Fußball ist ein Spiel für 22 Mann; elf auf jeder Seite. Die Spieler treten den Ball von einem Ende des Platzes an das andere. Das Leder muss in ein Tor, in dem ein Keeper steht. Das Spiel dauert 90 Minuten. Und am Ende gewinnt immer Deutschland …
(Der englische Nationalspieler Gary Lineker fasst die Regeln des Fußballs zusammen.)
Im Jahr 1848 haben Studenten der Universität Cambridge die ersten Fußballregeln, die »Cambridge Rules«, verfasst. Eine Mannschaft sollte aus 15 bis 20 Spielern bestehen. Erst 24 Jahre später wurde durch die 1863 in England gegründete Football Association die Zahl der Spieler auf die heutigen elf festgelegt. Wir werden sehen, dass man die Zahl von zehn Feldspielern tatsächlich mathematisch begründen kann. 1863 beschloss die Football Association auch ein ausführliches Regelwerk, welches 14 Absätze umfasste und auf den Cambridge Rules basierte. Demnach werden das Spielen mit dem Fuß und das ausschließliche Treten nach dem Ball als wesentliche Elemente des Spiels festgelegt. Seit 1877 gibt es den Feldverweis eines Spielers bei grobem Foulspiel. Allerdings wurde erst 1909 der genaue Strafenkatalog dafür geschaffen, und erst seit 1970 wird der Feldverweis mit einer »Roten Karte« und eine minder schwere Tat durch eine »Gelbe Karte« angezeigt. Die Rote Karte zog der Referee im Unterschied zur Gelben, die in der Brusttasche steckte, immer aus seiner Gesäßtasche, damit die Zuschauer und Reporter vor den Schwarz/Weiß-Fernsehgeräten deutlich sehen konnten, wenn ein Spieler mit einem Feldverweis belegt wurde. Seither spricht man davon, dass jemand »die Arschkarte zieht«, wenn ihm ein Unglück widerfährt. Doch wie stark wird eine Mannschaft eigentlich durch eine solche »Arschkarte« im Durchschnitt geschwächt?
Merkwürdigerweise hat die Football Association 1863 auch schon die Abseitsregel eingeführt. Wir werden im Folgenden sehen, warum diese Regel sinnvoll ist, dass sie aber geradezu ein Desaster für Schieds- und Linienrichter darstellt, da sie bei der Anwendung dieser Regel prinzipiell immer Fehler machen müssen. Auch die Größe des Tores liegt schon lange fest. Bereits im Jahr 1865 wurde die Torhöhe auf 8 Feet = 2,44 Meter begrenzt. Im Jahr 1875 wurde dies noch präziser als die Höhe der Lattenunterkante definiert, und gleichzeitig wurden die Halbzeitpause und der Seitenwechsel eingeführt. Auch die Breite des Tores wurde auf 8 Yards = 7,32 Meter normiert. Die Ballgröße steht seit 1872 mit einem Umfang von 68 bis 70 Zentimetern bei einem Durchmesser von etwa 22 Zentimetern fest. Warum gerade diese Ausmaße? Sollte man die Tore nicht größer und den Ball kleiner machen, damit das runde Leder häufiger im erst 1890 eingeführten Tornetz zappelt? Im Handball sind die Tore zwar kleiner, aber es fallen trotzdem viel mehr Tore als im Fußball. Ist dadurch das Spiel wirklich interessanter? Wir werden im folgenden Kapitel mathematisch begründen, dass der Fußball seinen großen Reiz daraus bezieht, dass nur sehr wenige Tore fallen. Dadurch wird Fußball zum ungerechtesten, aber auch interessantesten Mannschaftssport der Welt.
Mit der Ausbreitung des Fußballs Ende des 19. Jahrhunderts in England entwickelten und verfeinerten sich auch die Regeln. In Deutschland legte 1874 der Braunschweiger
Lehrer Konrad Koch das erste Regelwerk fest. Die FIFA und der DFB haben die Regeln des Fußballspiels später immer weiter ausgearbeitet. Für jede denkbare Situation gibt es heutzutage eine konkrete Handlungsanweisung, nachzulesen beispielsweise auf der Homepage des DFB. Auf jährlichen Konferenzen kontrolliert die FIFA, ob die Regeln noch adäquat sind, und passt sie gegebenenfalls an.3 Es gibt im offiziellen Regelwerk der FIFA 17 Spielregeln, die 1938 neu gefasst wurden und bis auf geringfügige Änderungen bis heute unverändert geblieben sind. Man könnte daher denken, dass alles klar ist und darüber nicht mehr weiter diskutiert werden muss. Aber schon die triviale Frage, wann eigentlich ein Ball im Tor ist, erweist sich bei genauerer Betrachtung als ungeheuer kompliziert. Die Regel ist glasklar formuliert, aber kann ein Schiedsrichter sie überhaupt so genau umsetzen? Wie viel Zeit hat er, um zu entscheiden, ob ein Ball »drin« war? Interessant ist ohnehin, dass es den Schiedsrichter erst seit 1873 und seine beiden Linienrichter erst seit 1889 gibt. Vorher hat man offenbar 25 Jahre lang Fußball ohne Schiedsrichter gespielt! Die beiden Mannschaftsführer haben das Spiel geleitet und bei Regelverstößen unterbrochen. Es ist allerdings nicht überliefert, wen das unterlegene Team eigentlich für seine Niederlage verantwortlich gemacht hat, wenn der Schiedsrichter als Sündenbock ausfällt. Es ist auch nicht klar, wie die Schiedsrichter 16 Jahre lang Abseitsstellungen ohne Linienrichter gesehen haben.
