Bei den großen Anregungen, die wir in dieser Zeit dauernd durch die Herausgabe des deutschen Wörterbuches empfangen, welches Jakob Grimm mit seinen von mühsamer Forschung in unsern alten Schriften nicht getrübten, sondern nur glänzender gewordenen Seherauge schon als ein Familienbuch bezeichnet hat, ist es schwer sich den Träumen zu entschlagen, daß die germanistischen Forschungen in längerer oder kürzerer Zeit auch auf die Pädagogik den nachhaltigsten Einfluß üben und die Mittel, deren sich der Jugendunterricht bedient, gar sehr erweitern werden. Zwar meinte noch letzthin Gervinus, daß über die Frage, ob unsere eigne nationale Literatur beim Unterricht vor den classischen Literaturen zu bevorzugen oder ihnen auch nur einigermaßen gleichzustellen sei, mitzusprechen nur Wenige berufen seien und ohnehin liegt es uns sehr fern, z. B. unsre Heldendichtung auf Kosten der Wahrheit der griechischen gleichstellen zu wollen. Aber dies vorausgeschickt wie billig – sollte nicht Einem, der den Reichthum dieser gesammten deutschen Forschungen vor Augen hat, der Wunsch das Herz abdrücken, diese Schätze auch auf die jeder Wissenschaft zukommende Weise nutzbar gemacht zu sehen? So vielfache National-Schätze haben Griechen und Römer niemals vor sich erblickt und niemals ist ihnen ein solches Verständniß ihrer eignen Literatur und ihres Wesens geöffnet gewesen, wie uns jetzt durch Grammatik, Wörterbücher und viele andere reiche Untersuchungen, die hier und da von Tage zu Tage (wie die Ausgrabungen unsrer Alterthumsvereine durch die Zuziehung der Sagen) noch belebt und einer scheinbaren Unfruchtbarkeit enthoben werden können. Es greift hier zu Vieles ineinander und die Frage ist schon ganz zu trennen von der Frage nach dem Werth einzelner älteren deutschen Dichtungen.
Das Märchen nimmt inmitten dieser Studien einen sehr bescheidenen Platz ein, aber es darf am Wenigsten fehlen, wo es sich darum handelt dieselben zu Schule und Haus in die rechte Beziehung zu setzen, denn es ist der Jugend schon von Alters her lieb und werth.
Zwei arme Kinder, Brüderchen und Schwesterchen, die den Kinderschuhen noch jetzt kaum entwachsen sind, erzählten dem Herausgeber dieses Buches, wie sie sich jeden Abend, wenn sie sich zu Bett legten, an einem einzigen Märchen, das sie wußten, ergötzten. Sie erzählten sich nämlich die bekannte Geschichte von den Bremer Stadtmusikanten, und zwar so, daß die darin auftretenden Thiere alle von bestimmten, den Kindern bekannten Orten auf dem Oberharze herkamen und sich an einer ihnen gleichfalls wohlbekannten Stelle trafen. “So kiet’s wemmer alt werd!” (so geht’s wenn man alt wird) sagte jedes der weggejagten Thiere, die sich nun als Musikanten auf die Reise machten, beim Zusammentreffen zum andern, und schon aus der allerdings im Munde der Thiere, noch mehr im Munde der ihnen nachsprechenden Kleinen selbst, hinlänglich komischen Rede allein sogen diese jeden Tag ein neues und unerschöpfliches Vergnügen. Wenn nun auch ein rechter Pädagoge den Kindern empfehlen wird, statt solches Märchenerzählens beim Schlafengehen lieber sogleich frisch und fröhlich die Augen zu schließen und einzuschlafen, so wird doch in anderer Art Aehnliches von der Wirkung des Volksmärchens auf das kindliche Gemüth ein Jeder auch aus seiner eignen Jugend anführen können, denn noch ist wohl kein Haus bei uns so armselig, daß darin nicht zur Freude der Kinder ein oder das andre Hausmärchen von Eltern und Großeltern her forterbte, mag es auch in den gebildeten Häusern oft nur noch als Schwank fortzuleben wagen.
Mehr und mehr werden auch diese Märchen als eine sehr wesentliche Nahrung erkannt, welche man dem jugendlichen Geiste keineswegs entziehen dürfe. Zwar erschien vor einigen Jahren von einem nicht unbekannten Pädagogen eine Art von Programm für die Pädagogik der Zukunft, worin unter Anderm das Märchen seines phantastischen Charakters wegen geächtet wurde. Allein dies beruhte zum guten Theil nur auf einem Mißverständniß. Im Märchen wird allerdings der gewöhnliche Lauf der Dinge sehr oft durch wunderbare Vorfälle unterbrochen; wie aber schon Wilhelm Grimm gesagt hat, daß es eine Anhäufung des Wunderbaren nicht vertrage, sondern eine angemessene Verbindung des Gewöhnlichen mit dem Wunderbaren verlange: so glauben wir sagen zu können, daß für diejenigen, für welche das Märchen zunächst vorhanden ist, die Grenze zwischen dem Natürlichen und dem Wunderbaren gar nicht scharf genug gezogen ist, um da, wo sie überschritten wird, sogleich einen feindlichen Angriff auf den menschlichen Verstand wittern zu können.
