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Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, November 2016

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ISBN Printausgabe 978-3-499-63111-5 (1. Auflage 2016)

ISBN E-Book 978-3-644-05131-7

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-05131-7

Behind the glass, under the cellophane,

Remains your final summer sweet

And meaningless, and not to come again.

 

Philip Larkin

Die letzten Dinge

Als der Gerichtsangestellte Iwan Iljitsch im Sterben liegt, fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Er hat falsch gelebt. Seine Arbeit, sein Leben, seine Familie, «das war vielleicht nichts, nichts». Jedenfalls nichts, das jetzt, als er sterben muss, noch Bestand hätte. Iwan Iljitsch hatte sich in einem Dasein eingerichtet, von dem er glaubte, dass «man» es so führen müsse. Jetzt sitzt er in seinem schönen Haus, für das er sich abgearbeitet hat, und versteht nicht mehr, wozu das alles nötig war.

Das drohende Lebensende ist in Tolstois Erzählung Der Tod des Iwan Iljitsch eine Tür, durch die Lebenslügen nicht hindurchpassen. Alle haben dem fleißigen Gerichtsangestellten stets versichert, es gehe Schritt für Schritt bergauf: Ausbildung, Heirat, Kinder, Beförderung. Jetzt erkennt er, dass es in Wahrheit immer nur bergab gegangen ist. Die Freuden des Lebens wurden kleiner. Die Sorgen um das Geld, die Enttäuschungen in der Liebe, die Langeweile im Alltag wurden größer. Alles Wichtige hatte er auf später verschoben. Und jetzt gibt es kein Später mehr. In den letzten drei Tagen seines Lebens schreit er vor Verzweiflung.

Die Falle, in die Iwan Iljitsch getappt ist, heißt: Aufschub. Wenn endlich Sonntag ist, wenn man endlich dies und das erreicht hat, wird sich alles, alles auszahlen. Irgendwann wird man mit dem eigentlichen Leben anfangen, für das man ständig vorsorgt. Und sei es in der Rente. Und wenn auch das nicht klappt, muss man auf das Paradies hoffen. Das Prinzip Aufschub hält alle auf dem Laufband.

Das Lebensende erzwingt einen Wechsel der Blickrichtung. Während man sich bislang im Fortschrittsmodus bewegt und nur nach vorne gestarrt hat, sieht man jetzt zurück. Das Vorsorgeprinzip hat seinen Sinn verloren. Man kann nicht mehr darauf bauen, demnächst mit dem Leben anzufangen, wenn man gerade damit aufhören muss. Der Horizont, in dem sich taktisches und angepasstes Verhalten auszahlen könnte, verkürzt sich. Wozu die kostbare Lebensendzeit an Überflüssiges verschwenden? Wozu Kompromisse machen? Daraus entsteht die Altersradikalität. Ältere Menschen sind dann manchmal zynisch oder verzweifelt, weil sie sich mit keinen neuen Versprechen mehr trösten können. Aber sie haben auch eine neue Freiheit gewonnen, weil sie sich von falschen Vorspiegelungen nicht mehr betrügen lassen. Martin Heidegger, dessen Philosophie ihre existenzielle Kompromisslosigkeit aus dem Nachdenken über das Lebensende bezieht, nennt diese letzte Klarsicht eine «von den Illusionen des Man gelöste, ihrer selbst gewisse Freiheit zum Tode». Daraus folgt: Verzettele dich nicht in den zahllosen Nebenumständen deines Daseins, sondern kümmere dich um den «Grund», um die «Eigentlichkeit» deiner Existenz.

Niemand weiß, auch Heidegger wusste es nicht, ob auf diesem letzten Grund der Existenz wirklich das echte und unverdorbene Leben geduldig auf seinen Besitzer wartet. Oder ob nicht hinter allen Verpackungen und Ablenkungen – Behind the glass, under the cellophane, wie es im Gedicht von Philip Larkin heißt – einfach nichts mehr kommt. Kein letzter Sommer, keine letzten Dinge, kein «eigentliches Ganzsein des Daseins», um ein letztes Mal Martin Heidegger dazwischenreden zu lassen. In diesem Fall ist die Verpackung schon alles gewesen: ein Leben unter Zellophanpapier, das unausgepackt zu Ende geht.

Ich habe mich immer gerne mit Menschen über die letzten und vorletzten Dinge unterhalten, die davon keine gefestigten religiösen oder philosophischen Vorstellungen haben. Schriftsteller, vor allem ältere, die viel erlebt und viele Illusionen verloren haben, sind in der Regel solche sympathisch ungefestigten Gesprächspartner. Sie sind häufig bereit, auch auf Fragen zu antworten, die in die weniger gut erschlossenen Gebiete der Existenz führen. Mich interessiert, wie der nahe Tod ihren Blick auf die Welt verändert. Ist, was einmal wichtig war, unwichtig geworden? Welche Fragen werden unter dem Eindruck des Lebensendes radikaler und vielleicht ehrlicher beantwortet als zuvor? Und woher weiß man am Ende, ob ein Leben gelungen ist?

