WIRD SCHON.
VERGISS DEINE SORGEN.
NIMM MEINE.
MIT CARTOONS VON TIL METTE
LAPPAN
Dieses Buch ist für alle, die in den Widmungen immer vergessen werden.
Wenn mir jemand fünf Kilogramm pures Gold schenken würde, wäre meine erste Reaktion: „Das ist verdammt schwer, allein bei dem Gedanken daran, das Gold hochzuheben, springt mir bestimmt mindestens eine Bandscheibe raus.“
Das beschreibt mich eigentlich ganz gut.
Mich gibt es seit 2007.
Angefangen hat alles damit, dass ich aus meinem Job geflogen bin und mir deswegen viele Sorgen gemacht habe. Daraus ist ein kleines Street-Art-Projekt mit meinem Kumpel Matt geworden.
Am ersten Tag, als wir in Hamburg schlecht gezeichnete, auf Zettel kopierte und ausgeschnittene Sorgen an Wände gekleistert haben, kam sofort die Polizei, hat uns verwarnt und unsere Sorgen einkassiert. Als Beweismittel.
Matt ist irgendwann ausgestiegen, ich habe immer weitergemacht. Habe mir Sorgen ausgedacht, sie zu Papier gebracht, sie ausgeschnitten und an Wände geklebt. Irgendwann bin ich ins Internet gegangen, wo ich immer noch ziemlich aktiv bin.
Ich wurde an Unis eingeladen, wo ich Leuten erzählt habe, was sorgenvolle Kommunikation anrichten kann. Ich habe Vorträge gehalten, wurde in DAX-Unternehmen eingeladen, um meine Sorgen zu präsentieren.
Und schreibe jetzt das hier.
Vielen lieben Dank an Til Mette für die wunderbaren Zeichnungen. Sie machen das Buch definitiv besser!
Und viele Grüße an Matt!
Sorgen stehen plötzlich wie ungebetener Besuch im Wohnzimmer. Manchmal verschwinden sie wieder, manchmal ziehen sie einen echt runter und man denkt: „Gut, dass ich gerade nicht im 16. Stock am offenen Fenster stehe.“
Jede:r hat Sorgen.
Ganz einfach, weil man sich über so ziemlich alles Sorgen machen kann. Über die Gesundheit, die Ehe, die Kinder, die Farbe am Fensterrahmen, das Auto, die Miete, das Haustier oder die blöde klemmende Schublade vom Schlafzimmerschrank. Man kann sich über Freund:innen, über Nachbar:innen, übers Gendern, das Klima, über Politik, über den Wind, den Nachhauseweg, das Finanzamt, den Bauch, über den Kontostand, über Haarausfall und den Apfelsaft im Kühlschrank Sorgen machen; und es gibt bestimmt auch ein paar Menschen, die zu viel über Spaltmaße von Gehwegplatten grübeln.
Dieses kleine Buch kann helfen, einen anderen Blick auf die eigenen Sorgen zu bekommen. Natürlich ist es kein echter Ratgeber und schon gar kein Therapieersatz. Es ist auch keine ernstzunehmende Hilfestellung, aber eine kleine Ablenkung, die so funktioniert: Wer meine Sorgen liest, beschäftigt das Gehirn mit meinen Sorgen. Nicht mit den eigenen.
Ich würde mir das Buch für die beste Wirkung auf den Nachttisch legen und ab und zu drin blättern, vielleicht mal ein oder zwei Quatschsorgen lesen, um mich von den eigenen Sorgen abzulenken.
Sollte es mit dem Ablenken von den eigenen Sorgen noch nicht so recht klappen, kann man mit diesem Buch immer noch ziemlich gut Mücken erschlagen. (Und warum diese nervigen kleinen Biester es verdient haben liest du auf S. 135.)
VIEL SPAß! WIRD SCHON. IRGENDWIE.
Das Leben ist wie ein enger Schlafsack. Steckt man erst mal drin, kommt man nur ganz schwer wieder raus.
Sorge No. 3496768
Als jemand mit sehr langen, empfindlich eingestellten, Emo-Antennen und der Neigung zum Grübeln kann ich sagen: Es gibt ihn, den Graubereich zwischen Empathie und Sorge. Er ist sehr groß und weit und tief und ich kann mich wunderbar darin verlieren und verlaufen wie in einer Wüste.
Dann sitze ich da, starre in die Luft und werde irgendwann von einer Stimme aus weiter Ferne gefragt, ob mit mir alles in Ordnung sei. Dieses Zerkauen von Momenten ging bei mir schon sehr früh los und bisher hat es noch nicht aufgehört.
