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© 2022 Dr. Volker Himmelseher
Satz, Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7557-6918-7
Der Roman spielt in Köln und auf der Insel Teneriffa.
Ein Studentenpaar lernt sich in Köln beim Karneval kennen und lieben. Die beiden erleben die glückliche Zeit einer aufkeimenden Liebe. Doch dann treten nicht nur Gewöhnungseffekte ein, sondern die Spielsucht des jungen Mannes wird zum Problem. Sie bringt die Beziehung mit Schulden, Lügen und Streit an den Rand des Scheiterns. Wie oftmals das Böse, wird dies zur Triebfeder der Geschichte.
Eine Reise nach Teneriffa, wo er einen Großteil seiner Jugend verlebte, soll das Ende der Beziehung verhindern.
Aber die Angst vor dem großen Scheitern befeuert ein Wechselbad der Gefühle. Was mit den beiden passiert, geht ans Herz und unter die Haut.
Die Zeit auf Teneriffa wird zugleich ein gelungener Reisebericht, in den der Autor sein eigenes Erleben einbringt. Er hatte auf der Insel über zwanzig Jahre ein Zuhause.
Die Probleme der Liebenden erweisen sich für ihre beiden Schultern schlussendlich als zu schwer. Erneut kommt Sand ins Getriebe. Plötzlich blicken die beiden ins Verderben und stehen vor dem großen Scheitern.
Die Geschichte und ihre Figuren sind frei erfunden. Episoden basieren zum Teil auf wahren Begebenheiten. Dinge wurden hinzugefügt, weggelassen oder nach freiem Ermessen angepasst, um der Handlung einen realistischen Spannungsbogen für den Leser zu verleihen.
Die Kölner hatten den Sitzungskarneval nun lang genug genossen. Jetzt sehnten sie den Straßenkarneval herbei.
Man schrieb den Donnerstag vor Aschermittwoch.
Endlich war Weiberfastnacht, Wieverfastelovend hieß es auf gut Kölsch.
Für einen Tag im Jahr gestand man den Frauen die alleinige Macht zu. Spätestens um die Mittagszeit ruhte für sie die Arbeit. Das offizielle Feiern begann um 11:11 Uhr am Alter Markt. Alle wollten dabei sein, natürlich kostümiert!
In grauer Vorzeit hatte man sich hässlich gemacht, heute zeigte sich die närrische Jugend lieber geschönt.
An diesem Tag gab es noch keine Festumzüge. Es wurde im Kostüm in den Kneipen und auf der Straße gefeiert.
Männer mit Krawatten wurden von den rebellischen Weibern bestraft. Das Zeichen ihrer Macht wurde mit der Schere abgeschnitten. Die Klugen unter ihnen trugen an diesem Donnerstag »Altertümchen«. Damit fiel es ihnen leichter, über den Brauch mitzulachen.
Im historischen Kölner Rathaus wurde das Dreigestirn empfangen und übernahm für die närrischen Tage das Zepter. Alle echten Kölner waren stolz darauf, dass dieses ehrwürdige Haus schon als Haus der Bürger in den Jahren zwischen 1135 und 1152 urkundlich erwähnt wurde. Die Kölschen Kinder bekamen das schon in der Schule eingebläut.
Es war dem Tag angemessen, dass Köln mit Frau Henriette Reker eine Oberbürgermeisterin hatte. Sie trug zur Feier des Tages ein Kostüm der Roten Funken. Auf dem Alter Markt war ein bunt geschmücktes Podium aufgebaut worden. Hier gab sich nun Musikgruppe nach Musikgruppe die Hand, und die Stimmung stieg unentwegt an.
Die Soziologiestudentin Greta Neumayer studierte bereits im zweiten Semester an der Kölner Universität. Sie war aus Bad Münstereifel in die Domstadt gekommen. Während ihre Schwester Kathrin in der väterlichen Konditorei das Konditorhandwerk lernte, hatte sie sich von vornherein aus dem Kleinstadtmilieu fortgesehnt. Sie war eine gute Schülerin gewesen und wollte auf Empfehlung ihrer Klassenlehrerin studieren. Die Schwester hatte inzwischen die Geschäftsführung übernommen, die der Vater nach einem Schlaganfall nicht mehr ausführen konnte. Sie kümmerte sich mittlerweile neben dem Beruflichen zusammen mit der Mutter rührend um den kranken Vater. Doch bei der Mutter zeigten sich inzwischen Anzeichen aufkommender Demenz.
Greta hatte sich mit dem Großstadtleben zunächst schwergetan. Sie war von zurückhaltendem Wesen. Erst eine Freundschaft mit ihrer Kommilitonin Veronika Lang und deren Freund Thomas hatte ihr die Schönheiten Kölns nähergebracht. Mit Veronikas Unterstützung fieberte sie nun den närrischen Tagen, die für sie Neuland waren, entgegen. Veronika hatte sie bestärkt, Weiberfastnacht zu nutzen, endlich einen Freund zu finden. »An dem Tag bestimmen wir Weiber und du hast die freie Auswahl«, hatte sie gemeint.