So wie das Wunderbare im Märchen nicht willkührlich ersonnen ist, sondern auf sehr alten großentheils noch aus dem Heidenthume fortgepflanzten, ursprünglich religiösen und erst im Zeitlaufe verweltlichten Vorstellungen beruht, so sind wir auch, wenn wir blos vom poetischen Standpuncte aus die Zusammensetzung zunächst nicht zusammengehöriger Dinge betrachten, wie sie im Märchen stattfindet, doch auch keineswegs auf das Gebiet der Willkühr versetzt. Auch wenn wir von dem ersten Ursprung dieser Erzählungen im grauen Alterthume absehen, werden wir doch hier oft an Layard erinnert, der die geflügelten Löwen mit Menschenköpfen vor einem von ihm ausgegrabenen Tempel in Ninive betrachtet und ausruft: “Konnten edlere Gestalten das Volk an der Pforte der Tempel seiner Götter empfangen? Welch erhabnere Züge konnte er nur auf die Nachahmung der Natur angewiesene Mensch für die Weisheit, die Macht und die Allgegenwart des höchsten Wesens wählen? Er konnte keinen bessern Typus für Geist und Wissen finden als den Kopf des Menschen, keinen bessern Typus für die Stärke als den Körper des Löwen, und für die Schnelligkeit der Bewegung die Schwingen des Vogels. Diese geflügelten Löwen mit Menschenköpfen waren keine bloße Ausgeburt einer üppigen Phantasie; ihre Bedeutung stand ihnen auf der Stirn geschrieben.” –
Wir Deutschen aber sollten am Wenigsten der Kindheit die unschuldige Märchenlust verkümmern. Unser Volk erzeugt diese unschuldigen Spiele der Phantasie mit jener wahren und echten Naivität, mit jenem reinen kindlichen Sinne, der wenigstens den leider in neuerer Zeit gerade in Deutschland gewaltsam für die Jugend zugestutzten orientalischen Märchen, und auch den italienischen durchaus abzugehen scheint. Wenn wir auch selbst unsrer reiferen Jugend, wir meinen der gebildeten, etwas weniger träumerischen Sinn wünschen müssen, so können wir doch bei der Entdeckung der Engländer, daß die Kinderspielsachen, die grünen Bäume, Schäfer, Schäferinnen, Holzhauer, Bauern, Landmädchen und Hausthiere, mit denen das deutsche Gemüth selbst das Ausland versieht, nicht mehr in die Zeit passe, weil ihnen die Bewegung fehle, Altengland wegen seiner frühreifen Jugend nur aufrichtig bemitleiden und unsre Collegen, die “großen Kinder” in Nürnberg, aus deren Händen diese Waare kommt, werden den Rath1, mehr auf die materielle Denkungsart der Engländer zu speculiren, eben so wenig berücksichtigen können, als ihre Kameraden, welche Volksmärchen herausgeben, etwa im Stande waren, ähnliche Rathschläge zu befolgen.
Außer jener vollkommen unberechtigten Einwendung gegen Märchen als Kinderschriften hat man nun auch darauf hingedeutet, daß die deutschen Volksmärchen manche Züge (sie erwachsen aus dem Conflict der Cultur des Volkes und derjenigen der gebildeten Stände, oder werden vielmehr nur durch ihn bemerklich) enthalten, welche für Kinder nicht passen. Ja, eine als besondere Schrift erschienene Musterung von Jugendschriften will alle diese Sammlungen nur als Volksschriften betrachtet wissen und nur die Auswahl aus der Grimm’schen Sammlung, aus der allerdings alles weniger für Kinder geeignete entfernt ist, wird dort den Jugendschriften eingereiht, während die Brüder Grimm selbst auch die große Ausgabe ihrer Sammlung als Kinderschrift bezeichnet haben. Auch eine von mir selbst herausgegebene und von der Kritik mit Beifall aufgenommene Sammlung wird dort mit den übrigen nur unter die Volksschriften verwiesen.
Ohne auf jene Bedenken weiter einzugehen, bemerke ich nur, wie ich es als eine mir widerfahrene hohe Ehre betrachte, daß Eltern und Erzieher in der hört. So sprach sich denn unter Anderm in einer Lehrerconferenz der Wunsch aus nach einer Sammlung erzählender Stücke mit Erläuterungen, welche ein für Lehrer brauchbares Material enthielten. Solchen Regungen kommt unsre Schrift entgegen und solchem Bedürfniß wünscht sie mit der ersten Abtheilung des Anhangs auf eine zweckmäßige Weise abzuhelfen.
Möchte das Buch den Jungen und den Alten, deren ich bei seiner Ausarbeitung fortwährend freundlich gedachte, lieb werden.
Wernigerode, am Michaelistage 1854.