Die achtzehn Lebensendgespräche in diesem Buch sind Abschiedsgespräche. Die Interviews mit Marcel Reich-Ranicki, George Tabori und Antonio Tabucchi waren tatsächlich die jeweils letzten ihres Lebens. Fast alle der hochbetagten Gesprächspartner müssen sich und der Welt nichts mehr beweisen, sich nicht mehr anpreisen und niemanden mehr schonen. Die Masken dürfen fallen.

Was darunter zum Vorschein kommt, ist nicht selten eine heitere Gelassenheit. Es gibt aber auch, und zwar besonders unter den befragten jüdischen Autoren, eine erschütternd schonungslose Bilanz. Manche Gesprächspartner sind von so ungebrochener Schaffensfreude, dass der Gedanke an das möglicherweise nahe Lebensende blanke Empörung hervorruft. Andere haben zu einem Gleichmut gefunden, in dem der Tod seinen natürlichen Platz hat. Wieder andere sehnen sich nach dem Tod und betrachten ihr Leben als etwas, das sie schon hinter sich gelassen haben.

Meistens fanden die Gespräche in den Wohn- und Arbeitszimmern der Autoren statt. In Paris, in Moskau, in Lissabon, in Tel Aviv, in Budapest, in Hamburg, in Cambridge, in Göttingen, in Lucinges, in Berlin, in Wien, in München, in Tielenhemme und in Behlendorf. Das erste Gespräch im Herbst 1990, das letzte im Frühling 2015. In allen Gesprächen wird nebenbei ein Zeitalter besichtigt, werden Themen und Etappen der europäischen Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts durch ihre Protagonisten noch einmal lebendig: das Kriegs- und Nachkriegsfrankreich durch die Literaturnobelpreisträger Claude Simon und Patrick Modiano, der Nouveau Roman durch Michel Butor, die Gruppe 47 durch Ilse Aichinger, das katholische Europa durch Julien Green, die jüdisch-europäische Geistesgeschichte durch George Tabori, George Steiner und Amos Oz, Auschwitz und die Judenverfolgung durch Imre Kertész und Ruth Klüger, die russische Seele durch Andrej Bitow, die DDR-Dissidentengeschichte durch Sarah Kirsch, der Geist der alten Bundesrepublik durch Peter Rühmkorf, Günter Grass und Martin Walser, die Wiener Schule durch Friederike Mayröcker, das Drama des italienischen Niedergangs in der Berlusconi-Ära durch Antonio Tabucchi.

In vielen Gesprächen wird der Tod direkt thematisiert – etwa in dem Gespräch mit Péter Nádas, der schon einmal für einige Minuten gestorben zu sein schien und von seinem Besuch im Vorraum des Todes erzählt. Aber immer geht es um die Kunst zu leben und darum, was Bestand hat, wenn die Sanduhr ausläuft und die Selbsttäuschungen sich verflüchtigen.

Wer war ich? Und wer bin ich jetzt, da ich gerade dabei bin zu verschwinden? Die Anwort ist ein Chor sich kreuzender, sich widersprechender Stimmen von Toten und Lebenden, der nicht aufhört zu reden, solange noch jemand zuhört.

JULIEN GREEN

«Altern ist Sünde.»

Herbst 1990. Ich bin auf dem Weg zu einer Legende: Julien Green, 90 Jahre alt, Freund von André Gide und François Mauriac, Autor grandioser Romane wie Moira, Leviathan oder Adrienne Mesurat, über den Walter Benjamin in den zwanziger Jahren eine enthusiastische Kritik geschrieben hat. Ich habe Lampenfieber. Ein Besuch bei der 90-jährigen Nathalie Sarraute, der nicht minder legendären Erfinderin des Nouveau Roman, war kurz zuvor ziemlich unrühmlich verlaufen. Ich hatte die Schriftstellerin in ihrem weitläufigen Appartement im 16. Pariser Arrondissement mit den kompliziertesten Fragen zu ihrem Werk überschüttet. Irgendwann sah die strenge alte Dame mich mitleidig an und sagte: «Sie sind wohl noch eine Anfängerin.»

Beklommen sitze ich im Flugzeug nach München, wo der Schauspieler Thomas Holtzmann in den Kammerspielen in Gegenwart des französischen Autors aus dessen Werk lesen soll.

