Über den Roman

Es ist die berühmte Liebe auf den ersten Blick – auch wenn Linda und Frank bereits verheiratet sind, als sie sich zum ersten Mal sehen. Aber weil man nur einmal lebt und sich in der ersten Verliebtheit alles toll anfühlt, übersieht Linda die Warnsignale. Bis sie herausfindet, dass Frank sie betrügt. Doch er bereut, fleht sie an, ihm noch eine Chance zu geben. Lindas Entschluss, sich zu trennen, schmilzt wie Butter in der Sonne: Sie liebt ihn noch, ihren Traumprinzen! Tränenüberströmt fallen die beiden sich in die Arme.

Glückstrahlend treten sie im April 2009 vor das Standesamt. Alle vier Kinder aus ihren früheren Ehen strahlen ebenfalls. Endlich scheinen sich die Wolken verzogen zu haben. Ende gut, alles gut? Von wegen. Der Betrug war erst der Anfang, Linda wird fortan mit diesem Mann durch die Hölle gehen.

Von Hera Lind sind im Diana Verlag erschienen:

Die Champagner-Diät

Schleuderprogramm

Herzgesteuert

Die Erfolgsmasche

Der Mann, der wirklich liebte

Himmel und Hölle

Der Überraschungsmann

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Männer sind wie Schuhe

Gefangen in Afrika

Verwechseljahre

Drachenkinder

Verwandt in alle Ewigkeit

Tausendundein Tag

Eine Handvoll Heldinnen

Die Frau, die zu sehr liebte

Kuckucksnest

Drei Männer und kein Halleluja

Mein Mann, seine Frauen und ich

Der Prinz aus dem Paradies

Hinter den Türen

Die Frau, die frei sein wollte

Über alle Grenzen

HERA LIND

Die Frau, die zu sehr liebte

Roman nach einer wahren Geschichte

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Vorbemerkung

Dieses Buch erhebt keinen Faktizitätsanspruch. Es basiert zwar zum Teil auf wahren Begebenheiten und behandelt typisierte Personen, die es so oder so ähnlich gegeben haben könnte. Diese Urbilder wurden jedoch durch künstlerische Gestaltung des Stoffs und dessen Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus dieses Kunstwerks gegenüber den im Text beschriebenen Abbildern so stark verselbstständigt, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figuren objektiviert ist.

Für alle Leser erkennbar erschöpft sich der Text nicht in einer reportagehaften Schilderung von realen Personen und Ereignissen, sondern besitzt eine zweite Ebene hinter der realistischen Ebene. Es findet ein Spiel der Autorin mit der Verschränkung von Wahrheit und Fiktion statt. Sie lässt bewusst Grenzen verschwimmen.

Zitatnachweis:

Erich Kästner, Sachliche Romanze aus: Lärm im Spiegel. © Atrium Verlag, Zürich 1929 und Thomas Kästner (ISBN 978-3-85535-398-9)

Originalausgabe 12/2015

Copyright © 2015 by Diana Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: t.mutzenbach design, München

Umschlagmotiv: © Susan Fox/trevillion images

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-17373-9
V005

www.diana-verlag.de

Für Patti, Simon und Barbara,

ohne euch hätte ich es nicht geschafft

1

Nebenan rief jemand meinen Namen. »Linda!«

Ich hob den Kopf und machte einen langen Hals. Im Nachbargarten hob ein dunkelhaariger Mann kopfschüttelnd einen Roller auf und lehnte ihn an die Hauswand.

»Meint der mich?«, fragte ich amüsiert.

»Bist du elf und hast Zöpfe?« Michaela grinste. »Seine kleine Tochter heißt auch Linda.«

Sie griff zu einem Glas Weißwein, das wir uns an diesem frühsommerlichen Spätnachmittag gönnten, und prostete mir zu. »Heißt du eigentlich wirklich Linda, oder ist das eine Abkürzung von Sieglinde, Gerlinde oder etwas noch Schrecklicherem?«

»Ich heiße wirklich Linda«, bemerkte ich nicht ohne Stolz. »Wenn meine Eltern auch sonst viel verkehrt gemacht haben!«

»Der passt auch echt zu dir.« Michaela sah mich anerkennend an. »Strahlend und blond, und die Kurven da, wo sie hingehören … Linda heißt ja ›die Schöne‹, oder nicht?«

»Ach komm, hör auf, dich über mich lustig zu machen!« Ich schaute verlegen zu Boden und ließ meine große Zehe mit der knallroten Sandalette spielen, die mir vom Fuß gerutscht war.

»Ich hab zehn Kilo zu viel auf den Rippen, mein Blond ist nicht echt, und strahlen tu ich nur, weil es bei dir saugemütlich ist und wir endlich mal in Ruhe quatschen können.«

Das taten wir. Ungehemmt. Über Männer, Kinder, Schwiegermütter, Sehnsüchte und Träume.

