Männer, Männlichkeit und Liebe
Der Wille zur Veränderung
Aus dem amerikanischen Englisch
von Daphne Nechyba
Die Originalausgabe erschien 2004 unter dem Titel The Will to Change: Men, Masculinity, and Love bei Atria Books, Simon & Schuster, in New York.
Erste Auflage 2022
© der deutschsprachigen Ausgabe Elisabeth Sandmann Verlag, München 2022
© 2004, Gloria Watkins
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Daphne Nechyba
Übersetzung Zitat S. 152: Helga Pfetsch („Ich weiß, daß Du Dich wundern mußt, daß ich ihn nicht hasse, nach all dem Bösen …“) S. 153: Helga Pfetsch („Ich denk, wir sind hier, daß wir …“)
Lektorat: Dr. Julia M. Nauhaus
Gestaltung und Satz: Sofarobotnik, Augsburg & München
Umschlaggestaltung unter Verwendung von: shutterstock.com / nattapon kanchanaket
Herstellung: Jan Russok
Druck: GGP Media, Pößneck
ISBN: 978-3-945543-84-9
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„Durch die alchemistische Verwandlung von Blei in echtes Gold ist es Männern möglich zu brennen, von einem inneren Feuer berührt zu werden, ein auf die wesentlichen Dinge konzentriertes Leben zu führen und sich völlig zu verändern.“
Dieses Buch ist dem Andenken an meinen Großvater gewidmet, Gus Oldham – brennend, ein flammendes Herz, dessen Liebe, stärker als der Tod, leuchtet.
In unserer sich schnell verändernden Gesellschaft gibt es nur zwei Dinge, die sich nie ändern werden. Was sich nie ändern wird, sind der Wille zur Veränderung und die Angst vor Veränderung. Es ist der Wille zur Veränderung, der uns Hilfe suchen lässt. Es ist die Angst vor Veränderung, die uns dazu bringt, genau die Hilfe zu verweigern, die wir suchen.
— Harriet Lerner, The Dance of Intimacy (dt. Ausgabe: Zärtliches Tempo)
Vorwort: Über Männer
1 Wanted: Männer, die lieben
2 Das Patriarchat verstehen
3 Ein Junge sein
4 Männliche Gewalt stoppen
5 Der Mann als Sexualwesen
6 Arbeit: Was hat Liebe damit zu tun?
7 Feministische Männlichkeit
8 Populäre Kultur: Mediale Männlichkeit
9 Die Heilung der männlichen Seele
10 Männliche Ganzheit zurückgewinnen
11 Liebende Männer
Als Phyllis Cheslers Buch About Men (dt. Ausgabe: Über Männer) vor mehr als zehn Jahren erstmals erschien, war ich aufgeregt. Endlich, dachte ich, wird mir eine feministische Denkerin das „Mysterium Mann“ erklären. Damals hatte ich noch nie jemandem die Gefühle, die ich Männern gegenüber hegte, mitgeteilt. Ich war nicht dazu in der Lage gewesen, jemandem zu gestehen, dass ich Männer nicht nur nicht verstand, sondern dass ich Angst vor ihnen hatte. Chesler, so war ich mir sicher, würde durch ihre übliche kompromisslose und forsche Art weitaus mehr tun, als meine Ängste bloß zu benennen und zu erklären; sie würde Männer für mich „real“ machen. Männer würden zu Menschen werden, mit denen ich reden und arbeiten und die ich lieben könnte. Ihr Buch war eine Enttäuschung. Es war voll von Zitaten aus zahllosen Quellen und Zeitungsausschnitten über männliche Gewalt; es bot nur wenige Informationen. Es gab vereinzelte oder gar keine Erklärungen, keine Interpretation. Von da an war ich der Meinung, dass Frauen Angst davor haben, offen über Männer zu sprechen, dass wir Angst haben, unsere Beziehungen zu ihnen tiefer zu erforschen – was wir miterlebt haben als Töchter, Schwestern, Großmütter, Mütter, Tanten, Geliebte, gelegentliche Sexobjekte – und wir haben sogar Angst davor zuzugeben, wie wenig wir doch tatsächlich über Männer wissen. All das, was wir nicht wissen, intensiviert unsere Gefühle von Angst und Bedrohung. Und zweifellos kennen wir Männer nur unvollständig und unzureichend, wenn wir sie ausschließlich mit männlicher Gewalt, Gewalt an Frauen und Kindern, in Verbindung bringen.
Heutzutage bin ich verblüfft darüber, dass Frauen, die feministische Politik befürworten, so wenig über Männer und Männlichkeit zu sagen haben. In den frühen radikal-feministischen Schriften wurden Gefühle wie Zorn, Wut und sogar Hass gegenüber Männern zum Ausdruck gebracht, ohne einen sinnvollen Ansatz, Wege aufzuzeigen, um diese Gefühle aufzulösen, sich eine Kultur der Versöhnung vorzustellen, in der Frauen und Männer sich treffen und Gemeinsamkeiten finden können. Militanter Feminismus hat Frauen erlaubt, ihrer Wut über und ihrem Hass auf Männer ungehemmt Ausdruck zu verleihen; er verweigerte uns aber gleichzeitig die Möglichkeit, darüber zu sprechen, was es im Patriarchat überhaupt bedeutet, Männer zu lieben, zu wissen, wie wir diese Liebe ohne Angst vor Ausbeutung und Unterdrückung ausdrücken können.