Heutzutage sind die Schieds- und Linienrichter an allem schuld. Ihre Leistung wird jedes Wochenende kritisch hinterfragt, und einzelne Szenen werden mit Superzeitlupen und Standbildern geradezu seziert. Ein Ergebnis der Ausführungen des folgenden Kapitels wird aber sein, dass unsere Schiedsrichter erstaunlich wenige Fehler machen. Sie sind sogar besser, als sie laut Theorie eigentlich sein dürften! Und die Fehler, die sie machen, sind häufig das Salz in der Suppe. Was wäre der Fußball ohne all die Diskussionen über strittige Abseits- und Torentscheidungen, ohne übersehene Handspiele und unberechtigte Elfmeter, ohne zweifelhafte Feldverweise und nicht geahndete Foulspiele? Nichts – er wäre viel ärmer! Deswegen ist der Weg, den die FIFA seit der WM 2014 in Brasilien eingeschlagen hat, grundlegend falsch: Mit elektronischen Hilfsmitteln wie etwa der Torlinientechnik und dem beim Confed Cup 2017 getesteten und für die WM 2018 geplanten Videobeweis will man für mehr vermeintliche Gerechtigkeit auf dem Fußballplatz sorgen. Nein! Wir Fans wollen keinen klinisch reinen Fußball, wir dürsten geradezu nach Ungerechtigkeit und strittigen Entscheidungen! Und das Ungerechteste am Fußball sind sowieso nicht die Schiedsrichterentscheidungen, sondern etwas ganz anderes …
Wann ist ein Ball im Tor?
Im Fußball ist es wie in der Liebe. Was vorher ist, kann auch sehr schön sein, aber es ist nur Händchenhalten. Der Ball muss hinein!
(Der Trainer und Kolumnist Max Merkel philosophiert über das Wesen des Fußballspiels.)
Häufig erleben wir im Fußball umstrittene Torentscheidungen. War der Ball wirklich hinter der Linie? Das umstrittenste Tor der Fußballgeschichte ist wohl im WM-Finale 1966 gefallen und unter dem Namen »Wembley-Tor« in die Annalen eingegangen. Auf dieses Tor kommen wir noch in aller Ausführlichkeit in einem späteren Abschnitt zurück. Auch im WM-Finale 2006 gab es zwei Entscheidungen dieser Art. Zinédine Zidane hat für Frankreich den ersten Elfmeter im Spiel lässig gegen die Unterkante der Latte gelupft. Von dort sprang er auf den Boden, wieder gegen die Latte und dann aus dem Tor heraus. Doch war dieser Ball wirklich im Tor? Im Elfmeterschießen hat David Trezeguet dann den entscheidenden Strafstoß gegen die Unterkante der Latte gehämmert. Der Ball sprang fast senkrecht nach unten auf den Rasen und von dort aus dem Tor heraus. War dieser Ball auch im Tor? Wir werden sehen, dass diese Fragen von einem Menschen eigentlich nicht zu beantworten sind.
Die Regel 10 der offiziellen Fußballregeln, die der DFB im Jahr 2017 veröffentlicht hat, besagt: »Ein Tor wird erzielt, wenn der Ball die Torlinie zwischen den Torpfosten und unterhalb der Querlatte vollständig überquert, sofern das Team, das den Treffer erzielt, weder ein Vergehen begangen noch gegen die Spielregeln verstoßen hat.«
Diese Regel hört sich recht einfach an, besagt sie doch nur, dass sich ein Fußball von 22 Zentimeter Durchmesser vollständig hinter der Torlinie befinden muss.
Da die Linie mit zum Spielfeld gehört, ist ein Ball also selbst dann nicht im Tor, wenn sich sein Mittelpunkt zwar vollständig, aber noch nicht mehr als elf Zentimeter hinter der Torlinie befindet. Physikalisch könnte man es auch so ausdrücken: Nur wenn das letzte Atom des Balls hinter dem letzten Atom der Linie ist – erst dann ist er im Tor!