Greta war eine schöne junge Frau, zierlich, hatte hellblonde Haare, eine niedliche Stupsnase und leuchtend blaue Augen. Gegenüber Männern war sie eher kontaktscheu. Dabei konnte sie durchaus zum Ausdruck bringen, was sie wollte oder nicht wollte. Für den heutigen Tag hatte sie sich fest vorgenommen, kess aufzutreten. Schließlich waren die Frauen an der Macht.
Veronika hatte sie mit dem Tageshoroskop bestärkt: »Wegen kosmischer Power dürfte es heute kaum jemandem gelingen, Sie aus dem Konzept zu bringen. Sie wissen nicht nur, was Sie nicht wollen, sondern auch, wo das berufliche oder private Schiff in nächster Zeit hinsegeln soll. Ein wahrer Erfolgskurs!«
Veronika baute ihre Freundin noch weiter auf: »Ich glaube an dich. Du kannst sogar der Schwerkraft trotzen und fällst bestimmt immer nach oben.« Darüber hatten beide herzlich gelacht.
Veronika hatte ihr auch ein Kostüm vorgegeben. »Du gehst als Bärbelchen, so lecker zurechtgemacht, wie die Mädchen der Tanzgruppe Kölsch Hännes’chen 1955 e. V. Das passt zu deinem Typ. Die Mädchen haben geflochtene blonde Zöpfe, ein weißes Spitzenhemdchen und -schürzchen, eine schwarze Weste und ein rotes Röckchen mit schwarzen Streifen an. Außerdem tragen sie schwarze Lackschuhe.«
Die beiden Studentinnen hatten ihre Kostüme zusammen gebraucht erstanden.
Greta sah darin zum Anbeißen aus und war mit ihren Freunden gerade am Alter Markt angekommen, um sich unter das närrische Volk zu mischen.
Das Wetter war gut, die Stimmung genauso. Als sie den Platz erreichten, sangen die Black Fööss auf dem Podium »Dat Wasser vun Kölle«. Veronika und Thomas hakten Greta unter, schunkelten und grölten aus vollem Hals mit.
Die Höhner standen schon in Wartestellung. »Die werden gleich nachziehen«, meinte Thomas. »Ich rechne damit, dass dann »Hey Kölle, du bes e Jeföhl« kommt. Das mag ich noch lieber.«
In dem Trubel hatte ein rothaariger Mann, der schon ganz schön geladen hatte, erkannt, dass Greta mit ihren beiden Freunden solo war. Langsam pirschte er sich zu ihr hin. Mit vom Alkohol geröteten Augen schaute er sie an und meinte: »Blondchen, wie wär es mit uns beiden?«
Greta sah ihn ungnädig an und erwiderte barsch: »Für so blöd, wie du mich haben willst, kann mich kein Friseur färben. Denk einfach, ich wäre bereits vergeben. Das erspart dir einen Korb. Ich suche nämlich jemanden für den Ringfinger und treffe scheinbar nur auf welche, die den Mittelfinger verdienen.«
Der Mann setzte frustriert eine Flasche Kölsch an den Hals und leerte sie in einem Zug. Dann baggerte er Greta weiter an. Die blieb jedoch bei ihrer eingeschlagenen Linie: »Denk an deine Leber, hör auf zu trinken.«
Veronika und Thomas amüsierten sich über die Schlagfertigkeit ihrer Freundin und feuerten sie sogar dabei an.
Der Kerl versuchte nun auf Krampf lustig zu sein: »Zwei Nieren und nur eine Leber, Gott hat wirklich keine Ahnung vom Feiern.«
Niemand von den dreien fand das zum Lachen.
Das ärgerte den Störenfried, und er versuchte es nun mit Schmeichelei: »Ich liebe dich.«
»Das ist schön«, antwortete Greta kess.
»Und du?«, wollte er wissen.
»Ich bin auch schön«, brachte Greta mit einem Kichern hervor.
Er erfasste ihr Wortspiel nicht ganz, raunte sie aber trotzdem an: »Du könntest ruhig mal Gefühle zulassen.«
»Sind zu«, sollten ihre letzten Worte sein. Greta verdrehte bei dieser Antwort die Augen.
Das bescherte ihr einen bösen Abgang des Angetrunkenen: »Wenn du den Mann deiner Träume suchst, dann geh doch schlafen.«
Gott sei Dank ließ der Mann danach von ihr ab.
Greta erklärte ihrer Freundin ihr Stimmungsbild: »Ich bin keine Frau, die einen solchen Kerl ohrfeigen kann, auch wenn ich es gerne wollte. Ich würde eher zwei Flaschen Abführmittel ins Chili tun und die Klorollen verstecken.«
Veronika lachte lauthals heraus.
Ein gut aussehender Mann im Köbes-Kostüm, dem Outfit des typischen Kölschen Kellners, hatte diesen Disput aus der Distanz verfolgt. Er war der genaue Gegensatz von Greta: dunkelhaarig mit großen dunkelbraunen Augen.
