Für meine Familie
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Alle Rechte liegen beim Autor.
Text © 2021 Axel Schrader
Layout © 2021 Axel Schrader
Coverfoto @charlesdeluvio
Lektorat Pierre Schubjé
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783755790174
“Great minds discuss ideas, average ones discuss events, and small minds discuss people.”
Eleanor Roosevelt
Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen von einem jungen Offizier, der neu an Bord eines Marineschiffes kam und sich in seiner ersten richtigen Führungsposition befand. Er hatte sich viele Gedanken im Vorfeld gemacht, mit älteren Kameraden gesprochen und sich ein paar Dinge aus seiner Ausbildung zurechtgelegt. Er musste dann aber schnell feststellen, dass die Lehre und die Praxis zwei unterschiedliche Seiten einer Medaille sind. Es gab viel zu lernen, und die 40 Mann starke Crew hatte so manchen eigenen Charakter dabei, der den Umgang schwer machte. Am Ende dieses ersten Kommandos sagte dann auch ein Unteroffizier in einem freundschaftlichen Gespräch zu dem Offizier: „Am Anfang warst Du ein Idiot. Aber mit der Zeit ist es besser geworden und jetzt werden wir Dich vermissen.“ Der „Idiot“ war ich.
Heute, fast 30 Jahre später, habe ich mit all meinen Erfahrungen, Erwartungen und eigenen Prinzipien meinen eigenen Führungsstil entwickelt, meinen Markenkern. Das entwickelt sich bei jedem von allein, beeinflusst durch viele Faktoren. Und darum sollten Sie gar nicht versuchen, wie jemand anderes zu sein und dessen Führungsstil zu kopieren. Das ist nicht authentisch und fliegt Ihnen spätestens in Krisen- oder Stressphasen um die Ohren. Andere nicht zu kopieren heißt aber nicht, dass Sie nicht von anderen Führungskräften lernen können. Mein Vater pflegte immer zu sagen, dass jeder als Beispiel tauge, manchmal halt nur als schlechtes. Im Grunde ist die einfachste Methode, bei Ihren eigenen Vorgesetzten anzusehen, was Ihnen gefällt und was nicht. Klingt jetzt einfach, ist aber eine komplexe Sache - so wie Führung überhaupt wahnsinnig komplex ist. Denn im Umgang mit anderen Menschen sind Sie ja nur der eine Teil. Es gibt da dann noch „die Anderen“, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die wiederum auch eigene Erwartungen haben.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Führung der wichtigste Teil im beruflichen Umfeld ist. Führung entscheidet, ob jemand gerne ins Büro kommt, ob ein Team innovativ und kreativ funktioniert, ob eine Firma flexibel am Markt besteht. Führung motiviert, lobt, tadelt, berät, entscheidet, verantwortet, zeigt Haltung, treibt an, fördert und fordert. Führung bedeutet das Wirken auf beziehungsweise mit anderen. Dazu bedarf es einer klaren Kommunikation - mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, eigenen Vorgesetzten, Kunden und Kundinnen, den Medien. Wie Simon Sinek, Unternehmensberater und Kommunikationsexperte, es ausdrückt: Es gibt Führungskräfte und Leute, die führen. Die Führungskräfte haben die Macht, aber die Leute, die führen, inspirieren andere Menschen.
In diesem Buch beleuchte ich die vielen verschiedenen Aspekte von Führung und von Kommunikation sowie deren Abhängigkeiten. Ich würde mich freuen, wenn Sie das Buch in die Hand nehmen und darin immer wieder etwas schmökern. Dieses Buch soll kein Leitfaden werden à la "Mit diesen 5 Tipps zur Spitzenführungskraft" oder “So werden Sie ein guter Vorgesetzter”. Auch wenn viele Bücher und Ratgeber gerade dieses vermitteln wollen, halte ich es für unmöglich, einen Ratgeber mit Erfolgsgarantie zu schreiben. Sie können natürlich eins zu eins den Ratgeber abarbeiten, aber ob die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen es als Geführte auch tun, bleibt fraglich und somit der ganze Erfolg im Nebel menschlichen Handelns verborgen. Aus diesem Grunde gibt es in diesem Buch keine Checklisten oder Arbeitsblätter. Als Pragmatiker erkläre ich Ihnen besser anhand von konkreten Beispielen als mithilfe von abstrakten Ableitungen.. Theorien aus dem Bereich der Führung, der Kommunikation und Zusammenarbeit werde ich nur darlegen, wo ich es für notwendig halte.
Wenn Sie das große Glück haben, Führungskraft sein zu dürfen, sollte man zuallererst Demut verspüren – frei nach Friedrich dem Großen, dass man der erste Diener seiner Mitarbeiter sein soll. Darüber hinaus sollte man sich mit der Führung seines Personals beschäftigen. Das macht man aber nicht in der ersten Woche und hat dann seine To-Do-Liste beisammen. Nein, als Führungskraft macht man das jeden Tag. Sie werden immer wieder feststellen, dass sich die Arbeit auf Ihrem Schreibtisch türmt, Ihre Chefs Ergebnisse sehen wollen. Regelmäßig werden Sie, um nicht unterzugehen, priorisieren müssen: Gehe ich noch einmal zu meinem Team und trinke einen Kaffee mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen oder beende ich diese Tabellen? Schreibe ich lieber die Beurteilung von Mitarbeiter XY oder überarbeite ich den Report an die Geschäftsführung? Ich weiß nicht, wie Sie diese Fragen für sich beantworten würden, aber aus meiner langjährigen Erfahrung als Vorgesetzter und Untergebener kann ich Sie nur bitten, niemals gegen Ihr Personal zu priorisieren. Dieses muss immer Ihre größtes Aufmerksamkeit genießen. Und wenn das einmal aus bestimmten Gründen nicht geht, erklären Sie es Ihren Leuten ganz offen. Führung ist ohne Kommunikation nicht machbar. Willkommen in meinem Buch.
Warum dieses Buch?
Das ist sicherlich eine gute und berechtigte Frage. Wobei es eigentlich zwei Fragen sind, nämlich nach meinen Beweggründen, dieses Buch zu schreiben, sowie nach Ihrer Intention, dafür Geld auszugeben. Die erste Frage ist die einfachere und deshalb beginne ich hier.