Selbst diese einfache Regel kann recht kompliziert werden, wie das folgende Beispiel aus der BundesligaSaison 2008/09 zeigt. Im Spiel des VfL Bochum gegen den VfB Stuttgart kam es am 26. Spieltag zu obiger Szene. Das Foto stammt aus der Frankfurter Rundschau vom 6. April 2009. Schiedsrichter Fleischer entschied, dass der Bochumer Spieler Joël Epalle ein Tor erzielte, weil der Stuttgarter Keeper Jens Lehmann einen peinlichen Fehler beging und den Ball offensichtlich erst hinter der Linie zu fassen bekam. Alle waren sich einig, dass es sich um ein klares Tor handelte. Der Spieler Epalle ohnehin, der Torhüter Jens Lehmann protestierte nicht, und die Reporter diverser Sportsendungen sprachen von einem »klaren Tor«. Die Frankfurter Rundschau schrieb sogar: »Hoppla: Jens Lehmann liegt mit Ball hinter der Linie.« Die Lage ist ja auch eindeutig. Schließlich sieht man zwischen der Torlinie und dem Ball noch ein klitzekleines Stückchen des Rasens durchschimmern. Deswegen muss der Ball doch klar hinter der Linie liegen, oder?
Die Lage sieht anders aus, wenn wir uns an die obige Regel 10 erinnern. Wenn wir bedenken, dass ein FIFA-Fußball einen Durchmesser von 22 Zentimetern hat, kann ein Ball also satte elf Zentimeter hinter der Linie liegen und trotzdem noch nicht im Tor sein. Ein »klein wenig Ball« befindet sich dann noch in der Luft auf der Höhe der Linie, und das macht eben den Unterschied zwischen »Tor« und »kein Tor« aus. Bei einem kurz gemähten Rasen ist es nun durchaus möglich, dass man dann zwischen dem Ball und der Linie noch etwas von dem Grün sieht, obwohl der Ball noch nicht im Tor ist. Die Szene aus dem Spiel des VfL Bochum gegen den VfB Stuttgart ist also doch nicht so eindeutig wie zuerst vermutet. Auf ein klares Tor kann man jedenfalls aus den Fernsehbildern nicht schließen!
Ein weiteres Problem mit der Regel ergibt sich, wenn der Ball nur kurz hinter der Linie aufprallt und dann aufgrund eines Dralls aus dem Tor springt.
Dies ist beim Wembley-Tor und auch bei den beiden entscheidenden Elfmetern des WM-Finales 2006 der Fall gewesen. Wir fragen uns nun, wie lange der Aufprall des Balls auf dem Boden überhaupt dauert. Dies ist immer dann wichtig, wenn er nur knapp hinter der Linie auf den Rasen springt und die Schieds- und Linienrichter dann blitzschnell entscheiden müssen, ob er »drin« war.
Wir versuchen daher jetzt die Kontaktzeit tAufprall abzuschätzen. Wenn der Ball auf den Boden prallt, wird er dabei eingedrückt. Im Ball selbst muss laut DFB- und FIFA-Regeln ein Überdruck zwischen 0,6 und 1,1 Atmosphären herrschen. Wir gehen bei den folgenden Betrachtungen von einem Druck von p = 0,8 bar im Ball aus. Wenn die Kontaktfläche des Balls mit dem Boden nun mit A bezeichnet wird und wir bedenken, dass Druck = Kraft pro Fläche ist, dann erhalten wir einerseits für die auf den Ball wirkende Kraft: F = p × A.
Andererseits lautet das 2. Newton’sche Axiom Kraft = Masse × Beschleunigung, wobei Letztere eine Geschwindigkeitsänderung pro Zeit ist. In der halben Kontaktzeit tAufprall/2 ändert sich die Geschwindigkeit vom Ausgangswert v0 auf null. Dann ergibt sich also für die auf den Fußball der Masse m wirkende Kraft: F = m × v0 /(tAufprall/2).
Im Prinzip könnten wir so schon die Aufprallzeit eines Fußballs auf dem Rasen berechnen.4 Allerdings gibt es noch das Problem, dass die Kontaktfläche A in der Regel nur schwer zu bestimmen ist. Auch wird es so sein, dass die Aufprallgeschwindigkeit v0 mit der Größe der Kontaktfläche A zusammenhängt. Wenn der Ball mit einer größeren Geschwindigkeit auf den Boden trifft, wird er stärker zusammengedrückt, und die Kontaktfläche wird somit auch größer. Wir sind also noch nicht ganz fertig.
Zunächst kann die Anfangsgeschwindigkeit v0 auch durch die senkrechte Strecke s, um die der Ball eingedrückt wird, und die Aufprallzeit tAufprall ausgedrückt werden: v0 = 4 × s/tAufprall. Wenn die senkrecht eingedrückte Strecke s des Balls klein ist, dann ergeben geometrische Überlegungen, dass die Aufprallfläche durch den Durchmesser d eines Fußballs und die Strecke s sehr einfach bestimmt ist: A = π × d × s.
