen, Kakteen und Sukkulenten. Darauf hat sich auch die Gartenindustrie ausgerichtet, so bekommt man Grünpflanzenerde, Blühpflanzenerde, Kakteen- und Sukkulentenerden. Nicht zu vergessen den dazu passenden Dünger.
Zimmerpflanzen sehen schön aus, wunderschön sogar, und lassen das Zuhause sofort interessanter, wärmer und hübscher aussehen, auch heben sie die Laune. Aber damit sind noch längst nicht alle positiven Aspekte aufgezählt. Ein besonderer Effekt ist, dass sie beruhigend auf die Seele wirken. Ja, ähnlich wie Melissen-, Baldrian- oder andere Kräutertees. Sie müssen dazu aber nicht zubereitet werden, sondern entfalten ihre Wirkung allein durch ihre Anwesenheit.
Den duftenden Blüten der Jasmin-Pflanze (Jasminum officinale) wurde schon in der Volksheilkunde nachgesagt, dass sie den Schlaf fördern und dabei helfen können, Ängste abzubauen. Forscher fanden dann 2010 heraus, dass Jasmin den gleichen molekularen Wirkmechanismus hat wie Valium. Es kann also die Abläufe im Gehirn beeinflussen und somit die Veränderung eines psychischen Zustands auslösen. Wenn ich an den weißen Blüten rieche, bin ich absolut relaxed. Gerade in unserer stressigen Zeit, mit diesem Drang, ständig etwas leisten zu müssen, immer zu funktionieren, was viele im wahrsten Sinne ausbrennen lässt, ist ein Zusammenleben mit einer Jasmin-Pflanze nur zu empfehlen. Weil Beruhigungspillen keine Option sind, sollten wir uns besser darauf besinnen, dass es ein ganzes Repertoire an Pflanzen gibt, das unser angegriffenes Nervenkostüm zur Ruhe bringen kann.
Zimmerpflanzen sind weiterhin ideale Luftreiniger, zumal wenn man bedenkt, wie häufig wir uns in geschlossenen Räumen aufhalten – ich als Gärtnermeister bin da vielleicht eine Ausnahme, nicht jedoch, wenn ich vor meinem Computer sitze. Und in diesen Räumen atmen wir täglich bis zu zwanzig Kubikmeter Luft ein und wieder aus. Produzieren also ordentlich dicke Luft. Um diese wieder zu reinigen, brauchen wir keine teuren Klimaanlagen. Pflanzen sind nämlich unsere natürlichen und damit kostengünstigen und auch gesünderen Klimaanlagen. So filtern sie Schadstoffe wie zum Beispiel Formaldehyd – diese Fähigkeit kann in besonderem Maße der Goldfruchtpalme zugeschrieben werden, aber letztlich ist jede Zimmerpflanze dazu in der Lage, wenn sie gesund ist. Unterschiede gibt es also nur in der Entgiftungsleistung. Und die wiederum ist abhängig vom Standort. Eine Grünpflanze mit großen Blättern am Fenster mit viel Licht kann in dieser Hinsicht zur Höchstform auflaufen.
Manche Stoffe, die wir in unserer Atemluft finden, werden erst ab einer bestimmten Konzentration bedenklich, wie etwa jenes Formaldehyd, einige sind bei stetiger Aufnahme jedoch schon in geringsten Mengen gefährlich, dazu gehört Benzol. Zu viele Schadstoffe machen, wie wissenschaftlich nachgewiesen wurde, auf Dauer krank, verursachen Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit. Doch kann es auch zu ernsthaften Erkrankungen kommen. Ist zu viel Kohlendioxid in der Luft, beeinträchtigt das die Atmung, und man fühlt sich schlapp. An einen gesunden Schlaf ist dann nicht zu denken. Man läuft wie gerädert durch die Gegend. Aber da jeder Mensch ein Individuum ist, reagieren wir unterschiedlich, die einen schon bei geringsten Mengen, die anderen erst, wenn die Luft schon Smog-Charakter hat. Grundsätzlich sollten wir Schadstoffquellen beseitigen, denn so grandios Pflanzen auch filtern, sie haben ihre Grenzen.
Doch woher stammen nun die Schadstoffe?
Formaldehyd: Dieses stechend riechende Gas entweicht aus Spanplatten, Kopierpapier, Bodenversiegelungen und ist zudem Bestandteil von Klebstoffen. Büromobiliar, Anstriche, Polstermöbel oder Bodenbeläge sollte man deshalb besonders im Auge behalten. Im Innenraum sind die Konzentrationen höher als draußen. Formaldehyd kann Rachen und Nasenschleimhäute reizen und ist krebserregend.
