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HANDBUCH SMART HOME

Frank-Oliver Grün

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INHALTSVERZEICHNIS

WARUM SMART HOME?

Komfortgewinn

Sicherheit

Energiesparen

Flexibilität

Risiken und Nebenwirkungen

Interview: „Ein vernünftiges Konzept spart Geld“

WIE FUNKTIONIERT SMART HOME?

Vom smarten Gerät zum smarten Gebäude

Sender und Empfänger

Sensoren im Smart Home

Aktoren im Smart Home

Alles hört auf ein Kommando

Die Steuerung: zentral oder dezentral?

Zentrale Steuerung

Dezentraler Aufbau

Eine Mischung aus beidem

Online- und Offlinebetrieb

Selbst ist das Haus: die Automatisierung

Verknüpfungen und Regeln

Software und Zugriffsrechte

Die Bedienung: alles unter Kontrolle

Klassisch: Wandtaster im Smart Home

Visualisierung: auf einen Blick

Touchscreen an der Wand

Digitale Assistenten

Sprachsteuerung ohne Internet

Automatisierung: Das Haus kontrolliert sich selbst

Kompatibilität: eine Frage des Standards

Herstellerstandards

Smart-Home-Funkprotokolle

Multistandard-Zentralen

HomeKit & Co.

Der Über-Standard Matter

Musterbeispiel KNX

Der Unterhalt: laufende Kosten

Energiekosten

Softwareupdates

Smart Home im Abo

Rechenbeispiel: günstiges Smart Home in der WG

WAS GEHT ÜBERHAUPT?

Licht: mehr als nur Beleuchtung

Anwesenheit simulieren

Zentralschalter

Stimmung auf Knopfdruck

Biologisch wirksames Licht

Intelligente Auslöser

Netzwerke fürs Licht

Hue, Trådfri & Co.

Funklampen ohne Bridge

Steckdosen: schalten und messen

Stand-by-Stopp

Zwischenstecker

Wandsteckdosen

Beschattung: Sicht- und Sonnenschutz

Elektrische Antriebe

Intelligente Automatik

Alles, was sich bewegt

Klima: richtig heizen, kühlen, lüften

Intelligent heizen

Vernetzung ab Werk

Smarte Regler nachrüsten

Kühlen nach Bedarf

Automatisch frische Luft

Energie: intelligentes Management

Was ist ein Smart Meter?

Vorteile vernetzter Zähler

Gestatten: Energiemanager

Sonderfall Balkonkraftwerk

Bad und Sanitär: vernetztes Wasser

Elektronische Armaturen

Sauna und Dampfbad

Smarte Spiegel

Rechenbeispiel: die junge Familie

Garten: im grünen Bereich

Mähroboter

Bewässerung

Licht und Sensoren

Musik im Freien

Videoüberwachung: voll im Bild

IP-Kameras

Cloud-Kameras

Türkameras

Alarm: auf Nummer sicher

Was ist eine Alarmanlage?

Technische Eigenschaften

Smart-Home-Integration

Zertifiziert oder nicht?

Multiroom-Audio: Musik im ganzen Haus

Multiroom-Audiosysteme

Woher kommt die Musik?

Unsichtbare Lautsprecher

Integration ins Smart Home

Multiroom-Video: verteiltes Programm

Fernsehen über IP

Videos im Netzwerk

Geeignete Programmquellen

Smart-TV & Co.

Kontrollmöglichkeiten

Universal-Fernbedienung

Professionelle Systeme

Tür und Tor: Zugang unter Kontrolle

Was ist ein Smartlock?

Türöffner für das Mehrfamilienhaus

Garagen- und Hoftore

Hausgeräte: kleine und große Helfer

Der Internetkühlschrank

Haushaltsgroßgeräte

Vernetzte Kleingeräte

Ambient Assisted Living

Umgebungsunterstütztes Leben

Hilfe bei der Pflege

Smarte Problemlöser

Hilfe auf Zuruf

Interview: „Smart Homes sind auch AAL-Systeme“

SCHRITT FÜR SCHRITT ZUM EIGENEN SMART HOME

Welcher Smart-Home-Typ sind Sie?

Typ A – Tüftler

Typ B – Heimwerker

Typ C – Auftraggeber

Typ D – Anwender

Wie ist die Ausgangssituation?

Neubau und Sanierung

Bestandsgebäude nachrüsten

Darauf sollten Mieter achten

Drahtgebunden oder drahtlos?

Weniger Elektrosmog

Eingebaute Sicherheit

Das spricht für Funk

Große Flexibilität

WLan nicht vergessen

Mögliche Hindernisse

Zuerst: Machen Sie sich ein Bild

Inspirationen sammeln

Wünsche formulieren

Vorstellungen konkretisieren

Rechenbeispiel: Funkinstallation vom Profi

Die Fünf Ws der Systemauswahl

Was kostet der Spaß?

Ausstattungswerte

Finanzielle Förderung

Die Partnersuche

Fertighäuser: das schlüsselfertige Smart Home

Funk im Fertigbau

Verkabelte Systeme

Was passiert nach dem Bau?

Kabel & Co: Tipps für die Planung

Zukunftssichere Elektrik

Die richtigen Kabel

Rechenbeispiel: Sanierung mit Funk und Kabel

SYSTEME IM ÜBERBLICK

Spezialisten für bestimmte Aufgaben

Netatmo Wetterstation

Nuki Smartlock

Philips Hue

Ring Video Doorbell

Sonos

Tado

Komplettsysteme für Selbermacher

Apple HomeKit

AVM Fritzbox

Bosch Smart Home

Devolo Home Control

EQ-3 Homematic

EQ-3 Homematic IP

Homee

Ikea Home Smart

Mediola

Samsung SmartThings

Telekom Deutschland Magenta Smart-Home

Die Gebäudetechnik der Profis

Afriso Home

Busch-Jaeger Busch-free@Home

Coqon

Digitalstrom

Eltako

EQ-3 Homematic IP wired

Fibaro Home Center (Yubii Home)

Gira/Jung eNet Smart Home

Jäger Direkt Opus GreenNet

KNX

Loxone

MyGekko

Rademacher HomePilot

Somfy Tahoma

Wibutler Pro

Interview: „Den Großen nicht einfach das Feld überlassen“

Selbst gebaut von Anfang an

Was ist der Raspberry Pi?

Einkaufsliste für Selbermacher

Die Aufgabe von Middleware

FHEM

Home Assistant

Homebridge

ioBroker

IP Symcon

OpenHab

Rechenbeispiel: Smart Home – all inclusive

Ein Wort zum Internet der Dinge

Vorteile von IoT

Nicht immer kostenlos

Vertrauen auf Sicherheit

Smarte Displays und Apps

Amazon Alexa

Apple Siri

Google Assistant

Home Connect Plus

IFTTT

WIE SICHER IST DIE SMARTE TECHNIK?