Es waren einmal zwei Brüder, die hatten beide das nämliche Handwerk gelernt, theilten ihr väterliches Erbe und zogen mit einander in die weite Welt. Als sie nun einmal sich unterwegs mit einander unterhielten, sagte der älteste: “Undank ist der Welt Lohn;” der jüngste aber sagte: “Dank ist der Welt Lohn;” und weil sie sich nicht einigen konnten, so wetteten sie, setzten jeder sein Erbtheil ein und machten aus, wer mit seiner Meinung auf ihrer Wanderschaft Recht behielte, dem solle der Andre sein Erbtheil hingeben.
Sie hatten aber dies Gespräch geführt vor den Thoren einer Stadt und gingen nun mit einander auf einem Spazierwege fort, der sie alsbald in einen anmuthigen Wald führte. Da spazierte ein Brautpaar an ihnen vorbei, das gerieth vor ihren Augen mit einander in Streit, so daß Braut und Bräutigam auf einander losschlugen und mit einander rauften. Weil nun aber die Braut von Natur schwächer war, so erging es ihr am Uebelsten dabei und sogleich sprang der jüngere Bruder auf das Paar los, um der Braut zu helfen und prügelte den Bräutigam. Da schlug aber die Braut schnell auf ihren Retter los und endlich mußte der älteste Bruder herbei springen um ihn selbst von der Wuth des Brautpaars zu erretten. Danach aber sprach der Älteste: “Siehst Du nun, mein Bruder, daß mir Dein Erbtheil gebühret? Denn wahrlich, nichts als Undank ist der Welt Lohn.” Der jüngere Bruder aber bat um Aufschub wegen der Herausgabe seines Erbtheils und sprach wieder: “Nein, mein Bruder, Dank ist der Welt Lohn.”
Da gewährte ihm der ältere Bruder noch einen Aufschub und sie zogen mit einander weiter in den Wald hinein. Der Spaziergang aber war nun zu Ende und der Wald wurde immer einsamer und wilder. Da rief plötzlich wehklagend in der Einsamkeit des Waldes eine Stimme jämmerlich um Hülfe. Zugleich eilte der Jüngste zur Stelle und fand zwei Köhler, die sich mit einander schlugen; er sprang dem schwächern bei, der um Hülfe gerufen hatte, als er sie aber von einander getrennt und den stärkeren tüchtig durchgeprügelt hatte, sprangen beide Köhler auf ihn los und schlugen gemeinsam auf ihn, denn die Köhler waren auch Brüder. Endlich mußte der älteste von den beiden Reisenden herbei kommen und ihn aus den Händen der Köhler befreien. Da sprach der Älteste wieder: “Undank ist der Welt Lohn;” der Jüngste aber sprach auch jetzt noch: “Nein, Dank ist der Welt Lohn,” und bat seinen Bruder um Aufschub, auf daß er ihn noch nicht seines Erbtheils beraubte.
Sie zogen also weiter mit einander, und der Wald, in dem sie gingen, wurde immer schauriger und wilder. Da kamen sie zu einem Bären und einer Schlange, die balgten sich mit einander, der Bär aber hatte die Schlange schon bewältigt und zugleich sprang der jüngste Bruder hinzu, ihr zu helfen. Das gelang ihm denn auch, aber kaum war es geschehen, als die Schlange sich um ihren Retter schlang und ihn erwürgen wollte. Da mußte der älteste Bruder ihn auch von den Thieren befreien. Nachdem dies aber geschehen war, sprach er zu ihm: “Es ist nicht anders, Undank ist der Welt Lohn, Dein Erbtheil aber ist mir jetzt verfallen, ich gebe Dir keinen Aufschub mehr.” Da rief der jüngste noch einmal: “Nein, Bruder, Dank ist der Welt Lohn, gewiß, es muß sich bald zeigen, schenke mir nur noch eine kurze Frist.” Allein der ältere Bruder hatte kein Erbarmen mehr, er stach dem jüngeren die Augen aus, und beraubte ihn seines Erbtheils an Gelde, zog ihn aus bis aufs Hemd und ging fort.
Es ist aber dies bei einem Galgen geschehen und da hat sich der jüngere Bruder auf ein paar Holzkloben gesetzt, die da von den Waldarbeitern aufgeschichtet gewesen sind. Dort ist die Nacht über ihn hereingebrochen und weil er die wilden Thiere fürchtete, stieg er in der Angst auf den nächsten Baum. Er hatte noch nicht lange gesessen, als ein Bär, ein Löwe und ein Fuchs unter den Baum kamen und sich mit einander unterhielten. Der Bär fing nämlich an: “Ich weiß ein Geheimniß.” “Was weißt Du denn?” fragte der Löwe. Der Bär antwortete. “Morgen früh fällt ein Thau, von dem die Blinden sehend werden, wenn sie sich die Augen dreimal damit bestreichen.” Da sprach der Löwe: “Ich weiß auch ein Geheimniß. In der und der Stadt liegt ein Reicher krank durch die Schuld seiner Frau; hinter der Kommode liegt eine Brodrinde, davon muß eine Suppe gekocht werden und die Suppe muß der Reiche in drei Malen essen, dann wird er gesund.” Danach fragte der Löwe den Fuchs: “Nun, Reineke, weiß Er denn nichts?” “Freilich,” antwortete der Fuchs. “Auf dem Königshofe ist der Königsbrunnen versiegt, das liegt daran, daß ein Lork auf dem Quell sitzt und das Wasser auffängt. Darum muß der Lork gespießt werden und dann wird ein Wasserstrahl so dick wie ein Braukessel aus der Erde hervorspringen.”