Michaela schüttelte lächelnd den Kopf und bedachte mich mit einem liebevollen Blick.

Ich mochte sie sehr, diese unkomplizierte, ausgeglichene Freundin. Wir genossen die laue Frühlingsluft im schicken Frankfurter Wohnviertel, in dem sich gepflegte Einfamilienhäuser um nette Gärten gruppierten. Überall gab es Swimmingpools, Schaukeln, Klettergerüste und große Trampolins. Michaelas Sohn Alex feierte seinen zwölften Geburtstag und tobte mit seiner Gästeschar, zu der auch meine Kinder Patti und Simon gehörten, um die Tischtennisplatte im Keller herum. Es roch nach gebratenen Würstchen, Schokoladenkuchen und feuchtem Gras. Auf der Terrasse wehten die Luftschlangen, Luftballons und bunten Girlanden um die Wette – zumindest das, was die Rasselbande davon übrig gelassen hatte.

Der Mann im Nachbargarten suchte immer noch nach seiner Tochter. »Linda!«, rief er nimmermüde. Seine Stimme war angenehm sonor.

»Sollen wir es ihm sagen?« Ich wies mit dem Kinn nach drüben.

»Nee. Dann war’s das mit unserer herrlichen Ruhe.« Michaela schloss die Augen und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen.

»Dass die Kinder sich kein bisschen um das herrliche Wetter scheren! Die kommen ja gar nicht mehr aus dem Keller!«

Ich nickte. »Die Tischtennisplatte war eine gute Investition. Ich werde Jochen bitten, dass unsere Kinder auch eine bekommen.«

Michaela warf einen Eiswürfel in ihr Glas und bot mir auch einen an.

»Her damit! Macht wenigstens nicht dick.«

»Also wirklich, Linda, ich weiß gar nicht, was mit deiner Selbstwahrnehmung nicht stimmt.« Michaela musterte mich prüfend. »Du siehst aus wie Brigitte Bardot in den besten Jahren …«

»Brigitte Bardot in den Wechseljahren?«

»… und deine Kurven sind doch sehr weiblich und sexy in diesem roten Sommerkleid!«

Ich schüttelte den Kopf. »Michaela, du bist echt süß.« Mit einem Seitenblick auf den sonoren Nachbarn senkte ich die Stimme. »Aber wenn ich weiblich und sexy bin, warum hab ich dann seit drei Jahren keinen Sex mehr?«

»Hast du nicht? Echt nicht?« Michaelas graue Augen wurden rund. Sie war eher ein unscheinbarer Typ mit ihren kurzen braunen Haaren, ihren Shorts und Turnschuhen und dem verwaschenen T-Shirt. Sie hatte fein geschnittene Gesichtszüge, wirkte immer glücklich und zufrieden und konnte wunderbar zuhören. Sie selbst führte offensichtlich eine sehr gute Ehe mit ihrem Mann Rainer, der Tierarzt war. Jedenfalls kam nichts Gegenteiliges aus ihrem Munde.

»Nee.« Ich nahm hastig einen Schluck Wein. »Toll, was?«

»Ja, aber dein Jochen …«

Ich grinste schief. »Wir leben jetzt seit knapp zwanzig Jahren zusammen und haben uns nichts mehr zu sagen.«

Michaela sah mich zweifelnd an. »Er ist so ein lieber, netter Kerl!«

Ich stellte das Glas etwas zu heftig auf den Tisch. »Und ich denk mir immer, Linda, war’s das etwa schon?«

»Ach komm, das sagt doch jede Frau mal …« Michaela legte die Hand auf meinen Arm. »Du, Lady in Red? Bei deinem Sexappeal?« Ungläubig runzelte sie die Stirn.

Ich sah Michaela stumm an, für die meine Offenbarung wohl ziemlich überraschend kam.

»Echt? Euer Liebesleben liegt total brach?« Das musste sie wohl erst mal verdauen.

Mir lag diese Tatsache ja selbst schwer im Magen. Seit wieder Sommer war, ganz besonders. Verlegen wippte ich mit dem Fuß, bis meine knallrote Sandalette in Michaelas Blumenbeet kullerte. Gereizt wippte ich weiter. Mein Zehennagellack passte farblich zu meinem Kleid und meinen Sandaletten. Soeben war ich noch bei der Pediküre gewesen, hätte meine Füße aber genauso gut in grobe Wanderstiefel oder Gesundheitslatschen zwängen können. Und die ganze Linda in einen Kartoffelsack packen. Mein Mann Jochen merkte sowieso nichts.