Und wieder einmal bewies sich die Richtigkeit des Satzes: Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln.
Der Mann lächelte Greta an, und sie lächelte automatisch zurück. Er war ihr auf den ersten Blick hin sympathisch. Sie suchte mit ihm intensiven Augenkontakt. Der Mann im Köbes-Kostüm dachte für sich: Die Sprache, die jeder versteht, ist die des menschlichen Gesichts. Ihres zeigt mir, dass ich ihr nicht unsympathisch bin. Ich werde versuchen, Kontakt aufzunehmen.
Inzwischen hatten die Höhner das Podium bestiegen und Thomas behielt recht, sie begannen ihr Programm mit »Hey Kölle, du bes e Jeföhl«.
Der junge Mann musste Greta deshalb mit lauterer Stimme ansprechen: »Mir hat sehr imponiert, wie Sie dem angetrunkenen Egomanen Paroli geboten haben. Hoffentlich sind Sie mit mir etwas gnädiger. Das ist mein erster Karneval in Köln, und ich würde gern mit Ihnen und Ihren Freunden mitfeiern.«
Veronika kam ihrer Freundin zuvor, sie wollte eine neuerliche Abfuhr verhindern. Sie fand den Köbes nett und wollte ihm eine solche Unfreundlichkeit ersparen.
»Zusammen feiern tun hier doch alle. Machen Sie einfach mit. Im Übrigen duzt man sich an solchen Tagen. Ich bin Veronika, und das sind Greta und Thomas.«
Ein Strahlen ging über das Gesicht des Mannes und er antwortete prompt: »Nichts tue ich lieber als das. Ich heiße Dominik Müller, bin aus Koblenz und studiere an der Uni Chemie.«
Auch Greta hatte keine Einwände gegen ihn und begrüßte ihn mit einem weiteren, warmen Lächeln. Und plötzlich waren sie zu viert.
Das Quartett hielt es noch längere Zeit auf dem Alter Markt aus. Dominik arbeitete sich zu einer Kneipe am Rand vor und kam mit vier Kölsch zurück. »Das ist mein Einstand«, meinte er. Sie stießen an und tranken vergnügt. Auf dem Platz wurde weitergeschunkelt, gesungen, gelacht. Doch irgendwann äußerte Thomas den Wunsch nach einem Ortswechsel. »Wir sollten mal versuchen, einen Platz in einer Kölschen Kneipe zu ergattern, bevor die Chose hier vorbei ist. Sonst werden wir kein Glück damit haben. Ein Stuhl unterm Hintern, ein Kölsch auf dem Tisch und ein Happen zu essen schadet bestimmt keinem von uns. Ich schlage Peters Brauhaus vor. Es liegt direkt um die Ecke in der Mühlenstraße. Die werben mit: Freundlich, fröhlich, lecker, und das stimmt. Seid ihr einverstanden?«
»Da simmer dabei«, trat Veronika ihm als Sprachrohr für die beiden anderen zur Seite, und sie machten sich ohne Zögern auf den Weg.
Ihre Entscheidung war fast schon zu spät gefallen. Denn vor dem Eingang drängte sich bereits eine Menschentraube und suchte Einlass. Zum Glück kamen aber auch immer wieder Narren heraus, und so reihten sie sich mit der nötigen Portion Geduld in die Schlange der Wartenden ein. Eine Viertelstunde später hatten sie einen Platz, und der Köbes setzte vor jeden von ihnen ein Kölsch und strich es auf einem Deckel ab. Alles passierte ohne Bestellung.
Als er eine Speisekarte auf den Tisch warf, meinte er dazu: »Die Küche arbeitet heute am Limit. Es wäre für euch besser, wenn ihr alle das Gleiche wählt. Dann verhungert ihr wenigstens nicht.« Er zeigte auf Dominik und meinte: »Mein Kollege kann euch das bestätigen.«
Greta war die Erste, die den Gag verstand, und herzhaft lachte. Mit der ersten Runde Kölsch wurde das Duzen mit Dominik offiziell begossen. Danach forderte Thomas ihn auf, die beiden Mädchen zu küssen. »Das ist Pflichtprogramm«, meinte er dazu. Dominik erledigte das höchst bereitwillig, jeweils mit zwei Wangenküsschen.
Nach kurzer Diskussion einigten sie sich fürs Essen auf eine Kölsche Spezialität: Himmel un Äd, gebratene Blutwurst mit Zwiebeln auf Kartoffelpüree und Apfelkompott.
»Das ging schnell«, meinte Dominik anerkennend. »Zum Glück ist keiner von uns Vegetarier. Ich habe neulich gelesen, das Wort Vegetarier kommt aus dem alten Sanskrit und heißt: zu doof zum Jagen.« Die Lacher waren auf seiner Seite.