Nach der Lesung lerne ich Julien Green und einen deutlich jüngeren Herrn kennen, der den greisen Star begleitet. Es ist der französische Autor Jean-Éric Jourdan-Green, den Julien Green «meinen Sohn» nennt und der ihm in der Doppelrolle als Adoptivsohn und hingebungsvoll sorgender Lebensgefährte zur Seite steht. Beim Abendessen in einem noblen Münchner Restaurant schneidet er «seinem Vater» das Fleisch in mundgerechte Stücke. Julien Green kaut und schweigt.

Das Interview findet am nächsten Morgen in einer Suite des Hotels Vierjahreszeiten statt. Der muntere Éric platziert mich in einem Sessel neben Green, dem er eine Wolldecke über die Knie gelegt hat, und macht sich auf die Suche nach einem silbernen Gehstock – Jahrgang 1870, wie Julien Green mir zuflüstert –, der in den Weiten des Hotels verloren gegangen ist.

Dann sind wir allein: nur einen knappen Meter im Raum und sechzig Jahre in der Zeit voneinander getrennt. Ich habe es damals nicht gleich gemerkt, aber der berühmte Funke zwischen uns muss in diesem Augenblick übergesprungen sein. Julien Green spricht sehr leise, fast so, als käme es auf Worte in seinem hohen Alter nicht mehr genau an. Dennoch ist es nicht einfach, ihn zu unterbrechen. Ohne eine neue Frage abzuwarten, redet er einfach weiter und weiter und erzählt, was er erzählen will.

So ist er es, der das Gespräch auf seine Homosexualität lenkt und sagt, dass er nie ein Homosexueller gewesen sei, obwohl er das Leben eines Homosexuellen geführt habe. Obwohl er mehrfach einstreut, dass derartige Geständnisse nicht seine Art seien und mich vielleicht auch gar nicht interessierten, fährt er mit einem, wie es mir im Nachhinein vorkommt, gewissen Bekenntniseifer fort, weitere sehr persönliche Eröffnungen zu machen. Wir sprechen über die Fragen, die den gläubigen Katholiken in seinen letzten Lebensjahren umtreiben, über die Sünde, die erotische Lust, die Überwindung der Sexualität, über seinen Glauben und den Tod. Ich antworte ihm, dass das Wort Sünde mir und den meisten Leuten meiner Generation nicht viel bedeute und dass ich nicht verstünde, warum er seine Sehnsucht nach Männern bekämpfe.

Meine Offenheit scheint ihn nicht zu stören. Im Gegenteil. Am Schluss des Gesprächs sieht er mir ganz unvermittelt in die Augen und fragt: «Sind Sie glücklich?» Es folgt eine angenehme Stille, in der ich nach einer wahren Antwort suche. Bis heute weiß ich nicht, warum er mich das gefragt hat. Einige Jahre später habe ich ein paar Zeilen von ihm gefunden, in denen ich seine Stimmung in diesen Momenten wiederzuerkennen glaubte: «Offenherzig reden, ohne Rücksicht auf das Alter oder was auch immer, über die persönlichsten Dinge, wissen, dass man verstanden wird, und wissen, dass die wirklich wichtigen Fragen ganz nahe sind.»

Dann kommt Éric zurückgewirbelt, das silberne Stöckchen vor sich herschwingend, und das Leben setzt wieder ein. Ein paar Minuten später stehe ich auf der Maximilianstraße im Nachmittagsverkehr. Für anderthalb Stunden bin ich in einer anderen Welt, in einem anderen Zeitalter gewesen.

Julien Green ist acht Jahre nach dem Gespräch, am 13. August 1998, im Beisein von Éric in seinem Pariser Appartement in der Rue de Vanneau gestorben. Sein Tagebuch aus den Jahren 1990 bis 1996 enthält noch einen letzten Gruß. Am 16. Oktober 1990 steht da: «Langes Gespräch mit einer Journalistin für Die Zeit. Wie immer habe ich viel gesprochen oder vielmehr auf ihre Antworten geantwortet, die immer persönlicher wurden, was sie selbst betraf. Sie ist gläubig und kann nicht begreifen, was eigentlich Sünde unter dem Namen des Bösen ist. Böses tun … Ich glaube, würde man diesen unverständlichen Begriff fallen lassen und ihn durch die Vorstellung eines Hindernisses zwischen der Liebe zu Gott und der Seele ersetzen, dann würde man klarer sehen. Ein Mensch, der dem Geschlechtstrieb nachgibt, hat überhaupt nicht den Wunsch, sich an Gott zu versündigen, doch in vielen Fällen verhindert dieser Mensch die Vertrautheit zwischen Gott und dem, was in uns ist, das auf Ihn zugehen möchte. Die Kirche hat daraus jahrhundertelang ein Schreckgespenst gemacht. Meine Gesprächspartnerin scheint für diese Art, das Problem zu sehen, empfänglich zu sein, sie sagt mir, dass die Jugend sich vor der Zukunft fürchtet, weil man nicht weiß, wohin dieses Jahrhundert geht. Sie ist Pazifistin wie ich. Sie ist einfach und besorgt, und ich fühle mich ihr nah.»