»Wofür mach ich das eigentlich alles?« Ich strich mein schickes Kleid glatt. »Verdammt, Michaela, ich bin jetzt Mitte vierzig, und mehr als die Hälfte meines Lebens ist vorbei.« Ich warf die Hände in die Luft und sah sie herausfordernd an. »Ich möchte mich noch einmal spüren!«

»Ach komm!« Michaela legte wieder ihre schmale kleine Hand auf meinen Arm. »So kenne ich dich ja gar nicht. Was ist denn los?« Mitfühlend sah sie mich an. »Ich hab Jochen und dich immer als sehr harmonisches Paar empfunden.«

»Nach außen hin sind wir das auch, aber letztlich …« Ich schielte über die Hecke.

»Letztlich was?«

»Nimmt er mich als Frau überhaupt nicht mehr wahr.«

»Aber Linda, er ist ein viel beschäftigter Arzt! Ich hab dich immer um ihn beneidet!«

»Echt? Ich schenk ihn dir.« Ich angelte nach meiner Sandalette und streifte sie mir wieder über den Fuß. Dabei gewährte ich dem immer noch nach seiner Tochter suchenden Nachbarn nicht ganz zufällig Einblick in mein üppiges Sommer-Dekolleté. Der Typ blieb stehen und schaute mich kurz an. Er sah wirklich gut aus. Sehr sogar. Und er nahm mich wahr. Verdammt. Das war mir schon lange nicht mehr passiert. Seit ein paar Jahren hielt ich mich für unsichtbar.

»Linda!« Er spähte ins Gesträuch. »Wo steckst du denn?«

»Hier, Süßer«, sang ich halblaut.

»Lass ihn.« Michaela beugte sich vertraulich vor. »Erzähl lieber!«

»Jochen geht morgens um halb sieben aus dem Haus und fährt in seine Praxis«, berichtete ich bereitwillig. »Dann kommt er mittags gestresst nach Hause und schlingt sein Essen herunter. Währenddessen checkt er seine E-Mails auf dem iPad und seine SMS auf dem Handy, und zur allgemeinen Unterhaltung hat er Medizinjournale neben seinem Teller liegen mit ekligen Geschwüren, amputierten Zehen oder widerlichem Ausschlag – gern auch an den Genitalien. Die liest er dann, während er seine Suppe schlürft.«

Michaela lachte glockenhell. »Du bist wirklich ne Marke, Linda!«

Das fand ich auch. Ich hatte mich richtig in Rage geredet und warf meine blonden Haare nach hinten, was den Nachbarn bei seiner Tochtersuche innehalten ließ. Ich senkte die Stimme. »Und abends ist es wieder genau das Gleiche. Nur dass dann noch der Fernseher läuft und er laut mit seiner neunzigjährigen, schwerhörigen Mutti telefoniert.«

Michaela lachte sich kaputt. »Das Horrorszenario schlechthin!«

»Jochen hält mich für einen Haushaltsgegenstand«, petzte ich weiter. »Da kann ich ihm in Körbchengröße Doppel-D sein Steak servieren oder meinen selbst gebackenen Streuselkuchen unter die Nase schieben, sooft ich will: Er verschlingt das alles, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, und diktiert dabei Gutachten zu Neurodermitis und Abszessen!«

»Er scheint ein absoluter Workaholic zu sein. Andererseits habt ihr eine Menge geschafft: du mit deinem betriebswirtschaftlichen Know-how und er als angesehener Dermatologe. Es geht euch doch gut, Linda. Ihr habt ein tolles Haus, die Praxis läuft gut, die Kinder gehen aufs Gymnasium, sind gesund und munter …«

»Nach außen hin ist alles super, das geb ich gerne zu!« Ich nahm noch einen Schluck Wein.

»Linda!«, schrie der Nachbar, jetzt zunehmend genervt.

»Hier bei der Arbeit«, murmelte ich. »Weißt du, Jochen ist kein schlechter Mensch, diesen Eindruck will ich auch gar nicht vermitteln. Aber ich sehe mir selbst beim Vertrocknen zu.«

»Nein, mach dir ruhig mal Luft. Ich kenne doch Jochen, den alten Knochen.«

»Aus dem der Saft raus ist«, fuhr ich verdrossen fort. »Ich weiß gar nicht mehr, wann wir das letzte Mal zusammen in Urlaub gefahren sind. Oder wann er mir was Schönes mitgebracht hat. Schmuck, Unterwäsche oder auch nur Blumen. Wenn er mir was schenkt, ist es ein Haushaltsgerät mit Bedienungsanleitung. Aber ich bin eine Frau und keine Haushälterin!«

Michaela lachte. »Also voll das Klischee von der vernachlässigten, liebeshungrigen Hausfrau.«

»Ich sollte mir ein Verhältnis zulegen«, raunte ich spaßeshalber mit Blick auf den Nachbarn. »Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben …«, sang ich leise und ein bisschen kokett.