So unterhielten sich die drei Thiere bis an den Morgen, dann gingen sie auseinander, nachdem sie beschlossen hatten über sieben Jahre in derselben Nacht hier wieder zusammenzukommen. Nun stieg der Blinde vom Baume, wusch sich die Augen dreimal mit dem Morgenthau und sogleich war er sehend. Dann sammelte er von dem Thau so viel als ihm möglich war in seine hohlen Hände und ging seines Weges weiter zu der nächsten Stadt. Dort fand er noch das Thor verschlossen und weil er ganz nackt war, so hielt die Thorwache ihn anfangs für einen Geist und wollte vor seinem Anblicke entfliehen. Er aber rief ihr zu, daß sie sich nicht fürchten solle; dann offenbarte er dem Soldaten wie es ihm ergangen wäre und der gab ihm ein Gefäß, darein er den kostbaren Thau aus der hohlen Hand schüttete und verschaffte ihm Kleidung, womit er sich bedecken konnte.
So ging er denn also in die Stadt hinein mit dem Gefäß, und suchte alle Blinden auf, die er nur finden konnte, und bestrich ihr Angesicht mit dem Thau, und ein jeder der durch ihn sein Gesicht wieder erhalten hatte, beschenkte ihn so reichlich als er nur vermochte, ja, er mußte ihnen noch wehren, denn die Armen, die durch ihn sehend geworden waren, wollten ihm Alles geben was sie hatten und er bekam reichlich sein Erbtheil wieder und Alles was sein Bruder ihm genommen hatte, und sprach: “Dank ist der Welt Lohn.”
Als nun die Blinden in der Stadt durch ihn sehend geworden waren, zog er weiter und suchte den reichen Mann auf, der da krank lag, und von dem die Thiere unter dem Galgen sich unterhalten hatten. In dessen Hause trat ihm gleich die böse Frau des Reichen entgegen, die an seiner Krankheit schuld war, und wollte ihn von dem Krankenbette abwehren, und sprach: Ihrem Manne könne kein Arzt helfen. Er aber sagte: Dann wolle er ihn wenigstens in seiner Krankheit besuchen. Da mußte sie ihn einlassen. So wie aber der reiche Mann ihn nur sah und vernahm, daß er ein Arzt sei, ward er voller Freuden, ob auch schon viele Aerzte vergeblich bei ihm gewesen waren und gelobte ihm mehr als tausend Reichsgülden, wenn er ihm helfen könne. Er suchte die verschimmelte Rinde hinter der Kommode hervor, kochte eine Brodsuppe davon und nachdem der reiche Mann dreimal davon gegessen hatte, war er gesund. Da hielt der getreulich sein Versprechen und gab seinem Helfer mehr als tausend Reichsgülden. Der aber sprach abermals: “Dank ist der Welt Lohn” und zog hoch erfreut von dannen.
Er richtete jetzt seinen Weg nach dem Königshofe, darauf der Königsbrunnen versiegt war, da hatten auch schon viele Leute versucht, zu machen daß das Wasser wieder hervorquelle, und ob auch Alles vergeblich gewesen war, so war doch der König voll Freude, als sich abermals einer meldete, der den Brunnen wieder quellen machen wollte, und gelobte ihm, wenn ihm das gelänge, so solle er seine Krone haben.
Darauf nahm der jüngste Bruder einen Degen und stieg damit in den Brunnen, und da saß in einer Ecke erzählte ihm, was er erlebt hatte, seit sein Bruder von ihm gegangen war und sprach: “Siehst Du nun, mein Bruder, daß Dank der Welt Lohn ist? hat nicht der Dank der Menschen mir eine Krone und viele Schätze eingetragen?”
Einst erzählte der König von den drei Thieren, welche sich nun bald wieder unter dem Baume treffen mußten, um sich zu sagen was sie wüßten, weil in einigen Tagen die sieben Jahre wieder herum wären.
Als der älteste Bruder dies erfahren hatte, machte er sich heimlich auf und suchte die Stelle, an der er seinen Bruder einst geblendet hatte, und stieg auf den Baum. Wie nun die Zeit herankam, ging’s unten im Laube: patsch, patsch, patsch; damit kam der Bär und setzte sich verdrießlich brummend unter den Baum. Bald darauf kam auch der Löwe und setzte sich neben den Bären. Da sagte der Bär zum Löwen: “Denke Dir, Bruder, alle unsre Geheimnisse sind verrathen. Gewiß hat es der Fuchs gethan.” “Das sollte man kaum glauben,” antwortete der Löwe, “Reineke ist doch sonst nicht so dumm.” “Es kann aber Niemand anders gewesen sein,” erwiederte der Bär wieder.