 

Sie haben über dreißig Bücher geschrieben und hatten schon vor fünfzig Jahren mit Ihren Romanen Leviathan oder Der andere Schlaf große literarische Erfolge. Sie sind so alt wie dieses Jahrhundert. Ist die Welt von heute noch Ihre Welt?

Es gibt gewaltige Veränderungen. Früher sah man die Geschichte hinter allen Dingen. München zum Beispiel war außergewöhnlich, es hatte etwas Überaltertes, wenn Sie das verstehen, etwas Poetisches, es war voller Geschichte. Nach dem Krieg war nichts mehr davon übrig.

Gab es eine Epoche in Ihrem Leben, von der Sie im Rückblick sagen könnten: Das war wirklich meine Zeit, hier war ich zu Hause?

Die Zeit meiner Kindheit und meiner Jugend kann man nur wunderbar nennen. Es war die Zeit der Pferdebusse und so weiter. Es war noch vor der Benzin-Welt. Diese Epoche endete 1914.

Es würde einen heute erstaunen, wie wenig damals auf der Straße los war. Es gab nur ein paar Kutschen, nicht dieses Gedränge von Leuten aus allen möglichen Ländern wie heutzutage in Paris. Und dann gab es die Zeit von 1920 bis 1933. Es war eine sorglose Zeit, jedenfalls in Paris, deren literarische Produktion außerordentlich war, es war eine ziemlich glückliche Zeit.

Als Hitler an die Macht kam, schlug die Stimmung um. Paris ist immer ausdrucksloser, immer neutraler geworden. Man spürte, dass etwas passieren wird. In meinem amerikanischen Roman Die Sterne des Südens gibt es eine ähnliche Unsicherheit und Unruhe, die bald zur Gewissheit eines Krieges wird. Der Krieg hing wie eine dunkle Wolke über diesen Jahren. Trotzdem war das meine Zeit. Wenn ich mir eine Zeit aussuchen könnte, würde ich die Jahre zwischen 1920 und 1933 in Paris wählen.

Und die Gegenwart?

Sie ist wunderbar und beängstigend, weil man nicht weiß, wohin es geht. Ein alter Landpfarrer hat mir einmal gesagt: «Ich weiß nicht, wohin wir gehen, aber wir gehen geradeaus.» So ist das heute. Sogar noch schlimmer. Nehmen Sie nur Rumänien, den Golfkrieg …

Was hat sich für Sie damit verändert?

Ich habe mich nie aktiv für die Politik interessiert. Es gibt in der Politik ein zerstörerisches Element, sie zerstört sich selbst. Sie erreicht nie etwas. Vor ein paar Jahren traf ich in Berlin einen alten Juden, Leo Löwenthal, der ist einen Tag älter als ich. Er fragte mich, wozu haben diese Kriege genutzt, die wir erlebt haben. Zu überhaupt nichts, habe ich geantwortet. Immer fängt man wieder von vorne an. Es gibt keinen Krieg, der zu einem ein für alle Male endgültigen und international anerkannten Ergebnis geführt hat. Kein Ergebnis ist endgültig. Also geht das Gemetzel immer weiter. Und die Jugend muss es bezahlen. Man opfert die Jugend in den Kriegen, das ist unerträglich, man zerstört so viel Zukunft. Wir wissen nicht, wie viele große Männer von morgen in den Schlachten gefallen sind. Ich bin Pazifist. Und ich erzähle Ihnen noch etwas:

Als ich 1917 siebzehn Jahre alt war, kam mein Vater, der selbst noch Soldat im Sezessionskrieg war, zu mir und sagte, du musst etwas für die Alliierten tun. Also ging ich zur Ambulanz von Verdun, und die ganze Nacht hörte ich den Kanonendonner, ein grauenvoller Krach. Dann brachten sie einen Toten, dessen Gesicht man mit einer Jacke zugedeckt hatte. Ich sah nur seine Hände. Das waren die Hände eines ganz jungen Mannes. Das hat mich erschüttert. Ich habe nie jemanden getötet. Ich habe mir selbst versprochen, nie jemanden zu töten. Allerdings habe ich auch viel Tolstoi gelesen, und das ist für immer in mir geblieben.

Obwohl Sie behaupten, sich nicht für Politik zu interessieren, kommentieren Sie in Ihren Tagebüchern die Weltereignisse.

Nein. Ich schreibe sie nur auf. Ich sage nie meine Meinung. Außer im Fall Rumäniens. Da war ich menschlich angerührt. Und dann über Hiroshima. Japan war doch damals schon bereit, Frieden zu schließen, und Roosevelt behauptete, man müsse diesen Schlag führen, um unsere Macht zu demonstrieren. Das ist doch widerlich! Das geht doch nicht.