»Linda!« Jetzt stand er direkt vor uns. Wow. Der sah aber wirklich hammergut aus.

»Ja-ha«, rief ich kokett. »Hier bin ich!« Diesmal laut. Die Worte waren mir einfach so aus dem Mund und über die Hecke gekullert – wie ein Ball, den er jetzt aufheben musste. Aber ich hatte ja auch schon zwei Gläser Wein intus.

Zwei kräftige Männerhände zerteilten das Gesträuch wie Moses das Meer, gefolgt von zwei tiefbraunen Augen mit attraktiven Lachfältchen.

»Linda?«

»Ja. Sie haben mich gefunden.« Ich breitete die Arme aus, das Weinglas noch in der Hand, und schaute ihn herausfordernd an.

»Na so was.« Der Mann fuhr sich durch seinen dichten dunklen Haarschopf und zwinkerte – ob aus Verlegenheit oder weil er mit mir flirten wollte, konnte ich beim besten Willen nicht sagen.

»Wirklich? Sie heißen Linda?«

»Was dagegen?«

»Nicht als Abkürzung von Sieglinde oder Gerlinde?«

»Nein. Nur Linda.« Ich straffte die Schultern und sah ihm forsch ins Gesicht.

Um seine Mundwinkel zuckte es.

»Das ist ja ein Ding. Wissen Sie, dass meine Tochter auch so heißt?«

»Seit einigen Minuten. Michaela hat’s mir erzählt.«

Ich grinste verlegen, und er grinste auch. Sein Lächeln wurde mir mit jedem Schluck Wein immer sympathischer.

»Hallo Frank«, sagte Michaela. Sie warf mir einen tadelnden Blick zu, der sagen sollte: Siehst du, jetzt haben wir den Salat. Höflicherweise stand sie auf.

»Linda ist längst nicht so häufig.«

»Nein, ganz und gar nicht«, pflichtete er mir bei. Suchend sah er sich um. Ich ging davon aus, dass Michaela jetzt die Katze aus dem Sack, beziehungsweise das Kind aus dem Keller lassen würde, aber sie fühlte sich wohl genötigt zu sagen: »Der Name passt zu meiner Freundin, findest du nicht?«

»Aber so was von!« Frank starrte mich an, als hätte er soeben eine Vision. »Wissen Sie, dass das mein absoluter Lieblingsname ist?!« Seine Begeisterung war nicht zu bremsen.

»Scheint so«, bemerkte ich schlagfertig. »Sonst hätten Sie Ihre Tochter ja Gerda oder Gisela genannt.«

Frank stutzte, dann lachte er frei heraus. »Sie sind aber auch nicht auf den Mund gefallen, was?«

Ich spürte, wie ich rot wurde. »Nein«, sagte ich und schlug die Beine übereinander. An der großen Zehe ließ ich wieder die rote Sandalette baumeln. »Sie denn?«

»Also, schüchtern bin ich nicht gerade.« Bei diesen Worten kickte er einen in die Hecke gerollten Ball weg, und ich konnte einen Blick auf seinen wohlproportionierten, durchtrainierten Körper werfen, der in einem lässigen weißen Hemd und engen Jeans steckte. Nicht schlecht, der Nachbar.

»Und Frank passt zu Ihnen«, sagte ich forsch. »Kurz und bündig, frank und frei.«

»Nun, Letzteres ist relativ.«

»Dann hätten wir das also auch besprochen.« Ich wunderte mich selbst über meine Keckheit.

Michaela folgte unserem Wortgeplänkel wie einem Tennismatch. Sie schien noch zu überlegen, wie sie ihn wieder loswerden könnte, besann sich dann aber auf ihre guten Manieren und stellte uns einander offiziell vor.

»Frank, das ist meine Freundin Linda Albrecht. Linda, das ist mein Nachbar Frank Hellwein. Frank und Heidrun Hellwein sind mit ihren Kindern Linda und Lena vor ein paar Monaten hier eingezogen.« Michaela stellte das Glas auf den Tisch und zeigte zum Haus. »Ich glaube, dass Linda unten bei den anderen ist.« Sie schickte sich an, in den Keller zu gehen.

»Hallo«, sagte ich freundlich und gab dem Mann an der Hecke die Hand. »Nett, Sie kennenzulernen.«

»Ganz meinerseits! Ich wusste gar nicht, dass meine Nachbarin so eine attraktive Freundin hat!«

Er hatte einen angenehmen Händedruck und schien mich gar nicht wieder loslassen zu wollen. Da standen wir, und zwischen uns war diese Blütenhecke, in der die Bienen emsig summten. War ich jetzt Dornröschen und er der Prinz? Erwachte ich gerade aus einem hundertjährigen Schlaf? Ich spürte, wie mir das Adrenalin in die Adern schoss, und eine unzweckmäßige Röte kroch mir über die Wangen. Jetzt war so ziemlich alles an mir rot: das Kleid, die Schuhe, das Gesicht. Tja. Wie nun weiter schöpferisch diesen Heckendialog gestalten?