Im Juli 1990 habe ich nach meinem Abitur als Offiziersanwärter bei der Deutschen Marine angefangen und bin dort schnell in unterschiedliche Führungsrollen gekommen, weil es Teil meiner Ausbildung war. Schon in den ersten Wochen musste ich kleine Gruppen Gleichgestellter führen. Nach vielen Lehrgängen folgte ab August 1992 meine erste Verwendung als Wachoffizier auf dem Minenjagdboot „Koblenz”. Gerade einmal 21 Jahre alt, war ich für Ausbildung und Erziehung der Soldaten mitverantwortlich. Auf See verließen sich die Männer – Frauen fuhren zu der Zeit noch nicht auf unseren Booten – auf mich. Wenn man erst seinen eigenen Stil als Vorgesetzter finden muss, macht man viele Fehler, und ich weiß, da waren schon einige dabei. Sie erinnern sich an meine Geschichte ganz zu Beginn? Man kann dankbar sein, wenn Geführte oder die Vorgesetzten einen darauf aufmerksam machen. Nur so kann man lernen und versuchen besser zu werden.
In den darauffolgenden Jahren wechselten sich Zeiten ohne Führungsverantwortung – Lehrgänge, Studium an der Universität der Bundeswehr in München – und mit Führungsverantwortung ab. Als Offizier auf meinem Werdegang hin zum Kommandanten (so nennen wir einen Schiffskapitän) hatte ich viele Vorgesetzte auf verschiedenen Ebenen, und bei allen konnte man sich etwas abgucken für seinen eigenen Führungsstil. Maßgeblich war dabei für mich immer die Frage, ob ich selber so geführt werden möchte. Einer meiner Kommandanten beispielsweise war ein herausragender Seefahrer, bei dem man unglaublich viel lernen konnte über das Fahren eines Schiffes. Über die gute Führung der Besatzung konnte man sich bei ihm nicht viel abschauen.
Aber nicht nur das eigene Erleben hilft einem auf diesem schwierigen Pfad, ein (hoffentlich) guter Vorgesetzter zu werden. Sowohl mein Vater als auch mein Bruder waren, beziehungsweise sind Offiziere, und konnten mir in vielen Gesprächen wertvolle Tipps geben. So fühlte ich mich im Herbst 2000 auch eigentlich gut vorbereitet, um das Kommando über das Minenjagdboot „Bad Rappenau” mit seiner 40-köpfigen Besatzung zu übernehmen. In zwei spannenden, erlebnisreichen und fordernden Jahren war man auch manches Mal gezwungen, sein gesamtes Repertoire der Menschenführung auszuschöpfen.
Nach weiteren Zwischenstationen, unter anderem im maritimen NATO-Kommando in Northwood im Nordwesten Londons und im Verteidigungsministerium in Berlin, durfte ich 2014 als Kommandeur die Führung des 3. Minensuchgeschwaders in Kiel übernehmen – mein Traumkommando. In materiell und personell äußerst angespannten Zeiten galt es, 700 Menschen zu führen, für deren Sorgen und Nöte da zu sein, den Verband in besseres Fahrwasser zu bugsieren und die Marine als spannenden Arbeitgeber zu präsentieren. Nach den zwei Jahren als Kommandeur war ich froh, stolz und befriedigt. Uns war vieles, leider nicht alles, gelungen und das gesamte Team hat die meisten Tiefschläge gut weggesteckt und täglich für die Erfüllung des Auftrags gekämpft. Ich sage Ihnen aber auch ganz ehrlich: manchmal hat mich die Aufgabe ausgelaugt. Immer wieder mussten wir unsere Ideen nach oben verteidigen, immer wieder galt es, interne Widerstände zu überwinden und die Zwischenvorgesetzten dazu anzuhalten, alle Informationen weiterzugeben. Ich musste oft an Steve Jobs, den Co-Gründer von Apple, denken: wenn man von etwas richtig überzeugt ist, muss man sich dafür einsetzen. Der einzige Weg, großartige Arbeit zu machen, sei, diese zu lieben. Genau. Aus meinem Beruf als Marineoffizier heraus und mit den vielen eigenen Erfahrungen hat sich Führung zu einem meiner Lieblingsthemen entwickelt.
Das andere wichtige Thema für mich ist die Kommunikation. Das ging schon als Chefredakteur unserer Uni-Zeitung los und hat sich vor allem in meiner Zeit im Presse- und Informationsstab des Verteidigungsministeriums vertieft, wo ich den Aufbau der Social Media-Kanäle und die Schaffung der Bundeswehr-Marke „Wir. Dienen. Deutschland.“ mitgestalten durfte. Als Kommandeur hatte ich mich intensiv um die Kommunikation meines Verbandes gekümmert - Kommunikation ist Führungsaufgabe! Ich hatte die Pressearbeit selber gemacht, hatte den Girl's Day für uns neu konzipiert, eine Broschüre für die Nachwuchsgewinnung gestaltet, Mitarbeiterinformationen geschrieben und häufig das Gespräch mit meinen Soldaten und Soldatinnen gesucht. Auch in meinem letzten Job als Assistent des Stellvertretenden NATO-Oberbefehlshabers im belgischen Mons habe ich die Medienarbeit für General Sir Everard gemacht.
Wenn man für ein Thema brennt, sollte man etwas daraus machen. Seit Jahren schreibe ich Blogbeiträge und Texte für unterschiedliche Zeitschriften und Bücher, war Chefredakteur von Uni- und einer Community-Zeitschrift und habe mit meiner Frau die Firma FABLE communicates gegründet, bei der sich alles um Führung und Kommunikation dreht. Und dann wurde ich bei einer Autofahrt morgens ins Büro durch Chris Ducker und dessen Podcast „Youpreneur.fm“ inspiriert, die eigenen Interessen, Erkenntnisse, Erlebnisse und Wissen in einem Buch zusammenzufassen. Ich wurde sozusagen von der Muse geküsst. Was interessant war, denn das Thema Buch war bis dahin zu keinem Zeitpunkt in meinem Kopf präsent. Und nachdem das zarte Pflänzchen gesetzt war, habe ich viele weiterführende Informationen aus dem Podcast von Joanna Penn (The Creative Penn Podcast) bekommen.