Gefühltes und reales Risiko

Gerätesicherheit

Serversicherheit

Netzwerksicherheit

Personenbezogene Daten

Prüfzeichen und Qualitätssiegel

Interview: „Viele Billiganbieter sparen an Sicherheit“

SERVICE

Literatur

Musterhaus-Ausstellungen

Stichwortverzeichnis

WARUM SMART HOME?

Wenn es nach Studien und Umfragen geht, steht der Heimvernetzung eine große Zukunft bevor, und zwar schon ziemlich lange. Seit Jahren prophezeien die Marktforscher dem Thema riesiges Wachstumspotenzial. Bis 2020 sollte die Zahl der Smart-Home-Haushalte in Deutschland bereits die Millionengrenze überschreiten, rechnete der Branchenverband Bitkom auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung 2014 vor.

Ob dieses Ziel erreicht wurde, hängt nicht zuletzt von der Definition ab. Laut jüngsten Zahlen von 2021 (Quelle: Bitkom Research) haben mittlerweile 4 von 10 Deutschen ab 16 Jahren mindestens ein Smart-Home-Gerät. Oft handelt es sich dabei um fernbedienbare Lampen oder Heizungsregler. Auch Funksteckdosen erfreuen sich großer Beliebtheit. Das zeigt, wo eine Hauptmotivation für den Kauf vernetzter Haustechnik liegt: in der Bequemlichkeit.

Komfortgewinn

Ein smartes Heim übernimmt viele Alltagsaufgaben. Sei es der Griff zum Lichtschalter oder der Gang in den Keller um nachzusehen, ob die Waschmaschine ihr Programm beendet hat. Elektrische Rollläden stellen an sich schon einen Komfortgewinn dar, spart der Motor doch lästiges Kurbeln von Hand oder die morgendliche Turnübung am Gurt. In einem unvernetzten Haus müssen Sie aber trotzdem noch von Raum zu Raum gehen. Die Wandtaster der Antriebsmotoren drücken sich schließlich nicht von selbst. Sind die Antriebe mit einer Steuerung verbunden, reicht dagegen ein zentraler Befehl, um alle gemeinsam in Bewegung zu setzen – oder eben nur die Rollläden auf der Sonnenseite, wenn gewünscht.

Genauso funktioniert das mit vernetztem Licht. Beim Nachhausekommen bereiten die Lampen einen freundlich hellen Empfang. Sensoren an der Wohnungstür oder Bewegungsmelder machen es möglich. Zum Fernsehen, Arbeiten oder Lesen wählen programmierbare Lichtszenen auf Knopfdruck die passende Einstellung. Und abends müssen Sie nicht mehr durch die Wohnung patrouillieren, um jede Tischleuchte einzeln auszuknipsen. Stattdessen genügt ein Druck auf den zentralen „Alles aus“-Schalter am Bett.

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Der Branchenverband Bitkom macht jährliche Umfragen zum Thema Smart Home. Danach steigt die Zahl vernetzter Produkte im Haushalt kontinuierlich. Besonders beliebt sind smarte Lampen und Leuchten.

Oft gehörtes Argument von Skeptikern: So eine Hausautomation mache die Menschen träge und bequem. Vom Sofa aufzustehen und selbst den Lichtschalter zu betätigen, habe noch niemandem geschadet. Das hieß es freilich auch, als die ersten drahtlosen TV-Fernbedienungen auf den Markt kamen. Elektrische Fensterheber im Auto? Automatikgetriebe? Auf viele Helfer, die früher Seltenheitswert hatten, möchte heute niemand mehr verzichten. Das dürfte in der Gebäudetechnik nicht anders sein.

Ein anderer Verdacht liegt da schon eher nahe. Abläufe im Haus zu steuern und den digitalen Befehlen bei ihrer Ausführung zuzuschauen, übt eine Faszination aus, der sich vor allem Männer schwer entziehen können. Manch einer fühlt sich vor seiner Smart-Home-Konsole wie Captain Picard im Kommandostand des Raumschiffs Enterprise. Doch was spielerisch beginnt und in der Jugend vor allem Spaß macht, kann in späteren Jahren ganz praktische Vorteile haben. Dann nämlich, wenn alltägliche Handgriffe wie das mechanische Öffnen oder Schließen von Rollläden beschwerlich werden. Wenn im Alter das Aufstehen aus dem Sessel langsamer geht und der Schalter für die Arbeitsplattenbeleuchtung in der Küche nicht mehr so leicht erreichbar ist.

Dann bekommt die Vernetzung eine neue Bedeutung. Sie hilft Ihnen, länger und selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Die Technik reagiert auf Situationen im Alltag und erkennt mit der richtigen Sensorik sogar, ob alles in Ordnung ist. Ambient Assisted Living, kurz AAL, heißt dieses Prinzip im Fachjargon – auf Deutsch etwa „Umgebungsunterstütztes Leben“ (Seite 147).

Sicherheit

Ein Öffnungskontakt an der Wohnungstür, Bewegungsmelder im Flur – wer denkt da nicht an eine Alarmanlage? Es stimmt: Manche Bauteile aus dem Smart-Home-Sortiment kommen so oder so ähnlich auch in professionellen Einbruchmeldeanlagen vor. Und sie erfüllen hier wie dort denselben Zweck. Die Sensoren überwachen einen Bereich und schlagen Alarm, wenn etwas vor sich geht.

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Ein vernetztes Alarmsystem erhöht die Sicherheit und kann weitere Aktionen auslösen – etwa bei einem Einbruchversuch zur Abschreckung das Licht einschalten.

Das macht die Hausinstallation aber nicht automatisch zu einer vollwertigen Alarmanlage. Gerade wenn es um den Schutz vor Einbrechern und anderen Gefahren geht, stellen Experten hohe Anforderungen an die Technik.

Wer teuren Hausrat, Kunst oder andere Wertgegenstände versichern will, benötigt eine Anlage, die vom Verband der Schadenversicherer (VdS) zertifiziert ist (siehe Seite 118). So ein System arbeitet als geschlossene Einheit, kann unter bestimmten Umständen aber seinen Status an ein Smart Home weitergeben, damit im Falle eines Alarms oder beim Scharfund Unscharfschalten automatisch Aktionen ausgelöst werden. Welche Lösung auf Ihre persönliche Situation passt, besprechen Sie am besten mit dem Fachbetrieb, der auch die zertifizierte Einbruchmeldeanlage installiert.