Während ich so sitze und denke, empathisiere ich mit so ziemlich allem in meinem Umfeld und male mir sonderbare Gefühle aus, ich habe Haustiergefühle und natürlich auch Gerätegefühle und Sachengefühle.
Zwischen meinen Ohren entstehen Gedanken und Sorgen wie:
Na ja.
Hoffentlich wird den Buchseiten nicht schlecht, wenn sie gleich umgeblättert werden.
„So, hier ist dein Platz.“
Frau Krüger-Weissenfels, die Kindergärtnerin, die aussah wie eine lederne Aktentasche, die 20.000 Kilometer an einem Auto durch die chilenische Atacama-Wüste hinterhergeschleift worden war, hatte ihre kalten Finger auf meine Schulter gelegt und mich in die Mitte einer kleinen Halle geschoben. Ihre kreppige Gesichtshaut hatte beim Lächeln geknirscht.
So ging er los, mein erster Tag im Kindergarten. An diesem Tag habe ich mir das erste Mal richtig Sorgen gemacht.
Seit ich vor ein paar Minuten von meiner Mutter hier abgegeben wurde, habe ich die ganze Zeit nur die Muster im Steinfußboden angestarrt. Graue kleine Steinchen, die irgendwann aus einem mächtigen Felsen gesprengt und zu diesem Fußboden verarbeitet worden waren. Mein Mitgefühl mit diesen kleinen Steinchen war immens, denn auch ich war herausgesprengt worden – aus meiner Familie. Aus meinem Bett. Aus der Wohnung.
Um mich herum haben sich ungefähr achtzig oder tausend andere Kinder aufgestellt. Sie haben mich angestarrt, dann angefangen zu schreien.
„HEU-TE IST GE-MÜSE-TAG! DAS IST DER TAG, DEN JE-DER MAG …“
Bei „TAG“ und „MAG“ wurde es so laut, dass meine Kniescheiben vibrierten.
Die Heimleitung hat mich angesehen, wie Dr. Frankenstein sein Monster angeguckt haben muss, als er ihm die letzte Hand angenäht hat. Dann ist sie zu einem Hocker geschlendert, der am Rand stand. Sie hat sich draufgesetzt und wie eine Irre auf ihre Wandergitarre eingeschlagen. Die Kinder haben dazu gekreischt.
Nach dem Singen hat sich meine neue Bezugsperson, der ich hinterhergewatschelt bin, wie ein frisch geschlüpftes Gänseküken dem Hofhund, zu mir runtergebeugt und mit mir geredet wie mit einem sedierten Wrack auf dem Sterbebett. „Ach, das ist aber schön, dass du da bist. Heute singen wir ganz viel und essen gutes Gemüse. Denn heute ist unser GE-MÜSE-TAG. Wir wünschen dir ganz, ganz viel Spaß hier bei uns.
Und jetzt …“
Sie hielt kurz inne, um mir ansatzlos eine 25 Zentimeter lange Karotte in den Hals zu rammen und dabei dann fünf Mal rhythmisch klatschend zu rufen:
„… GU-TEN APP-E-TIT.“
Meine nächste Erinnerung war ein spontaner Angsthustenanfall, mit dem ich die gut eingespeichelten und zerkauten Karottenstückchen großflächig auf dem Linoleumfußboden verteilte. Ein Brei aus rohem Gemüse, das nicht weniger wurde, sondern sich mit jedem Biss verdoppelt hatte. Es wurde immer mehr. Immer mehr. Immer mehr. Immer mehr. Immer, immer, immer mehr. Mehr.
Frau Krüger-Weissenfels beugte sich zu mir herunter, streichelte meinen Rücken und redete so sanft wie eine russische Eiskunstlauftrainerin auf mich ein: „Ach, das macht doch nichts. Das wirst du jetzt alles wieder aufsammeln und dann ist alles so, als wäre nichts gewesen.“
Noch während die letzten Ausläufer dieser mörderischen Hustenattacke durch meinen Hals pfiffen, durfte ich auf dem Linoleum rumkriechen und die zerkauten Einzelteile aufsammeln.
Und so wurde ich dann meiner Gruppe vorgestellt.
„Das da ist unser Neuer. Sagt mal alle Hallo.“.