Und warum sollen Sie nun dieses Buch kaufen?
Wahrscheinlich sind Sie mit mir einer Meinung, dass Führung eines der wichtigsten Themen in der Arbeitswelt ist. Hier geht es um Menschen, die Befriedigung von deren und Ihren eigenen Bedürfnissen, um deren beruflichen Werdegang und Berufszufriedenheit. Ich vertrete die Auffassung, dass das Wohl, die Entwicklung und Führung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die höchste Priorität genießen muss. Ein Team zusammenzustellen ist das eine, es zu motivieren und zu besten Arbeitsergebnissen zu führen etwas anderes.
Sie werden beim Lesen feststellen, dass Zitate von oder Verweise auf Steve Jobs hier immer wieder auftauchen. Ich persönlich finde ihn ungemein inspirierend und habe immer wieder Geschichten aus dem Leben des Apple-Gründers gelesen, aus denen man gute Lehren für sein eigenes Handeln ziehen kann - mein Geschwader hatte damals wahrscheinlich sehr häufig Entsprechendes zu hören bekommen. Auch viele andere Beispiele sollen verdeutlichen, wo die Probleme und Herausforderungen liegen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie in diesem Buch hilfreiche Tipps bekommen können, Anstöße für Ihr eigenes Handeln und spannende Beispiele. Mindestens gute Filmtipps. Falls Sie noch nicht über viel Führungserfahrung verfügen, werden Sie immer wieder stolpern, wenn es darum geht, die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft vorherzusagen. Mit Ihrem eigenen Führungsstil und gemachten Erfahrungen werden Sie aber mit der Zeit eigene Grundsätze entwickeln. Diese werden Sie durch die manchmal stürmischen Zeiten als Führungskraft leiten und Ihnen helfen zu bestehen. Bleiben Sie sich auch dann treu. Sie werden für sich erkennen, inwieweit bei Ihnen notwendige Schlüsselqualifikationen, wie zum Beispiel Kommunikationsfähigkeit, Motivationsfähigkeit oder die Konflikt- und Konsensfähigkeit, ausgeprägt sind und wo Sie vielleicht an sich arbeiten müssen, gegebenenfalls mit Lehrgängen oder Coaching. Dieses Buch liefert Lösungen für Probleme, viel Praxis, wenig Theorie. Die vielen Erfahrungen, die ich in meinem bisherigen Leben gemacht habe, möchte ich gerne weitergeben. Sharing is caring. Es richtet sich an Führungskräfte, vor allem die jungen und unerfahrenen Chefs und Chefinnen, die nach weiterführenden Ratschlägen suchen. Wenn Sie dieses Buch hilfreich finden, Ideen und Anregungen entdecken, würde ich mich freuen. Sagen Sie es gerne weiter.
Lassen Sie mich noch kurz etwas zum Gendern in meinem Buch sagen, da ich weiß, dass dieses Thema die Gemüter bewegt. Ich persönlich halte Gendern für wichtig. Wenn der Text für Blinde oder sehbehinderte Menschen technisch unterstützt vorgelesen werden soll, sind Sonderzeichen wie Mitarbeiter_innen oder Mitarbeiter*innen erschwerend für den Lesefluss. Deshalb bemühe ich mich, entweder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu schreiben oder geschlechtsneutrale Textlösungen zu finden, zum Beispiel Team oder Bedienstete. Sollte es mir zwischendurch mal unterschnitten sein, sehen Sie es mir bitte nach.
Nehmen Sie sich doch noch einen Kaffee, machen Sie es sich bequem und fangen Sie einfach irgendwo mittendrin an zu lesen. Die einzelnen Kapitel bauen nicht aufeinander auf, so dass Sie alles hintereinander durchlesen müssten. Haben Sie Fragen oder andere, vielleicht bessere Beispiele und weiterführende Ideen, dann kontaktieren Sie mich auf Twitter (@AxelSchrader) oder auch gerne ganz einfach mit einer E-Mail (axel1-schrader@icloud.com).
Nun aber genug der Vorrede. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Ihr
Axel Schrader
Berlin, im Dezember 2021
“Leadership is all about people. It is not about organizations. It is not about plans. It is not about strategies. It is all about people-motivating people to get the job done. You have tobe people-centered.”
Colin Powell
„Führung“ ist eigentlich kein großes Ding. Es besagt, dass sich Menschen beeinflussen, dass jemand sein Personal, seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu motivieren kann, ein selbst gesetztes oder vorgegebenes Ziel zu erreichen. Nicht mehr und nicht weniger. Etwas weiter gefasst kann man noch ergänzen, dass die Führungskraft zur Zielerreichung das Ziel definieren, den Zeitrahmen setzen und die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen muss. Im Rahmen der Führung muss der Vorgesetzte dann aber auch prüfen, ob die gegebenen Ziele erreicht werden, die Zeiten eingehalten werden, die Qualität stimmt und so weiter. Sie merken, es wird schon komplexer. Und es gibt natürlich immense Unterschiede, ob Sie ein Drei-Personen-Team in einem Start-Up betrachten, ein Referat in einem Bezirksamt, ein Kriegsschiff mit 230 Besatzungsangehörigen oder das global agierende Unternehmen mit zigtausend Mitarbeitern.
So unterschiedlich diese Beispiele sind, die grundlegenden Mechanismen sind weitgehend gleich. Der Führungsprozess ist immer derselbe zielgerichtete Denk- und Handlungsverlauf: Im ersten Schritt steht Ihr Auftrag (den geben Sie sich selbst, bekommen ihn zum Beispiel von Ihrem Vorgesetzten oder der Markt diktiert Ihnen eine neue Situation, auf die Sie reagieren müssen). Im zweiten Schritt folgt die Auswertung des Auftrags. Was wird verlangt? Inwieweit ist dieser Auftrag Teil des übergeordneten Auftrags? Sie machen sich also an die Planung und definieren Abläufe, Teammitglieder, Zeiten, Zwischenziele, notwendige Ressourcen und so weiter. Bei der dann beginnenden Durchführung müssen Sie Monitoren - Dienstaufsicht oder Controlling - und falls notwendig steuernd eingreifen. Droht der Zeitplan zu kippen? Brauchen Sie in dem Team also mehr Personal oder erklären Sie dem Auftraggeber, dass der Zeitplan nicht zu halten ist? Stellt sich das Ziel als technisch zu anspruchsvoll heraus oder zu komplex? Müssen Sie absagen oder den Prozess in realistischere Teilprozesse zerlegen? Sie bewegen sich in diesem Kreislauf von Auswertung, Planung, Durchführung und Steuerung langsam immer weiter nach oben dem Ziel entgegen.