Sie schreiben seit Jahrzehnten beinahe täglich an Ihrem Tagebuch, wohl wissend, dass diese Tagebücher eines Tages alle veröffentlicht werden. Fühlen Sie sich dabei als eine öffentliche Person?

Ich bin Romancier. In meinen Tagebüchern gibt es nichts Persönliches. Sie sind wie Kilometersteine an einer Straße auf einer langen Reise. Mit ihnen weiß man immer ungefähr, wo man ist. Ich schreibe über das, was ich lese. Und über den Glauben, der eine große Rolle in meinem Leben spielt. Die größte Rolle in meinem Leben. Und ich schreibe über Menschen. Ich mache Porträts von Besuchern, von Schriftstellern, von Leuten, die ich treffe. Ich beschreibe meinen Alltag. Ich erzähle Ihnen aber ziemlich viel. Sind Sie zufrieden?

Sehr. Aber darf ich Sie fragen, warum der Glaube in Ihrem Leben eine so große Rolle gespielt hat? Warum haben Sie sich dafür entschieden, katholisch zu werden?

Meine Mutter war Protestantin. Sie war sehr englisch und erzog mich streng anglikanisch, mit einem absoluten Verbot der Lüge. Das Evangelium wurde wörtlich genommen. Das war sehr streng und nachlässig zugleich. Als meine Mutter 1914 starb, hat sie die Religion mit sich fortgenommen. Aber das Bedürfnis nach der Religion war für mich von frühester Kindheit an natürlich. Ohne die Verbindung der Seele mit Gott kann man die Dinge nicht beurteilen.

Als meine Mutter ein Jahr tot war, entdeckte ich ein Buch über den katholischen Glauben, aus dem meine Mutter für mich sprach. Also verliebte ich mich in den Katholizismus. Mein Vater vertraute mich einem Jesuiten an, der mich für einen Engel hielt. Aber ich bin kein Engel. Er wollte mich unbedingt in ein Kloster stecken. Aber ich wollte die Natur nicht verlassen. Die Bäume, den Wald und all das. Ich war noch sehr kindlich. Ich gehorchte meinem Vater und meiner Mutter immer. Ich war nie ungehorsam.

Dann habe ich begonnen zu schreiben. Ich hatte Glück, weil meine ersten Bücher, Mont-Cinère zum Beispiel oder Adrienne Mesurat, ganz anders waren als die Bücher, die zu dieser Zeit geschrieben wurden. So haben sie schnell ein großes Publikum gefunden.

Diese Bücher sind über sechzig Jahre alt. Sind sie Ihnen fremd geworden?

Nein. Es gibt Bücher, die sich nicht verändern, Moira zum Beispiel hat mich sehr bewegt, als Thomas Holtzmann den Text in den Münchner Kammerspielen gelesen hat. Vielleicht ist das nichts für die Öffentlichkeit, weil es zu persönlich ist. Aber es gab in meinem Leben immer einen Kampf zwischen dem Körper und der Seele. Das habe ich von meiner Mutter. Es ist ein Kampf gegen die sexuelle Begierde in allen ihren Formen. Das war schon immer meine Idee. Und als ich plötzlich Moira wieder hörte, sagte ich mir, das ist doch alles genau so wie in meinem letzten Theaterstück Süden. Man muss etwas töten, ein Hindernis töten. Das ist die Sünde. Man muss sie in jeder Nacht und überall töten. Darüber habe ich heute die ganze Nacht lang nachgedacht.

Es ist doch eigenartig. Es gibt das Leben, das viele junge Leute führen und das auch mein Leben war. Und doch habe ich eines Tages begriffen, dass man unbedingt damit aufhören muss.

Aber ich sollte Ihnen das nicht sagen. Interessiert Sie das?

Ja, das interessiert mich sehr.

Vor einigen Jahren hatte ich das Gefühl, jetzt sollte ich vollkommen Schluss machen. Mit allem. Mit dem religiösen Leben, mit dem intellektuellen Leben, mit den Romanen. Und dann habe ich die beiden amerikanischen Romane geschrieben, in denen es diesen Kampf nicht gibt. Da geht es um etwas anderes. Um die Erinnerung an meine Mutter. Meine Mutter konnte die Niederlage des Südens einfach nicht anerkennen. So war sie. Sie hat mir ihr Leben lang vom Süden erzählt. Als ich während des Schreibens an den Sternen des Südens Vom Winde verweht entdeckte, habe ich zunächst aufgehört. Dann sagte ich mir aber, dass dieses Buch am Anfang des Krieges beginnt. Mein Buch beginnt früher, um 1850. Also haben wir nicht dasselbe Thema.

Ist der amerikanische Süden um 1850 Ihr verlorenes Paradies?

