ZELDA FITZGERALD, geboren 1900, heiratete 1920 F. Scott Fitzgerald und zog mit ihm nach New York. Mit ihrer Tochter machte das Paar viele Reisen. Doch F. Scotts zunehmender Alkoholismus belastete die Ehe, die endgültig aus dem Gleichgewicht geriet, als er versuchte, Zeldas Karriere als Tänzerin, Schriftstellerin und Malerin zu verhindern – aus Sorge, sie könne ihn verlassen, wenn sie finanziell nicht mehr von ihm abhängig sei. Mit dreißig erlitt Zelda einen Zusammenbruch. Bis zu ihrem Tod 1948 lebte sie in psychiatrischen Kliniken.
Nancy Milford, Zelda. A Biography. New York 1970, dt. in gekürzter Ausgabe beim Kindler Verlag, München 1978.
Jacqueline Tavernier-Courbin, Art as Woman’s Response and Search. Zelda Fitzgerald’s Save Me the Waltz, in: Southern Literary Journal, Spring 1979, 11: 22–42 und M. Heath, Marriages. Zelda & Scott, Eleanor & Franklin. Massachussetts Review, Winter/ Spring 1972, 13: 281–288.
P. Watzlawick, J.H. Beavin, J.H. Jackson u.a: Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien, Bern/Stuttgart/Wien 1969.
Den engl. Titel Save Me the Waltz entnahm Zelda Fitzgerald einem Schallplattenkatalog der Victor Records (s. Nancy Milford, Zelda, New York 1970, dt. 1975).
Übers. von Anita Eichholz nach: Gilbert Murray, Oedipus, King of Thebes, by Sophocles, Oxford University Press, New York 1911, V. 690–696: We saw of old blue skies and summer seas, / When Thebes in the storm and rain / Reeled, like to die. / O, if thou can’st again, / Blue sky – blue sky! /
Der Code Napoléon galt auch in den von Franzosen eroberten Gebieten in Übersee. In den USA ist er in abgewandelter Form noch heute im Staat Louisiana in Kraft.
André Le Nôtre (1613–1700) schuf den geometrischen französischen Gartenbaustil. Besonders bekannt wurde er durch die Anlage des Schlossparks von Versailles.
Engl. The Dark Flower von John Galsworthy; The House of the Pomegrenades von Oscar Wilde; The Light that Failed von Rudyard Kipling; Cyrano de Bergerac von Edmond de Rostand.
Das Gibson Girl ist der Typ des amerikanischen Mädchens um 1890, wie es vom Zeichner Charles Dana Gibson in Harper’s und Life porträtiert wurde. Stil und Kleidung des ›Gibson Girls‹ beeinflussten die Mode bis hinein in die dreißiger Jahre.
Meist straußenfederngeschmückter Damenhut mit breiter, aufgebogener Krempe, wie auf Bildern von Gainsborough (1727–88), besonders seinem Porträt der Herzogin von Devonshire. Der Gainsborough-Hut wurde oft kopiert.
»Der Frühling« von Botticelli.
Deutsche U-Boote versenkten 1915 den englischen Passagierdampfer Lusitania. Dabei kamen auch über hundert amerikanische Passagiere ums Leben. Die Weigerung Deutschlands, den U-Boot-Krieg gegen neutrale Schiffe einzustellen, war der Anlass für den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg.
Der »Stein von Blarney« befindet sich im Blarney Castle. Er verleiht angeblich jedem, der ihn küsst, Beredsamkeit.
Ein hitchy-koo ist ein nervöser Baseballspieler.
Nach René Lalique (1860–1945), frz. Juwelier und Glashersteller. Lalique-Gläser haben charakteristischerweise eine »vereiste« Oberfläche, kunstvolle Reliefmuster und Farbapplikationen. In den zwanziger Jahren waren solche Gläser im Art-Noveau-Stil große Mode.
Vincent Youmans (1898–1946), Komponist; sein erster Erfolg war Two Little Girls in Blue (1921), das auch auf der Bühne aufgeführt wurde. Es folgten u.a. Tea for Two (1924), I Want to Be Happy (1924). Am bekanntesten wurde sein Broadway-Musical No, No Nanette (1925).
Der aus Virginia stammende Schriftsteller James Branch Cabell (1879–1958) schrieb phantastisch-abenteuerliche Romane und zahlreiche Gedichte, oft in Form von Kryptogrammen oder Anagrammen. Sein 1919 erschienener Roman Jurgen sollte wegen Obszönität verboten werden. Das misslang, und Cabell erlangte in den zwanziger Jahren seine größte Berühmtheit, besonders unter amerikanischen Collegestudenten.