Trotz der Lärmkulisse im Raum begannen sie sich ein wenig mehr zu beschnuppern. Dominik widmete sich dabei in besonderem Maße Greta. Schnell fanden sie heraus, dass sie beide eine jüngere Schwester hatten. Dominiks Schwester war, wie Kathrin Neumayer, ebenfalls zu Hause geblieben.
Sie entdeckten immer mehr Gemeinsamkeiten. Das galt auch für ihre Zukunftspläne. Beide wollten stramm durchstudieren und möglichst vor dem Berufsleben ein Auslandspraktikum einschieben. Ihre Lieblingsstadt dafür war London.
»Ich hoffe, dass uns der Brexit diesen Plan nicht versaut«, befand Dominik. Er war ein Jahr älter als Greta.
Nach gut zwei Stunden angeregter Unterhaltung beschlossen sie aufzubrechen. Sie tauschten ihre Adressen aus und auch die Telefonnummern. Dominik fand, das sei ein gutes Zeichen. Sie wollten mit ihm in Kontakt bleiben. Die drei wohnten in Ehrenfeld, er in Sülz. Die Entfernung dazwischen war nicht allzu groß.
»Zum ersten Mal habe ich Weiberfastnacht keinen Schlips abgeschnitten«, maulte Veronika zum Abschluss und zog eine Schnute.
Dominik reagierte sofort darauf: »Hätte ich das gewusst, wäre ich trotz des Köbes-Kostüms mit Krawatte aufgelaufen. Ich muss allerdings gestehen, du hättest meinen einzigen Schlips gehimmelt.«
Greta fand seine Reaktionsschnelligkeit bewundernswert. Sie summte leise: »Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Aber ich werde mir wenigstens in der Kirche ein Aschenkreuz holen. Wie hältst du es damit, Dominik?«
Der grinste und meinte: »Ich bin gutgläubig.«
»Ist das eine Religionszugehörigkeit?«, fragte Veronika mit Spott in der Stimme.
Bevor Dominik etwas erwidern konnte, hatte sich Thomas zu Wort gemeldet: »Ich glaube zwar nicht, kenne aber einen guten Christenwitz: Jesus wird nach dem Symbol des Christentums gefragt. Ich glaube, das Kreuz, antwortet er. Aber bitte nagelt mich nicht fest.«
»Pfui, den Witz finde ich fies.« Greta war empört. Der Einzige, der darüber lachen konnte, war Thomas selbst.
Nachdem er einen Abschiedskuss ergattert hatte, machte sich Dominik beschwingt auf den Weg.
Auch Greta fühlte sich in Hochstimmung. Sie hatte sich zum ersten Mal von einem Mann richtig wahrgenommen empfunden.
Abends rekapitulierte sie die Qualitäten ihrer Eroberung: Dominik hatte Charme, Wortwitz und Charisma. Außerdem sah er blendend aus. Er schien ihr auf den Leib geschrieben. Verliebt sein bedeutet, dass dein Kopf nicht mehr funktioniert, warnte sie sich trotzdem.
Mit der positiven Beurteilung und im Glauben, dass alles bestens war, schlief sie selig ein.
Dominik lag im Bett und zog ebenfalls das Fazit zum Tag: Greta war keine freizügige Frau. Sie gab nicht alles am ersten Tag. Aber er wollte an ihr kleben bleiben. Sie war etwas Besonderes. Er war froh, dass es ihm gelungen war, seine positiven Seiten so gut zu präsentieren.
Dominik hatte sich vorgenommen, Greta möglichst bald wieder zu kontaktieren. Er versuchte es schon am nächsten Abend und hatte Glück, Greta war zu Hause. Ihre Stimme sagte ihm, dass sie sich über seinen Anruf freute. Sie fragte sogar: »Hast du alles gut überstanden und warst wieder brav an der Uni? Ich fand den närrischen Tag auf jeden Fall sehr nett.«
Er druckste nicht lange rum, sondern bestätigte ihr das ebenfalls. »Hast du Lust, dich mit mir zu treffen?«
»Natürlich, aber die Zeit muss passen und auch das Wo. Hast du schon konkrete Vorschläge?«
»Mehrere. Du wirst wahrscheinlich auch eine Mittagspause machen. Wir könnten uns am Mäuerchen vor dem Unikomplex verabreden, etwas trinken und das Essen in der Mensa mal ausfallen lassen. Stattdessen gehen wir gegen Abend ins Kwartier Latäng. In der Luxemburger Straße befindet sich die Gaststätte Oma Kleinmann. Sie hat ab 17 Uhr geöffnet. Auf der Speisekarte finden sich sagenhafte Variationen vom Schnitzel. Alles bio, mit Pommes, Bratkartoffeln oder Kartoffel-Gurken-Salat und auch noch zu akzeptablen Preisen. Was hältst du davon?«
»Davon habe ich schon gehört. Ich wollte immer schon mal hin, also lass uns das anpacken. Sagen wir doch jetzt schon, wir treffen uns dort um 17 Uhr und lassen das Treffen am Mäuerchen wegfallen. Dann bin ich zeitlich flexibler.«
»Auch gut, dann treffen wir uns dort. Ich freue mich riesig. Mach dir einen schönen Abend und schlaf gut.« Dominik war happy darüber, dass alles so problemlos hingehauen hatte. Ach, wäre es doch schon 17 Uhr morgen!