Tripp, tripp, tripp kam der Fuchs an und setzte sich freundlich grüßend zwischen den Löwen und den Bären. “Reineke,” sagte der Bär mürrisch, “warum hast Du unsre Geheimnisse verrathen?” Und damit gab er ihm gleich eine Maulschelle, daß er auf den Rücken hinfiel. Da schrie Reineke: “Jetzt seh ich ihn, der es verrathen hat! Da oben lauscht er im Baum!” Danach stand er wieder auf; der Bär aber kletterte hinauf, holte den ältesten Bruder herunter und Bär und Löwe zerrissen ihn. Der jüngste der Brüder aber erreichte auf seinem Throne ein gar hohes Alter in Glückseligkeit, Tugend und Frömmigkeit.
Anmerkungen der Vorlage
von den andern im Schlaf geblendet und beraubt. Dieser hört dann in der “Walburgisnacht,” was sich Hexen berichten, wird dadurch von Neuem glücklich und zeigt sich barmherzig gegen die beiden Andern. – Vergl. auch in Zingerle’s Märchen aus Tyrol Nr. 20, die zwei Jäger.
Es war einmal ein Bauer, dem lag beim Fahren ein Stein im Wege, den hob er auf und da zischte eine Schlange darunter hervor, die unter dem Steine eingeklemmt gewesen war. Sie fuhr sogleich auf ihn los und wollte ihren Retter ermorden, und sagte, daß Undank der Welt Lohn wäre. Der Bauer sagte aber: Dank sei der Welt Lohn, und so beschlossen sie drei Stimmen darüber zu hören, und wenn alle sagen würden, daß Undank der Welt Lohn sei, so solle die Schlange den Bauersmann tödten.
Da sie noch so sprachen, kam ein altes und gedientes Roß daher, das war von seinem Herrn verstoßen und sagte, Undank sei der Welt Lohn. Darauf kam ein alter blinder Hund in der Furche herab gegangen, der war auch von seinem Herrn verstoßen und sagte wieder, Undank sei der Welt Lohn. Da triumphirte die Schlange schon, aber es kam jetzt ein Fuchs, der sagte: Nach Beschaffenheit der Umstände sei Dank und Undank der Welt Lohn, und ehe er darüber urtheilen könne, ob für diesmal die Schlange dem Bauer Dank schuldig sei, müßte diese sich nochmals unter den Stein legen, den der Bauer von ihr abgewälzt habe. Das that die Schlange auch und als sie wieder unter dem Steine lag, drückte ihr sogleich der Bauer und der Fuchs mit dem Steine den Kopf ein.
Da war der Bauer über seine Rettung hoch erfreut, dankte dem Fuchs vielmals und sprach, er solle sich von ihm eine Gnade ausbitten. Da sprach der Fuchs: “Nun denn, so erlaube, daß ich einmal auf Deinen Hühnerhof komme und gestatte mir, daß ich dort ein paar Hühner, Tauben und Gänse verzehre.” Das war der Bauer zufrieden und der Fuchs stellte sich richtig ein.
Als nun aber die Söhne des Bauern sahen, wie der Fuchs unter ihrem Federvieh wirthschaftete, sprachen sie nach einer Weile: “Das geht doch nicht an, daß der Fuchs unsere ganzen Hühner, Tauben und Gänse tödtet und wir stehen ruhig dabei und sehen ihm zu.” Während der Fuchs seine Jagd auf dem Bauerhofe fortsetzte und von dem Taubenschlage nach dem Hühnerstall rannte, bereiteten sie ihm Hinterlist im Gänsestalle, steckten eine fette Gans in einen Sack und banden sie darin fest. Als der Fuchs an den Gänsestall kam und in dem Sacke recht verlockend die fette Gans ihr: “Pile! Pile!” rufen hörte, kroch er zu ihr in den Sack, sogleich aber drangen die Söhne des Bauern herein, banden den Sack zu, worin eben der Fuchs erst der Gans den Kopf abgebissen hatte, schlugen den Fuchs in dem Sacke todt, verzehrten die fette Gans selbst zum Abendbrode und da hatte der Fuchs zuletzt doch erfahren, daß Undank der Welt Lohn sei.
Anmerkungen der Vorlage
Dies Märchen ist wenig abweichend auch in Ungarn bekannt. Vergl. den Auszug aus v. Gaal’s Märchen der Magyaren, 1822, K. u. H.-M., III., S. 434. – Zu dem bald darauf folgenden schönen Märchen: die Goldtochter und die Hörnertochter vergl. die Erörterung in dem oben angeführten Aufsatze der Allgem. Monatsschrift S. 533. u. 534.
Es fing einmal ein Fuchs eine Gans und wollte sie eben verzehren. Da bat sie, daß er ihr doch gestatten möchte vor ihrem Ende noch einmal zu tanzen. Der Fuchs dachte: “Das kann ich ihr wohl gewähren, sie soll mir nachher um so besser schmecken, wenn ich ihr dabei zugesehen habe.”