Auch ohne VdS-Siegel hebt ein smartes Gebäude jedoch das Sicherheitsniveau. Nur wenige Einbrecher werden sich in aller Seelenruhe die Zeit für einen Diebstahl nehmen, während draußen die Alarmsirene heult und drinnen eine Videokamera ihr Treiben dokumentiert. Vorteil im Smart Home: Vernetzte Komponenten können sich ergänzen und in ihrer Wirkung unterstützen. So sieht das Bild von Überwachungsvideos gleich viel schärfer aus, wenn zusammen mit dem Alarm das Licht angeht.

Im Idealfall kommt es gar nicht erst so weit, dass Kriminelle Ihre Wohnung ins Visier nehmen. Abschreckung lautet die Devise. Kaum ein Objekt wirkt auf Einbrecher so wenig einladend wie ein Gebäude, das rund um die Uhr bewohnt ist. Genügte früher ein Lämpchen mit Zeitschaltuhr, um Anwesenheit vorzugaukeln, fallen Profis heute darauf immer seltener herein. Doch was, wenn die Anwesenheitssimulation vom Verhalten echter Menschen nicht zu unterscheiden ist? Ein automatisiertes Gebäude schafft das in Perfektion – etwa über Lichtszenen, die den Alltag nachbilden und virtuellen Bewohnern scheinbar von Raum zu Raum folgen. Auch Jalousien, die ihre Lamellen nach dem Sonnenstand ausrichten und nicht wochenlang in derselben Position verharren, täuschen externe Beobachter über längere Urlaubsreisen hinweg. Wenn dann noch Lautsprecher nach dem Zufallsprinzip ein Radioprogramm spielen oder Hundegebell abspielen, dürften selbst gute Nachbarn glauben, dass jemand zu Hause ist.

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image PhotovoltaikÜberschüssiger Solarstrom fließt in einen Batteriespeicher oder treibt Hausgeräte an.

image LüftungSensoren messen die Luftqualität und schalten bei Bedarf die Lüftung ein.

image WärmepumpeSolarstrom vom Dach heizt für den Abend das Warmwasser vor.

image HeizungRegler in den Räumen fordern nur dann Wärme von der Anlage im Keller an, wenn sie benötigt wird.

image HausgeräteDie Waschmaschine meldet, wenn ihr Programm fertig ist. Der Herd schaltet selbst den Dunstabzug ein.

image BeschattungRollläden oder Markisen öffnen und schließen sich automatisch.

image BeleuchtungAußen- und Innenlampen sind programmierbar. Lichtszenen verändern die Beleuchtung nach Wunsch.

image SteckdosenDie Steuerung schaltet elektrische Geräte ein und wieder aus – etwa beim Verlassen der Wohnung.

image BedienungVernetzte Wandtaster oder Touchdisplays rufen programmierte Smart-Home-Szenen auf.

image ZugangEin elektrischer Türschlossantrieb (Smartlock) lässt autorisierte Bewohner ins Haus – wenn nötig und erwünscht sogar ferngesteuert über das Internet.

image BewässerungRegner und Rasensprenger treten automatisch in Aktion, wenn der Boden zu trocken wird.

image RasenmäherDer Mähroboter zieht abhängig von Witterung und Anwesenheit der Bewohner seine Runden.

image LautsprecherMultiroom-Lautsprecher spielen Musik im ganzen Haus und geben Alarmtöne wieder.

image SprachsteuerungSmart Speaker mit einem integrierten digitalen Assistenten steuern die Haustechnik auf Zuruf.

image AlarmOb Rauchentwicklung oder Einbruch: Das Smart Home warnt seine Bewohner in gefährlichen Situationen.

image VideoüberwachungInnen- und Außenkameras behalten das Haus bei Abwesenheit im Blick.

image E-Auto-LadestationDie Wallbox tankt den Akku vollautomatisch auf, wenn genügend Solarstrom zur Verfügung steht.

image FernbedienungEine Smartphone-App gewährt von unterwegs aus Zugriff auf Licht, Heizung, Kameras und mehr.

Hinzu kommen Überwachungsmaßnahmen, die unbemerkt im Hintergrund ablaufen, den Bewohnern und Bewohnerinnen aber zusätzliche Sicherheit geben. Da wäre zum Beispiel der Feuchtesensor unter der Küchenspüle, der frühzeitig warnt, wenn ein Wasserschaden droht. Wer am offenen Kamin kuschelt, erfährt per CO-Sensor, wenn etwas mit der Verbrennung nicht stimmt und lebensgefährliches Kohlenmonoxid in den Raum entweicht. Vernetzte Rauchmelder tragen den Feueralarm vom Keller bis hinauf unters Dach. Außerdem informieren sie mit einer Nachricht auf dem Handy darüber, dass zu Hause womöglich gerade ein Brand ausbricht. Im Livestream der Überwachungskamera können Sie sich dann selbst ein Bild machen – und im Ernstfall gleich die Feuerwehr verständigen.

Energiesparen

Die Anbieter vernetzter Heizungsregler werben teilweise mit großen Einsparpotenzialen. Von einem Rückgang der Heizkosten um bis zu 30 Prozent ist die Rede. Es gibt Studien, die das belegen. 2013 hat das Fraunhofer Institut für Bauphysik im Auftrag von Tado die smarten Thermostate des Herstellers überprüft und konnte einen Rückgang des Energiebedarfs um 14 bis 26 Prozent feststellen. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine gemeinsame Untersuchung von Rheinenergie und der Technischen Hochschule Köln im Jahr 2018.

Allerdings sind diese Aussagen nicht auf jeden Haushalt übertragbar. Die Heizungsanlage muss vor dem Umbau schon ziemlich ungeregelt gewesen sein, damit eine smarte Steuerung so viel bringt. Die Fraunhofer-Forscher gingen in ihrer Berechnung zum Beispiel davon aus, dass die Temperatur im unvernetzten Vergleichshaus konstant auf 20 Grad eingestellt war. Wenn die Heizung rund um die Uhr durchläuft, benötigt das vergleichsweise viel Energie. Schon eine automatische Nachtabsenkung, wie sie moderne Anlagen bieten, reduziert jedoch den Verbrauch. Nach Berechnungen der Stiftung Warentest senken 4 Grad weniger in der Nacht den Energiebedarf um 8 Prozent (test 8/2019). Eine außengeführte Kesselsteuerung mit Temperaturfühler im Freien lässt die Differenz weiter schrumpfen. Wie groß das Sparpotenzial einer vernetzten Steuerung ist, hängt also nicht zuletzt davon ab, wie energieeffizient das Heizsystem vor seiner Installation bereits war.

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Smarte Heizsysteme helfen beim Energiesparen. Die App von Tado etwa kalkuliert Heizkosten im Voraus und gibt die voraussichtliche Ersparnis an.