Als Führungskraft benötigen Sie Selbstkompetenz. Das ist der zufriedene Umgang mit sich selbst und setzt sich aus Selbstwahrnehmung, Kritikfähigkeit, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstorganisation und Selbstführung zusammen. Einsicht in und der richtige Umgang mit den eigenen Schwächen sind ebenfalls wichtige Merkmale der Selbstkompetenz. Sokrates sagte angeblich: „Wer die Welt bewegen will, sollte erst sich selbst bewegen“; Michael Jackson sang: “If you want to make the world a better place take a look at yourself, and then make a change.“ Und schließlich schrieb der chinesische Stratege Sun Tsu: „Kenne Deinen Feind wie Dich selbst.“ Selbstreflexion bedeutet, sein Leben zu durchdenken, eigene Begabungen zu entfalten und Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein zu stärken. Wer sich um andere Menschen kümmern will, muss sich zuerst um sich selbst kümmern. „Erkenne dich selbst“ steht als Inschrift am Apollotempel von Delphi.
Mit einer hohen Selbstkompetenz ausgestattete Menschen wissen, wo sie hinwollen und werden aktiver. Sie haben klare Ziele und es somit einfacher Entscheidungen zu treffen. Im Gegensatz dazu fällt es Menschen mit niedriger Selbstkompetenz schwer, eine Entscheidung zu fällen oder ein Ziel zu definieren. Bei Menschen mit nur schwach ausgeprägter Selbstkompetenz hilft es zum Beispiel, Ziele aufzuschreiben und sich regelmäßig wieder vor Augen führen. Erreichen diese Menschen dann gesetzte Ziele, wird sich ihr Selbstvertrauen verbessern. Sie werden mutiger bei der Definition neuer Ziele. „Erfolg hat nur, wer etwas tut, während er auf den Erfolg wartet“, sagte einst Thomas Edison.
Jeder Mensch hat verschiedene Formen des „Ich“. Ohne in die Theorien Freuds einsteigen zu wollen, gibt es dennoch einen Punkt, den ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte. Wenn Sie in verschiedenen Situationen verschiedene Ichs „anziehen“, beispielsweise als Vater, als Sohn, unter Kollegen, beim Chef, und so weiter, agieren Sie auch unterschiedlich. Coach und Mentor Todd Herman vertritt die Meinung, dass man diesen Alter-Ego-Effekt hervorragend für sich nutzen kann. Winston Churchill soll sich täglich bei der Auswahl seines Hutes, von denen er viele besaß, gefragt haben, welches „Ich“ er denn heute sein wolle. Herman erzählte auf der Bühne des „Youpreneur Summit“ in London die Geschichte von Bo Jackson, einem amerikanischen Spitzensportler der 80er Jahre. Bo Jackson war als Kind offensichtlich schwer erziehbar, verprügelte oft andere Kinder und war immerzu zornig. Als er „Freitag, der 13.“ im Fernsehen sah, war er begeistert von dem Serienkiller Jason Voorhees - nicht wegen der Morde, sondern wegen der emotionsfreien und kühlen Art. Und der junge Bo entschloss sich, künftig bei seinen Aufgaben genauso ohne Emotionen auf das Ziel zu fokussieren. Und so wurde Bo Jackson der einzige Sportler, der es sowohl ins All-Star-Team beim Baseball als auch beim Football schaffte.
Jeder von uns hat seine Idole, seine Superhelden. Todd Herman rät uns, in die Rolle des Superhelden zu schlüpfen, weil wir dann selbstbewusster werden, bessere Ergebnisse abliefern. Inwieweit die Gesamtsituation einen Einfluss hat, habe ich mal in einer interessanten Reportage von der Fernsehmoderatorin Collien Ulmen-Fernandes gesehen. Dort ging es um die Geschlechterrollen und wie sehr uns diese beeinflussen. Mädchen und Jungen mussten beim Sport eine Leistung abliefern. Zuerst mussten sich alle selber einschätzen und erwartungsgemäß sahen sich die Jungs vorne und die Mädels hinten, und so waren dann auch die sportlichen Ergebnisse. Im zweiten Schritt gingen die Jungs raus und die Mädchen machten die Übung nochmals. Nun auf einmal waren ihre Ergebnisse genauso gut, wie die der Jungs vorher. Diesen psychologischen Effekt will Herman nutzen, um die Selbstkompetenz zu steigern. Ist Ihr Held Superman? Dann seien Sie Superman! Ziehen Sie Socken mit dem roten „S“ an. Oder tragen Sie eine Brille wie Clark Kent. Probieren Sie es aus – außer das mit dem Fliegen, das wird nichts.
Aus Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass Sie als Führungskraft Willensstärke brauchen. Ohne den Willen, Ihr Ziel zu erreichen, werden Sie es nicht schaffen. Seien Sie sich der Verantwortung gegenüber der Firma, ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und der Kundschaft bewusst. Seien Sie geistig und körperlich belastbar und sicher im Auftreten. Der Begriff lautet Resilienz und bedeutet die Kraft oder Fähigkeit, mit Willensstärke und Widerstandskraft durch Krisen zu kommen, ohne dabei Schaden an Geist und Körper zu nehmen. Oder einfacher: sich nicht unterkriegen zu lassen und immer wieder aufzustehen. Resilienz kann man trainieren und stärken und sollte es auch, um sich selbst zu schützen und um im Moment der Krise den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen den Weg aus derselben zeigen zu können. Der resiliente Chef ist der bildliche Leuchtturm in der stürmischen Brandung, standhaft und den Weg weisend. Er akzeptiert die Situation und zerfließt nicht in Selbstmitleid, er ergreift eigenverantwortlich die Initiative und glaubt an seine Fähigkeit, das Problem lösen zu können.