Finden Sie mich wirklich attraktiv?, hätte ich den guten Mann gern gefragt. Wissen Sie, das ist nämlich genau das Thema, um das es gerade ging. Ich fühle mich in letzter Zeit so alt, matt und glanzlos und würde mich am liebsten zum Gerümpel in den Keller packen.

Aber das sagte ich natürlich nicht, sondern strahlte dieses Geschenk Gottes nur gewinnend an.

»Und – was machen Sie so?«

»Wie meinen Sie das?« Er runzelte fragend die Stirn.

»Wenn Sie nicht gerade Ihr Kind suchen.«

»Oh, ach so. Ich bin Banker. Bei einer Privatbank. Also, um genau zu sein, ich bin der Bankdirektor.«

»Wow. Wie ein Bankdirektor sehen Sie gar nicht aus.« Ich war wie verzaubert.

»Wie sehen Bankdirektoren denn Ihrer Meinung nach aus?«

»Na, gesetzt und bieder und mit ein paar Strähnen, die ihre Glatze verdecken sollen …« Ich rieb mir die Nase. »Irgendwie langweilig. Mit Ärmelschonern und Strickweste. Auf jeden Fall dick und alt.«

Dieses Heckengespräch machte einen Riesenspaß. Noch viel mehr als der Frauentratsch von eben.

»Linda, Linda, was haben Sie nur für ein schlechtes Bild von Bankern.«

Frank Hellwein steckte die Hände in die Hosentaschen und drehte sich einmal um sich selbst. »Da muss ich Sie eines Besseren belehren.«

»Okay, Sie machen mir Hoffnung.«

»Worauf?« Schelmisches Blitzen in seinen braunen Augen.

Wohin sollte das jetzt führen? Was machte ich eigentlich hier? Ich war eine verheiratete Frau und Mutter von drei Kindern. Um ehrlich zu sein, war ich sogar schon Großmutter einer kleinen süßen Enkelin. Aber musste ich das diesem schönen Jüngling auf die Nase binden? Ich improvisierte.

»Ich überlege gerade, ein paar Aktien zu kaufen. Ich habe nämlich BWL studiert und beschäftige mich gern mit der Börse.«

»Oh«, sagte Frank Hellwein und trat näher. »Eine schöne Frau, die auch noch klug ist. Aktien sind ein heikles Thema.« Er schwieg eine Weile und sagte dann: »Aber zufälligerweise genau mein Spezialgebiet.«

»Ich dachte an Kalgoorlie Consolidated Gold Mines«, gab ich mein gesundes Halbwissen zum Besten. »Was meinen Sie?« Ich strich mir durch die Haare und spielte kokett mit meinem Glas. Ja, da schaust du, Herr Bankdirektor! »Ist das eine gute Geldanlage?« Linda, du flirtest, schoss es mir durch den Kopf. Du FLIRTEST! Sein wann hast du nicht mehr geflirtet?

Ich konnte regelrecht zusehen, wie seine Bewunderung für mich wuchs.

»Wow, Sie scheinen ja was von der Materie zu verstehen!«

Ich hätte den Blick senken können, aber irgendetwas hielt mich davon ab.

»Ich lese regelmäßig den Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen.« Heimlich ballte ich die Siegerfaust.

»Dahinter steckt immer ein kluger Kopf«, zitierte Frank den Werbeslogan dieses Blattes. Ich stieß einen koketten Lacher aus. Genau das hatte ich von ihm hören wollen.

»Also? Was sagt der Fachmann?«

Er sah mich mit unergründlichem Blick an. »Wenn ich ehrlich bin, habe ich diese Aktie gerade nicht auf dem Schirm. Sie scheinen tiefer in der Materie zu stecken als ich!«

Es machte ihn umso sympathischer, dass er seine Wissenslücke zugab. Doch ehe ich mich versah, schob sich irgendetwas zwischen uns, und der Zauber war vorbei.

Ein Geräusch? Die blendende Abendsonne?

Frank Hellwein wandte sich abrupt um, und in diesem Moment wurde mir bewusst, dass seine Ehefrau auf die Terrasse getreten war. In Sekundenschnelle nahm ich ihre Gestalt in mir auf. Okay, sie war eher so der Typ Müslifee. Sie trug ein langes Blümchenkleid und hatte die Haare zu einem struppigen Dutt hochgesteckt. »Frank? Linda?« Jetzt war sie mit Rufen dran. »Ja, wo bleibt ihr denn?«

Sie war ziemlich blass und dünn, und ihre Füße steckten in diesen groben Clogs, die in den Siebzigerjahren mal Mode gewesen waren. Sanft schlug sie an ein Windspiel aus Bambus. »Die Sojawürstchen und der Spargel-Endivien-Salat sind fertig!«

Eine naturverbundene Biokostverzehrerin also. Wie hieß sie gleich wieder? Was hatte Michaela gesagt? Heidrun. Ja, genau so sah die aus. Wie ein leicht verwelktes Heideröslein.