Nicht ganz. Das hat nichts mit dem Glauben zu tun. Es gibt zwar im zweiten Band eine Frau, die katholisch wird, aber den alten Konflikt zwischen Körper und Seele gibt es in diesen Romanen nicht. Das war überwunden. Es gab nur noch den Sezessionskrieg. Und es gibt die Widmung. Der erste Band ist meiner Mutter gewidmet, der zweite Band ist allen Soldaten der Nord- und Südstaaten gewidmet, die in diesem Krieg gefallen sind. Darin steckt Pazifismus. Denn die Soldaten haben sich nur einspannen lassen. Hass gibt es nur zwischen Regierenden. Die Jugend hasst sich nicht. Ich liebe die Jugend.

Wenn Sie der Jugend von heute einen Rat geben sollten, was würden Sie sagen?

Es ist schwer. Es gibt so viele Bedrohungen. Ich denke an eine bestimmte Krankheit, die man gar nicht nennen darf, das ist der Albtraum der neuen Epoche. Aber die Jugend ist zu allem fähig, sie ist die Zukunft.

Betrübt es Sie nicht, dass die jungen Leute nicht mehr so im Glauben leben, wie Sie sich das wünschten?

Stimmt das denn? Manchmal verschwindet der Glaube unter der Erde. Er versteckt sich und kommt in Zeiten großer Verzweiflung wieder hervor. Man kann eine Religion nicht töten. Unmöglich.

Und die Ungläubigen?

Ach, die Ungläubigen! Sind sie denn ungläubig? Es gibt keinen vollkommenen Atheismus. Das ist gegen die Natur. Vielleicht ist der Atheismus nur ein Mangel an Vorstellungskraft. Trotz allem haben alle Menschen ein Gewissen. Dafür gibt es keine Erklärung. Man muss der Jugend vertrauen.

Der Kampf des Körpers mit der Seele, wie Sie sagen, ist das wichtigste Thema in Ihren Büchern. Warum vertragen sich Körper und Seele so schlecht?

Man muss viel erlebt haben, um zu begreifen, dass die sexuellen Freuden nicht alles sind. Es gibt noch etwas anderes. Die sexuelle Freude kann kein Leben ausfüllen. Oder nur ein sehr miserables, ein mitleiderregendes Leben. Das andere ist mindestens genauso stark. Man kann die Existenz der Seele nicht leugnen. Es gibt sie.

Aber junge Menschen versuchen, beides zu leben: Seele und Körper.

Darin sehe ich keinen Widerspruch. In allen meinen Büchern wollte ich das ausdrücken.

Warum gibt es dann in Ihren Romanen so viele unmögliche Liebesgeschichten?

Am Ende schließt das eine das andere aus. Körper und Seele sind zwei Kämpfer, die ihr Leben damit verbringen, gegeneinander anzutreten. Sie treten immer zusammen auf.

Das macht die Liebe unmöglich?

Ja, ja. Die unmögliche Liebe. Ich weiß. Das ist so. Ich stelle das nur fest. Die unmögliche Liebe, das bin ich selbst.

Gibt es keinen Ausweg?

Nein, denn man kann die Seele nicht verneinen. Die Seele ist das Wichtigste. Es ist den Menschen als Menschen unmöglich, sexuelle Freude zu empfinden. Nicht aus eigener Kraft. Man muss Gott um die Kraft bitten. Gott ist da, um zu handeln. Er verlässt niemanden. Wenn man ihn um etwas bittet, gibt er es immer. Immer.

Sie haben heute Nacht über die Sünde nachgedacht. Was ist das?

Das scheint mir völlig klar zu sein. Man geht auf die Straße und sieht sie. Die Sünde ist überall. Die Leute sind durch Lebensmüdigkeit gebrochen, durch Traurigkeit und Unglück. So geht es den Menschen.

Es gab irgendwann einmal ein großes Unglück. Und die Seele ist dazu da, um damit fertig zu werden. Die Seele …, aber ich kann Ihnen keine Predigt halten. Ich kann das nicht. Das ist der Glaube.

Für mich hat das Wort Sünde keine Bedeutung. Aber Sie glauben an die Sünde.

Ja, für mich hat das Wort eine furchtbare Bedeutung. Das Altwerden ist zum Beispiel eine Sünde. Verstehen Sie? Es muss irgendwann am Anfang einen Fehler gegeben haben, einen geheimnisvollen Fehler, einen Kampf gegen Gott. Nun muss die Seele die Folgen auf sich nehmen, obwohl uns die Erbsünde vergeben wurde. Sie ist ausgelöscht, aber die Wunde ist noch da. Sie ist sichtbar. Deshalb gibt es die Vergebung. Christus vergibt alles.

Ich glaube das nicht. Ist das eine Frage der Generation?