Benzol: Ein flüssiger, organischer Kohlenwasserstoff, er ist Bestandteil von Benzin, Öl, vielen Farben, Plastik und Gummiartikeln und für den Menschen giftig und krebserregend. Die Aufnahme kleiner Mengen führt zu Schädigungen des Knochenmarks und ist negativ für viele innere Organe.
Efeu, so wurde von der NASA nachgewiesen, kann innerhalb von vierundzwanzig Stunden den Schadstoff Benzol aus der Luft filtern, und das sogar zu 90 Prozent (gerade Wohnungen in Straßenlage weisen einen höheren Benzolwert auf, weil dieses Gas ja bei der Verbrennung von Kraftstoffen entsteht).
Trichlorethen: Ein Lösemittel, das nach Chloroform riecht und vielfach ein Bestandteil von Druckfarben, Lacken und chemischen Reinigungsmitteln ist. Reizt die Schleimhäute und soll bei regelmäßigem Kontakt auch die Parkinson-Krankheit begünstigen.
Xylol: Dieser Kohlenwasserstoff wird häufig in Lösungsmitteln für Farben, Lacke und Klebstoffe verwendet, er ist nachweisbar in Benzin, Tabakrauch und frischen Druckerzeugnissen. Xylol ist entzündlich und wirkt gesundheitsschädlich auf die Haut und die Atmungswege, außerdem schädigt es das Gehirn und die Nerven. So kann es zum Beispiel Kopfschmerzen, Gedächtnis- und Orientierungsstörungen hervorrufen.
Ammoniak: Die gasförmige Stickstoffverbindung entsteht hauptsächlich durch intensive Tierhaltung, kann aber auch in Abbeizmitteln, Dichtungsmassen oder in Kosmetikprodukten (Haarfärbemittel) vorkommen. Ammoniak ist giftig, es wirkt als Zellgift. Es besteht Erstickungsgefahr, da die Schleimhäute unter Einwirkung von Ammoniak stark anschwellen.
Während die Pflanzen also auf der einen Seite Schadstoffe filtern, produzieren sie zugleich den von uns so dringend benötigten Sauerstoff. Zimmerpflanzen wandeln über das Blattgrün (Chlorophyll) mit Hilfe von Licht Kohlendioxid, das wir ausatmen, in Sauerstoff um. Mit den winzigen kleinen Spaltöffnungen, die meistens unter den Blättern sitzen, erfolgt der Gasaustauch, wie beispielsweise die Aufnahme und Abgabe von Wasserdampf. Diese Spaltöffnungen nehmen auch die verschiedenen Luftschadstoffe auf. Nicht ganz unbedeutend sind hier zudem die Wurzeln, sie können die Schadstoffe nämlich mit Hilfe von Mikroorganismen natürlich abbauen. Diese Effekte lassen sich optimieren, denn je größer die Blätter sind, umso besser ist die Wirksamkeit der Luftreinigung. Dabei sollte die Oberfläche des Blumentopfs frei von Blättern sein, so kann die Luft gut zirkulieren.
Die NASA hat übrigens deshalb mit Zimmerpflanzen experimentiert (1989 mit ihrer NASA Clean Air Study), um die Luft in ihren Raumkapseln zu verbessern – was sie wohl mitnehmen werden, wenn die ersten Menschen zum Mars fliegen? Zu den Hochleistungs-Luftfiltern zählen danach neben Einblatt, Efeu und Grünlilie (Chlorophytum comosum) auch Gummibaum (Ficus elastica), Birkenfeige (Ficus benjamina), Bogenhanf (Sansevieria), Drachenbaum (Dracaena), Fensterblatt (Monstera), Schusterpalme (Aspidistra) sowie Zyperngras (Cyperus).
Wie auch immer, Pflanzenfilter haben den Vorteil, dass sie keinen Strom benötigen und somit energiesparend sind, zudem sind sie geräuschlos und wandeln 80 Prozent des Gießwassers in Luftfeuchtigkeit um. Weshalb die grünen Mitbewohner im Sommer sogar dafür sorgen, dass die Raumtemperatur in der Wohnung etwas sinkt. Im Winter kämpfen wir mit der trockenen Heizungsluft, die nicht gerade förderlich für unsere Atemwege ist. Deshalb: Gerade in Büros sollte nie lebendes Grün fehlen, da darf es ruhig die eine oder andere Pflanze mehr sein. Wobei aber keineswegs vergessen werden darf, dass die Pflanzen auch hier umsorgt werden müssen – doch meistens findet sich jemand, der diese sinnvolle Aufgabe gerne übernimmt. Natürlich ersetzen die Pflanzen nicht das Lüften, die Raumluft sollte immer durch Stoßlüften ausgetauscht werden.