Als nun die Gans die Erlaubniß hatte, hob sie sich mit den Füßen mehrmals ein wenig vom Boden auf, machte dabei auch die Flügel aus einander und begann vor dem Fuchs recht artig zu tanzen, wie die Gänse thun bevor sie anfangen zu fliegen. Nachdem sie aber so eine Weile zum großen Vergnügen des Fuchses getanzt hatte, flog sie davon. Da hatte der Fuchs nichts als das Nachsehen und weil dies bei einem Gänsebraten, wie Du weißt, nicht viel sagen will, so sprach er: “Wie diesmal soll es mir gewiß nicht wieder ergehen: vor dem Essen ist kein Tanzen wieder.”
Es war einmal ein König, der wollte eine Reise machen und fragte seine drei Töchter, was er ihnen mitbringen solle. Die älteste sprach: “Bring mir ein goldenes Salzfaß mit;” die zweite sagte: “Mir, Vater, einen goldenen Haspel;” und die jüngste: “Mir bring das mit, was Dich auf dem Wege an den Kopf stößt.” Darnach reiste der König ab. Als er seine Reise fast vollendet hatte, ging er in eine Stadt und kaufte hier seinen beiden ältesten Töchtern das goldene Salzfaß und den goldenen Haspel, an den Kopf aber hatte ihn noch nichts gestoßen, und er dachte: was wird nun mein jüngstes Kind sagen, wenn ich ihm nichts mitbringe? Ehe der König jedoch nach seinem Schlosse kam, führte ihn sein Weg noch durch einen großen Wald. Als er mitten darin war, stieß ihn ein Tannenzweig an den Kopf. Den brach er ab und dachte: ich will ihn meiner jüngsten Tochter mitnehmen. Da stand auf einmal ein Löwe neben ihm und sprach: “Gib mir Deine jüngste Tochter.” “Nein, die gebe ich Dir nicht,” sagte der König. “So mußt Du sterben,” entgegnete der Löwe. Da versprach der König dem Löwen seine jüngste Tochter, und der sprach: “Setze Dich auf meinen Schwanz.” Da setzte sich der König auf den Schwanz des Löwen und so jagte der wie im Fluge dem Schlosse zu. Aber der König war nun sehr betrübt über das Geschick seiner jüngsten Tochter, sann hin und her und ließ endlich des Kuhhirten Tochter holen, zog ihr schöne Kleider an und gab sie dem Löwen und sprach: “Hier, Löwe, hast Du meine jüngste Tochter.” Da mußte sich das Mädchen auf den Schwanz des Löwen setzen und so jagten sie fort. Als sie im Walde waren, sagte der Löwe: “Steig ab.” Nach einer Weile fragte der Löwe: “Nun sage mir, was es an der Zeit ist.” Das Mädchen sprach: “Es ist nun die Zeit, da mein Vater mit den Kühen in der Ruhe liegt.” Da merkte der Löwe, daß er betrogen war und sagte: “Du bist die Rechte nicht, setze Dich auf meinen Schwanz.” Da setzte sich das Mädchen wieder auf den Schwanz des Löwen und jagte nach dem Schlosse. Er klopfte höflich an die Thür im Schlosse und sagte zum Könige: “Gib mir das rechte Kind.” Da schickte der König hin und ließ des Schweinehirten Tochter holen, zog ihr noch viele schöne Kleider an und sagte zum Löwen: “Nun hast Du die Rechte.” “Setze Dich auf meinen Schwanz,” sprach der Löwe zu ihr, und lief so dem Walde zu. Im Walde sagte er: “Steig ab,” und nach einer Weile sprach er: “Sage mir, wie es an der Zeit ist.” Das Mädchen sprach: “Es ist nun die Zeit, daß mein Vater mit den Schweinen in der Ruhe liegt.” Da merkte der Löwe, daß er abermals betrogen war und sprach: “Mein Kind, Du bist die Rechte nicht, setze Dich auf meinen Schwanz.” Da setzte sich das Mädchen auf und der Löwe rannte davon. Im Schloßhofe brüllte er so fürchterlich, daß Alles zitterte. Der König aber kam ängstlich herbei und fragte: “Was fehlt Dir denn, lieber Löwe?” Der sagte: “Du hast mich wieder betrogen und die Rechte nicht hergegeben, gibst Du mir nun nicht das rechte Kind, so mußt Du sterben.” Da wurde der König bange und holte seine jüngste Tochter herbei, und gab sie dem Löwen. Das Mädchen mußte sich auf den Schwanz des Löwen setzen und so rannte er fort. Im Walde sagte der Löwe: “Steig ab,” und nach einer Weile fragte er, wie es an der Zeit sei. Da sprach das Mädchen: “Es ist nun die Zeit, daß mein Vater und meine Mutter am Tische sitzen und essen mit goldenen Messern und Gabeln.” Da freute sich der Löwe, daß er die Rechte hatte, und sagte: “Nun steig auf, mein Kind.” Das Mädchen stieg wieder auf und der Löwe lief mit ihr weit, weit hin.