Ja. Man spricht mit den jungen Leuten nicht so, wie man es tun sollte. Die Antworten des Katechismus sind zwar vollkommen richtig, aber man muss sie den Menschen auch präsentieren können. Ich sage Ihnen noch etwas, wenn Sie es für sich behalten. Nehmen Sie zum Beispiel die Bischöfe. Das sind Leute, die – wie es den Anschein hat – keine Lust haben, die kein Sexualleben haben. Denen fehlt die Erfahrung des Fleisches. Trotzdem bestimmen sie so – wöh, wöh, wöh, wöh –, und so muss das sein. Wovon reden die? Was soll das heißen? Eines Tages fragte ich einmal einen Missionar, denn das sind Menschen, die sich im Leben auskennen: «Vater, was ist Homosexualität?» Und er antwortete: «Das ist ein Mysterium. Man kann es nicht erklären.»

Das ist doch keine Antwort.

Das ist intelligent. Es ist ein Mysterium. Es gibt keine Antwort.

Was ist Homosexualität für Sie?

Das ist eine menschliche Erfahrung. Und Gott ist dazwischengetreten, um mich davon abzubringen. Sehr viel später habe ich freiwillig verzichtet. Ich habe auf die Homosexualität verzichtet. Das hat er von mir erwartet. Für Gott gibt es keine Zeit. Dreißig Jahre, vierzig Jahre, fünfzig Jahre, das besagt nichts für ihn. Es gab einen Augenblick, da hat er gesagt, jetzt musst du wählen. Was willst du: Das Leben mit mir oder die sexuelle Lust? Das ist die Frage, und man kann sie nicht mehr zum Schweigen bringen. Auch der, der nicht glaubt, muss sie hören.

Im Grunde bin ich nie homosexuell gewesen. Ich hatte nicht diesen Instinkt. Aber ich habe das Leben eines Homosexuellen gelebt. Doch ich sage Ihnen da Dinge, die ich normalerweise nicht sage. Es ist schon immer ein Geheimnis gewesen. Goethe hat gesagt, es ist gegen die Natur, aber in der Natur. Er hat recht. Es ist eine Umleitung des sexuellen Instinkts von der Frau auf den Mann. Warum? Wie? Es gibt Leute, die so geboren werden. Wo ist die Verantwortung?

Ich weiß es nicht.

Ich auch nicht. Niemand weiß das. Früher sprach man von einer unverzeihlichen Sünde. Von einer Sünde, die nach Rache zum Himmel schreit. Das stand früher in den Messbüchern. Heute wagt man nicht mehr, so was zu sagen. Aber es bleibt ein Geheimnis.

Warum haben Sie auf Ihren Körper verzichtet? Wozu dieser Kampf gegen den Körper und gegen die Homosexualität?

Es ist kein Kampf gegen den Körper. Es ist der Kampf der Seele, die zu Gott will. Die Leidenschaften widersetzen sich der Seele. Also kämpft die Seele gegen die Leidenschaften. Das ist alles. Es geht immer nur um den Aufstieg der Seele zu Gott. Das ist etwas, das in uns ist. Aber ich sage Ihnen Dinge, die ich normalerweise nicht sage.

Wir jungen Leute sind heute oft sehr pessimistisch, wir glauben nicht an einen Aufstieg der Seele, wir zweifeln schon daran, dass die Zukunft viel Gutes bringt.

Sind Sie glücklich?

Ich weiß es nicht. Und Sie? Sind Sie glücklich?

Ich bin glücklich, dass ich noch am Leben bin. Ich bin glücklich, dass ich noch nicht sterbe.

Haben Sie Angst davor, zu sterben?

Nein. Aber ich will noch so lange wie möglich leben. Ich bin Gott für jeden weiteren Tag dankbar. Wenn ich morgens aufwache, bin ich glücklich, am Leben zu sein. Wenn die Nacht kommt, kommt die Nacht. Was weiß man davon? Es ist wie der Schlaf. Eine geheimnisvolle Welt. Wo ist man da? Wo ist die Seele? Was passiert? Ich werde bald sterben.

ILSE AICHINGER

«Erfüllte Wünsche sind ein Unglück.»

Wer in den neunziger Jahren mit Ilse Aichinger sprechen will, muss sich an einen jungen Mann wenden, der ihre Nabelschnur zur Welt ist: Richard Reichensperger. Ein junger, bei unserem Interview gerade 35 Jahre alter Literaturwissenschaftler, der ihre Werke herausgegeben hat und darüber seit vielen Jahren zum wichtigsten Mann in ihrem Leben geworden ist. Er ist ein leidenschaftlicher Leser, liebt Joseph Brodsky, John Donne, Pascal und – Julien Green. Einmal ist Richard Reichensperger Julien Green nachgefahren, ohne es zu wagen, ihn anzusprechen.