Die erste Sache, die ich im Kindergarten gelernt habe, war also Empathie. Ich konnte mich von der ersten Sekunde an sehr gut in einen Strafgefangenen hineinversetzen, der unschuldig eingebuchtet worden war (lebenslänglich) und der mit derselben Zahnbürste das Klo und danach vor allen Leuten sich selbst die Zähne putzen musste.
Und ich wusste nun auch genau, wie sich eine Kuh fühlen muss, wenn ihr das Bolzenschussgerät auf die Stirn gesetzt wird.
Ich lernte auch, woraus Superkleber besteht: aus Karotten, Speichel und Linoleum. Das Zeug ließ sich nämlich nicht aufsammeln.
Dankenswerterweise wurde ich bei meiner Strafarbeit in diesem Linoleum-Gefängnis unterbrochen. Angelika, ein vierjähriges Wesen, das aus Mitleid und glänzender Haut bestand, torkelte unbeholfen auf mich zu, pulte etwas aus ihrem Backenzahn und steckte es mir in den Mund. Damals durfte man im Kindergarten nämlich noch Kaugummi kauen. Rauchen durfte man damals auch, glaube ich.
Der Kaugummi schmeckte nach Blut, Karotten und Kamillentee, ich war aber mental zu schwach, um mich zu wehren und kaute diesen zähen Brocken einfach weiter.
Dann nahm Angelika mich an die Hand, nuschelte ein „ljesn“ und zerrte mich zur Bücherecke. Da standen „Auf der Baustelle“, „Die kleine Raupe Nimmersatt“ und ein nagelneues „Was ist Was“.
Natürlich konnte ich noch nicht lesen, aber Bilder waren erst einmal okay. Bisschen blättern zum Runterkommen, das konnte ich gerade ganz gut gebrauchen. Baustellen und Raupen interessierten mich nicht, in dem „Was ist Was“ ging es um Dinosaurier, Buchstaben und Eis. Das war schon eher nach meinem Geschmack.
Okay. Ganz vorsichtig öffnen.
Der Lack knirschte noch, als ich das Buch aufschlug. Zahlen, Buchstaben, Gürteltiere, hässliche Wesen und Vögel mit Lederflügeln, die ein wenig aussahen wie die Heimleiterin Frau Krüger-Weissenfels mit ihren lappigen Falten. Ich tauchte langsam ab, vergaß die Kinder um mich herum, konnte ausblenden, dass ich mitten in einem Albtraum steckte. Als ich zur Doppelseite mit dem Säbelzahntiger blätterte, explodierte in mir ein Gefühlsfeuerwerk: Staunen, Ehrfurcht, Freude, Schaudern, es war alles dabei. Das Tier hat mich direkt angesprungen. Mit seinen gebogenen Reißzähnen, die mir gelb und groß wie Riesenbananen Angst einflößten, war mir völlig klar: Dieses Tier wollte mich angreifen.
Plock.
Mir ist Angelikas Kaugummi aus dem vor Schrecken aufgerissenen Mund gefallen, der graue Klumpen klebte nun an der Stelle, wo eigentlich das gestreifte Fell dieses Raubtiers abgebildet war. Es ist quasi im Fell des Tieres kleben geblieben. Hatte das jemand gesehen? Angelika? Nein – die hat Puppen gefüttert. Die anderen? Nein – die haben mit Töpfen geschmissen. Die Erzieherin? Nö, die war damit beschäftigt, zwei Kinder, die sich ineinander verbissen hatten, zu trennen. Ich war allein auf mich gestellt und vollkommen überfordert.
Ein paar vorsichtige Versuche, den Klumpen von der Seite zu kratzen oder viel mehr aus dem Fell zu pulen, habe ich schnell aufgegeben. Fehlende Motorik und eine noch bessere Klebewirkung als Karotte-Speichel-Linoleum verhinderten den Erfolg.
Meine Lippe zitterte.
Dann beging ich einen der größten Fehler, den man in so einer Situation begehen kann. Ich habe das Buch zugeklappt und so den Säbelzahntiger ein weiteres Mal ausgerottet – mit einem Kaugummi. Das ganze schöne Wissen über dieses großartige Tier: klatsch, weg. Für immer zwischen den mit Kaugummi verschmolzenen Buchseiten verbannt.
Meine Hauptsorge bis zum heutigen Tag ist jedoch: Ich habe den kompletten Kindergarten verdummt – niemand konnte jemals wieder etwas über die Jagdtechniken des Säbelzahntigers erfahren. Anmut, Schönheit, Bananenzähne, Katzenhaftigkeit, alles weg.