Wie bereits erwähnt, muss ein Fußball laut Regelwerk einen Umfang zwischen 68 und 70 Zentimetern haben, was einen Durchmesser von etwa d = 22 cm ergibt. Für den Druck setzen wir p = 0,8 bar, und die Masse eines Fußballs darf zwischen 410 und 450 Gramm liegen. Hier nehmen wir für die Berechnungen den maximalen Wert m = 450 Gramm an. Mit diesen Zahlen ergibt sich für die Kontaktzeit eines Fußballs mit dem Rasen ein Wert von tAufprall ≈ 0,008 Sekunden.5 Der Aufprall eines Fußballs dauert also weniger als eine Hundertstelsekunde! Nun ist es aber so, dass im besten Fall etwa fünf Hundertstelsekunden vergehen müssen, bis wir einen Seheindruck im Gehirn vollständig verarbeitet haben. Dies ist mehr als fünfmal länger als die Kontaktzeit des Balls mit dem Boden. Mit anderen Worten: Ein Schieds- oder Linienrichter kann gar nicht genau erkennen, ob der Ball wirklich knapp vor oder hinter der Linie aufprallt, da die Aufprallzeit deutlich kürzer als seine Wahrnehmungszeit ist! Er kann sich in solchen Fällen daher nur auf seine Erfahrung und Intuition verlassen. Dies sollte man immer berücksichtigen, wenn strittige Torszenen in Superzeitlupe von Reportern nachträglich seziert werden. Wir werden dies später beim Thema Abseits noch einmal aufgreifen und zum selben Schluss kommen.
Bedenkt man also, dass der Schiedsrichter viele strittige Szenen in Wirklichkeit gar nicht wahrnimmt, weil sie fünfmal schneller ablaufen, als sein Gehirn Seheindrücke verarbeiten kann, gab es eigentlich erstaunlich wenige Fehlentscheidungen in der FußballBundesliga bis zur Einführung der Torlinientechnologie im Jahr 2015.
Die FIFA hatte diese schon wegen einer vermeintlichen Fehlentscheidung zugunsten der Engländer im Spiel gegen die Ukraine bei der EM 2012 beschlossen und 2014 bei der WM in Brasilien eingeführt. Die Bundesliga sprach sich wegen der Kosten von mindestens zehn Millionen Euro noch im Frühjahr 2014 gegen eine Einführung dieser Technologie aus, beschloss diese dann aber doch im Dezember 2014.
Befeuert wurde die Diskussion um die Torlinientechnologie auch durch Tore, wie sie etwa beim Spiel der TSG 1899 Hoffenheim gegen Bayer 04 Leverkusen am 18. Oktober 2013 gefallen sind. Beim Stand von 0:1 köpfte der Leverkusener Spieler Stefan Kießling von außen an das Seitennetz. Der Ball gelangte aber durch ein Loch trotzdem ins Tor. Schiedsrichter Felix Brych gab ohne zu zögern diesen »Treffer«. Das Spiel endete 1:2, und Hoffenheim legte Einspruch gegen die Spielwertung ein, der jedoch aufgrund der Tatsachenentscheidung des Referees abgeschmettert wurde. Solche Szenen können wir Fans seitdem leider nicht mehr intensiv diskutieren. Natürlich war dies ein lupenreines Tor, denn der Ball war ja schließlich auch vollständig hinter der Linie …
Ergänzt wurde die einfache Regel 10 des DFB, die wir am Anfang dieses Abschnitts zitiert hatten, übrigens durch die folgende Anweisung für den Schiedsrichter: »Bestehen Zweifel, ob der Ball vollständig im Tor war, soll der Schiedsrichter das Spiel weiterlaufen lassen.« Unsere Ausführungen haben gezeigt, dass ohne Torlinientechnologie eigentlich immer Zweifel bestehen, weil es häufig recht kompliziert – wenn nicht sogar unmöglich – sein kann zu entscheiden, ob der Ball wirklich hinter der Linie war.6 Das Wembley-Tor hätte also nie gegeben werden dürfen, wenn der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst den Zusatz zur Regel 10 im Kopf gehabt hätte. Er tat aber trotzdem etwas Regelkonformes. Laut DFB- und FIFA-Regeln gilt nämlich: »Ist der Schiedsrichter über eine Entscheidung im Zweifel, so befragt er den Linienrichter, ehe er die Entscheidung trifft.« Gottfried Dienst fragte den sowjetischen Linienrichter Tofik Bәhramov, der den Ball aus etwa 50 Metern Entfernung klar im Tor gesehen hatte …
Wie spielentscheidend sind Rote Karten?
Ich verwarne Ihnen. – Ich danke Sie!