Welche anderen Kompetenzen sind wichtig? Während die Selbstkompetenz auf Sie als Führungskraft zielt, fokussiert die soziale Kompetenz auf die Art, wie Sie mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen umgehen. Denn zur Führung gehören bekanntlich (Selbstführung hier einmal ausgeblendet) auch immer Menschen, die man führt. Deshalb benötigt die Führungskraft Teamfähigkeit, Empathie und Kommunikationsfähigkeit, Glaubwürdigkeit, Kompromissbereitschaft und Durchsetzungsstärke. Diese Fähigkeiten können Sie aber erst erkennen und, wenn nötig, an sich verbessern, wenn Sie mit anderen Menschen interagieren. Und diese Interaktion muss organisiert werden, was in Zeiten von Homeoffice oder bei Personal, das entfernt arbeitet, komplizierter geworden ist. Mehr Individualität der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen - jeder hat heute seinen eigenen Plan, seine persönliche Situation und eigene Ziele - muss man als Führungskraft respektieren und berücksichtigen. Es ist wichtig, Ihr Team zu kennen, die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen. Das sind große Anforderungen an Ihre soziale Kompetenz.
Nicht ganz unwichtig für die Führungskraft ist die fachliche Kompetenz. Nur wenn Sie eine Ahnung von den Aufgaben, den Zusammenhängen, der „Sache“ haben, können Sie die Erledigung durch Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kontrollieren, gegebenenfalls korrigieren und somit schließlich zur Lösung des Problems beitragen. Unter fachliche Kompetenz fallen theoretische wie praktische Fertigkeiten, zum Beispiel Fremdsprachen, technische Kenntnisse, sprachliches und schriftliches Ausdrucksvermögen oder handwerkliche Fingerfertigkeit. Als Führungskraft müssen Sie aber nicht alle Details kennen, denn dafür haben Sie Ihre Experten, die Sie entsprechend einbeziehen müssen. Das sind die Theoretiker und Pragmatiker mit dem Fachwissen und den notwendigen Fähigkeiten. Im Podcast „It's about Leadership“ sagte Dr. Hannah Herlemann-Wegener, die Führungskraft bei einer Schokoladenfabrik ist, sie müsse als Führungskraft nicht wissen, wieviel Schokolade auf einen Riegel kommt, um ihren Job richtig ausfüllen zu können. Ich finde, das drückt es ganz gut aus. Ich kenne aber auch viele Beispiele, wo Menschen rein aufgrund ihrer Fachkompetenz zu Vorgesetzten wurden, ohne aber eine soziale Kompetenz zu besitzen. Der Grundsatz der Personalabteilung war dann wahrscheinlich, dass jemand aufgrund seiner fachlichen Leistung zwangsläufig in dem Fachbereich auch ein guter Chef sein müsse. Diese Ansicht ist fatal. Doch dazu später mehr.
Die geistige Kompetenz schließlich umfasst Ihre Bildung, Lernbereitschaft, Auffassungsgabe und Denkvermögen, kurz: Ihre intellektuellen Fähigkeiten. Ihr Abstraktionsvermögen und Ihre Neugierde stärken das Urteilsvermögen, was wiederum der Entscheidungsfindung zugutekommt.
Jede Führungskraft begeistert sich hoffentlich für die Firma, Behörde oder in welcher Organisationsform sie auch immer steckt. Engagement ist wichtig und darf auch zu Recht von der Firma und deren Mitarbeitern erwartet werden. Man darf es sich im Status Quo nicht bequem machen. Stattdessen muss man sich als Führungskraft immer wieder selber hinterfragen, was die eigenen Visionen angeht, die gesteckten kurz- und langfristigen Ziele, das Verhältnis zu den eigenen Chefs, zu Gleichgestellten, Personal und so weiter. Und manchmal ist auch ein unvoreingenommener Rat von außen hilfreich - Familie, Freunde, Netzwerke, Coaches. Lassen Sie sich eines sagen: das hört nie auf. Und das ist gut so. Stillstand ist ja bekanntlich Rückschritt. Oder wie Steve Jobs einst den Stanford-Absolventen mit auf den Weg gab: “And I have always wished that for myself. And now, as you graduate to begin anew, I wish that for you. Stay Hungry. Stay Foolish.“
Was brauchen Sie als Führungskraft noch? Toleranz gegenüber Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden, Sensibilität und eine klare Haltung. Sie sehen, was im ersten Satz dieses Kapitels noch lapidar über Führung stand, ist nur wenige Absätze weiter schon sehr viel detaillierter geworden und man erkennt bereits, dass „Führung“ eben doch ein großes Ding ist. Der hier genannte Punkt „Haltung“ ist übrigens nach meiner Bewertung einer der Wesentlichsten und bekommt deshalb auch später ein eigenes Kapitel.
Nach dem Blick auf verschiedene Kompetenzen und Fähigkeiten, komme ich nochmals zurück auf die soziale Kompetenz, bei der Sie die individuellen Fähig- und Fertigkeiten mehrerer Menschen zusammenbringen müssen. Der deutsche General Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord soll folgendes sinngemäß gesagt haben: Ich unterteile meine Offiziere in vier Gruppen. Wir haben schlaue, fleißige, dumme und faule Offiziere. Normalerweise treten zwei dieser Charaktereigenschaften zusammen auf. Manche sind schlau und fleißig - sie gehören in den Generalstab. Andere sind dumm und faul - diese ergeben ca. 90 Prozent jeder Armee und sollten mit Routineaufgaben bedacht werden. Jedermann, der schlau und faul ist, ist für höchste Führungsaufgaben qualifiziert, weil er intellektuelle Klarheit und die Beherrschung für schwierige Entscheidungen besitzt. In Acht nehmen muss man sich vor denen, die dumm und fleißig sind. Ihnen darf man keine Verantwortung übertragen, weil sie nur Unfug anstellen.