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Ein Tür- oder Fensterkontakt erkennt, wenn der Flügel offensteht. Er meldet dies der Heizung, worauf der Regler am Heizkörper automatisch sein Ventil schließt.

Hinzu kommt die Bausubstanz als temperaturausgleichender Faktor. Im gut isolierten Passiv- oder Niedrigenergiehaus machen sich smarte Thermostate weniger bemerkbar als in einem Gebäude, das durch seine Außenwände schnell Wärme verliert. Altbauten sind deshalb prädestiniert für eine intelligente Steuerung – und Haushalte mit einem unregelmäßigen Tagesablauf profitieren besonders von ihr. So kann ein System mit Anwesenheitserkennung zum Beispiel automatisch die Heizung drosseln, wenn alle das Haus verlassen haben. Beim Heimkommen der ersten Person regelt es die Temperatur von selbst wieder hoch. Die Zeit dazwischen, in der weniger geheizt wird, spart Geld. Mit Präsenzmeldern (siehe Seite 81) lässt sich dieses Prinzip noch weiter verfeinern. Sie schalten normalerweise das Licht, stellen aber auch fest, ob Schlafräume oder Gästezimmer längere Zeit unbewohnt sind. Dort kann die Temperatur dann ruhig etwas niedriger liegen.

Ein Kontakt- oder Temperatursensor am Fenster verhindert, dass Heizkörper beim Lüften unnötig aufdrehen und extra Energie verschwenden. Wer hinterher vergisst, seine offenen Fenster wieder zu schließen, kann sich von einer Smart-Home-Automation daran erinnern lassen, ehe der Raum völlig auskühlt. Prinzipiell gilt: Je langsamer das Gebäude von sich aus auf Temperaturänderungen reagiert, desto weniger bringen kurzzeitige Korrekturen. Eine vergleichsweise träge Fußbodenheizung muss nicht jedes Mal herunterfahren, wenn Sie zum Einkaufen aus dem Haus gehen.

Im Vergleich mit der Heizung und Warmwassererzeugung machen Lampen und andere Elektrogeräte nur etwa 15 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in privaten Gebäuden aus. Der Anteil für Beleuchtung ist wegen effizienter LED-Technik über die Jahre sogar gesunken. Weil gleichzeitig die Strompreise steigen, kann es sich trotzdem lohnen, den Verbrauch im Blick zu behalten. Ein Smart Home bietet dafür gleich mehrere Möglichkeiten. Die offensichtliche: Es zeigt an, wie viel Watt- oder Kilowattstunden durch die Leitung fließen. Dadurch werden Kontrollen des Energiebedarfs überhaupt erst möglich.

Im einfachsten Fall genügt dafür eine Messsteckdose mit App. Sie erfasst den Verbrauch und dokumentiert ihn über längere Zeit. Allerdings liefert sie nur Werte eines einzelnen Geräts – oder die Summe aller Verbraucher, die gemeinsam an einer Steckdosenleiste hängen. Mehr Überblick bieten sogenannte Energiezähler oder Smart Meter im Sicherungskasten (siehe „Energie …“ Seite 90). Sie ermitteln ihre Daten direkt am Zähler oder an der Stromzuleitung und ordnen sie Verbrauchern im Haushalt zu. So bleiben heimliche Energiefresser nicht lange verborgen – und die Wohnenden wissen schon vor der jährlichen Stromrechnung, welche Kosten auf sie zukommen.

Was sich mit den Erkenntnissen sonst noch anfangen lässt, hängt von der Smart-Home-Installation ab. Steckdosen, die per Funk oder Leitung vernetzt sind, können auf diesem Weg auch Steuersignale empfangen. Ein Befehl trennt dann zum Beispiel die Kaffeemaschine vom Netz, sobald das Frühstück vorbei ist. Schon eine Stunde, die das Gerät weniger heizt, spart bei Filtermodellen mit 1000 Watt Leistungsaufnahme rund 30 Cent am Tag – macht aufs Jahr gerechnet mehr als 100 Euro. Bereitet ein Kaffeevollautomat den Cappuccino oder die Latte Macchiato zu, kann der Effekt auch größer ausfallen. Das kommt auf die Stand-by-Einstellungen und -Funktionen der Maschine an.

Soll ein Gebäude nicht nur Energie sparen, sondern auch selbst welche erzeugen, macht sich Vernetzung doppelt bezahlt. Denn Photovoltaikanlagen auf dem Dach liefern Strom, sobald die Sonne scheint, egal, wie viel davon gerade benötigt wird. Bei klarem Himmel übersteigt die Leistung der Solarmodule regelmäßig den Eigenverbrauch. Früher lohnte es sich, diesen Überschuss zum gesetzlich festgelegten Preis an Stromversorger zu verkaufen und ins öffentliche Netz einzuspeisen. In Zeiten sinkender Einspeisevergütungen ist es besser, ihn selbst zu verbrauchen (siehe Seite 93).

Die Kontrolle elektrischer Verbraucher macht smarte Gebäude zu einem wichtigen Bestandteil der Energiewende. Wenn Stromversorger künftig last- und zeitabhängige Tarife anbieten, in denen der Kilowattpreis den Tag über schwankt, steuert die Elektronik das Haus so, dass es am günstigsten ist.

Flexibilität

Ein Vorteil vernetzter Gebäude wird leicht übersehen oder findet bei der Planung wenig Beachtung: Funktionen lassen sich nachträglich ändern. Sie sind buchstäblich nicht mehr in Stein gemeißelt wie bei einer traditionellen Elektroinstallation. Dort geben Leitungen und Unterputzdosen vor, wo zum Beispiel die Lichtschalter liegen. Als Auftraggeber müssen Sie im Planungsstadium entscheiden, an welche Wand im Schlafzimmer das Bett kommt – damit der Elektriker die Anschlüsse vorsehen kann. Wenn Ihnen nach dem Einzug ein anderer Aufstellungsort besser gefällt? Pech gehabt.

An die Esszimmerwand soll nachträglich ein Dimmer? Dann hat der Elektriker im Rohbau hoffentlich schon eine tiefe Unterputzdose gesetzt. Sonst reicht der verfügbare Platz für die Montage nicht. Die Kinder ziehen aus und eins der Zimmer soll künftig als Hobbyraum dienen? Solche Nutzungsänderungen kommen öfter vor, als man denkt. Im Smart Home kein Problem: Mit einem funkbasierten System kleben Sie Taster, Dimmer, Raumthermostate oder Rollladenwippen einfach dorthin, wo es gerade am besten passt. Auch sogenannte Hausbussysteme mit Steuerleitungen in den Wänden sind meist über drahtlose Module erweiterbar. Da bei ihnen die Intelligenz aber häufig ohnehin im Schaltkasten sitzt, lässt sich vieles per Software lösen. Der verkabelte Wandtaster spielt dann nur den Auslöser. Welche Lampen, Steckdosen oder Rollläden er steuert, entscheidet die Programmierung.