Endlich kamen sie vor ein Schloß, das stand schon lange, lange leer, da gingen sie hinein. In dem Schlosse hingen viele Säbel und andere Waffen, davon nahm der Löwe einen Säbel und gab ihn dem Mädchen in die Hand und sagte: “Hau mir den Kopf ab.” “Nein,” sagte das Mädchen, “das thue ich nicht.” “So mußt Du sterben,” sprach der Löwe. Da hieb ihm das Mädchen den Kopf ab. Auf einmal war die Gestalt des Löwen verschwunden und statt dessen stand ein junger schöner Prinz vor ihr und warb um ihre Hand. Sie gab sie ihm und dann reisten sie beide zu des Mädchens Vater. Der gab ihnen seinen Segen und nun ging der junge Prinz mit seiner Frau nach seinem Schlosse. Da lebten sie lange und glücklich.
Einem Manne starb seine Frau und hinterließ ihm eine vierzehnjährige Tochter. Seinem Hause gegenüber aber wohnte eine Wittwe, die hatte auch eine vierzehnjährige Tochter und die beiden Mädchen waren Gespielinnen. Wenn nun des Mannes Tochter in ihrem Hause war, dann sprach sie immer zu ihr: “Sage Deinem Vater doch, daß er mich heirathet, dann sollst Du es gut haben.” Und wiewohl die Frau so häßlich war, daß sie sich täglich mit süßer Milch wusch, damit ihr Gesicht schöner aussah, so ließ der Mann sich von seinem unschuldigen Töchterlein doch bereden und freite sie. Diese erhielt von der Zeit an mehr Schläge als Brod und das Frühstück gab ihr die Frau jeden Morgen mit einer Haselruthe, ihrer rechten Tochter aber setzte sie vor vom Schönsten und Besten.
Eines Nachts träumte das arme Mädchen, daß sie sich aufmachen und über sieben Berge gehen solle. Das sagte sie am Morgen ihrem Vater und er sprach, daß sie thun solle, wie ihr der Traum geheißen, wenn ihr derselbe Traum noch zweimal käme. Als sie das Gebot noch zweimal im Traume erhalten hatte, bekam sie von ihren Eltern einen halben Käse und ein Stück Brod, machte sich auf, und wie sie schon über mehrere Berge gegangen war, kam sie am Abende vor ein Haus, da guckte eine alte Frau heraus, die fragte das Mädchen, ob es dort nicht übernachten könne. Die Alte weigerte das anfangs, nahm aber endlich das Mädchen ins Haus, das eine Riesenwohnung gewesen ist, ließ sich von ihr in der Wirthschaft helfen, und versteckte es unter eine Tonne. Eine Zeit darauf kam der erste Riese nach Haus und sagte, er rieche Menschenblut; die Alte aber sagte, es sei Niemand da. Die Frau beruhigte auch den zweiten Riesen, als er kam, und so fort, bis der siebente, der heimkehrte, das Mädchen unter der Tonne fand. Da lobte aber die Alte das Mädchen und sagte, daß es ihr geholfen hätte in der Wirthschaft, und da gaben ihr die Riesen einen Zettel und sagten, wenn auf ihrer Reise ihr Jemand etwas zu leide thun wolle, so möge sie nur den Zettel vorzeigen.
Als das Mädchen wieder einen Tag gewandert und über mehrere Berge gegangen war, kam es wieder vor ein Haus, da schaute eine Alte heraus, der half sie wieder in der Wirthschaft, ward unter eine Tonne versteckt und darunter vom siebenten Riesen, der in das Haus zurückkehrte, aufgespürt. Allein die Alte bezeugte ihr wieder, daß sie fleißig in der Wirthschaft geholfen habe, und da sagten ihr die Riesen: wenn sie noch einen Tag gegangen wäre, so käme sie abermals vor ein Haus, das sei ein Zwergenhaus, bei dem sei ein Brunnen und neben dem Brunnen läge ein zerbrochener Topf, den solle sie wieder heil machen und dann solle sie den Zwergen die sieben Bettlein bereiten. Also that sie auch, ging über die letzten von den sieben Bergen, kam vor das Zwergenhaus, machte den Topf am Brunnen heil und als sie auch die sieben Bettlein gemacht hatte, legte sie sich in das letzte hinein, und da kamen die sieben Zwerge heim und riefen:
Wer ist in unserm Haus gewesen?
Was wäre der wohl werth?
Und darauf antworteten sie alle:
Der müßte goldne Haare haben.
Da hat das Mädchen auch alsogleich goldne Haare gehabt, mußte aus dem Bett steigen und mit den Zwergen essen. Nach der Mahlzeit füllte es Wasser ein in einen Krug, den ihm die Zwerge reichten, wünschte sich mit dem Krüglein nach Hause, und da ist es auch gleich zu Hause gewesen.
Als die alten Leute sahen, daß ihre eine Tochter mit goldnen Haaren heimkehrte, gaben sie der andern Tochter auch Käse und Brod und schickten sie auch über die sieben Berge zu den sieben Zwergen. Es kam auch am Abende des ersten Tages vor das erste Riesenhaus, wurde von der Alten unter der Tonne versteckt, weil es ihr aber nicht geholfen hatte in der Wirthschaft, so jagten es die Riesen am andern Morgen ohne den Zettel aus dem Hause, und hätten es getödtet, wenn nicht die Alte für sie gebeten hätte. Doch fand es am zweiten Abende in der zweiten Riesenwohnung Aufnahme, und es begab sich Alles wie zuvor. Weil es aber der Alten nicht in der Wirthschaft geholfen hatte, so sagten ihm die Riesen am andern Morgen: wenn es in das Zwergenhaus käme, so solle es den Topf an dem Brunnen zerschmeißen und die Bettlein über und drüber werfen. So that das böse Mädchen auch, warf den Topf am Brunnen entzwei und die Bettlein der Zwerge über und drüber, daß die Federn weit umherflogen. Als da die sieben Zwerge heimkamen, fragten sie:
Wer ist in unserm Haus gewesen?