Ilse Aichinger lebt in Wien zu dieser Zeit wie ein Tramp. Sie trägt meist eine unförmige schwarze Jacke und transportiert ihre Habseligkeiten in einer Plastiktüte mit sich herum. Täglich sieht sie sich in den Wiener Kinos mehrere Filme an. Gute Filme wie Auf Wiedersehen, Kinder von Louis Malle oder Der dritte Mann von Carol Reed kann sie sich bis zu acht Mal ansehen. Die Dunkelheit und Abgeschiedenheit der Kinosäle tun ihr gut. Sie schreibt nicht mehr viel, am liebsten kurze Feuilletons und Beobachtungen, die Richard Reichensperger abtippt und den Zeitungsredaktionen anbietet. Das ausführliche Nicht-Schreiben und Über-das-Schreiben-Nachdenken nimmt den weit größeren Teil ihrer Zeit in Anspruch. Ihre Erzählungen und der Roman Die größere Hoffnung haben sie in der Nachkriegszeit neben Ingeborg Bachmann zum Star der Gruppe 47 gemacht. 1953 heiratete sie den Dichter Günter Eich. Das Paar hat zwei Kinder, Clemens und Mirjam.

Als wir uns am 24. Oktober 1996 treffen, ist Ilse Aichinger fast 75 Jahre alt und seit einem Vierteljahrhundert Witwe. Richard Reichensperger hat als Treffpunkt ihr Lieblingscafé, das Café Imperial am Kärntner Ring, vorgeschlagen. Als ich dorthin komme, sitzt sie schon da, umspült vom Klaviergeklimper des Wiener Kaffeehausnachmittags, und strahlt eine ungeheuere Präsenz aus. Sie spricht sehr sanft, ein wenig österreichisch eingefärbt und eher langsam, hier und da plötzlich einen Nebensatz wild beschleunigend, dann wieder tastend fortfahrend. Und obwohl eine große Freundlichkeit von ihr ausgeht, ist das meiste von dem, was sie mir in den folgenden zwei Stunden sagen wird, von äußerstem Pessimismus. Auf die Frage, was das Schönste in ihrem Leben gewesen sei, sagt sie, ohne zu zögern: der Krieg. Denn im Krieg habe es noch Hoffnung gegeben.

Wir trinken Kaffee und Cognac. Gerne hätte sie geraucht, aber das hat sie sich abgewöhnt. Auf manche, allzu direkte Fragen bleibt sie die Antwort schuldig und sagt: «Ich würde Ihnen gerne antworten, aber nicht dem Interview.» Dennoch spricht sie über ihre Fremdheit in der Gegenwart; sie scheint ihr eine Art Übergangszeit zu sein, die man mit Haltung ertragen muss. Die «größere Hoffnung», von der ihr berühmter Nachkriegsroman erzählt, ist für sie im Alter vollständig aufgebraucht. Im gepflegten, posthabsburgerischen Café Imperial wirkt sie wie von einem anderen Stern.

Nach dem Gespräch gesellt sich Richard Reichensperger zu uns. Zu dritt machen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch das nächtliche Wien. Ilse Aichinger erzählt von ihren Kindern und davon, wie sie und Günter Eich die Kinder in dem Landhaus in Großgmain im Salzburger Land gemeinsam erzogen haben. Sie erzählt von ihrer Mutter, die sie bis zu deren Tod gemeinsam mit Richard Reichensperger gepflegt hat. Wir sprechen davon, ob es einen richtigen Zeitpunkt zum Sterben gebe. Und sie sagt, dass sie die jung Gestorbenen beneide. Gefragt, warum, antwortet sie: «Wenn man schon lebt, würde man sich wünschen, so jung zu sterben wie der Georg Büchner oder wie der Hans Scholl, es ist besser, das ist meine Ansicht.»

Ich habe diesen Satz damals nicht in das Interview aufgenommen. Im Nachhinein wirkt er gespenstisch: Zwei Jahre nach unserem nächtlichen Spaziergang stürzt Ilse Aichingers Sohn Clemens Eich in Wien und stirbt wenig später an den Folgen des Sturzes im Wiener Allgemeinen Krankenhaus im Alter von 43 Jahren. Sechs Jahre nach dem Tod von Clemens Eich stürzt auch Richard Reichensperger in Wien und stirbt ebenfalls wenig später an den Folgen des Sturzes im Wiener Allgemeinen Krankenhaus im Alter von 43 Jahren. Dieselbe Todesart, derselbe Ort, dasselbe Krankenhaus, dasselbe Alter. Elfriede Jelinek schrieb in ihrem Nachruf auf Richard Reichensperger: «Und Ilse Aichinger hat viele viele Gründe gehabt, dass immer und immer wieder etwas Schreckliches zu ihr und aus ihr gekommen ist.»