»Ein Steak wär mir lieber«, raunte Frank Hellwein verschwörerisch.

»Bei mir würdest du es kriegen«, dachte ich sofort.

»Ich komme gleich«, rief Frank über die Schulter. » Michaela holt Linda gerade aus dem Tischtenniskeller!«

Das Heideröslein verschwand wieder im Haus.

Frank Hellwein seufzte laut, und ich konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete.

»Also, Linda … Ich werd mich schlau machen und Ihnen ganz genau sagen, ob Sie investieren sollten.«

Bei dem Blick, mit dem er mich bedachte, wurden mir die Knie weich. Und wie meinte er das genau mit dem »investieren«? Schon in dieser Sekunde war ich bereit, sehr viel zu investieren. Und das sagte ich ihm auch. Jetzt oder nie!

»Wenn es die richtige Aktie ist, dann setze ich alles auf eine Karte.«

Wir konnten die Augen nicht voneinander lassen.

Plötzlich flog die Terrassentür hinter mir auf. Türenknallen, aufgeregte Kinderstimmen und Michaela, die ein paar soeben angekommene Mütter begrüßte und auf die Terrasse bat. Es klingelte, ein Hund bellte – und plötzlich war der magische Moment vorbei. Der Hausherr war gerade nach Hause gekommen, und wurde begeistert begrüßt. Es war, als hätten Chor und Statisten die Opernbühne gestürmt und das innige Liebesduett der zwei Solisten beendet.

»Dafür bräuchte ich allerdings Ihre Handynummer«, bemerkte Frank, ohne den Blick von mir abzuwenden.

»Haben Sie was zu schreiben?«

»Nein, die merk ich mir auch so.«

»Okay …« Hastig sah ich mich um, denn jetzt stürmten auch schon meine Sprösslinge auf mich zu. »0 69-66 67 68 69.« Ich lächelte ihn an. »Die ist leicht zu merken. Frankfurter Vorwahl, dann mein Geburtsjahr plus eins, plus eins, plus eins …

Frank kapierte sofort. Sein Blick wurde sehr privat. »Sie hören von mir, Linda. Ich melde mich, so bald ich kann.«

2

Mami? Du hörst uns gar nicht zu!«

Ungeduldige Kinderhände tippten mir von hinten auf die Schulter. »Jetzt bist du schon so wie Papa! Der hört uns auch nie zu!«

Patti und Simon saßen auf dem Rücksitz und erzählten aufgeregt von der Tischtennisplatte und dem jungen Hund. Natürlich wollten sie beides auch haben. Und ich wollte auch so einiges haben. Ich hatte Herzchen in den Augen, während ich unsere Familienkutsche durch die hügelige Landschaft zurück nach Hause lenkte. War mir je aufgefallen, wie traumhaft schön der Taunus war? In der Dämmerung standen Rehe am Waldrand und schauten mich an. Der Abendhimmel färbte sich nachtblau, und aus den Wiesen stieg der weiße Nebel wunderbar. Ich fing leise an zu summen.

»Und unsern kranken Nachbarn auch …« Ich kicherte. Einen kranken Eindruck hatte der nun wirklich nicht gemacht. »Und unsern schlanken Nachbarn auch …«, improvisierte ich verknallt.

»Mami? Alles in Ordnung mit dir?«

»Wie ist eigentlich diese Linda?«, fragte ich beiläufig zurück.

»Wie soll die schon sein?«

»Mögt ihr die?«

»Ja, die ist eigentlich ganz nett.«

»Und ihre Schwester?«

»Die Lena?«

»Ja?«

»Die hat ne Zahnspange.«

Das war eigentlich nicht die Information, die ich brauchte.

»Kennt ihr auch die Mutter?«

Ich meine, man wird doch noch fragen dürfen.

»Wieso?«

»Nur so.«

»Ich glaub, die müssen immer so vegetarisches Zeug essen. Aber der Vater von denen, der läuft Marathon.«

Ich spitzte die Ohren und schaute in den Rückspiegel. »Echt?«

»Ja, der fährt immer in verschiedene Städte auf der ganzen Welt und läuft da mit! Mit 100 000 Leuten, voll krass!«

»Das ist ja toll.«

Mich durchlief ein warmer Schauer. Deshalb sah er so durchtrainiert aus. Ein Marathonläufer!