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Viele Smart-Home-Systeme dokumentieren die Leistungsaufnahme angeschlossener Verbraucher. So lässt sich feststellen, wohin der Strom im Haushalt fließt.

Wichtig bei allen Festinstallationen mit Leitungen in den Wänden: Planen Sie den späteren Ausbau mit ein. Auch wenn vorerst nur ein wenig Lichtsteuerung gewünscht ist. Das macht den Bau oder die Sanierung zwar etwas teurer (siehe Seite 187), spart langfristig aber Geld, weil das „Nervensystem“ für ein smartes Gebäude bereits existiert. Das „Gehirn“, die Steuerintelligenz, kann dann jederzeit folgen, wenn wieder mehr Budget da ist.

Risiken und Nebenwirkungen

Neben vielen guten Argumenten für die Hausautomatisierung gibt es auch ein paar Risiken, die hier nicht verschwiegen werden sollen. Sie hängen vor allem mit der Systemauswahl zusammen. Denn anders als im klassischen Elektrohandwerk fehlt für intelligente Gebäude eine durchgängige Standardisierung. Elektroinstallationen sind in Deutschland durch VDE-Bestimmungen und DIN-Normen geregelt. Von der Leitungsführung über die Montagehöhe der Lichtschalter bis hin zur Mindestanzahl von Steckdosen pro Raum reichen die Vorschriften. Wer Komponenten nachkauft – selbst nach Jahren oder Jahrzehnten – kann sicher sein, dass sie technisch zu einer bestehenden 230-Volt-Installation passen.

Im Smart Home gelten etwas andere Regeln. Zwar gibt es auch hier Standards und Konventionen, doch sind sie weniger verbindlich. Verschiedene Lösungen haben sich parallel entwickelt und existieren nebeneinander. Manche davon gehen auf einen bestimmten Hersteller zurück, der die Komponenten baut, pflegt und weiterentwickelt. Vorteil eines solchen Komplettangebots: Weil alles aus einer Hand kommt, spielt die Technik reibungslos zusammen. Andererseits birgt die Abhängigkeit von einer einzigen Firma auch Gefahren. Sollte der Anbieter des proprietären Systems irgendwann sein Sortiment ändern oder vom Markt verschwinden, kann es schwierig werden, Ersatzteile zu bekommen.

Wer auf namhafte, gut eingeführte Produkte setzt, minimiert dieses Risiko. Bei einem System, das schon lange existiert und viele Kunden hat, lohnt sich die Weiterentwicklung eher als wenn kaum Nachfrage besteht. Zusätzliche Sicherheit bringen standardisierte Funkprotokolle wie EnOcean, Z-Wave und Zigbee. Sie kommen herstellerübergreifend zum Einsatz und vergrößern die Produktauswahl. Fällt zum Beispiel ein Anbieter von Zigbee-Leuchtmitteln weg, lässt sich die Lücke mit Lampen aus dem Sortiment eines anderen schließen.

Problem dabei: Nicht alles an den Funkprotokollen ist komplett durchstandardisiert. Manche Funktionen setzen die Smart-Home-Hersteller in Eigenregie um. So kann es passieren, dass Fremdprodukte nur eingeschränkt kompatibel sind oder ihre Eigenschaften von System zu System variieren. Auch deshalb bevorzugen viele Installationsbetriebe einen anderen Standard. Er heißt KNX und entstand 1999 aus dem Zusammenschluss dreier europäischer Verbände (siehe „Musterbeispiel KNX“, Seite 53). Mittlerweile produzieren einige Hundert Hersteller in aller Welt Geräte und Software dafür. Mehr als die Hälfte aller intelligenten Gebäude in Deutschland sind damit vernetzt.

Im Zweckbau hat sich KNX als Industriestandard etabliert. Auch luxuriöse Smart Homes machen sehr oft Gebrauch von der Technik. Allerdings gehört eine Automatisierung mit KNX zu den eher kostspieligen Lösungen, was auch an der kabelgebundenen Bus-Installation liegt. Zwar lassen sich KNX-Signale inzwischen drahtlos per Funk und im normalen Stromnetz übertragen (Powerline), Busleitungen spielen aber immer noch die Hauptrolle. Wer mit spitzem Bleistift rechnet oder ein begrenztes Budget zur Verfügung hat, sucht deshalb häufig nach Alternativen.

Zum Glück gibt es viele davon. Manchmal muss es gar nicht eine Installation allein sein, die sämtliche Anforderungen erfüllt. Viele Smart-Home-Produkte bieten Schnittstellen zu anderen Systemen. So finden zum Beispiel auch Insellösungen für Licht, Musik oder Sicherheit den Anschluss ans Gebäude. Oder eine Zentrale mit mehreren Funkstandards bringt Geräte verschiedener Hersteller unter einen Hut. Die folgenden Kapitel helfen Ihnen dabei, eine passende Kombination zu finden.

„EIN VERNÜNFTIGES KONZEPT SPART GELD“

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Frank Völkel plant seit 2007 intelligente Gebäude im KNX-Standard. Aus den Erfahrungen beim Bau seines privaten Eigenheims und anfänglichen Freundschaftsdiensten für Bekannte ist ein bundesweit agierendes Unternehmen geworden. Mit seiner Firma Smartest Home betreut der Diplomingenieur Bauherren bei der Konzeption, Elektroplanung und Programmierung ihrer KNX-Lösung. Außerdem schreibt er Fachbücher, hält Vorträge und gibt Videokurse zum Thema und betreibt einen YouTube-Kanal mit mehr als 20 000 Abonnenten.

Sie haben vor vielen Jahren mit KNX angefangen und sind dabei geblieben. Warum?

Vor allem wegen der Flexibilität und Zukunftssicherheit. Mit dem KNX-Standard sind Sie herstellerunabhängig und wissen, dass es auch in 10 oder 20 Jahren noch Geräte gibt. Außerdem haben wir so die Möglichkeit, für jedes Einsatzgebiet die beste Lösung zu wählen. Es gibt Hersteller, von denen der Jalousieaktor besonders gut ist, Heizungsaktoren würde ich vielleicht von einem anderem nehmen, die Gartenbewässerung von einem dritten Anbieter. Das geht nur mit KNX so gut – vorausgesetzt, Sie kennen die Stärken und Schwächen der einzelnen Sortimente. Aber dafür gibt es ja Planer wie uns.