Der nächste Tag wollte einfach nicht vergehen. Dominik konnte sich in den Vorlesungsstunden nicht richtig konzentrieren. Immer musste er an das Treffen mit Greta denken. Das war zurzeit das Wichtigste für ihn. Die Unruhe seiner Spielsucht, die ihn ansonsten in Schüben packte, war total aus dem Sinn. Er machte sich fortwährend Gedanken zum Treffen. Würde es Greta bei Oma Kleinmann gefallen? Sollte er sie für alles einladen? Er war sich sicher, das würde Eindruck machen. Allerdings musste er an seine begrenzten Mittel denken. Oftmals war schon vor Ultimo Ebbe in seiner Kasse. En verra, man wird sehen, sagt der Franzose, dachte er und stellte eine Entscheidung zurück.
Dominik machte sich schon früh auf den Weg, um auf jeden Fall da zu sein, wenn sie kam. Er trug seinen guten dunkelblauen Pullover mit weißem Hemd, eine Jeans und Turnschuhe. Das waren seine besten Klamotten. Das Weitere lag in Gottes Hand.
Dominik wartete vor der Tür des Eckhauses. Sein Warten währte nicht lange, denn Greta war pünktlich. Der Zeitpunkt 17 Uhr war gut gewählt. Bei Oma Kleinmann herrschte noch kein Trubel. Problemlos fanden sie einen netten Tisch, einen runden geschrubbten Holztisch. Neugierig sah sich Greta um. Was sie sah, gefiel ihr. Kleine Armlämpchen mit Schirm an der Wand gaben ein warmes Licht. An den Wänden hingen viele gerahmte Fotos. Die Personen darauf waren allesamt in bester Stimmung. Hier ging es meist laut und seltener leise zu. Greta meinte einige der Gäste zu erkennen, es waren lokale Prominente. Auch dumme Sprüche hingen gerahmt an der Wand: Jedes dumme Huhn findet auch einen Korn, zum Beispiel, ließ sie lachen. Die Bierdeckel verrieten, dass hier wohl überwiegend Sünner-Kölsch getrunken wurde.
Dominik hatte einige Erklärungen parat. »Ich habe sie extra gegoogelt. Du weißt ja, ich bin noch recht neu in Köln«, begann er. »Die Gaststätte gehört zu den ältesten der Domstadt. Der Name bei Oma Kleinmann geht auf die Köchin und Wirtin Paula Kleinmann zurück. Deren Mann, Gustav Kleinmann, wird im Internet zitiert: »Das ist ein ordentliches Speiselokal.«
»Es ist schön zu verspüren, wie sehr du bemüht bist, mich in Köln heimisch zu machen«, erwiderte Greta, begleitet von einem sehr warmen Blick. Dominik verspürte ein leises Kribbeln auf dem Rücken.
Zwei Kölsch standen schnell auf dem Tisch, und sie nahmen sich die Speisekarte vor. Darin wurde damit geworben, dass Oma nur Fleischwaren von Neuland bezog, einem Verbund bäuerlicher Betriebe mit eigenem Schlachthof. Hier gab es keine Massenproduktion auf den Tisch. Die Karte versprach einiges, und sie entschieden sich für zwei Varianten der berühmten Schnitzel: Greta wählte Schnitzel Chili Lilli mit kalter, würziger Tomatensauce. »Mein Verstand sagt mir zwar Salat, aber mein Bauch meint Schnitzel. Demokratie ist einfach nicht gut für die Figur.«
Dominik lachte und blieb bei dem schon öfter gegessenen Schnitzel Holzfäller mit Schmorzwiebeln. Dazu nahmen sie Omas Beilagensalat.
»Eines müssen wir vorher regeln«, meldete sich Greta zu Wort: »Ich gehe davon aus, wir müssen beide mit einem bescheidenen Wechsel über den Monat kommen. Deshalb sollte als vereinbart gelten, jeder von uns beiden kommt für sich selbst auf. Ich bin gern mit dir zusammen, Dominik, aber nicht auf deine Kosten.«
Dominik war ein wenig beschämt und antwortete nicht sofort. Schließlich sagte er: »Ich hoffe, du hältst mich nicht für jemanden, der hundert Euro in seiner Hosentasche findet und sich fragt: Wessen Hose habe ich an? Aber es stimmt, ich kann auch kein Stroh zu Gold machen. Bei mir ist oft am Ende des Geldes immer noch viel Monat übrig.«
Greta begann zu kichern. »Du bist unmöglich!«
Letztlich war Dominik durch ihre Ausführungen die Befürchtung genommen, er könne den Abend über die Verhältnisse leben. Mit einem kleinen Aber stimmte er ihr zu: »Dann lass mich wenigstens den Nachtisch übernehmen. Du kannst zwischen Panna Cotta, Crème brûlée und Mousse au Chocolat wählen.«
»Also gut, aber nur das erste und einzige Mal.«
Die Weichen waren auf ein gutes Miteinander gestellt. …
Als das Essen auf den Tisch kam, war Greta sprachlos. »Mein Gott, eine solche Portion schaffe ich doch gar nicht. Aber das sieht ja köstlich aus.« Mit spitzbübischem Gesicht fuhr sie fort: »Dann müssen wir uns für den Nachtisch wohl auf das bescheidenere Angebot an der Wand besinnen, mit einem Kaffee versteht sich.« Sie zeigte auf eine gerahmte Empfehlung. Tipp: Omas Kekse, Ivanas selbstgebackene Kekse passen noch nach jedem Schnitzel.