Wenn wir uns für ein gemeinsames Leben mit Pflanzen entscheiden, ist es wichtig zu wissen, wo unsere neuen Mitbewohner eigentlich herkommen. Wie sind sie herangezogen worden, unter welchen Bedingungen? Grundsätzlich sollte man sich beim Kauf für Bio-Pflanzen entscheiden. Denn nur sie stammen aus zertifizierten Gärtnereien, die sich verpflichtet haben, Pflanzen unter folgenden Richtlinien zu produzieren:
Frei von chemischen Pflanzenschutzmitteln
Frei von synthetischen Düngern
Frei von Herbiziden
Frei von Gentechnik
Frei von chemischen Hemmstoffen, die Pflanzen künstlich klein und kompakt halten
Umweltschonend kultiviert und transportiert
In Erden mit geringem Torfanteil gewachsen (Torflandschaften abzubauen, ist schlecht für das Klima und die Natur)
Oft sind die Produzenten von Bio-Zimmerpflanzen an folgende Verbände angeschlossen: Bioland, Demeter oder Naturland. Ihre Richtlinien sind sehr streng, sodass grundsätzlich darauf zu vertrauen ist, dass die Pflanzen biologisch und umweltbewusst gezogen wurden. Zimmerpflanzen, die nicht unter biologischen Bedingungen aufwachsen, dürfen dann auch nicht mit einem ökologischen Gütesiegel oder Label ausgezeichnet werden. Gentechnisch veränderte Pflanzen gehören ebenfalls in diese Rubrik. In nicht wenigen Gewächshäusern werden Zimmerpflanzen mit viel Pestiziden und Dünger aufgepeppt, weil eben viele von ihnen nicht bei uns heimisch sind, sondern in (sub-)tropischen Gebieten. Grüne Pflanzen sollten aber wirklich grün sein. Und am besten hierzulande kultiviert sein.
Und was im Garten längst angekommen ist, gilt umso mehr in geschlossenen Räumen: Zimmerpflanzen, mit denen wir uns umgeben, sollten ebenso wenig von uns mit chemischen Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Pflanzen verdunsten Wasser und erhöhen die Luftfeuchtigkeit, und das sollte ohne Pestizide erfolgen.
Bio-Zimmerpflanzen sind jedoch nicht einfach zu erstehen, das Sortiment ist nicht gerade üppig und auch nicht in jedem Gartencenter vorhanden (noch nicht mal zwei Prozent machen sie im Vergleich zu allen anderen Zimmerpflanzen aus). Was daran liegt, dass aktuell die Nachfrage noch sehr gering ist – aber Sie können dazu beitragen, dass sich das ändert. Und wenn Sie partout keine grüne Bio-Zimmerpflanze finden, dann können Sie in den sozialen Medien Gruppen kontaktieren, die entsprechende Ableger austauschen. Zimmerpflanzen sind nämlich aktuell groß im Kommen, weshalb es dazu verschiedene Communitys gibt. Ein solches Vorgehen spart zudem Geld und weite Lieferwege.
Manchmal steht im Pflanzenpass, der Ficus benjamina oder das Usambaraveilchen komme aus Deutschland, was aber irreführend sein kann. Der Hinweis «Deutschland» gibt meist Auskunft über den Sitz des Herstellers, das Ursprungsland kann ein völlig anderes sein. Die Heimat der Pflanzen zu kennen (ein Ficus benjamina ist in den tropischen Wäldern Asiens zu Hause; das Usambaraveilchen in Tansania), ist aber wichtig, denn nur so ist in Erfahrung zu bringen, was sie im Detail brauchen. Obwohl viele Zimmerpflanzen mit ihren Wildformen kaum noch Gemeinsamkeiten haben – wir Gärtner haben neue Sorten gezüchtet, die oft dekorativer, kompakter und für unsere Klimazonen widerstandsfähiger sind –, sind die Bedürfnisse an Licht, Feuchtigkeit oder Wärme gleich geblieben.