KNX hat den Ruf, besonders teuer zu sein. Stimmt das?

Vor wenigen Jahren noch hätte ich dieser Aussage sofort zugestimmt. Mittlerweile würde ich sagen, dass Sie in einem per Kabel vernetzten Neubau kaum günstiger kommen als mit KNX. Das ist Herstellern wie MDT zu verdanken, die den Preis gegenüber Marken wie Busch-Jaeger oder Gira halbiert haben. Damit will ich keine Wertung abgeben, ob ich das gut finde oder nicht. Ich sage nur, was sich am Markt abspielt. Und da stimmt das Klischee vom Smart-Home-Standard für die Villa in Saint-Tropez eben nicht mehr. Natürlich gibt es die absolute Luxusklasse – mit Sensortastern von Basalte für bis zu 700 Euro, die aus massivem Nickel oder Messing gefräst sind. Da kosten schon Material und Herstellung eine Menge Geld. Der Hersteller verdient sich daran keine goldene Nase. Aber es geht eben auch deutlich günstiger.

Mit welchen Kosten sollten Bauleute für ein KNX-System rechnen?

Das kommt darauf an – welchen Ausstattungsgrad man sich wünscht und wo gebaut wird. Bei uns in Süddeutschland, wenn Sie ein Haus für 500 000 Euro planen – ohne Grundstück –, dann sind Sie mit 50 000 Euro für die Elektrik inklusive KNX auf der ganz sicheren Seite und haben schon eine hohe Ausstattung. Zehn Prozent der Bausumme eignen sich da als Richtwert. Wenn Sie als Kunde sagen, Sie möchten nur die Grundfunktionen, dann geht es auch günstiger. Für fast jedes Budget lässt sich eine Lösung finden.

Wo investiere ich dieses Geld am besten?

Vor allem in die Planung. Nichts spart so viel Geld, wie eine vernünftige Konzeption. Das ist wie bei einem Buchprojekt. Ich kann einfach drauflosschreiben und hinterher schauen, wie ich alles zusammenkriege. Dann gibt es jede Menge Ergänzungen, Umstellungen, Nachträge und Korrekturen. So arbeiten leider noch immer viele Elektriker. Die gehen mit der Kreide oder Spraydose durchs Haus und fragen, wo der Bauherr seine Steckdosen haben will. Dort machen sie dann ein Kreuz an der Wand. Hinterher stellt sich heraus, dass vieles nicht geht wie gewünscht und der Bauherr bezahlt für Änderungen. Eine gründliche Planung im Vorfeld kostet natürlich Geld. Aber sie holt an anderer Stelle auch leicht Zehntausende Euro und mehr wieder rein.

Wie läuft diese Konzeption normalerweise ab?

Wir fangen an, wenn vom Architekten die genehmigte Werkplanung kommt. In der Regel erhalten wir den digitalen Datensatz und machen anhand der Grundrisse die Elektroplanung. Dafür sprechen wir mit den Bauleuten die Räume durch. Während der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass das auch gut zu Hause am Computer geht – mit einem geteilten Bildschirm. Die Kunden sind dabei sogar konzentrierter als bei einem Termin vor Ort. Der Elektriker bekommt dann eine Stückliste und kann loslegen. Er kauft auch alle Komponenten wie Dosen und Kabel ein, muss also keine Angst haben, dass wir etwas von seiner Marge wegnehmen. In der Praxis sind viele Elektriker sogar froh, dass sie keine Planung mehr machen müssen.

Wie finde ich den richtigen Planer für ein solches Projekt?

Vor allem anderen sollte es menschlich passen. Bis ein Haus fertig ist, vergeht leicht ein ganzes Jahr. Während dieser Zeit hat man immer wieder miteinander zu tun. Außerdem würde ich mir Referenzen zeigen lassen, was der Planer schon gemacht hat. Und mindestens genauso wichtig: Kann er sich auf mich und meine Wünsche einstellen? Wenn ich sage, mein Budget beträgt 25 000 Euro, dann sollte das auch gelten. Nicht wie bei manchen Architekten, die wir in unserem Alltag erleben. Da sagt der Kunde dreimal, ich will keine Holzverkleidung am Haus haben, und der Architekt sieht trotzdem eine vor.

Gelten für die Sanierung andere Regeln als im Neubau?

Das nachträgliche Verlegen von KNX-Kabeln ist in der Regel teurer. Es gibt meist keine genauen Pläne, deshalb wissen Sie nicht, wo die Leitungen liegen. Es fehlt an Leerrohren und Platz für die Kabel. Das alles kostet Zeit und Geld. Ein bereits existierendes Bussystem ohne Projektdaten ist aber genauso schlimm. Ohne Datei für die ETS-Software müssen Sie alles durchmessen. Wie bei einem Auto, das mit einer diffusen Fehlerbeschreibung in die Werkstatt kommt. Es kann eine Woche dauern, bis man sich in eine derartige Installation reingearbeitet hat. Das will kein Elektriker, und die Eigentümer möchten so viel Zeitaufwand auch nicht gerne bezahlen. Deshalb: Grundsätzlich alle Daten einer KNX-Installation aufbewahren. Dann sind Änderungen auch nach Jahrzehnten kein Problem. Projekte, die vor 25 Jahren mit der ETS 2 erstellt wurden, lassen sich heute noch einlesen.

Welche Fehler gilt es sonst zu vermeiden?

Mein Eindruck ist, dass viele Bauherren die Bedeutung des Themas noch immer unterschätzen. Sie rechnen nicht damit, dass Digitalisierung, Automatisierung und Fernsteuerung in fünf bis zehn Jahren omnipräsent sein werden. Dabei hat sich schon gezeigt, wie wichtig ein Homeoffice mit guter Infrastruktur plötzlich sein kann. Es geht darum, in die Zukunft zu schauen. Das kann man gar nicht oft genug sagen.

WIE FUNKTIONIERT SMART HOME?

VOM SMARTEN GERÄT ZUM SMARTEN GEBÄUDE

Die Vorsilbe „smart“ wird seit einigen Jahren geradezu inflationär gebraucht. Auf das Smartphone folgten der Smart-TV und die Smartwatch. Lautsprecher mit Sprachsteuerung heißen Smart Speaker, Dosierautomaten für Hunde- und Katzenfutter Smart Feeder. Ja selbst Wasserkocher, Zahnbürsten und Fieberthermometer nehmen das Attribut in Anspruch, irgendwie smart zu sein. Nicht selten erschöpft sich dieser beworbene Vorteil in Vernetzung. Die Geräte sind per Funk steuerbar, über eine Onlineverbindung können sie Informationen austauschen, digitale Medien und neue Software aus dem Internet nachladen.