(Dialog zwischen dem Referee und dem Spieler Willi »Ente« Lippens, der daraufhin wegen Schiedsrichterbeleidigung vom Platz flog)
Als Christian Wörns in der 40. Minute des Viertelfinales der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich vom Platz gestellt wurde und Deutschland dieses Spiel gegen Kroatien sang- und klanglos mit 0:3 verlor, nahm der damalige Trainer Berti Vogts diese Szene zum Anlass, eine Verschwörung der FIFA gegen den deutschen Fußball auszumachen. Seine Mannschaft sei einfach für den Rest der Welt »zu stark« geworden, und deswegen müsse man das deutsche Team eben so massiv benachteiligen, um es überhaupt zu schlagen. Doch wie stark hat dieser Platzverweis die Vogts-Truppe damals wirklich geschwächt? Dies soll nun genauer analysiert werden unter der Voraussetzung, dass alle Spieler einer Mannschaft als gleich stark angesehen werden können. Selbstverständlich sind die Spieler einer Mannschaft nicht alle gleich wichtig; beispielsweise wäre ein Verlust von Toni Kroos in der aktuellen Nationalmannschaft sicher viel größer als der von manch anderem Spieler, aber wir wollen hier nur ein Gefühl für den Effekt bekommen, um den es geht. Die Frage lautet also: Wie stark schwächt der Ausfall eines Fußballspielers seine Mannschaft? Diese Frage könnte natürlich sofort mit »um exakt 10 %!« beantwortet werden, da einer von zehn Feldspielern ausscheidet, und 1/10 = 10 % ist. Doch ist es wirklich so einfach?
Zunächst stellen wir einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Feldspieler einer Mannschaft und der Größe des Spielfelds her, bevor wir die eigentliche Frage beantworten. Das Fußballfeld mit seinen Ausmaßen ist in der Abbildung auf Seite 36 dargestellt.
Interessant ist, dass es gar keine feste Regel dafür gibt, wie groß ein Spielfeld genau sein muss. Ein Spiel auf einem fast quadratischen Feld der Größe 91 Meter × 90 Meter wäre also durchaus regelkonform!7 In den Jenaer Regeln von 1896 wurde lediglich vorgegeben, dass Fußballfelder frei von Bäumen und Sträuchern sein sollen. Heutzutage ist eine Fläche von A = 7 000 Quadratmetern ein realistischer Wert. Nun soll eine bestimmte Zahl N von Feldspielern gleichmäßig auf diesem Spielfeld verteilt werden. Angenommen, jeder Feldspieler hat einen Aktionsradius von R, das heißt, er überbrückt diese Strecke in einer vorgegebenen Zeit, um beispielsweise einen Gegenspieler zu attackieren, dann kann die Spielfläche A mit N Quadraten der Seitenlänge 2 × R überdeckt werden. Der Aktionsradius ist aus Gründen der Einfachheit hier nicht wirklich der Radius eines Kreises, aber das ist nicht weiter wichtig. Das Überdecken der Spielfläche geschieht also wie in der Abbildung auf Seite 37 für N = 24 Feldspieler angedeutet.
Es ist nun leicht zu erkennen, dass sich der Zusammenhang A = N × (2 × R)2 für die Spielfläche und die Zahl der Feldspieler ergibt. Diese Formel kann einfach nach dem Aktionsradius R umgestellt werden. Der Aktionsradius R hängt dann von der Quadratwurzel aus dem Verhältnis der Spielfläche A und der Spieleranzahl N ab. Wenn der Aktionsradius durch die Geschwindigkeit vSpieler des Spielers und mit der Zeit TSpieler ausgedrückt wird, die ein Spieler benötigt, um seine Fläche zu kontrollieren, dann folgt: TSpieler = R/vSpieler. Für R kann der obige Zusammenhang mit der Spielfläche und der Spielerzahl eingesetzt werden. Es ergibt sich dann: TSpieler= /(2xvSpieler).
Die Formel zeigt uns an, wie schnell ein Spieler sein muss, damit er bei vorgegebener Größe von Spielfeld und Spielerzahl seinen Aktionsradius in der errechneten Zeit TSpieler erreicht. Sind weniger Spieler auf dem Feld, wird die Zeit TSpieler größer, weil N im Nenner der
Formel steht. Da aber auch vSpieler im Nenner steht, kann dies durch eine größere Geschwindigkeit der Spieler wettgemacht werden. Weil aber die Spielerzahl unter der Quadratwurzel steht, die Geschwindigkeit jedoch nicht, folgt daraus, dass beide Einflüsse nicht gleich sind. In der Tat ergibt die Berechnung: Wenn sich das Verhältnis der Spieler auf dem Feld ändert, wirkt dies wie eine halbe Änderung der Geschwindigkeit. Wenn sich also die Zahl der Spieler um 10 % verringert, dann müssen die verbleibenden Feldspieler nur um jeweils 5 % schneller rennen, um das Spielfeld genauso wie vorher abzudecken!
Nun kann eingewendet werden, dass sich niemals alle Feldspieler gleichmäßig auf dem Fußballplatz verteilen, alle auch nicht gleich schnell sind und sicher nicht den gleichen Aktionsradius haben. Das ist richtig. Die Betrachtungen sollten nur ein grobes Gefühl für die Zusammenhänge vermitteln. Immerhin zeigen sie, dass eine Fußballmannschaft im Durchschnitt durch den Ausfall eines Spielers nicht so stark geschwächt wird, wie man zunächst vermuten könnte. Anstelle der sofort geschätzten 10 % ist es so, dass alle Spieler nur 5 % mehr Leistung geben müssen, um den Verlust des Spielers zu kompensieren. Allerdings helfen diese Betrachtungen Berti Vogts jetzt auch nicht mehr weiter …
Überdeckung der Spielfläche durch 24 Feldspieler
Günter Netzer und die optimale Zahl an Feldspielern
Am Montag nehme ich mir vor, zur nächsten Partie zehn Spieler auszuwechseln. Am Dienstag sind es sieben oder acht, am Donnerstag noch vier Spieler. Wenn es dann Samstag wird, stelle ich fest, dass ich doch wieder dieselben elf Scheißkerle einsetzen muss wie in der Vorwoche.