Beschämt habe ich das Buch ins Regal gestellt und dann mit Angelika Puppen gefüttert.
Die nächsten Stunden erlebte ich in einem Nebel aus Tränenflüssigkeit, Angst und Scham. Es gab noch Mittagessen (verbranntes Kartoffelpüree), danach zwangen sie uns zum Mittagsschlaf. Dazu wurden wir in kratzige Wolldecken gehüllt und auf Feldbetten gelegt. Die letzten Minuten bis zur Abholung, habe ich einfach nur ertragen. Diese Minuten fühlten sich an wie Stunden, die Stunden fühlten sich an wie ein Folterknecht, der einem mit einer Kneifzange die Fingernägel rausreißt. Und dann stand da plötzlich meine Mutter und sah mich voller Stolz an.
Zur Verabschiedung hat sich Frau Krüger-Weissenfels zu mir runtergebeugt, um mir noch ein paar sehr lieb gemeinte Worte mit auf den Weg zu geben. Ihre Hose aus grobem Vlies machte dabei sonderbare Schmirgelpapiergeräusche.
kch – kch – kch - kch
„Guck mal, der erste Tag im Kindergarten ist etwas ganz, ganz Tolles. An den erinnert man sich sogar noch, wenn man so groß und erwachsen ist wie ich.“
Wie recht sie hatte.
Ich fürchte, mein Portemonnaie frisst Geld.
Sorge No. 3488545
Wenn ich mich am Kopf kratze und sehe, wie viele Haare ich allein durch einen einzigen Kopfkratzvorgang verliere, mache ich mir natürlich sofort Sorgen um meine Körperbehaarung.
Auf dem Kopf allein hat der Mensch bis zu 150.000 Haare. Haare sind aber eigentlich überall. In den Nasen, in den Ohren, auf den Armen, auf den Fingern, über den Augen, auf den Zehen, im Gesicht. Auf dem Rücken!!! Manche haben sogar Haare auf den Zähnen.
Auf der gesamten menschlichen Haut wachsen gut fünf Millionen Haare. Das ist ein Überbleibsel unserer Urahnen. Die dichte Körperbehaarung hat die Menschen damals gegen Wind, Wetter und vor allen Dingen gegen die Sonneneinstrahlung geschützt. Damals ist man Keulen schwingend durch die Gegend gezogen und hat sich am Lagerfeuer komplexe Geschichten erzählt, die nur aus Gurrlauten und Vokalen bestanden. Wenn einem eine Geschichte nicht gefallen hat, gab es gepflegt ein paar aufs Maul. Zack.
Es gibt Orte, an denen man sich auch heute noch direkte Nachfolger der Urahnen ansehen kann: Am Bierstand auf jedem beliebigen Stadtfest. Jeder Plastikbecher voll Plörre bringt diese Urviecher weiter zurück in der Zeit. Aber das ist ein anderes Thema. Wo war ich? Ach ja, Körperbehaarung.
Was wäre, wenn Menschen heute Haare in den Kniekehlen hätten? Eine Sorge zum Haareraufen. Es ergäben sich völlig neue Möglichkeiten, denn natürlich würde eine ganze Industrie daran hängen.
Chefs von Designagenturen würden großen Konzernen für einen sechsstelligen Betrag das Wort ‘Poplit Razor’ verkaufen, was nur eine 1:1-Übersetzung von ‘Kniekehlenrasierer’ ist, aber viel besser klingt. Produktdesigner würden anatomisch perfekte Griffkuhlen entwickeln, besondere Klingen würden geschmiedet, die auf ausgeklügelten Gelenken säßen, damit man auch gut um die Kniesehnen herumrasieren kann. Es würde Profi-Editions geben mit acht Klingen. Und es würde Einmalrasierer geben für den Wochenendtrip.
