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© 2022 Langen Müller Verlag GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag: Sibylle Schug
Umschlagmotiv: Gabriele Münter, Das Russenhaus in Murnau, 1931; © Artothek, Bildagentur der Museen, Spardorf
Herstellung: Ralf Paucke
Satz und Ebook-Konvertierung: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten
ISBN 978-3-7844-8421-1
www.langenmueller.de
Gewidmet meiner Tochter Hana
Inhalt
Einführung
Das Russenhaus
Anmerkungen
Personenverzeichnis
Einführung
In der unglückseligen Liebesgeschichte zwischen Wassily Wassiljewitsch Ritter von Kandinsky und Gabriele Münter schränkt der Erzähler die Macht der Zeit und ihre Abläufe über uns und unsere Geschichten auf das Notwendigste ein. Zugleich gibt er der Zeit die volle Freiheit, hin und her zu fließen, von der Zukunft zurück in die Gegenwart oder von der Vergangenheit, ohne die Gegenwart wahrzunehmen, direkt in die Zukunft, wie von Gabriele Münter – für den Erzähler Ella – und von Wassily Wassiljewitsch Ritter von Kandinsky gewünscht.
Genau wie Wassily Kandinsky – Ritter und »von« lässt der Erzähler öfters weg – und Gabriele Münter, wird er die sechs Jahre von 1908 bis 1914, in welchen die beiden in Ellas Haus in Murnau lebten, nicht mit Datenangaben zerstückeln, sondern sie als einen einzigen Zeitabschnitt schildern, in dem diese wunderbaren Künstler viel gelitten und dabei Wunderbares geschaffen haben.
Auf die berechtigte Frage – wie konnte der Erzähler mit Menschen sprechen, die es nicht mehr gibt, sich in Ellas Haus lange Selbstgespräche anhören, ja zum Teil auch in ihren Geschichten, die schon fast vergessen sind oder die nur in der Phantasie des Erzählers geschehen sind, eine Rolle spielen? – zuckt der Erzähler mit den Schultern und erwidert:
»Auf diese Frage habe ich keine Antwort gefunden, weil ich sie, erstens, nicht gesucht habe, und sie mich zweitens nicht interessiert. Der wesentliche Teil meines vermeintlichen Wissens über Wassily und Gabrieles Liebe beruht auf meiner Phantasie, auf meinen fabulierten, nie stattgefundenen Gesprächen mit Ella und Kandinsky sowie auf Aussagen einer leider nicht verlässlichen Zeugin.
Die einzige Zeugin, die sich in Murnau noch an Gabriele Münter erinnert, hat sie erst mehr als zwanzig Jahre nach Kandinskys Aufenthalt in Murnau kennen gelernt und konnte dem Erzähler Geschichten aus den Jahren von 1908 bis 1914 im »Russenhaus« – so nannten und nennen die Einheimischen Gabriele Münters Murnauer Wohnsitz – erzählen, die sie von ihrer Großmutter Teresa, in dieser Zeit Dienstmädchen im Russenhaus, gehört haben will.
Die Tatsache, dass der Erzähler die ihm von einer Zeugin erzählten Geschichten über Wassily Kandinsky und Gabrieles Liebe nicht mehr überprüfen kann – alle anderen Zeugen sind nämlich schon lange tot –, hält er für seinen großen Vorteil: Selbst wenn er diese, wohl eher selten der Wahrheit entsprechenden Geschichten, durch seine Phantasie erweitert, wird ihm keiner beweisen können, dass er es mit seinem Fabulieren übertreibt oder sogar schon lügt.
Der Erzähler behauptet: Auch das, was zwischen Wassily Kandinsky und Gabriele in den aufregenden Jahren im Russenhaus nicht geschah oder gar nicht geschehen konnte, wird im Augenblick, in dem er es aufschreibt und publiziert, zur Wahrheit, auch wenn nur in der Literatur.
Der Erzähler, hingerissen von seiner Bewunderung für die Werke, die sie in Murnau geschaffen haben, verzichtet darauf, über diese großartigen Künstler und über ihre sechs Jahre in Murnau die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu schreiben, und zwar aus zwei Gründen: Erstens kennt er – und wer kennt sie schon? – Kandinskys und Gabrieles wahre Murnauer Geschichte nicht und zweitens nimmt er sich das Recht heraus, die beiden, Wassily Kandinsky und Gabriele Münter, in seiner literarischen Phantasie so auferstehen zu lassen, wie er ihnen in unserer Zeit in Murnau gerne begegnen möchte.