Bis zu ihrem Tod war Barbara Deming eine der wenigen freimütigen Feminist:innen, die einen Raum schaffen wollten, in dem Frauen offen über ihre Gefühle gegenüber Männern sprechen könnten. Sie drückte die Sorge aus, dass das Hervorquellen weiblichen Zorns für andere Gefühle keinen Platz lasse, außer für das Gefühl „Männer sind hoffnungslose Fälle“ und stellte fest: „Es macht mir mehr und mehr Angst, dass Frauen an den Punkt kommen, dies zu fühlen, zu fühlen, dass das männliche Geschlecht insgesamt hoffnungslos ist.“ Deming hatte nicht das Gefühl, dass Männer unfähig sind, sich zu verändern, sich von ihrer männlichen Vormachtstellung zu verabschieden, aber sie empfand, dass es notwendig für Frauen ist, die Wahrheit darüber auszusprechen, wie wir über Männer denken:
„Ich glaube, der einzige Weg, der uns dahinführt, wohin wir kommen müssen, ist der, sich niemals zu weigern, der Wahrheit über unsere Gefühle ins Auge zu sehen, wenn sie in uns hochkommen – auch wenn wir wünschen, sie wären nicht wahr. Wir müssen uns also die Wahrheit eingestehen, dass wir uns manchmal wünschen, unsere eigenen Väter, Söhne, Brüder, Liebhaber wären nicht da. Aber diese Wahrheit existiert neben einer anderen Wahrheit: der Wahrheit, dass dieser Wunsch Schmerz verursacht.“
Während manche Feminist:innen verzweifelt über unsere kollektive Unfähigkeit waren, Massen von Männern zum feministischen Denken zu bekehren, empfanden es andere Frauen so, dass der Feminismus ihnen die Erlaubnis gab, Männern gegenüber gleichgültig zu sein, sich von männlichen Bedürfnissen abzuwenden.
Als die zeitgenössische Frauenbewegung ihren Höhepunkt erreichte, insistierten viele Frauen darauf, dass sie es leid waren, Energie für Männer zu verschwenden; sie wollten, dass Frauen ins Zentrum aller feministischen Debatten gerückt werden. Feministische Denker:innen, darunter auch ich, die Männer mit ins Gespräch einbinden wollten, wurden in der Regel als „männerfreundlich“ etikettiert und abgelehnt. Wir waren die, die „mit dem Feind schliefen“. Wir waren die Feminist:innen, denen man nicht vertrauen konnte, da wir uns um das Schicksal von Männern bekümmerten. Wir waren die Feminist:innen, die ebenso wenig an die Überlegenheit der Frauen glaubten wie an die der Männer. Als die Frauenbewegung sich weiterentwickelte, wurde die Tatsache offensichtlich, dass Sexismus sowie sexuelle Ausbeutung und Unterdrückung sich nicht verändern würden, solange Männer nicht Teil des feministischen Widerstands waren; doch die meisten Frauen hatten immer noch kein echtes Interesse daran, verstärkt Diskurse über Männlichkeit zu führen.
Die Erkenntnis, dass der feministische Fokus stärker auf Männer gerichtet werden müsse, führte nicht zu einer Produktion von mehr weiblichen Schriften über Männer. Dieser Mangel vertieft mein Gefühl, dass Frauen nicht offen über Männer sprechen können, weil wir so gut in der patriarchalen Kultur sozialisiert sind, über das Thema Männer zu schweigen. Aber es ist mehr, als dass wir zum Verstummen gebracht wurden, wir wurden als Hüter:innen ernster und schwerwiegender Geheimnisse sozialisiert – insbesondere von jenen, die alltägliche Mechanismen männlicher Dominanz offenlegen könnten, wie männliche Macht in unserem Privatleben ausgeübt und aufrechterhalten wird. Tatsächlich war das radikal-feministische Etikettieren aller Männer als Unterdrücker und aller Frauen als Opfer, ein Weg, die Aufmerksamkeit von der Realität der Männer und unserer Unwissenheit über Männer abzulenken. Männer kurzerhand als Unterdrücker zu bezeichnen und sie abzulehnen, bedeutete, dass wir niemals die Lücken in unserem Verständnis von Männern in Worte fassen oder auf komplexe Weise über Männlichkeit sprechen mussten. Wir mussten also nicht darüber sprechen, wie unsere Furcht vor Männern unsere Perspektive verzerrte und unser Verständnis blockierte. Männer zu hassen war einfach nur ein anderer Weg, Männer und Männlichkeit nicht ernst zu nehmen. Es war schlichtweg einfacher für Feminist:innen, über das Hinterfragen und Verändern des Patriarchats zu reden als über Männer zu sprechen – darüber, was wir wussten und nicht wussten, über die Art und Weise, wie Männer sich ändern sollten. Besser ist es, einfach den Wunsch zu äußern, dass Männer verschwinden, dass sie tot sind und weg.