Was wäre der wohl werth?
Und da antworteten sie:
Daß er den Kopf voll Läuse hätte.
Da hatte das Mädchen auch gleich den Kopf voll Läuse, bekam auch kein Krüglein von den sieben Zwergen, darein es Wasser einfüllen konnte, und weil es kein Krüglein mit Wasser gefüllt in der Hand trug, so mußte es zu Fuß heimgehn über die sieben Berge, das ward ihm gar sauer. Die Riesen aber sahen selbst zum Fenster heraus und ließen es an den beiden Abenden nicht in ihre Häuser ein, da mußte es die Nächte im Walde schlafen, auch brachte es nichts von dem köstlichen Wasser heim.
Das verdroß die böse Frau und nach einer Weile wollte sie ihre Stieftochter in Gefahr schicken und zeigen, daß sie doch nicht mehr könne und nicht besser sei als ihre rechte Tochter. Darum stellte sie sich krank und sagte: sie habe Lust Erdbeeren zu essen, die solle ihre Stieftochter aus dem Walde holen; es ist aber mitten im Winter gewesen. Dennoch ging das gute Mädchen getrost in den Wald und sah darin bald von Ferne drei Männer sitzen, die sich ein Feuer angezündet hatten und sich daran wärmten. Das Mädchen ging auf die Drei zu und fragte sie recht artig, ob sie sich nicht auch an dem Feuer ein wenig wärmen dürfe. Das erlaubten sie ihr und machten ihr einen Platz zurecht, worauf sie sich hinsetzen sollte. Als sie nun so beisammen saßen, zog sie ihr Frühstück heraus, theilte es unaufgefordert mit den Dreien, ward aber doch satt von den wenigen Bissen, die sie übrig behielt. Die drei aber waren: Gott, Christus und der heilige Geist. Als sie nun alle gegessen und sich gewärmt hatten, da ging Christus hin und pflückte ihr mitten im Schnee einen Korb voll schöner dicker Erdbeeren, Gott aber wünschte ihr, daß sie von Ansehn und Gestalt noch viel schöner würde, als sie in ihren goldnen Haaren schon war, und daß bei jedem Worte, das sie spräche, ein Goldklümpchen aus ihrem Munde fallen sollte. Danach ging sie mit den Erdbeeren heim. Zu Hause freute sich die böse Stiefmutter wohl über die Erdbeeren und verzehrte sie mit Begier, las auch, wie Du Dir wohl denken kannst, gar fleißig mit ihrem Manne die Goldklümpchen auf, welche der guten Tochter bei jedem Worte aus dem Munde fielen, ärgerte sich aber doch, daß diese noch schöner geworden war. Darum reinigte sie ihre rechte Tochter von Ungeziefer und sprach: “Nun gehe hin, und hole mir auch ein Körbchen voll Erdbeeren, vielleicht wirst auch Du dabei so köstliche Gaben gewinnen.”
Das Mädchen ging in den Wald, kam zu den dreien am Feuer, aber sie machten ihr kein Plätzchen zum hinsetzen zurecht, das verdroß sie gar sehr und sie bot ihnen nichts von der Speise, die sie mitgebracht hatte. Nachdem sie allein davon gegessen und noch etwas übrig behalten hatte, bat sie, daß sie ihr auch Erdbeeren geben möchten; die drei sagten aber: wie sie denn das könnten? es sei ja mitten im Winter. Da ging sie selbst hin und suchte und suchte, fand aber nicht Eine Erdbeere. Klagend kam sie wieder zu den dreien am Feuer, wärmte sich abermals, aß ihre Speisen vollends auf, gab ihnen aber wieder nichts ab. Da sie nun aufbrach und nach Haus wollte, da bestimmte Gott dem bösen Mädchen zur Strafe, daß sie Hörner vor den Kopf bekäme und daß bei jedem Worte, welches sie spräche, sich das Haus drehen sollte. Darauf ging sie zu ihrer Mutter, die war ungehalten, daß sie keine Erdbeeren brächte und ärgerte sich über die Hörner, welche sie vor dem Kopfe trug.
Eines Tages stand das Mädchen mit goldnen Haaren am Wasser und wusch. Da kam ein Graf vorbei geritten, forschte wie der Weg ginge und verwunderte sich dabei gar sehr über ihre Schönheit. Sie beschied ihn auch, er aber bat, daß sie ihn doch eine Strecke weit führen möchte. Das that sie, und als sie zurückgehen wollte, bot er ihr die Hand, hielt sie dann fest, zog die Goldtochter auf sein Pferd, nahm sie mit auf sein Schloß und heirathete sie.