Als kleinster gemeinsamer Nenner trifft das auch auf viele Smart-Home-Produkte zu, die mittlerweile unsere Wohnungen bevölkern. All die vernetzten LED-Lampen, Raumthermostate, Türschlösser und WLan-Kameras haben eines gemeinsam: Ihr Bedienkonzept basiert auf dem Smartphone. Die App des Herstellers hilft bei der Installation der Geräte und assistiert später im Alltag. Sie macht das gedruckte Handbuch überflüssig – sofern der Anbieter sein Software-Handwerk versteht und dem Gerät nicht einfach ein billig zugekauftes Programm überstülpt.

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Funkthermostate wie das Wiser-System von Eberle regeln die Raumtemperatur.

Fast immer handelt es sich bei diesen Produkten um Insellösungen. Sie kümmern sich um ein Gewerk, wie Fachleute am Bau sagen würden. Das kann zum Beispiel die Licht- oder Heizungssteuerung sein. Es gibt Spezialisten, die das Haus überwachen, Musik wiedergeben den Rasen mähen oder die Blumen bewässern. Je mehr davon zusammenkommen, desto aufwendiger und unübersichtlicher wird die Steuerung. Denn proportional zu den Geräten steigt die Zahl der Apps auf dem Smart-phone. Timer sind über viele Programme verteilt und müssen dort mehrfach eingestellt werden, wenn etwa das Bad morgens zur selben Zeit warm, hell erleuchtet und aufmunternd beschallt sein soll. Mit jeder neuen Insellösung wächst der Wunsch, die Technik zu vereinheitlichen und zusammenzufassen.

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Überwachungskameras wie die Nest Cam von Google behalten die Wohnung im Blick.

Womöglich sind Sie bereits an diesem Punkt angekommen. Vielleicht lesen Sie dieses Buch aber auch in kluger Voraussicht – oder mit der Vorahnung, dass smarte Produkte allein Sie nicht weiterbringen werden. Dann ist es an der Zeit, über ein vernetztes Gebäude nachzudenken, ein Smart Home, das diesen Namen wirklich verdient. Es führt verschiedene Aufgaben unter einer Steuerlogik zusammen. Das Ganze ist dabei mehr als die Summe seiner Teile, weil die Geräte zusätzliche Aufgaben übernehmen können. Ein Fensterkontakt ist Teil der Alarmfunktion und drosselt gleichzeitig die Heizung, wenn gelüftet wird. Lautsprecher dienen der Unterhaltung, spielen aber auch Warntöne und Durchsagen ab.

Der Unterschied besteht im ganzheitlichen Ansatz. Während smarte Insellösungen meist zweckgebunden und nach aktuellem Bedarf angeschafft werden, beginnt die Planung eines Systems am anderen Ende der Investition: dem Vollausbau. Wer weiß, wo er hinwill, kann gleich von Anfang an den richtigen Weg einschlagen. Dabei macht es einen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt die Installation stattfindet. Geschieht sie im Rohbaustadium, beziehungsweise während einer grundlegenden Gebäudesanierung? Dann sind Operationen am offenen Mauerwerk meist kein Problem. Oder soll sie lieber nachträglich in der möblierten Wohnung passieren, quasi minimalinvasiv wie bei einem ambulanten medizinischen Eingriff? Dann bleiben die verputzen Wände besser unangetastet.

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Systeme wie Digitalstrom lassen sich auch nachträglich in eine vorhandene Elektroinstallation integrieren.

Gebäudenetzwerke im Vergleich

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Abhängig von der Situation und vom Budget kommen unterschiedliche Vernetzungslösungen infrage. Am wenigsten Arbeit und Schmutz macht eine Installation mit Funktechnik. Manche Systeme kommunizieren auch über die gewohnte Elektroinstallation (Stromversorgung). Sie schicken ihre Befehle quasi huckepack auf der Wechselstromfrequenz von Raum zu Raum. Dabei handelt es sich um ein ähnliches Verfahren, wie es Powerline-Datenadapter für den Computer verwenden. Das 230-Volt-Netz übernimmt die Aufgabe von Netzwerkkabeln. Am leistungsfähigsten und zuverlässigsten ist aber eine eigene Datenautobahn für die Haustechnik. Dazu legt der Elektriker spezielle Unterputzleitungen in die Wände. Die verdrillten Kupferkabel werden auch Busleitungen genannt, das ganze Prinzip heißt Installationsbus.

Für die Bezeichnung Bus gibt es verschiedene Erklärungen, je nachdem, wen man fragt. Manche Informatiker leiten sie vom englischen Begriff für Steckplätze an der Rückwand eines 19-Zoll-Computerschranks her: Backpanel Unit Sockets, kurz BUS. Anschaulicher ist die Vorstellung einer Omnibuslinie, auf der Datenpakete von einer Station zur nächsten reisen. Die Businstallation ist quasi das Liniennetz, angeschlossene Geräte bilden die Haltestellen. In der Gebäudetechnik zeichnen sich Bussysteme vor allem dadurch aus, dass sie Daten- und Energienetz voneinander trennen. Das muss nicht zwingend über Kupferlader geschehen. Ein Funkbus kann Steuerdaten ebenso übertragen. Trotzdem hat sich das Kürzel im Zusammenhang mit Leitungen eingebürgert. Wenn pauschal von Installationsbus die Rede ist, sind in der Regel verkabelte Systeme gemeint.

Die Tabelle auf Seite 21 gibt einen ersten Überblick. Das Kapitel „Schritt für Schritt zum eigenen Smart Home“ (Seite 155) beschäftigt sich ausgiebig mit dem Thema. Doch jetzt geht es erst einmal um den prinzipiellen Aufbau. Wie funktioniert ein Smart Home? Woraus besteht es? Und was lässt sich überhaupt alles automatisieren?

SENDER UND EMPFÄNGER

Zwei Begriffe werden Ihnen in diesem Buch noch häufiger begegnen: Sensoren und Aktoren. Ohne diese beiden Gerätetypen läuft im Smart Home nichts. Sie „sprechen“ miteinander und tauschen Informationen aus. Wie im richtigen Leben gibt es Redner und Zuhörer, man könnte auch sagen Sender und Empfänger. Allerdings hinkt der Vergleich ein wenig, da es in dieser Kommunikation nicht nur ums Verstehen geht. Der Empfänger eines Befehls muss ihn auch gleich ausführen, also etwa das Licht einschalten oder die Rollläden schließen. Darum verwenden Gebäudetechniker statt Sender und Empfänger lieber die Bezeichnungen Sensor und Aktor. Ersterer schickt Signale ins Netzwerk hinein, die zum Beispiel als Auslöser dienen können. Der Zweite reagiert darauf und führt die gewünschte Aktion aus.