Barbara Deming formulierte diesen Wunsch eindrücklich, als sie über den Tod ihres Vaters schrieb:
„Es ist Jahre her. Es war an einem Wochenende auf dem Land und er hatte draußen mit Hacke und Schaufel gearbeitet, um ein neues Beet anzulegen. Er hatte einen Herzinfarkt und fiel auf die gelockerte Erde, in den Dreck. Wir riefen die Sanitäter, und sie versuchten ihn zu reanimieren, aber es gelang ihnen nicht. Ich lag halb auf dem Boden neben ihm und schlang meine Arme um seinen Körper. Mir wurde klar, dass es das erste Mal in meinem Leben war, dass ich mich in der Lage fühlte, den Körper meines Vaters wirklich zu berühren. Ich hielt ihn fest – mit all meiner Liebe – und mit all meinem Schmerz, meiner Trauer zugleich. Und der Schmerz, die Trauer rührten teilweise daher, dass mein geliebter Vater im Sterben lag. Aber auch daher, weil ich bereits wusste, dass ich mich durch seinen Tod freier fühlen würde. Ich betrauerte, dass es so weit kommen musste. Es ist ein Schmerz, den ich schwer in Worte fassen kann. Darüber, dass das einzige Mal, als ich mich frei genug fühlte ihn zu berühren, ohne mich von seiner Macht über mich bedroht zu fühlen, der Moment war, in dem er leblos dalag – es war unerträglich für mich. Und ich glaube, es gibt kaum eine Frau, die nicht einen ähnlichen Schmerz kennt. Daher ist es eine zu starke Vereinfachung, die Wahrheit auszusprechen, dass wir Männern manchmal den Tod wünschen – wenn wir nicht gleichzeitig die Wahrheit aussprechen, der sehr viel schwerer ins Auge zu sehen ist (wenn wir versuchen, unsere eigenen Kräfte zu finden, selbstbestimmte Frauen zu sein): die Wahrheit, dass dieser Wunsch für uns unerträglich ist. Er zerreißt uns.“
Als junge Frau in ihren Zwanzigern, die noch nicht in ihrer Kraft war, wünschte ich vielen Männern in meinem Leben den Tod. Meine Sehnsucht nach dem Tod meines Vaters begann in meiner Kindheit. Sie war meine Antwort auf seine Wut, seine Gewalt. Ich träumte immer davon, dass er weg war, tot und weg.
Der Tod war der Ausweg aus der Angst, die durch die Ankündigung ausgelöst wurde „Warte, bis dein Vater nach Hause kommt“. Meine Angst vor Bestrafung war so intensiv, seine Macht über uns so real. Wenn ich als kleines Mädchen in meinem Bett lag und darauf wartete, die große Wut in seiner Stimme zu hören, den eindringlichen Ton seiner Befehle, dachte ich immer: „Wenn er doch nur sterben würde, dann könnten wir leben.“ Später, als erwachsene Frau, die zu Hause auf den Mann in ihrem Leben wartete, der in den meisten Fällen ein fürsorglicher Partner war, aber manchmal auch in heftige Wutanfälle ausbrach, dachte ich ähnlich: „Vielleicht wird er einen Unfall haben und sterben, vielleicht wird er nicht nach Hause kommen, und ich werde frei sein und leben können.“ Frauen und Kinder auf der ganzen Welt wünschen Männern den Tod, damit sie leben können. Dies ist die schmerzhafteste Wahrheit, die hinter männlicher Vorherrschaft steckt, dass Männer im Alltag patriarchale Macht in einer Art und Weise ausüben, die so unglaublich lebensbedrohlich ist, dass Frauen und Kinder vor Angst und anderen Ohnmachtszuständen zusammenducken. Sie glauben, der einzige Ausweg aus ihrem Leid, die einzige Hoffnung ist es, dass die Männer sterben, der patriarchale Vater nicht nach Hause kommt. Von Männern beherrschte Frauen, Jungen und Mädchen, haben Männern den Tod gewünscht, weil sie glauben, dass diese Männer sich nicht ändern wollen. Sie glauben, dass Männer, die nicht als Herrscher agieren, sie nicht beschützen werden. Sie glauben, dass Männer hoffnungslose Fälle sind.
Als ich das Elternhaus verließ und aufs College ging, war es so, dass ich auflegte, wenn ich zu Hause anrief und mein Vater abhob. Ich hatte ihm nichts zu sagen. Ich hatte keine Worte, um mit dem Vater zu kommunizieren, der nicht zuhörte, nicht den Anschein machte, sich um mich zu kümmern, der keine Worte der Zärtlichkeit und Liebe sprach. Ich hatte kein Bedürfnis nach dem patriarchalen Vater. Und der Feminismus hatte mich gelehrt, dass ich ihn vergessen, mich von ihm abwenden konnte. Als ich dies tat, wandte ich mich auch ein Stück von mir selbst ab. Es ist eine Lüge, durch falsch verstandenen Feminismus verstärkt, dass wir Frauen unsere Macht in einer Welt ohne Männer finden können, in einer Welt, in der wir unsere Verbindungen zu Männern leugnen. Wir beanspruchen unsere Macht erst dann vollständig, wenn wir die Wahrheit aussprechen, dass wir Männer in unserem Leben brauchen, dass Männer in unserem Leben sind, ob wir sie wollen oder nicht, dass wir Männer brauchen, um gegen das Patriarchat anzugehen, dass wir Männer brauchen, um Veränderungen zu bewirken.