(John Toshack als Trainer von Real Madrid)
Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, dass eine Rote Karte eine Fußballmannschaft weniger stark schwächt als zunächst angenommen. Mit den angestellten Überlegungen kann eine noch interessantere und grundlegendere Frage beantwortet werden. Wieso gibt es eigentlich genau zehn Feldspieler auf dem Platz?
Wir hatten die Formel für die Zeit TSpieler hergeleitet, die ein Spieler benötigt, um seinen Aktionsradius zu erreichen, wenn er mit der Geschwindigkeit vSpieler läuft.8 Mit dieser Formel können wir berechnen, wie lange es bei einer vorgegebenen Größe eines Spielfelds und einer Spielerzahl dauert, bis ein Spieler den nächsten erreicht. Umgekehrt können wir mit dieser Formel natürlich auch die Spielerzahl berechnen.
Um nun die optimale Zahl N an Spielern einer Mannschaft zu ermitteln, benötigen wir Zahlenwerte für die drei Größen vSpieler, A und TSpieler. Die durchschnittliche Geschwindigkeit eines Mittelfeldspielers ist ungefähr vSpieler = 16 km/h. Wie im vorigen Abschnitt schon bemerkt, sind die Ausmaße eines Fußballfelds gar nicht so genau festgelegt. Allerdings sind für Länderspiele die Maße 105 Meter × 68 Meter vorgegeben, sodass wir für A eine Fläche von etwa 7 000 Quadratmetern annehmen können. Da die heutigen Arenen alle länderspieltauglich sind, hat sich dieser Wert zumindest in der Bundesliga etabliert. Schwieriger gestaltet sich nun die Frage, welche Zeit man für TSpieler wählen soll.
Diese Zeit finden wir am besten durch einen Vergleich heraus. Wir gehen davon aus, dass das Fußballspiel von zwei Zeiten dominiert wird. Da ist zum einen die Zeit TSpieler, die ein Maß dafür ist, wie weit die Spieler einer Mannschaft voneinander entfernt sind. Zum anderen gibt es die Zeit TKontrolle, über die ein Spieler verfügt, um den Ball anzunehmen, zu kontrollieren und weiterzuspielen, ohne dabei vom Gegner gestört zu werden. Vom Verhältnis dieser beiden Zeiten hängt es nun ab, ob ein Fußballspiel interessant ist oder nicht. Ist TSpieler deutlich größer als TKontrolle, stehen die Spieler offenbar zu weit auseinander. Der ballführende Spieler hat dann sehr viel Zeit, um seine nächste Aktion zu überdenken, und es ist kein Druck durch den Gegner zu verspüren. Dies würden Zuschauer eher als Standfußball empfinden. Aber das andere Extrem ist auch nicht gut. Wenn TKontrolle deutlich größer als TSpieler ist, dann stehen die Spieler zu dicht. Ein Spieler hat nun keine Zeit mehr, planvoll auf dem Feld zu handeln, und der Ball würde sich wie eine Flipperkugel in den Mittelfeldreihen bewegen. Auch dies wäre sicher kein zuschauerfreundliches Spiel. Das Optimum ist also offensichtlich dann gegeben, wenn beide Zeiten in etwa gleich groß sind, wenn also TSpieler = TKontrolle gilt. Dann stehen die Spieler im Mittel so weit voneinander entfernt, dass einerseits von der gegnerischen Mannschaft genügend Druck auf den ballführenden Spieler ausgeübt wird und andererseits dieser Spieler genügend Zeit hat, um eine planvolle Aktion auf dem Fußballfeld durchzuführen.
Wenn wir daher eine Zeit für TKontrolle finden, haben wir auch die gesuchte Zeit TSpieler gefunden. Wir unterstellen nun, dass das Annehmen, Kontrollieren und Weiterspielen eines Balls jeweils etwa eine Sekunde dauert, und kommen somit zu dem Wert TKontrolle ≈ 3 Sekunden. Hierbei handelt es sich natürlich um einen sehr groben Mittelwert. Wenn der Ball direkt weitergespielt wird, ist die Zeit TKontrolle sicher deutlich kleiner als drei Sekunden, bei einem längeren Dribbling hingegen viel größer. Da wir nun also den Wert für TKontrolle kennen und das Optimum des Spiels für den Zuschauer gegeben ist, wenn diese Zeit mit der Zeit TSpieler übereinstimmt, gilt: TSpieler = 3 Sekunden.