Sensoren im Smart Home

Auch ohne intelligentes Gebäude sind wir im Alltag von Sensoren umgeben. Das Auto nutzt sie, um Geschwindigkeit und Drehzahl zu messen. Abstandswarner oder Einparkhilfe prüfen mit ihrer Hilfe die Entfernung zum nächsten Fahrzeug. Jedes Mikrofon im Smartphone ist ein Schalldetektor, die Wetterstation ein Temperatur- und Luftdruckmesser, die Badezimmerwaage ein Fühler fürs Gewicht. Alle haben eines gemeinsam: Sie erfassen das Ausmaß bestimmter Werte. Daher kommt auch der Begriff Sensor. Er geht auf das lateinische Wort „sensus“ zurück, was so viel bedeutet wie Gefühl, Bewusstsein oder Wahrnehmung.

In einem Smart Home gibt es besonders viele Werte zu ermitteln. Entsprechend umfangreich ist das Angebot an Sensoren. Hier nur eine Auswahl der wichtigsten Funktionen, manche Hersteller kombinieren mehrere davon in einem Gehäuse.

imageBewegungs- und Präsenzmelder reagieren auf Veränderungen in der Umgebung, meist mit Sensoren für Infrarotstrahlung.

imageRauchmelder erkennen mithilfe einer Infrarot-Lichtschranke, ob die Luft sich eintrübt.

imageHelligkeitssensoren messen die aktuelle Beleuchtungsstärke im Raum.

imageTemperaturfühler stellen fest, wie warm oder kalt es am Ort ihrer Montage ist.

imageCO2-Sensoren prüfen die Konzentration von Kohlenstoffdioxid in der Raumluft.

imageWassermelder warnen vor undichten Leitungen oder einer Überschwemmung.

imageLuftfeuchtemesser liefern einen Prozentwert für die relative Feuchtigkeit.

imageKontaktsensoren an Türen und Fenstern erkennen, ob sie geöffnet sind.

imageRegenmesser ermitteln die Niederschlagsmenge über einen definierten Zeitraum.

imageVerbrauchszähler erfassen die Verbrauchsmengen von Wasser, Gas, elektrischer Energie und Heizungswärme.

Der häufigste Sensortyp in Gebäuden ist auf den ersten Blick gar nicht als solcher zu erkennen: Auch Taster wie etwa Lichtschalter gehören zur Familie der Sensoren – weil sie ein Signal an andere Geräte senden. Ob das manuell per Fingerdruck geschieht, wie in diesem Fall, oder ohne direktes Zutun der Menschen, spielt für die Haustechnik keine Rolle.

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Typische Sensoren: Funktaster mit Display, Öffnungskontakt

Dass Lichtschalter nur selten als Sensoren wahrgenommen werden, hat historische Gründe. In einer herkömmlichen Elektroinstallation übernehmen sie die Aufgabe des Aktors gleich mit: Beim Umlegen der Wippe schließt der Schalter den Stromkreis oder unterbricht die Leitung. Entsprechend geht das Licht an oder aus. Traditionelle Dimmer für die Unterputzdose machen es ähnlich, ein klassisches Thermostatventil am Heizkörper arbeitet ebenfalls autark. Es bezieht die Information, wie warm es ist, von einem Temperaturfühler direkt im Thermostatkopf. Sensor und Regler bilden eine geschlossene, funktionsfähige Einheit.

Ein Hauptvorteil vernetzter Installationen besteht darin, beide Aufgaben voneinander zu trennen. Der Lichtschalter unterbricht den Strom nicht mehr selbst, er steuert einen Aktor, der irgendwo im Haus montiert sein kann: an der Lampe, in einer Verteilerdose unter Putz oder auch im Zählerschrank. Physikalisch getrennt vom Sensor empfängt ein Aktor so seine Befehle auf vielerlei Weise. Neben einer Bedienung per Wandtaster kommen auch Raumsensoren oder Sprachbefehle als Auslöser infrage. Eine Smartphone-App kann die Kontrolle übernehmen und bei entsprechender Konfiguration den Aktor sogar von unterwegs aus steuern. Welche Möglichkeiten im Einzelnen zur Verfügung stehen, hängt vom System ab.

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Konventionell: Der Lichtschalter und der Rollladentaster sind gleichzeitig Aktor und Sensor (A/S).

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Drahtlos: Funksensoren (S) steuern einen Aktor (A), der sich vor dem Gerät im Stromkreis befindet.

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Businstallation: Die Sensoren (S) sind über eine eigene Busleitung mit Aktoren im Elektroverteiler (A) verbunden.

Aktoren im Smart Home

Das Gegenstück zum Sensor heißt Aktor. Leicht zu merken, weil der Name an Aktion erinnert und somit die Funktion beschreibt. Wahrscheinlich waren es die Techniker aber einfach Leid, den sperrigen Fachbegriff Aktuator (engl. „actuator“) zu verwenden. Eine Abkürzung geht leichter über die Lippen. Beide Ausdrücke stehen für dasselbe: Bauteile oder Baugruppen, die aus elektrischen Signalen eine Wirkung erzeugen. Das Ergebnis kann ganz unterschiedlicher Natur sein. Beispiel Lautsprecher: Ein elektromagnetischer Aktor, auch Schwingspule genannt, treibt die Membran an und wandelt Tonsignale in Musik um. Optoelektrische Aktoren senden unter elektrischer Spannung Licht aus, wie man es von Leuchtdioden, den LEDs, kennt. Technisch gesehen arbeiten viele Alltagsgeräte mit Aktoren – vom Akkuschrauber über Spielzeuge mit Elektromotor und Tintenstrahldrucker bis hin zur Computerfestplatte. Im Smart Home ist der Begriff etwas enger gefasst. Er kommt vor allem dort zum Einsatz, wo es etwas zu schalten oder zu regeln gibt.

imageSchaltaktoren unterbrechen den Stromfluss und geben ihn bei Bedarf wieder frei.

imageDimmaktoren regeln die Helligkeit von Leuchtmitteln im vernetzten Gebäude.

imageZwischenstecker für die Steckdose rüsten Schalt- oder Dimmfunktionen nach.

imageRollladenaktoren steuern Motorantriebe bis zu einem definierten Endpunkt.

imageJalousieaktoren kontrollieren zusätzlich die Neigung der Lamellen.

imageVentil-Stellantriebe regulieren die Wärmezufuhr am Heizkörper oder Heizkreislauf.

imageKlima-Steuermodule kontrollieren Heizkessel, Kühlanlagen Wärme- und Zirkulationspumpen.