Häufig werden Sie in Führungspositionen mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auskommen müssen, die durch die Personalabteilung in Ihre Abteilung versetzt werden. Sollten Sie aber tatsächlich Mitspracherecht bei Personalfragen haben, müssen Sie sich mit den Leuten beschäftigen, die Stärken, Schwächen, Fertigkeiten und Fähigkeiten jedes Einzelnen ergründen sowie dessen persönliche Situation. Sprechen Sie zum 18-jährigen Praktikanten und zum 60-jährigen Abteilungsleiter; die haben vollkommen unterschiedliche Erfahrungen, Erwartungen, Ziele - manchmal verstehen die gar nicht, was der Andere sagt, weil sie eine eigene Sprache sprechen. Sie werden schnell feststellen, dass es „den Mitarbeiter“ oder „die Mitarbeiterin“ gar nicht gibt. Wenden Sie für alle Mitarbeiter dieselben Führungsprinzipien an, werden dennoch alle unterschiedlich reagieren. Diese Individualität ist ja das, was uns ausmacht, die Stärke, die ein Team diverser macht. Aber bei der Anwendung von Methoden oder Instrumenten, die Sie gegenüber allen Mitarbeitern anwenden, müssen Sie die Individualität immer berücksichtigen. Einige finden Ihre Maßnahmen toll und reagieren sofort, andere wollen erst überzeugt werden und manche lehnen sie ab. Nicht ganz überraschend werden Sie dabei regelmäßig eine Gauß'sche Verteilung erkennen. Man kann sogar ganze Bücher nur mit der Frage der Vielfalt beim Personal füllen. Wenn Sie mehr zu Nähe- oder Distanz-Typ wissen und zu Dauer- oder Wechsel-Typ lesen wollen, was einen Kreativen, einen Ängstlichen, den Einzelkämpfer oder zum Beispiel den Gemütlichen ausmacht, empfehle ich Ihnen „Mitarbeitertypen und wie Sie mit ihnen zusammen-arbeiten“ von Anja von Kanitz.
Führen sei komplexer, als es von außen betrachtet aussieht, sagt Diana von Kropp in ihrem Buch „Führungskraft – was jetzt?“. Das stimmt. Wenn Sie die Chance auf einen Posten als Führungskraft bekommen, greifen Sie zu. Es ist ein Abenteuer mit vielen Herausforderungen und einer tiefen Befriedigung. Und allen Geführten sei der Wunsch nahegelegt, manchmal weniger kritisch mit den eigenen Vorgesetzten umzugehen. Seien Sie vielmehr offen und bieten Sie Ihre Hilfe in Form von Feedback an. Gute Chefs werden es Ihnen danken.
”If there is one constant about the military experience, it is the perception that the next generation are nowhere near as good as your generation. They're unfit, slow, useless and have no chance of being anywhere near as good as your people were. In fact, standards will have to be reduced, political correctness will definitely go mad and all in all the future of the nation is bleak.“
Sir Humphrey
In einer meiner Verwendungen brachte die vorgesetzte Dienststelle bereits zum wiederholten Male ein Jahrbuch heraus, zu dem alle Verbände Geschichten der vergangenen zwölf Monate beibringen mussten. Die Begeisterung der jungen Soldaten in den Verbänden, die nun mehrere Artikel zu schreiben hatten, war nicht besonders ausgeprägt. Schließlich erhielten die Geschäftszimmer der Verbände Pakete mit der Bitte, die fertigen Bücher zu verteilen. Dort blieben sie meist liegen, bis im Folgejahr das neue Jahrbuch herausgegeben wurde, also das nächste Paket kam. Fast keiner wollte dieses Buch haben. Wieso nicht? Das Buch entstand nicht aus einem erkannten Bedarf heraus, sondern entsprach dem Wunsch der Führung, sich als „Leuchtturmprojekt“ in der damaligen Bundeswehrreform darzustellen. Die dazu verdonnerten „Redakteure“ lieferten Artikel mit relativ wenig Leidenschaft ab. Im endgültigen Format kam ein dickes Buch mit ganz viel Text und ganz wenigen Bildern heraus. Die Zielgruppe „Ehemalige“ mochte daran gegebenenfalls großes Interesse gehabt haben, die jungen Soldaten der Verbände hatten es nicht. Sie, Angehörige der „Generation Instagram“, wollten lieber viele große, ausdrucksstarke Bilder und möglichst wenig Text. Nachdem erkannt wurde, dass es offensichtlich schwer ist, zwei vollkommen unter-schiedliche Zielgruppen mit einem Produkt zu befriedigen, sollte das Jahrbuch zugunsten eines anderen, eines moderneren Produktes eingestellt werden. Wie ich später hörte, sollen die Ehemaligen nicht glücklich mit der Idee gewesen sein.
Was dieses Beispiel verdeutlichen soll, ist die Erkenntnis, dass unterschiedliche Zielgruppen - und das sind Ihre Mitarbeiter - auch eine unterschiedliche Ansprache benötigen, wobei hier „Sprache“ weiter-gefasst werden soll als nur das gesprochene Wort.
Der junge Praktikant ist zum Beispiel ledig, gerade mit der Schule fertig und weiß noch gar nicht, was er eigentlich machen will. Nur in einem ist er sicher: Er will nicht so sein wie sein Vater. Und er hat schon viel gesehen von der Welt, spricht mindestens zwei Sprachen und ist weltweit via Social Media mit Freunden vernetzt. Man sagt ihm nach, er könne keine Entscheidungen treffen und sich nicht langfristig binden. „Mal war von ideologisch motivierten Umstürzlern die Rede, mal von oberflächlichen Faulpelzen“, schrieb beispielsweise Carsten K. Rath in der WELT. Aber man sagt dem jungen Praktikanten auch, dass er sich künftig gar nicht mehr bewerben muss, weil sich die Firmen aufgrund der Arbeitsmarktlage bei ihm bewerben werden. Teammeetings oder Anwesenheitspflicht empfindet er als „so 90er“, wo es doch heute mittels Kollaborationssoftware möglich ist, an Projekten gemeinsam zu arbeiten, obwohl man auf unterschiedlichen Kontinenten unterwegs ist. Durch die „Sharing is Caring“-Mentalität gibt diese Generation gerne weiter, auch Informationen. Da wird gepostet, gebloggt, geshart, gelikt. Information wird nicht als Gut angesehen, mit dem man sich einen Vorteil verschaffen kann, und das man deshalb hinter Barrieren hortet. Das offene und positive Verhältnis zur Kommunikation in dieser Generation lässt hoffen.