Aber was dachte ich da eigentlich? Kopfschüttelnd setzte ich den Blinker und bog in unsere verschlafene Wohngegend ein. Das an der Hecke war doch nur ein harmloser Flirt gewesen. Mehr nicht. Linda, du dumme Gans!, rügte ich mich insgeheim. Bild dir bloß nichts ein! Aber es hatte Spaß gemacht. Und genau das hatte ich gerade gebraucht.

Zu Hause angekommen, fand ich meinen leicht übergewichtigen, bärtigen Jochen in seinem zu engen Flanellhemd in unserem Wohnzimmer vor, in dem man vor lauter Medizinerzeitschriften, Laptops, Diktiergeräten, Kabeln und Patientenunterlagen kaum noch den Fußboden, geschweige denn den Esstisch erkennen konnte. Auf den Papierbergen thronte ein Teller mit einem angebissenen Mettbrötchen und eine Tüte mit säuerlich riechender Milch. Der Fernseher lief, der Computer war an, aus dem Radio kamen die Nachrichten, und Jochen schrie gerade in sein Handy, was bedeutete, dass er mit seiner schwerhörigen Mutter telefonierte.

Na toll. Der Alltag hatte mich wieder.

Ein kleiner, bösartiger Teufel in mir konnte es sich nicht verkneifen, einen direkten Vergleich zwischen Frank Hellwein und Jochen Albrecht zu ziehen, was sicherlich sehr gemein und schäbig von ihm war. Aber ich kam nicht umhin festzustellen, dass mein Jochen ein blasser, müder Kaktus war gegen die in Blüte stehende Heckenrose Frank Hellwein. Oje. Es hatte mich so richtig erwischt.

Die Kinder stürmten in ihre Zimmer, und ich zog mir bequeme Jeans an und machte mich daran, die Einkäufe aus dem Auto zu holen. Pflichtbewusst kam Jochen hinterher und nahm mir die Getränkekisten ab.

»Na? Wie war’s?«

»Gut. Und bei dir?«

»Ich hab wie immer Ärger mit dem Personal, und die Kassenärztliche Vereinigung …«, stimmte Jochen sein übliches Klagelied an, das mir längst zu den Ohren raushing. Auf einmal ging mir seine weinerliche Stimme auf den Geist. Ich wusste genau, was jetzt kam.

»Am Wochenende muss ich leider …«

»… Gutachten diktieren, ein Seminar vorbereiten und außerdem deine Mutter besuchen«, fuhr ich fort.

Jochen sah mich gekränkt an. »Ernestine geht es wirklich nicht gut, sie klagt über Einsamkeit und …«

Natürlich wollte Jochen damit erreichen, dass ich ihm diese Pflicht abnahm. Was ich auch seit vielen Jahren tat. Wieder und wieder hörte ich mir Schwiegermutters immer gleiche Geschichten aus Böhmen und Mähren an, doch plötzlich wehrte sich etwas in mir dagegen. Es war alles so eingefahren und spießig! Gleichzeitig schämte ich mich, denn Ernestine war eine bezaubernde alte Dame, immer um Familienfrieden bemüht, an den Kindern interessiert und eine regelrechte Ersatzmutter für mich. Einerseits fand ich rührend, wie sie bei uns im Haushalt versuchte, ihre böhmischen Knödel zu kochen, halb blind und mit zitternden Fingern, andererseits ging sie mir manchmal mit ihrer Umständlichkeit auf den Geist. Dann wurde ich ungeduldig und ungerecht. Ich konnte sie nicht immer um mich haben! Ich brauchte auch meinen Freiraum, ich war doch auch noch da! Warum ging es immer nur um Ernestine, die Kinder und Jochen? Meine Seele war auch liebesbedürftig! Ich klagte auch über Einsamkeit! Aber vielleicht nicht laut genug? Hatte ich überhaupt ein Recht darauf, Gefühle anzumelden? Nach zwanzig Jahren?

Ich ertappte mich dabei, dass ich mein Handy aus der Handtasche zog und in der hinteren Jeanstasche verschwinden ließ, während ich die Einkäufe in der Küche verstaute und Jochen sein übliches Steak mit Bratkartoffeln und Salat zubereitete. Niemand von uns wollte ihm beim Essen Gesellschaft leisten. Die Kinder hatten sich schon auf der Geburtstagsparty die Bäuche vollgeschlagen, und ich hatte nicht den geringsten Appetit. Ständig musste ich an diesen Frank denken und war davon wie beschwipst. Ich summte beim Zwiebelschneiden und Kartoffelschälen leise vor mich hin, was Jochen wegen seiner Kopfhörer nicht bemerkte. Dabei stellte ich mir vor, vom feschen Frank heimlich beobachtet zu werden. Wenigstens konnte ich ungestört verknallt sein.