Dominik musste lachen. Beim Essen hielten sie sich an das Gebot: Mit vollem Mund spricht man nicht. Doch beiden mundete es.
Als der Kaffee kam, waren sie schon in ein angeregtes Gespräch vertieft. Sie wollten alles voneinander wissen. Immer mehr gleiche Interessen traten zutage, und sie hatten sich zu all diesen Dingen etwas zu sagen. Sie sahen auch Ansätze für zukünftige gemeinsame Exkursionen. Ein Hobby von Dominik stach besonders hervor. Mit dem Chemiedozenten hatte er mit mehreren Kommilitonen begonnen, im Unilabor mit molekularer Küche zu experimentieren. Greta hatte zwar schon davon gehört, konnte sich aber nicht so richtig etwas darunter vorstellen.
Dominik erklärte es stolz: »In der molekularen Küche werden biochemische und chemische Erkenntnisse zum Kochen genutzt. Der französische Chemiker Hervé This soll um 1990 der Erfinder gewesen sein. Seine Überlegungen fußten auf der Erkenntnis, dass sämtliche Dinge aus Molekülen bestehen, die durch Kombinieren von Zutaten und durch Kühlen, Gefrieren, Kochen und Backen geändert werden können. Der größte Unterschied zu anderen Zubereitungsarten ergibt sich durch die Verwendung der Kochutensilien. Speisen werden im Vakuum gegart, Kochen im genau temperierten Wasserbad kommt zum Einsatz, aber besonders spektakulär ist das Kühlen mit Trockeneis oder flüssigem Stickstoff. Die behandelten Nahrungsmittel verändern sich dramatisch. Säfte verwandeln sich in kleine Kaviarkugeln, Saucen türmen sich zu einem Schaumberg, oder heißes Eis schmilzt im Mund, wenn es auskühlt. Ich möchte nicht weiter theoretisieren, aber vielleicht hast du Lust, einmal dabei zu sein, wenn wir experimentieren. Wir stellen dann immer ein kleines Menü zusammen und dürfen jeweils einen Gast mitbringen.«
Greta sagte begeistert zu. »Wir treffen uns das nächste Mal am kommenden Wochenende. Würde das für dich passen?«
Auch das machte keine Probleme, und so war das nächste Treffen schon fest vereinbart. Dominik brachte seine Freude nicht nur mimisch zum Ausdruck. Er war so bewegt, dass er auch zu gestelzten Erklärungen griff: »Du bist fremd, und ich bin fremd in Köln. Und zwischen uns ist so viel Seelenverwandtschaft. Wollen wir uns nicht zusammentun? Für mich wäre das ein großes Glück.«
Greta war gerührt. Da saß ihr ein Mann gegenüber, der sich nicht cool wie ein Eiswürfel gab, sondern Gefühle zeigte. Das gefiel ihr und brachte ihre übliche Vorsicht ins Wanken. Deshalb sagte sie leise: »Okay, lass es uns versuchen.«
Als sie auseinandergingen, wollte Dominik sie unbedingt nach Hause bringen. Nicht aus dem Grund, bei ihr voranzukommen. Er wollte sich nur noch nicht trennen.
Ob es bei Greta die angeborene Vorsicht war oder ob sie ihre Selbstständigkeit manifestieren wollte, blieb offen. »Ich bin schon groß, ich komme allein nach Hause und habe auch noch eine Monatskarte für die Bahn.«
Dominik war ein wenig enttäuscht und antwortete: »Dann hoffe ich nur, dass du mir keine Hintergedanken unterstellst.«
»Nein, bestimmt nicht. Auch da fühle ich mich stark genug, mich zum richtigen Zeitpunkt für das Richtige zu entscheiden.«
Das verliebte Paar verabschiedete sich in verbliebener Seelenverwandtschaft mit einem Kuss.
Immer noch ganz im Bann seiner Eroberung kam er zu Hause an. Der heutige Tag war wirklich mal wieder nötig, dachte er beseelt. Obwohl er aufgewühlt war, ging er bald zu Bett. Am nächsten Tag hatte er sehr früh Vorlesungen. Er rollte sich auf der Matratze hin und her und konnte nicht einschlafen. Sein Gehirn hörte einfach nicht auf, Zwiesprache zu halten. Seit Greta in sein Leben getreten war, fühlte er sich ständig von ihr angezogen, wie von einem Magneten. Es wurde 2 Uhr, bis seine Augen endgültig geschlossen blieben.