Während mir feministisches Denken ermöglicht hatte, die Grenzen, die mir das Patriarchat setzte, zu überschreiten, so war es meine Suche nach Ganzheit, nach Selbstfindung, die mich zurück zu meinem Vater führte. Meine Versöhnung mit meinem Vater begann mit der Erkenntnis, dass ich seine Liebe wollte und brauchte – und dass, wenn ich seine Liebe nicht haben konnte, ich zumindest die Wunde in meinem Herzen heilen musste, die seine Gewalt verursacht hatte. Ich musste mit ihm sprechen, ihm meine Wahrheit erzählen, ihn festhalten und ihn wissen lassen, dass er mir etwas bedeutet. Heutzutage schwelge ich geradezu im Klang seiner Stimme, wenn ich zu Hause anrufe, in seinem vertrauten Südstaaten-Dialekt mit dem gebrochenen Rhythmus. Ich möchte seine Stimme für immer hören. Ich möchte nicht, dass er stirbt, dieser Vater, den ich in meinen Armen halten kann, den ich liebe und der mich ebenfalls liebt. Ihn zu verstehen bedeutet, mich selbst besser zu verstehen. Um meine Macht als Frau zu beanspruchen, muss ich ihn beanspruchen. Wir gehören zusammen.
Männer, Männlichkeit und Liebe: Der Wille zur Veränderung handelt von der Notwendigkeit, in einer Welt zu leben, in der Frauen und Männer zusammengehören können. Wenn wir die Gründe für das Fortdauern der Macht des Patriarchats über Männer und ihr Leben betrachten, so fordere ich uns auf, Feminismus auch für Männer zurückzufordern, zu zeigen, warum feministische Ansätze und Praktiken der einzige Weg sind, um die aktuelle Krise der Männlichkeit wirklich anzusprechen. In den folgenden Kapiteln werden sich viele Argumente wiederholen, sodass jedes einzelne Kapitel die wichtigsten Ideen des ganzen Buches enthält. Männer können sich nicht verändern, wenn es für eine solche Veränderung keine Entwürfe gibt. Männer können nicht lieben, wenn ihnen die Kunst zu lieben nicht beigebracht wurde.
Es ist nicht wahr, dass Männer sich nicht ändern wollen. Wahr ist, dass viele Männer Angst vor Veränderung haben. Es ist wahr, dass unzählige Männer noch nicht einmal damit begonnen haben, sich damit auseinanderzusetzen, wie das Patriarchat sie davon abhält, sich selbst kennenzulernen, mit ihren Gefühlen in Berührung zu kommen, zu lieben. Um lieben zu können, müssen Männer imstande sein, sich von ihrem Wunsch zu verabschieden, andere zu beherrschen. Sie müssen in der Lage sein, das Leben dem Tod vorzuziehen. Sie müssen bereit sein, sich zu ändern.
Jedes weibliche Wesen will von einem männlichen Wesen geliebt werden. Jede Frau will lieben und von den Männern in ihrem Leben geliebt werden. Egal ob sie homo-, hetero-, bisexuell oder enthaltsam ist, sie möchte die Liebe eines Vaters, Großvaters, Onkels, Bruders oder männlichen Freundes spüren. Ist sie heterosexuell, wünscht sie sich die Liebe eines männlichen Partners. Wir leben in einer Kultur, in der emotional ausgehungerte Frauen verzweifelt nach männlicher Liebe suchen. Unser kollektiver Hunger nach Liebe ist so groß, dass wir daran zugrunde gehen. Und trotzdem wagen wir es aus Angst vor Spott, Mitleid und Scham nicht, davon zu sprechen. Unseren Hunger nach männlicher Liebe auszusprechen, würde erfordern, dass wir die Intensität unseres Mangels und unseres Verlustes benennen. Das „Männer-Bashing“, das so heftig war, als der zeitgenössische Feminismus vor mehr als dreißig Jahren zutage trat, war zum Teil die wütende Vertuschung der Scham, die Frauen empfanden, nicht, weil Männer sich weigerten, ihre Macht zu teilen, sondern weil wir Männer nicht dazu verführen, sie nicht umgarnen oder dazu verlocken konnten, ihre Gefühle mit uns zu teilen – uns zu lieben.
Indem sie ihren Anspruch äußerten, die Macht zu wollen, die Männer hatten, verkündeten männerhassende Feministinnen (die damals keineswegs in der Mehrheit waren) insgeheim, dass auch sie dafür belohnt werden wollten, mit ihren Gefühlen nicht im Einklang zu sein, liebesunfähig zu sein. Männer reagierten in der patriarchalen Kultur auf feministische Forderungen nach mehr Gleichheit in der Arbeitswelt und im Sexualleben, indem sie Platz machten, ihre Machtsphäre teilten. Der Punkt, an dem sich die meisten Männer weigerten, sich zu ändern – weil sie sich selbst für unfähig dazu hielten –, war ihr Gefühlsleben. Nicht einmal für die Liebe und den Respekt emanzipierter Frauen waren Männer willens, sich als gleichberechtigte Partner an den Tisch der Liebe zu setzen und das Festmahl zu teilen.