Wie groß ist die optimale Anzahl von Spielern auf dem Fußballfeld?
Nun können wir die ursprüngliche Formel nach der optimalen Spielerzahl N auflösen. Dies wollen wir allerdings grafisch tun. Die Abbildung oben zeigt TSpieler als Funktion der Spielerzahl N einer Mannschaft.
Aus der Abbildung lesen wir ab (gestrichelte Linien), dass sich für TSpieler = 3 Sekunden eine Spieleranzahl von N = 10 ergibt. Die Zahl 10 ist also tatsächlich die optimale Zahl an Feldspielern auf einem 7 000 Quadratmeter großen Spielfeld!
Zum Vergleich wurde auch noch die untere Kurve für ein Hallenfußballfeld der Größe A = 800 Quadratmeter in die vorige Abbildung mit eingezeichnet. Laut DFB-Statuten muss ein Hallenspielfeld eine Größe von 40 Meter × 20 Meter haben, auf dem sich vier bis fünf Feldspieler pro Mannschaft befinden dürfen. Es wird in der Regel aber nur mit vier Feldspielern pro Mannschaft beschickt. Wir lesen dann in der Grafik auf der linken Seite einen Wert von TSpieler ≈ 1,6 Sekunden ab. Hallenfußball ist also fast doppelt so schnell wie der Fußball in einem großen Stadion. Da die Spieler im Durchschnitt viel weniger Zeit haben, einen Ball anzunehmen, zu kontrollieren und weiterzuspielen, ist der Hallenfußball aber auch weitaus erratischer. Planvolle Spielzüge sieht man aus diesem Grund eher selten. Allerdings wäre auch unser Optimum von TSpieler = 3 Sekunden für den Hallenfußball nicht besonders erstrebenswert, da dies bereits mit jeweils weniger als zwei Feldspielern pro Mannschaft erreicht wäre, wie die Abbildung zeigt. So wenige Spieler pro Mannschaft würde das Publikum wohl trotz optimaler Mathematik nicht akzeptieren! Dies alles erklärt, warum sich der Hallenfußball bis heute nicht durchgesetzt hat.
Wir müssen aber noch einige kritische Anmerkungen zu unseren Resultaten machen. Erstens sind unsere Betrachtungen nur als grobe Überschlagsrechnungen zu verstehen. Jedesmal haben wir Mittelwerte für Größen wie die Geschwindigkeit vSpieler oder die Zeit TSpieler verwendet, die in einem realen Fußballspiel starken Schwankungen unterworfen sind. Daher liefert unsere Formel mehr oder weniger durch Zufall ein recht genaues Ergebnis für die optimale Spieleranzahl auf einem Fußballfeld, obwohl sie auf plausiblen Annahmen beruht. Allerdings zeigt sie deutlich die Einflussfaktoren, auf die es ankommt.
Unsere Formel TSpieler = /(2 × vSpieler), die die durchschnittliche Dauer des Ballbesitzes mit der Zahl N der Feldspieler verknüpft, kann uns aber noch tiefere Einblicke in den Fußball gewähren. Häufig wird behauptet, dass die deutsche Nationalmannschaft, die 1972 mit Günter Netzer und Co. Europameister wurde, den besten Fußball spielte, den ein deutsches Nationalteam je abgeliefert hat. Insbesondere der 3:1-Viertel- final-Sieg gegen England im Londoner WembleyStadion soll das beste Spiel überhaupt gewesen sein. Aus heutiger Sicht ist dieses Spiel allerdings nicht besonders aufregend. Man vermisst einfach das Tempo. So viel Zeit, wie Günter Netzer vor jedem seiner Traumpässe gewährt wurde, hat heutzutage kein Mittelfeldspieler mehr. Wenn wir diese Art des Fußballs hätten in die heutige Zeit hinüberretten wollen, dann sagt uns die obige Formel, wie man dies machen müsste. Gehen wir davon aus, dass die Fußballer im Zeitraum von 1972 bis heute um etwa 5 % athletischer geworden sind, dann hat auch ihre durchschnittliche Geschwindigkeit vSpieler auf dem Platz um diesen Betrag zugenommen. Da wir aber die Zeit TSpieler und damit das Spiel selbst nicht verändern wollen, können wir dies nur durch eine Reduzierung der Spielerzahl N um einen Spieler bei gleichbleibender Spielfeldgröße A kompensieren. Dann wäre die Zeit TSpieler durch die nun athletischeren Spieler unbeeinflusst geblieben. Wer sich also den Fußball der Siebzigerjahre zurückwünscht, muss einen Feldspieler streichen. Nach den WM-Turnieren 2006 und 2010 wurde übrigens vereinzelt genau dieser Vorschlag gemacht, da insgesamt recht wenige Tore gefallen waren. Die Spieler hätten dann wieder mehr Zeit, planvolle Pässe zu spielen, und könnten wieder häufiger aus der Tiefe des Raumes kommen – so wie Günter Netzer in seinen besten Zeiten.