Die junge Führungskraft dagegen hat Familie und vielleicht gerade ein Haus im Neubaugebiet vor den Toren der Stadt gebaut. Nach den Jahren der Ausbildung und ersten Erfahrungen im Job, bekommt langsam „Sicherheit“ im Leben der jungen Familie einen größeren Stellenwert. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird wichtiger. Ein ruhiges, verlängertes Wochenende mit den Kindern und die Möglichkeit, auch mal die Tochter vom Kindergarten abzuholen, sind wichtiger als Statussymbole der Macht. Er ist in einer Whats-App-Gruppe der Firma und auf Facebook mit Freunden und seinem Abiturjahrgang verbunden und hält sich eigentlich für ziemlich digital. Seine Profile auf LinkedIn oder XING sind äußerst oberflächlich, weil er nicht so viel von sich preisgeben will. Das bedeutet dann unter anderem auch, dass seine Mitarbeiter nur wenig über ihren Chef wissen.
Der Abteilungsleiter schließlich hat gerade seinen 60. Geburtstag gefeiert. Fast zeitgleich mit seinem 35-jährigen Firmenjubiläum. Ein anderer Arbeitgeber? Die Frage hat sich ihm nie gestellt. Wenn man eine Verbindung eingeht, bleibt man auch dabei. Notfalls beißt man halt die Zähne zusammen. Mache er in seiner Ehe, die schon 29 Jahre hält, ja genauso. Die vielen E-Mails empfindet er als Geißel der neuen Zeit. Lieber geht er herum und spricht mit den Menschen. Bei vielen Mitarbeitern kennt er die persönlichen Verhältnisse, worauf er stolz ist. Die Arbeitsergebnisse seiner Abteilung lasse er sich immer ausgedruckt vorlegen, weil er das Lesen am Rechner hasse. Warum seine Mitarbeiter immer schmunzeln, wenn er sein Motorola-Handy von 2002 auspackt, versteht er nicht. Er brauche das Ding doch nur zum Telefonieren und ansonsten freue er sich lieber auf ein gutes Buch, allein schon wegen der Haptik. Genervt ist er von dem neuen Wohnviertel, das gegenüber seines Hauses entstanden ist. Über 20 Jahre schaute er über Weideland, und nun diese ganzen jungen Familien, mit denen man kein Kontakt hat. Das sei nicht mehr ihre Heimat, meint seine Frau, als kürzlich die alten Freunde aus dem Schützenverein zum Grillen da waren.
Vielleicht finden Sie meine drei Figuren zu einfach und klischeehaft dargestellt. Manchmal hilft ja die Überzeichnung, um den Kern deutlicher hervortreten zu lassen. Es bleibt aber festzuhalten, dass jede Generation ihr Label hat, sich vielfach tatsächlich auch so verhält, zumindest aber immer so eingeschätzt wird. So titelte die WELT im Februar 2019: „Die Generation Z ist gewohnt, dass man sich um sie kümmert.“ Bei allen Vorwürfen, die man den nachfolgenden Generationen macht, bleibt aber eines gewiss: sie lassen sich dadurch nicht ändern. Firmen müssen also beispielsweise ihr Recruiting anpassen, der Work-Life-Balance mehr Berücksichtigung schenken, weniger die Statussymbole hervorheben oder soziales Engagement verstärkt anbieten, weil das für die Generationen Y und Z wichtig ist. Irgendwo habe ich mal gelesen, die jungen Generationen wollen arbeiten, wie sie fernsehen: on demand. Für Führungskräfte ist es wichtig zu verstehen, dass, wenn sie nicht die Sprache ihrer jeweiligen Zielgruppe sprechen, es weitgehend egal ist, was sie sagen, denn man wird sie nicht verstehen.
In jeder Generation findet man ganz unter-schiedliche Menschen, aber dennoch gibt es Verhaltensweisen, die eine Typisierung der Generation zulassen. Ich selber gehöre der Generation Golf an. Bereits vor 19 Jahren hat Florian Illies, wie ich Jahrgang 1971, das Buch über uns, die Generation Golf, geschrieben. Dort kann man nicht nur lesen, was für uns wichtig früher war, sondern auch, was uns von der Generation davor abgrenzt. Und so verhält es sich mit jeder folgenden Generation auch. Die Chance, in einer Familie mit einem Geschwister und Vater und Mutter aufgewachsen zu sein, ist deutlich größer in meiner Generation als bei um die Jahrtausendwende Geborenen. Meine Eltern wurden durch die Stabilität des Kalten Krieges und Helmut Kohls geprägt, was sie an uns weitergegeben haben. Diese Stabilität (die wahrscheinlich den Spaß der 80er-Jahre erst möglich gemacht hat) haben die deutlich später Geborenen nicht kennengelernt; vielmehr haben Krisen in der Sicherheits- oder Finanzpolitik oder aktuell die Klimakrise deren Leben geprägt. Die Älteren ertragen Dinge oftmals, weil „es halt so ist“. Das machen die jungen Menschen nicht. Sie sind es aus dem Web 2.0 gewohnt, sofort Feedback zu geben. Gefällt etwas nicht, wird es „weggeklickt“. Meine Erfahrung ist, dass man viel Zeit und Bereitschaft aufwenden sollte, um mit Menschen anderer Generationen zu sprechen. Nur so wird man ein tiefergehendes generationenübergreifendes Verständnis dafür entwickeln, wie diese denken und empfinden. Reden Sie mit den Menschen, hören Sie ihnen zu, lernen Sie von ihnen. Das kann bereichernd sein, weil es neue Sichtweisen und Denkanstöße liefert.
Schließlich kommt, man hätte es eigentlich nicht mehr gedacht, die Herkunft ins Spiel. Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung hat festgestellt, dass die im Osten Deutschlands geborenen Millennials (Generation Y) anders geprägt seien als ihre westdeutschen Altersgenossen. Selbst gar nicht mehr in der DDR aufgewachsen, sind sie aber dennoch stark von ihren Eltern sozialisiert, die in der Regel immer in ihrem Land gelebt haben, die Welt nicht bereisen konnten und über lange Zeiträume im selben Betrieb angestellt waren.