Niemand hungert mehr nach männlicher Liebe als das kleine Mädchen oder der kleine Junge, die zurecht die Liebe ihres Papas brauchen und suchen. Er mag abwesend, tot, körperlich anwesend, aber emotional abwesend sein, doch das Mädchen oder der Junge hungert danach, beachtet zu werden, anerkannt, respektiert, umsorgt. Werbetafeln über die gesamte USA verteilt, vermitteln dieselbe Botschaft: „Jede Nacht gehen Millionen von Kindern hungernd schlafen – hungernd nach der Aufmerksamkeit von ihren Vätern.“ Weil die patriarchale Kultur selbst Mädchen und Jungen gelehrt hat, dass Papas Liebe wertvoller ist als Mamas Liebe, ist es unwahrscheinlich, dass mütterliche Zuneigung das Fehlen väterlicher Liebe heilen kann. Kein Wunder also, dass diese Mädchen und Jungen mit einer Wut auf Männer aufwachsen, wütend darüber sind, dass ihnen die Liebe verwehrt wurde, die sie brauchen, um sich als ganze Menschen zu fühlen, wertvoll, akzeptiert. Heterosexuelle Mädchen und homosexuelle Jungen können zu Frauen und Männern werden – und tun das auch –, die romantische Beziehungen zu einem Ort werden lassen, an dem sie männliche Liebe suchen und kennenlernen. Diese Suche ist selten erfolgreich. Meist führen Wut, Trauer und herbe Enttäuschung Frauen und Männer dazu, den Teil ihres Inneren zu verschließen, der gehofft hatte, von männlicher Liebe berührt und geheilt zu werden. In der Folge lernen sie, sich mit jeder Art von positiver Beachtung, die sie von Männern bekommen können, zufrieden zu geben. Sie lernen, diese Aufmerksamkeit überzubewerten. Sie lernen, so zu tun, als ob es Liebe sei. Sie lernen, die Wahrheit über Männer und Liebe nicht auszusprechen. Sie lernen, eine Lüge zu leben.
Als Kind hungerte ich nach der Liebe meines Papas. Ich wollte beachtet werden, wollte, dass er mir seine Aufmerksamkeit und Zuneigung schenkt. Wenn ich ihn schon nicht dazu bringen konnte, mich durch Bravsein und Gehorsam zu beachten, war ich bereit, eine Strafe zu riskieren, schlecht genug zu sein, um seinen Blick zu erhaschen, ihn festzuhalten und das Gewicht seiner schweren Hand zu tragen. Ich sehnte mich danach, von diesen Händen gehalten, behütet und beschützt zu werden, zärtlich und fürsorglich berührt zu werden, aber ich akzeptierte, dass dies niemals der Fall sein würde. Bereits mit fünf Jahren wusste ich, dass diese Hände mich nur dann wahrnehmen würden, wenn sie mir Schmerz zufügten, dass ich nur dann „Papas Mädchen“ sein könnte, wenn ich diesen Schmerz akzeptieren und ihn festhalten könnte. Ich könnte ihn stolz machen. Ich bin nicht allein. So viele von uns haben geglaubt, männliche Liebe gewinnen zu können, wenn wir bereit waren, diesen Schmerz zu ertragen, wenn wir bereit waren, ein Leben zu leben, das die Männlichkeit bestätigt, die für wahrhaft männlich gehalten wird, weil sie die Männlichkeit, die wir uns wünschen, beschränkt, zurückhält und verweigert. Wir lernen, Männer mehr zu lieben, weil sie uns nicht lieben werden. Würden sie es wagen, uns zu lieben, würden sie in der patriarchalen Kultur aufhören, „echte“ Männer zu sein.
In ihren bewegenden Memoiren mit dem Titel In the Country of Men (Im Land der Männer) beschreibt Jan Waldron eine ähnliche Sehnsucht. Sie gesteht, „die Art von Vater, nach der ich mich schmerzlich sehnte, habe ich niemals zu sehen bekommen, abgesehen von flüchtigen Eindrücken, verschönert durch meine Wunschvorstellungen.“ Indem sie die liebenden Väter, nach denen wir uns sehnen, den Vätern gegenüberstellt, die wir haben, drückt sie den Hunger aus:
„Papa. Es ist ein Schwur gegen alle Widrigkeiten, im Angesicht unzähliger Beispiele, die das Gegenteil belegen. Papa. Dieses Wort hat nicht den Nutzeffekt von Mama oder Mutti. Es wird immer noch wie der Refrain einer Ballade ausgesprochen. Es ist ein Versprechen, das aus dem Herzen kommt und um sein Leben kämpft, inmitten des Blutbades einer andauernden, offensichtlichen Geschichte, die das Gegenteil belegt, gefolgt von einer unerträglich dürftigen Umsetzung. Mütterliche Liebe ist reichlich vorhanden und augenfällig: Wir beschweren uns, weil wir zu viel davon haben. Die Liebe eines Vaters ist ein seltener Edelstein, der gesucht, poliert und aufbewahrt werden muss. Sein Wert steigt aufgrund seiner Seltenheit.“
In unserer Gesellschaft sprechen wir sehr wenig über die Sehnsucht nach väterlicher Liebe.