Warum es immer wieder falsche Abseitsentscheidungen geben wird
Abseits ist, wenn dat lange Arschloch zu spät abspielt!
(Der legendäre Gladbacher Trainer Hennes Weisweiler über Günter Netzer)
Abseitsentscheidungen von Linienrichtern sind immer besonders umstritten, zumal sie häufig auch ausschlaggebend für ein Fußballspiel sind. So wurde Rudi Völlers Treffer zum vermutlich entscheidenden 2:0 im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 1994 gegen Bulgarien nicht anerkannt, weil er den Abpraller eines Pfostenschusses von Lothar Matthäus verwandelte und sich dabei angeblich im Abseits befand. Deutschland verlor durch zwei späte Tore der Bulgaren noch sensationell mit 2:1 und schied als amtierender Weltmeister aus. Auch die Griechen ärgerten sich bei der Europameisterschaft 2008 darüber, dass ein Tor im Spiel gegen Russland wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht gegeben wurde und sie deswegen als amtierender Titelträger bereits in der Vorrunde ausscheiden mussten. Die Liste dieser Beispiele ließe sich beliebig verlängern. Was ist also so schwierig daran, eine Abseitsstellung genau zu erkennen?
Zunächst wollen wir kurz die Entwicklung dieser merkwürdigen Abseitsregel nachzeichnen. In dem ersten Fußballreglement der englischen Football Association aus dem Jahr 1863 waren alle Spielgewohnheiten versammelt, die sich im Laufe der Jahrzehnte bewährt hatten. Darunter befand sich eine sonderbare Norm, welche jeden Angreifer bestrafte, der sich weiter vorn als der Ball befand. Sie wurde als »Regel 11« aufgenommen und heißt seitdem die »Offside- Rule«. Die Reglementsverfasser kannten den tiefen Grund dieser Regel nicht. Wie und warum entstand eine solch merkwürdige Gewohnheit? Die Fußballtheorie klärt uns auf. Die Abseitsregel diente dazu, den Vorwärtspass zu verhindern und die Verteidigung zu organisieren. Der ballführende Spieler wurde dadurch gezwungen, auf dem Weg zum Tor einem Verteidiger zu begegnen. Diese Regel ist für einen Schiedsrichter relativ einfach zu handhaben, hat sich in der Praxis aber nicht bewährt, da sie das Spiel völlig in eine angreifende und eine verteidigende Mannschaft teilt und somit schöne Spielzüge unmöglich macht.
Im Eishockey wird diese Abseitsregel aber immer noch praktiziert, da dieser Sport extrem schnell ist und daher jede Maßnahme ergriffen werden muss, um das Tempo auf dem Eis zu reduzieren. Im recht langsamen Fußball hingegen hat man schon nach drei Jahren, also im Jahr 1866, gehandelt und die Regel entscheidend verändert. Ein Angreifer befindet sich nun im Abseits, wenn er sich zum Zeitpunkt des Zuspiels näher an der Torlinie als drei Gegenspieler aufhält. Einer von diesen drei Gegenspielern ist dabei in der Regel der Torwart. Diese Abseitsregel bevorzugt ein 1 – 2 – 7- oder 2 – 3 – 5-System9, denn der zweite Verteidiger definiert die Abseitslinie. Zwei Verteidiger reichten daher oft aus, um alle Angreifer zu stoppen. Im Jahr 1925 wurde dann die im Wesentlichen noch heute gültige Abseitsregel festgelegt. Ein Angreifer befindet sich danach im Abseits, wenn er sich zum Zeitpunkt des Zuspiels näher an der Torlinie befindet als der vorletzte Gegenspieler. Einer von diesen zwei Gegenspielern ist dabei in der Regel der Torwart.
Diese Abseitsregel erzwang andere Abwehrstrategien, da nun der vorletzte Abwehrspieler nicht mehr die Abseitslinie definiert und ein einzelner Spieler leicht überlaufen werden kann. Aus dem 2 – 3 – 5-System wurde ein Mittelfeldspieler nach hinten beordert, und es ergab sich das 3 – 2 – 2 – 3 – System oder »WM-System«, wie es bis in die Fünfzigerjahre hinein praktiziert wurde. »WM« bedeutet hier aber nicht »Weltmeisterschaft«, sondern veranschaulicht die Anordnung der Spieler des 3 – 2 – 2 – 3-Systems auf dem Platz. Danach wurden die moderneren 4 – 3 – 3 - und 4 – 4 – 2-Systeme entwickelt und von fast allen Mannschaften übernommen. Heute werden noch weiter verfeinerte Systeme wie zum Beispiel das 3 – 5 – 2-System mit einer Dreierkette oder das 4 – 2 – 3 – 1-System mit einer Viererkette in der Abwehr gespielt. Man erkennt also, dass die Abseitsregel das Fußballspiel entscheidend geprägt hat, wie auch an der Torstatistik der englischen Profiliga aus der Zeit vor 1925 und danach abzulesen ist.
Ende der Leseprobe