Und als sei das nicht alles schon anstrengend genug, wird heute die Führung auch dadurch noch schwieriger, dass Ihre Mitarbeiter möglicherweise nicht bei Ihnen nebenan sitzen, sondern in den USA, Australien oder Singapur. Homeoffice, Co-Working-Space, Arbeiten im Café oder unterwegs im Zug: dank Digitalisierung wird die Arbeit mobiler und flexibler. Was so einfach klingt, gestaltet sich in der Realität vieler Unternehmen deutlich schwieriger. Da gibt es Unsicherheiten, Ängste und Widerstände: Wie soll das gehen, wenn jeder einfach arbeitet, wo er will? Wie soll ich führen, wenn ich meine Leute nicht mehr jeden Tag sehe? Wie kommen wir als Team überhaupt noch zusammen? Arbeitet der Kollege im Homeoffice überhaupt? Und wie bringe ich meiner Always-on-Kollegin bei, dass mir der Feierabend um 17 Uhr heilig ist? Eine Gruppe Forschender an der Hochschule für Angewandte Psychologie in Olten in der Schweiz hatte sich fünf Jahre mit dieser Frage beschäftigt und dabei festgestellt, dass mobiles Arbeiten zumindest teilweise eine neue Art von Führung braucht. „Das bedeutet, dass es erst einmal nicht viel mehr braucht als den Willen und die nötigen zeitlichen Ressourcen, um das Neue zu lernen.“
Neben der inneren Bereitschaft der Führungskräfte sind vier Themenbereiche als wichtig herausgestellt worden: Erstens müssen neue technische Tools bereitstehen und sinnvoll genutzt werden, um die Teams trotz räumlicher Trennung zusammenarbeiten zu lassen. Zweitens muss die Kommunikation geklärt werden, weil Zeitunterschiede oder Homeoffice gegebenenfalls eine permanente Erreichbarkeit der Mitarbeiter im Sinne des Chefs verhindern. Einige Regeln müssen selbstverständlich in jedem Job festgelegt werden (Arbeitszeit, Anwesenheit, Urlaub etc.), aber als dritter Punkt wurde identifiziert, dass mobiles, flexibles Arbeiten deutlich mehr Regulierung benötigt (definierte arbeitsfreie Zeiten, Anwesenheitstage im Büro, Vertrauensarbeitszeit, Tools für Kollaboration). Schließlich hat die Führungskraft bei mobiler Arbeit keinen Überblick über die Produktivität der Mitarbeiter durch ein kurzes Vorbeischauen (wobei Anwesenheit nicht mit Produktivität verwechselt werden darf!).
Vielmehr müssen definierte Zwischenziele, Ergebnisse und Feedback diesen Überblick verschaffen. Das bedeutet einen hohen Vertrauensvorschuss und steht diametral zu der oft anzutreffenden Führung durch Anwesenheitspflicht - „Präsenzfetischismus“, wie ich kürzlich auf Twitter las.
Die Forscher stellten fest, dass neben den Änderungen im Tun vor allem die Veränderungen im Denken ein Problem darstellen. Ein Chef, der die Zeit der Mitarbeiter im Büro unabhängig vom Output als „Leistung“ bewertet, wird seinen Führungsstil komplett ändern oder die Firma wechseln müssen. Dagegen sieht sich die Führungskraft, die klare Zielvorgaben macht und den Mitarbeitern auf dem Weg zum Ziel maximale Freiheiten gewährt, vor weniger Probleme gestellt. Mut und Kreativität sind gefragt, um Mitarbeitern, Führungskräften und dem Team in Gänze neue Wege aufzuzeigen, anzulernen und Handlungssicherheit zu erreichen. Begriffe wie agiles Arbeiten oder New Work stehen stellvertretend für die neuen Entwicklungen. Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim beispielsweise ist überzeugt, dass die neuen Arbeitsmodelle flexibler bei der Gestaltung von Arbeitszeit und -ort sind, aber auch mehr Selbstmanagement, Fingerspitzengefühl und Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften erfordern.
Ulf Rinne vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit stellt Deutschland allerdings im internationalen Vergleich kein gutes Zeugnis aus. Er sieht uns im „unteren Mittelfeld“ hinter Skandinavien, den Niederlanden, UK, Österreich oder Frankreich. Als Grund sieht er die Langsamkeit, mit der in Deutschland Digitalisierung und Wertewandel vorangingen sowie die hier ausgeprägte Präsenzkultur.
Abschließend haben die verschiedenen Generationen nicht nur unterschiedliche Merkmale, Ansichten oder Einstellungen, sie sehen die jeweils anderen Generationen durch ihre eigene Brille. Florian Illies hat das in „Generation Golf 2“ sehr schön auf die Golfer und die Vorgängergeneration der 68er bezogen. Wenn die Jüngeren gut und schnell zwischen Dingen wechseln können, deuten die 68er das als Oberflächlichkeit. Probieren Golfer gerne Neues aus, wird ihnen das als Ziellosigkeit vorgehalten. Und wenn schließlich die Generation Golf vor allem arbeitet, um leben zu können, sagt man ihr nach, eine Spaßgesellschaft zu sein.
Man kann manchmal den Eindruck gewinnen, dass all diese Veränderungen in der Arbeitswelt und auch mit den verschiedenen Generationen (Boomer, 68er, Golf, X, Y, Z etc.) immer schneller auf einen zukommen und man nur noch Getriebener ist. Das ist für jede Führungskraft unterschiedlich und Probleme damit sicherlich nicht immer von der Hand zu weisen. Was Sie aber nicht machen können, ist die Augen davor zu verschließen. So sagt Hauke Schwiezer: „Wir Älteren haben die Pflicht, ihr (die Generation Z, Anm. des Autors) Potenzial besser zu fördern und uns einem wirklichen Austausch auf Augenhöhe zu öffnen. Geburtenschwache Jahrgänge verstärken den bereits vorhandenen Fachkräftemangel - daraus resultiert ein Arbeitnehmermarkt. Das heißt: ob Arbeitgeber es wollen oder nicht, sie müssen sich um künftige Arbeitskräfte intensiv bemühen.“
”Leadership is a two-way street, loyalty up and loyalty down. Respect for one's superiors; care for one's crew.“
Rear Admiral Grace Hopper