Anstatt uns große Weisheiten über die Natur von Männern und Liebe zu bringen, verstärkte der reformistisch-feministische Fokus die Vorstellung, dass Männer irgendwie mächtig sind und alles haben. In der damaligen feministischen Literatur stand nichts über das tiefe innere Elend von Männern. Es stand nichts über den schrecklichen Schmerz, der an der Seele nagt, wenn man nicht lieben kann. Jene Frauen, die Männer um ihre Härte beneideten, hatten kein Interesse daran, uns von der Tiefe männlichen Leidens zu erzählen. Und so hat es mehr als dreißig Jahre gedauert, bis feministischen Vordenker:innen Gehör geschenkt wurde, als sie der Welt die Wahrheit über Männer und Liebe verkündeten. Barbara Deming spielte auf diese Wahrheiten an:
„Ich glaube, dass der Grund, weshalb Männer so unglaublich gewaltsam sind, darin liegt, dass sie tief in ihrem Innersten wissen, dass sie ein Leben voller Lügen leben, und deshalb sind sie wütend, weil sie in der Lüge gefangen sind. Aber sie wissen nicht, wie sie mit der Lüge brechen können. […] Sie sind wütend, weil sie eine Lüge leben – was bedeutet, dass sie in ihrem tiefsten Inneren davon befreit werden möchten, dass sie Heimweh nach der Wahrheit haben.“
Die Wahrheit, die wir nicht erzählen, ist, dass sich Männer nach Liebe sehnen. Das ist die Sehnsucht, die feministische Denker:innen wagen müssen zu untersuchen, zu erforschen und zu diskutieren. Jene wenigen feministischen Vordenker:innen, die nun nicht mehr nur Frauen sind, haben nicht länger Angst davor, offen die Probleme von Männern, Männlichkeit und Liebe anzusprechen. Zu den Frauen haben sich aufgeschlossene Männer mit offenem Geist und großen Herzen hinzugesellt, Männer, die lieben, Männer, die wissen, wie schwer es für Männer in einer patriarchalen Kultur ist, die Kunst des Liebens zu praktizieren.
Zum Teil begann ich mit dem Schreiben von Büchern über Liebe, weil mein Ex-Freund Anthony und ich uns permanent stritten. Wir waren (und sind es zum Zeitpunkt des Schreibens immer noch) unsere jeweils wichtigsten Bezugspersonen. Wir kamen in der Hoffnung, Liebe zu erschaffen, zusammen und fanden uns in einem Konflikt wieder. Wir beschlossen, uns zu trennen, aber auch dies beendete den Konflikt nicht. Die Dinge, über die wir am meisten stritten, hatten mit der Praxis der Liebe zu tun. Wie so viele Männer, die wissen, dass sich die Frauen in ihrem Leben verbale Liebeserklärungen erhoffen, gab auch Anthony Erklärungen ab. Als ich ihn bat, die Worte „Ich liebe dich“ mit einer Definition und Praxis zu verbinden, stellte er fest, dass ihm dafür eigentlich die Worte fehlten, dass er sich grundsätzlich unwohl fühlte, gebeten zu werden, über seine Gefühle zu sprechen.
Wie viele Männer war auch er nicht glücklich in den meisten seiner Beziehungen gewesen, die er sich ausgesucht hatte. Die Unzufriedenheit von Männern in Beziehungen, der Schmerz, den Männer beim Scheitern der Liebe spüren, wird in unserer Gesellschaft auch deshalb nicht bemerkt, weil die patriarchale Kultur sich absolut nicht darum schert, ob Männer unglücklich sind. Wenn Frauen seelischen Schmerz spüren, macht es das sexistische Denken, das besagt, dass Emotionen für Frauen eine Rolle spielen sollten und können, für die meisten von uns möglich, wenigstens jemandem unser Herz auszuschütten, mit jemandem zu sprechen, sei es mit einer guten Freundin, mit einem Therapeuten oder mit einer fremden Person, die neben uns im Flugzeug oder im Bus sitzt. Patriarchale Sitten lehren Männer eine Art von emotionalem Stoizismus, der besagt, dass sie männlicher sind, wenn sie nicht fühlen, aber wenn sie zufällig doch etwas fühlen sollten und diese Gefühle wehtun, ist die männliche Reaktion darauf, sie hinunter zu schlucken, sie zu vergessen, zu hoffen, dass sie vergehen. George Weinberg erklärt in Why Men Won’t Commit (Warum Männer sich nicht binden wollen): „Die meisten Männer sind auf der Suche nach einer perfekten Frau vom Fließband, denn eigentlich glauben sie nicht, dass Beziehungsprobleme gelöst werden können. Sobald eine Kleinigkeit schiefläuft, scheint es einfacher zu sein davonzulaufen, als darüber zu sprechen.“ Nach männlichem Selbstverständnis empfinden echte Männer keinen Schmerz.
Die Realität ist, dass Männer verletzt sind und dass die gesamte Kultur ihnen mit den Worten antwortet: „Bitte sag uns nicht, wie du dich fühlst.“ Ich war schon immer ein Fan des Sylvia-Cartoons, in dem zwei Frauen dasitzen, eine dabei in eine Kristallkugel blickt, während die andere sagt: „Er spricht nie über seine Gefühle.“ Die Hellseherin sagt daraufhin: „Um zwei Uhr nachmittags werden überall auf der Welt Männer zum ersten Mal über ihre Gefühle sprechen – und Frauen überall auf der Welt werden es bereuen.“
Wenn wir nicht heilen können, was wir nicht fühlen, indem wir die patriarchale Kultur unterstützen, die Männer dazu erzieht, ihre Gefühle zu verleugnen – dann verdammen wir sie dazu, in einem Zustand emotionaler Taubheit zu leben. Wir gestalten eine Kultur, in der männlicher Schmerz keine Stimme haben kann, in der männliches Leid nicht benannt oder geheilt werden kann. Nicht nur Männer nehmen ihren eigenen Schmerz nicht ernst. Die meisten Frauen wollen sich nicht mit männlichem Schmerz auseinandersetzen, wenn dieser der Befriedigung ihrer weiblichen Lust im Weg steht. Als die Frauenbewegung die Emanzipation der Männer einleitete, inklusive der männlichen Erkundung von „Gefühlen“, verhöhnten einige Frauen männliche Gefühlsäußerungen mit derselben Abscheu und Verachtung wie sexistische Männer. Trotz aller ausgesprochenen feministischen Sehnsucht nach fühlenden Männern: Als Männer daran arbeiteten, Zugang zu ihren Gefühlen zu finden, wollte niemand sie wirklich dafür belohnen. In feministischen Kreisen wurden Männer, die sich verändern wollten, oft als narzisstisch und bedürftig bezeichnet. Einzelne Männer, die ihren Gefühlen Ausdruck verliehen, wurden als Aufmerksamkeitshascher angesehen, als patriarchale Manipulatoren, die Frauen mit ihrem eigenen Drama die Schau stehlen.