Abgestumpfte, niederträchtige, innerlich ausgehöhlte Konzernmanager würden in Meetings sitzen, an ihre wilden 20er zurückdenken, bunte Verjüngungsdrinks schlürfen und sich Strategien ausdenken, wie man die Haare in den Kniekehlen zu noch mehr Geld machen könnte. Überdreht-unsichere Zwanzigjährige, die in den abgeranzten Körperhüllen von Fünfzigjährigen stecken, würden ihre Stimme viel zu laut einsetzen: „Ja! ‘Poplit Razor!’ Das ist DAS NEXT BIG DING! Lasst uns überteuerte ‘Poplit Razor’ auf den Markt bringen. Wir brauchen glaubwürdige ‘Poplit Razor’-Multiplikatoren, die den Kids da draußen erzählen, wie die Kniekehlen am besten auszusehen haben. Haare in Kniekehlen sind ein Problem – wir sind die Lösung. Mit unseren akkubetriebenen ‘Poplit Razor’-Machines in bunten Farben. Die für Frauen machen wir natürlich 60 Prozent teurer und die müssen rosa sein und glitzern.“
Während sie das sagten, würden sie innerlich feixen: „Wir verkaufen ordentlich von den Dingern, meine Provision wird gigantisch sein. Irgendwer muss meine Hütte in den italienischen Abruzzen ja bezahlen, genauso wie meine Therapiestunden.“
Menschen trügen Konzeptbärte in Kniekehlen, es gäbe Stars mit Kniekehlenzöpfen und Leute mit Kniekehlenlocken. Und Kniekehlenfriseure. Natürlich gäbe es auch Kniekehlenfriseurstühle, die eher Liegen wären. Und es gäbe ganze Messen dafür. Es gäbe Kniekehlenrasierer-Außendienstmitarbeiter, die auf Raststätten Bockwürste essen und Verkaufsargumente austauschen. Fußballspieler würden ihre Kniekehlenfrisuren sehr wahrscheinlich auf die Farbe ihrer Stutzen abstimmen, ein exzentrischer Kniekehlenfriseur würde mit dem Team zu Auswärtsspielen mitreisen. Überhaupt: Kniekehlenfriseur wäre ein Lehrberuf und es gäbe sogar Meisterprüfungen. Kniekehlenfriseurnamen wären so was wie: „Knie ohne meine Haare“, „How up you hair knee“ und „Glatt im Knick“.
Wir müssten uns an neue Frisurentyp-Vokabeln gewöhnen. Zum Beispiel SeikuMiLa (Seiten kurz, Mitte lang). Und an kniekehlenfreie Jeans, die in Massen gefertigt würden, wofür Maschinen und ganze Industriestraßen gebaut würden, in China. Oder in der Türkei.
Es gäbe gut riechenden Kniekehlenrasierschaum, nachhaltigen Kniekehlenrasierschaum und natürlich auch Kniekehlendeo. Denn mit Haaren in den Kniekehlen würde man auch schwitzen, im Sommer würde Schweiß die Waden runterlaufen und am Schuh unansehnliche Salzränder hinterlassen. Berliner Start-Ups würden in Hinterhöfen Wadenschweißbänder aus alten Stofftieren produzieren und für 80 Euro verkaufen. Das Stück.
Fahrradfahrer hätten mit ziemlicher Sicherheit kurze Kniekehlenfrisuren, damit die Haare sich nicht in der Kette verheddern. Im Fahrradhandel könnte man bunte Wadenspangen für längere Kniekehlenfrisuren kaufen. Den Kindern würde man bunte, sichere Wadenspangen mit kleinen Teddy-Reflektoren andrehen.
Menschen mit Kniekehlenglatzen würden wahrscheinlich irgendwann anfangen, mit diesen Glatzen und ihren Handinnenflächen Kniekehlenpupsmelodien zu produzieren, um damit in TV-Castingshows eine Runde weiterzukommen. Besonders schillernde Teilnehmer würden zu weiteren TV-Shows eingeladen, sie würden sich eine Karriere aufbauen, die ausschließlich auf Kniekehlengeräuschen basiert.
Auf Klassenreisen würden den Ruhigen und Schüchternen die geflochtenen Kniekehlenzöpfe zusammengeknotet. Oder ganz fies: abgeschnitten! Strafarbeiten wegen Kniekehlenfrisurenstreichen würden verteilt. Einige Rabauken würden dafür sogar von der Schule fliegen.
Boulevardmedien würden Kniekehlenpaparazzifotos britischer Sängerinnen zeigen. Anwälte müssten sich damit beschäftigen und es würde Klagen regnen, worüber dann wiederum berichtet werden würde. Vielleicht würden sogar einige Anwälte als knallharte „Poplit-Lawyer“ bekannt.
An einem anderen Ort würden Manager in teuren Workshops bunte, akkubetriebene Kniekehlenlockenwickler ersinnen, die nach wenigen Anwendungen kaputtgingen, sodass man sie neu kaufen müsste. Viele von den Kniekehlenlockenwicklern landeten im Hausmüll, Aktivistinnen und Aktivisten würden mit Protestaktionen gegen die gewollte Verschwendung der Kniekehlenlockenwicklerindustrie aufmerksam machen.