Dominik brachte es nicht über sich, bis zum Molekularkochen am nächsten Wochenende auf ein Wiedersehen oder wenigstens eine Kontaktaufnahme mit Greta zu warten. Schon am nächsten Abend rief er sie an. Sie freute sich merklich darüber, und sie sprachen fast eine halbe Stunde miteinander. Als sie zum Ende kamen, meinte er: »Das habe ich noch nie in meinem Leben getan. So lang quatschen doch eigentlich nur Frauen miteinander.«
»Du alter Macho!«, rief sie empört ins Telefon. Ein unterschwelliges Lachen zeigte ihm aber, dass sie ihm nichts nachtrug. Trotzdem meinte sie abschließend: »Du musst mir deine Männlichkeit nicht unter Beweis stellen. Ich mag dich lieber so einfühlsam wie sonst.«
Am nächsten Tag lauerte er zwischen den Vorlesungen auf dem Mäuerchen an der Uni und hielt nach ihr Ausschau. Doch er hatte keinen Erfolg. Er bedauerte das sehr, entschied sich aber nicht, wieder anzurufen. Das Telefon blieb still. Umso mehr freute er sich, als Greta am Abend darauf anrief. Diese Freude ließ er offen heraus: »Ich habe schon neben dem Apparat gesessen und auf dich gewartet.« Sie erzählten sich, was sie tagsüber unternommen hatten. »Also sind wir alle beide fleißig gewesen. Was hältst du davon, wenn wir uns noch mit einem kleinen Abendspaziergang belohnen? Lass uns vor die Tür gehen.«
Greta war nicht begeistert. »Ach ne, draußen stürmt es. Hast du das nicht gesehen?«
»Das macht mir nichts aus. Und für dich hält der Wind bestimmt viele neue Frisurvorschläge bereit. Gib dir einen Stoß!«
Sie fand seine Art, sie zu überzeugen, zwar lustig, blieb aber beim Nein.
Nun trat bis zum Wochenende eine ewig lange Pause ein. Aber wenigstens rief sie Samstagmorgen an und ließ sich von Dominik die Wegbeschreibung geben.
Dominiks Wegbeschreibung war gut gewesen. Greta erreichte den Laborraum, ohne nachfragen zu müssen. Die Tür stand offen. Die Zahl der Personen im Raum war überschaubar. Greta zählte sechs Männer und zwei Frauen. Der eine Mann war etwas älter, er war bestimmt der Dozent. Man hatte schon mit den Vorbereitungen angefangen. Auf einem großen Tisch lagen Gerätschaften, standen Geschirr und eine Menge Zutaten. Als Dominik Greta sah, kam er ihr strahlend entgegen. Sie sah bezaubernd aus. Greta hatte ihr Haar zum Pferdeschwanz gebunden, trug einen strahlend blauen Rollkragenpullover und Jeans. An den Füßen hatte sie in passendem Blau Sneakers an.
Nach einem Kuss auf die Wangen stellte er sie den anderen vor. »Das ist meine Freundin Greta Neumayer. – Du bist heute unser einziger Gast, Greta. Deshalb habe ich von Dr. Herze die Erlaubnis, wenn wir kochen, einige Erklärungen für dich abzugeben.«
Greta bedankte sich freundlich und meinte: »Ich freue mich und bin sehr neugierig.«
Dr. Herze zeigte, wer der Chef im Ring war. »Dann lasst uns gleich beginnen. Je eher und länger haben wir das Vergnügen, unsere Machwerke zu genießen. Wir haben ein kleines, überschaubares Menü zusammengestellt, alles natürlich mit molekularem beziehungsweise chemischem Touch: Nitrobaisers mit Melonenscheiben Cantaloupe als Gruß des Hauses.
Erster Gang: Pfannekuchen mit Heumilchjoghurt.
Zweiter Gang: Foie-Gras-Pralinen auf Kürbisspalten mit Bratapfelespuma.
Dessert: Vanillecreme und Orangenkaviar.
Frau Neumayer, Sie können ruhig näher kommen, dann können Sie besser sehen, was geschieht, und Dominik Müller wird Ihnen den Werdegang noch zusätzlich erklären.« Er übergab das Wort an Dominik Müller.
»Wir beginnen mit dem Gruß des Hauses. Zunächst bereiten wir die Zutaten für die Nitrobaisers vor: Eiweiß und Holundersirup. Das Eiweiß wird geschlagen und der Sirup untergerührt. Mit einem Plastiklöffel schöpfen wir etwas Eischnee ab und geben ihn in die bereitgestellte Schale mit abgezapftem Stickstoff. Die Masse löst sich vom Löffel und schwimmt auf dem Stickstoff als kleine Nocken. Je länger wir sie schwimmen lassen, umso gefrorener werden sie. Die Nocken werden auf Melonenscheiben serviert und gegessen. Sie zerspringen erfrischend im Mund.