Jochen schlang sein Essen in sich hinein, ohne die Kopfhörer abzunehmen. Mit plötzlicher Abscheu beobachtete ich, wie er schmatzend auf den Bildschirm schielte, als entdeckte er darin eine biblische Offenbarung. Ich hätte schreien können. Hallo? Ich war doch nicht unsichtbar! Seit heute Nachmittag an der Hecke wusste ich das. Ich tastete nach meiner Gesäßtasche und versuchte, Jochen nicht anzusehen, während meine Finger über das Handy glitten. War es auch auf laut gestellt? Oder sollte ich es besser auf Vibrieren stellen? Das tat ich. Und kam mir ziemlich verrucht dabei vor.

Hastig räumte ich die Küche auf und klapperte etwas lauter mit dem Geschirr als nötig. Mit dem Lappen wienerte ich die Arbeitsfläche, als wollte ich sämtliche Spuren meines bisherigen Lebens damit ausradieren.

Danach ließ ich mich in einen Sessel fallen und starrte aus dem Fenster. Jochen ließ sich von seinen elektronischen Geräten fernsteuern, und die Kinder blieben auf ihren Zimmern. Ich hörte nur, wie Jochens Finger auf die Tastatur einhackten. Es roch immer noch nach Zwiebeln und Kartoffeln, ein aufdringlicher Geruch, der so gar nichts mehr mit dem Blütenduft der Hecke heute Nachmittag zu tun hatte. Ich wollte alle Fenster aufreißen und lüften, aber um punkt einundzwanzig Uhr gingen in unserem Hause wie von Geisterhand alle Rollläden runter – etwas, worauf Jochen sehr stolz war: So konnte niemand in unsere traute Idylle blicken. Aber was gab es bei uns schon zu sehen? Eine Familie, die lachend am Tisch saß und Gesellschaftsspiele spielte? Ein verliebtes Ehepaar, das Wange an Wange tanzte? Oder sich sogar gegenseitig auf dem Sofa verführte?

Nein. Jeder starrte in sein eigenes viereckiges Gerät. Auf einmal konnte ich Jochens Anwesenheit nicht mehr ertragen.

»Gute Nacht, ich geh dann schlafen.« Ich wollte allein sein und nachdenken. Jemandem nachdenken: Frank. Welch schöner, passender Name. Ich wollte frank und frei sein, und wenn es nur in meinen Träumen war.

»Wie, jetzt schon?« Jochen drehte sich kurz zu mir um. »Ist alles in Ordnung?«

»Ja, ich bin nur müde.«

Aber das war ich nicht. So farblos und schlapp ich mich noch gestern gefühlt hatte – aus dem Badezimmerspiegel blickte mir heute eine ganz andere Linda entgegen: eine Frau in den besten Jahren, in der Blüte ihres Lebens. Ich zog mich ganz langsam aus und versuchte, mich wieder mit Franks Augen zu sehen. Weibliche Kurven, blonde lange Haare und ein fast mädchenhaftes Gesicht mit großen blauen Augen. In denen alle Sehnsucht dieser Welt lag. Sehnsucht nach Liebe, Beachtung und Anerkennung.

Schon als Kind hatte ich nichts von alledem bekommen, und ich war regelrecht ausgehungert danach. Frank hatte mich auf eine Art angesehen, dass ich mir auf einmal – wichtig vorkam. Gar nicht mehr so unsichtbar. Beachtenswert. Liebenswert. Schön. Ich war eine schöne Frau! Ich ließ meine Hände über meine Brüste, den Bauch und die Schenkel gleiten und spürte weiche warme Haut, die sich nach Berührung sehnte. Bevor ich ein weißes Spitzennachthemd anzog, zog ich noch das Handy aus der Jeanstasche und legte es auf mein Kopfkissen. Das Display zeigte keinen Anruf. Ich kuschelte mich in meine Decke und malte mir Frank aus, in seinem Haus in Frankfurt. Bestimmt saß er jetzt mit seiner naturbelassenen Müslifee am offenen Kamin, googelte heimlich meine Aktien, während sie ihm nichts ahnend eine Platte mit Möhren und Selleriesticks reichte, dazu gab es lauwarmen, dünnen Kamillenblütentee. Ich musste grinsen. Vielleicht tranken sie auch Wein? Aber wenn, dann nur biologisch angebauten, mit Wasser verdünnten Hellwein, hahaha. Ich giggelte in mein Kopfkissen wie ein Schulmädchen.

Ich war so ganz anders als diese schmalbrüstige Gemüsefee namens Heidrun. Ich war nämlich ein Vollweib. Warum merkte das bloß keiner?

Ich warf mich auf den Rücken und starrte an die Decke.

Und ich war noch etwas: die Frau, die zu Frank Hellwein passte.