Als ich in meinen Zwanzigern war, ging ich in eine Paartherapie, und mein Partner, mit dem ich seit zehn Jahren zusammen war, erklärte, dass ich ausflippte, als ich ihn darum bat, über seine Gefühle zu sprechen und er es tat. Er hatte recht. Es war für mich schwierig, mich der Tatsache zu stellen, dass ich von seinen Gefühlen nichts wissen wollte, wenn sie schmerzhaft oder negativ waren; ich wollte mein Bild von ihm als starkem Mann nicht wirklich in Frage gestellt sehen, wenn ich von seinen Schwächen und seiner Verwundbarkeit erfuhr. Nun saß ich also da, eine aufgeklärte Feministin, die nicht wollte, dass mein Partner über seinen Schmerz spricht, weil dies seine emotionalen Schwachstellen offenbarte. Es liegt nun auf der Hand, dass somit unzählige Frauen, die dem sexistischen Glaubenssatz folgen, Männer, die über Gefühle sprechen, seien schwach, insbesondere wenn sie sagen, dass sie verletzt sind, sich ungeliebt fühlen. Viele Frauen können den männlichen Schmerz über Liebe nicht hören, weil es wie eine Anklage weiblichen Versagens klingt. Da sexistische Normen uns beigebracht haben, dass Lieben unsere Aufgabe ist, sei es in der Rolle als Mütter oder Geliebte oder platonische Freundin, sind wir daran schuld, wenn Männer sagen, sie seien nicht geliebt; wir sind dafür verantwortlich.
Es gibt es nur ein einziges Gefühl, das das Patriarchat an Männern schätzt, wenn sie es ausdrücken; dieses Gefühl ist Wut. Echte Männer werden wütend. Und ihre Wut, ganz gleich wie gewaltsam oder verletzend sie ist, wird als natürlich angesehen – als ein positiver Ausdruck patriarchaler Männlichkeit. Wut ist das beste Versteck für jeden Menschen, der versucht, Schmerzen oder seelische Qualen zu verbergen. Mein Vater war ein wütender Mann. Manchmal ist er das noch, obwohl er bereits über achtzig Jahre alt ist. Als ich vor Kurzem zu Hause anrief, sagte er über mich und meine Schwester: „Ich liebe euch beide von ganzem Herzen.“ Überrascht, meinen Papa über Liebe sprechen zu hören, wollte ich, dass wir darüber reden, aber ich konnte keine Worte finden. Angst brachte mich zum Schweigen, die alte Angst vor Papa, dem Patriarchen, dem stillen, wütenden Mann, und die neue Angst, Angst davor, dieses fragile Band einer liebevollen Verbindung zwischen uns zu zerreißen. Deswegen konnte ich nicht fragen: „Was meinst du, Papa, wenn du sagst, dass du mich von Herzen liebst?“ Im Kapitel über unsere Suche nach liebenden Männern in Communion: The Female Search for Love (dt. Ausgabe: Lieben lernen) mache ich diese Beobachtung: „Viele Frauen haben Angst vor Männern. Und Angst kann den Grundstein für Verachtung und Hass legen. Sie kann ein Versteck für unterdrückte, mörderische Wut sein.“ Angst hält uns fern von Liebe. Und trotzdem sprechen wir Frauen selten mit Männern darüber, wie sehr wir uns vor ihnen fürchten.
Meine Geschwister und ich sprachen niemals mit Papa über die Jahre, in denen er uns als Geiseln hielt – gefangen hinter den Wänden seines patriarchalen Terrors. Selbst im Erwachsenenalter haben wir noch immer Angst, ihn zu fragen: „Warum, Paps? Warum warst du immer so wütend? Warum hast du uns nicht geliebt?“
In jenen kraftvollen Passagen, in denen sie über ihren Vater schreibt, benennt Barbara Deming diese Angst. Als der Tod ihn rasch aus ihrer Reichweite bringt, sieht sie klar, dass Angst die Nähe verhinderte, seine Angst, ihr zu nahe zu kommen, und ihre Angst, zu viel Nähe zu ihm zu suchen. Angst hält uns davon ab, den Männern in unserem Leben nahe zu kommen, sie hält uns von der Liebe fern.