Auch den nächsten Gang kommentierte er: »Pfannekuchen mit Heumilchjoghurt sind auch von Anfängern gut zuzubereiten. Hier arbeiten wir nicht mit Stickstoff, sondern mit anderen chemischen Vorgängen. Vieles kann beziehungsweise muss länger vorbereitet werden:
Die Pfannekuchen sollen süß sein. Sie werden nach dem üblichen Rezept von Oma zubereitet, mit einer beliebigen Marmelade bestrichen und eingerollt. Wir backen sie gern in Schmalz aus.
Das gibt mehr Geschmack. Ihr seht, auch sie wurden von uns bereits vorbereitet und müssen jetzt nur noch warmgehalten werden.
Auch die erste Phase für den Joghurt wurde bereits erledigt:
Für ihn wurde zunächst eine Handvoll Heu in einen Topf gepresst und mit Milch zweimal aufgekocht. Danach musste das Heu eine halbe Stunde ziehen, um Geschmack abzugeben. Circa ein Liter der Milch wurde durch ein Tuch in eine Schüssel abgegossen und auf dreiundvierzig Grad abgekühlt. Zehn Esslöffel Naturjoghurt kamen in die Mitte der Schüssel. Die wurde abgedeckt und der Inhalt hat bei circa vierzig Grad zwölf Stunden geruht. In dieser Zeit haben sich Bakterienkulturen vermehrt. Die entstandene, noch recht flüssige Joghurtmasse wurde gut durchgerührt.
Etwa vier Stunden vor der Zubereitung der Speise wurde in zwei Liter Wasser in Raumtemperatur zehn Gramm Alginat mit dem Pürierstab verquirlt. Alginat ist rein pflanzlicher Natur und wird aus der Braunalge gewonnen. Dort werden nun kleine Joghurtbällchen vorsichtig hineingegeben. Nach circa acht Minuten hat sich um den Joghurtbrei eine gelatineartige Masse gebildet, die die Bällchen zusammenhält. Man muss aufpassen, dass sie sich nicht berühren, sonst kleben sie zusammen und der dünnflüssige Joghurt verliert seine Form. Der Schutzmantel um die Heumilch-Joghurt-Flüssigkeit ist der besondere chemische Vorgang, den wir erarbeiten wollten.
Nun legen wir gezuckertes Obst, Erdbeeren, Blaubeeren, Himbeeren, mit etwas Honig in Apfelsaft und lassen alles einen Moment ziehen, wobei sich eine fruchtige Sauce bildet. Alle Zutaten werden nun zum Verzehr ansprechend auf Tellern angerichtet. Beim Anstechen der Haut läuft der Heumilchjoghurt auf den Tellern aus und gibt sein besonderes Aroma an die anderen Speisenbestandteile ab. Wir haben darauf verzichtet, das Ganze noch mit Trüffelraspeln zu verfeinern. Das war uns ehrlich gesagt zu teuer.«
Greta war fasziniert von den fantasievollen Kochvorgängen.
Dr. Herze griff erneut in das Geschehen ein: »Ich meine, wir sollten mit dem Kochen eine Pause einlegen. Wir haben Halbzeit. Es erscheint mir richtig, unsere ersten beiden Kreationen gemeinsam zu verspeisen. Der Laborraum ist nicht als Restaurant ausgerichtet. Wenn wir weiterkochen, ohne Platz zu schaffen, wird es hier sehr wühlig.«
Alle waren sehr einverstanden. Bald saß man an den freien Tischen und aß voll Stolz und Lust. Die beiden Gänge hielten, was versprochen worden war. Die Nitrobaisers zersprangen als Geschmackswunder im Mund und vermischten sich köstlich mit den reifen Melonenstückchen. Der beim Anpicken auslaufende Heumilchjoghurt dominierte als Geschmacksbombe die Pfannekuchen und das gezuckerte Obstsortiment. Greta zeigte ihre Bewunderung für die Meisterköche deutlich.
Dominik brachte seine Einstellung zu diesem Hobby auf den Punkt: »Solche Gemeinsamkeiten lösen Stress und räumen einem eine ganze Menge Frust und Ärger von der Seele fort. Individualität trifft dabei auf Gemeinschaftssinn. Und alles zusammen ist sogar ein bisschen Studium.«
Greta nickte mit einem breiten Lächeln.
Dr. Herze pfiff bald die zweite Halbzeit an.
»Also gut, dann darf ich den zweiten Hauptgang moderieren«, sagte Dominik. »Der Kürbis wird in Stücke geschnitten und in Olivenöl angebraten. Er soll noch bissfest bleiben. Gewürzt wird er mit Gorria; das Wort kommt aus dem Baskischen und heißt: der Rote. Ich spreche von Pfeffer. Auch eine Prise Salz ist nötig.
Die Dose mit Foie gras wird im Ofen auf vierzig Grad erwärmt.