Früher dachte ich, es sei Frauensache, diese Angst vor Männern. Doch als ich anfing, mit Männern über Liebe zu sprechen, hörte ich wieder und wieder Geschichten über Angst von Männern vor Männern. Tatsächlich, Männer die fühlen, die lieben, verstecken oft ihr emotionales Bewusstsein vor anderen Männern aus Angst, angegriffen und beschämt zu werden. Dies ist das große Geheimnis, das wir alle gemeinsam bewahren – die Angst vor patriarchaler Männlichkeit, die jede und jeden in unserer Kultur fesselt. Das, was wir fürchten, können wir nicht lieben. Deshalb lehren uns so viele religiöse Traditionen, dass es keine Angst in der Liebe gibt.
In der patriarchalen Kultur kämpfen wir alle darum, Männer zu lieben. Wir mögen uns sehr um Männer kümmern. Wir mögen unsere Beziehungen zu den Männern in unserem Leben wertschätzen. Und wir mögen verzweifelt fühlen, dass wir nicht ohne ihre Gegenwart, ihre Gesellschaft leben können. Wir können im Angesicht der Männlichkeit all diese Leidenschaften fühlen, und dennoch stehen wir entfernt voneinander, behalten die Distanz, die das Patriarchat geschaffen hat, halten die Grenzen ein, die wir nicht überschreiten sollen. In einem Seminar mit Studenten, die die Büchertrilogie lesen, die ich über das Thema Liebe geschrieben habe, mit vierzig Männern, die über Liebe reden, sprechen wir von Vätern. Ein Schwarzer Mann in seinen späten Dreißigern, der mit einem präsenten Vater aufgewachsen ist, ein fleißiger Arbeiter, sprach über seine Erfahrung als frisch gebackener Vater, sein Engagement, ein liebevoller Vater zu sein und über seine Angst, dabei zu scheitern. Er fürchtet zu scheitern, weil er in seiner Kindheit kein liebendes Vorbild hatte. Sein Vater war fast immer von zu Hause weg, immer am Arbeiten, am Umherstreifen. Wenn er zu Hause war, war seine Lieblingsmethode, sich mit seinem Sohn zu beschäftigen, ihn permanent zu piesacken, mit einer bissigen Stimme voller Sarkasmus und Verachtung, einer Stimme, die mit einem einzigen Wort demütigend sein konnte. Der Mann, der seine Geschichte erzählte, spiegelte die Erfahrung vieler von uns wider und sprach davon, dass er sich die Liebe dieses harten Mannes wünschte, dann aber lernte, sie nicht zu wollen, zu lernen, sein Herz zum Schweigen zu bringen und dafür zu sorgen, dass es keine Rolle spielt. Ich fragte ihn und die anderen anwesenden Männer: „Wenn Sie Ihre Herzen verschlossen und Ihr emotionales Bewusstsein abgeschaltet hatten, wie haben Sie dann gelernt, Ihre Söhne zu lieben? Wo und wann haben Sie auf Ihrem Weg die Praxis der Liebe gelernt?“
Er antwortet mir und den anderen Männern in unserem Kreis über Liebe: „Ich denke einfach an das, was mein Vater tun würde und mache das genaue Gegenteil.“ Jeder lacht. Ich bestätige sein Verhalten und füge nur hinzu, dass es nicht ausreicht, in einem Zustand der Reaktion zu verbleiben, dass einfach nur zu reagieren bedeutet, Gefahr zu laufen, dass die schattenhafte Vergangenheit die Oberhand über die Gegenwart gewinnt. Wie viele Söhne, die dem Beispiel ihrer eigenen Väter folgen, ziehen Söhne auf, die zu Klonen ihrer patriarchalen Großväter werden? Abgesehen von der Reaktion kann jedoch jeder Mann, unabhängig von seiner Vergangenheit oder seinen gegenwärtigen Umständen, unabhängig von seinem Alter oder seiner Erfahrung, lernen zu lieben.
In den letzten vier Jahren ist die einzige klare Wahrheit, die ich von einzelnen Männern erfahren habe, während ich gereist bin und Vorträge gehalten habe, die, dass Männer die Liebe kennenlernen wollen und wissen wollen, wie man liebt. Es gibt schlichtweg zu wenig Literatur, die dieses Bedürfnis direkt und engagiert anspricht. Nachdem ich ein allgemeines Buch über Liebe verfasst hatte, danach eines über Schwarze Menschen und Liebe, dann ein anderes mit dem Schwerpunkt auf der weiblichen Suche nach Liebe, wollte ich einen Schritt weiter gehen und über Männer und Liebe schreiben.
Frauen und Männer gleichermaßen verwenden sehr wenig Zeit darauf, Männer dazu zu ermutigen, lieben zu lernen. Sogar Frauen, die stocksauer auf Männer sind, Frauen, von denen die meisten keine Feministinnen sind und auch wahrscheinlich niemals welche sein werden, benutzen ihre Wut, um sich vor der Aufgabe zu drücken, sich wirklich für eine Welt einzusetzen, in der Männer jeden Alters die Liebe kennenlernen können. Und es bleibt eine kleine Gruppe feministischer Denker:innen übrig, die stark empfinden, dass sie Männern all das gegeben haben, was sie ihnen geben wollten; sie sind ausschließlich um die Verbesserung des kollektiven Wohlergehens von Frauen besorgt. Und doch hat mir das Leben gezeigt, dass sich jedes Mal das Leben von Frauen, Männern und Kindern grundlegend zum Besseren wendet, wenn ein Mann es wagt, patriarchale Grenzen zu überschreiten, um zu lieben.