Marylin Miller tanzte sich 1920 mit dem Musical Sally in den Erfolg. Zuvor war sie mit Lillian Lorraine im Musical Ziegfeld Follies of 1918 aufgetreten.
Paul Whiteman (1890–1967), Bandleader, kam 1920 mit eigenem Jazzorchester nach New York.
The Star-Spangled Banner ist die amerikanische Nationalhymne.
Carmagnole: populäres Lied und Tanz aus der Zeit der Französischen Revolution von 1789. Jede Strophe endete mit dem Refrain: »Dansons la Camagnole – vive le son, vive le son, / Dansons la Carmagnole – vive le son du canon!«
Der Architekt Joseph Urban war Miterbauer des 1927 eröffneten Ziegfeld-Theaters in New York. Die lustige Innenausstattung des Theaters war auf Musikshows abgestimmt.
O. Henry, Pseudonym für William Sidney Porter (1862–1910), Autor vieler Kurzgeschichten über den »einfachen Mann von der Straße«.
»Typhoid Mary« war der Spitzname für die Familienköchin Mary Mallon. 1904 entdeckten Ärzte, dass sie immun war gegen Typhus. Insgesamt soll sie mindestens 51 Typhusfälle verursacht haben. Die New Yorker Gesundheitsbehörde machte ihr zur Auflage, nicht mehr für andere zu kochen. Daran hielt sie sich aber nicht, woraufhin weitere Typhusfälle folgten: Man entdeckte »Typhoid Mary« als Köchin in einer Sanatoriumsküche. Von 1907 bis zu ihrem Tod mit 68 Jahren im Jahr 1938 wurde sie daher von der New Yorker Gesundheitsbehörde auf der Insel North Brother Island isoliert gehalten.
Marie Laurencin (1885–1956): von Matisse und vom Kubismus beeinflusste französische Malerin. In den zwanziger Jahren wurde sie bekannt durch ihre Frauenporträts sowie ihre Bühnenbilder und Kostümentwürfe fürs Ballett.
Le Train Bleu: Luxuszug mit Schlafwagen und Speisewagen aus blau gestrichenem Stahl, der erstmals 1922 als zusammenhängender Nachtzug die Strecke Calais–Nizza–San Remo befuhr. Er brachte vornehmlich reiche Leute aus London und Paris zur Erholung an die Riviera. Ähnlich wie um den Orient-Express ranken sich um den Train Bleu viele Geschichten. Eine Ballettoperette gleichen Namens wurde 1924 in Paris uraufgeführt. An der künstlerischen Gestaltung dieses aus Strand- und Sportszenen zusammengesetzten Balletts wirkten Picasso (Bühne), Cocteau (Text) und Coco Chanel (Kostüme) mit.
In der Nähe von Fréjus in Südfrankreich befindet sich eine buddhistische Pagode, im Innenraum reich verziert, die während des Krieges 1914–1918 von Indochinesen neben einem Friedhof erbaut wurde, auf dem 5000 Annamiten begraben sind.
In Ermenonville, einem geschichtsträchtigen Ort südlich von Paris, starb 1778 der Philosoph Jean Jacques Rousseau im Schloss des Marquis de Girardin. Zu »Waffengeklirr« kam es in Ermenonville im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 sowie im Ersten Weltkrieg.
table d’hôte: gemeinsame Speisetafel im Hotel.
Taxis, die als Kraftfahrzeug im Ersten Weltkrieg für die Schlacht an der Marne eingezogen waren.
Francis Picabia (1879–1953), französischer Maler, der nach impressionistischen Anfängen kubistisch malte. Ab 1919 radikaler Vertreter des Dadaismus. Er entwarf auch Bühnenbilder, z.B. für die Ballets Suedois.
La Chatte: Ballett nach der Musik von Henri Sauguet. Uraufführung 1927 in Monte Carlo durch Diaghilews Ballets Russes. Dem für Z.F. offenbar bedeutungsvollen Ballett liegt die Aesop-Fabel zugrunde, in der ein junger Mann Aphrodite bittet, die Katze, in die er sich verliebt hat, in ein junges Mädchen zu verwandeln – ein Wunsch, der erfüllt wird. Doch als das junge Mädchen Jagd auf eine Maus macht, wird es in eine Katze zurückverwandelt, woraufhin der junge Mann stirbt.
dt. »Schwanensee«.
Georgia O’Keeffe, amerikanische Malerin (*1887). Ihr bevorzugtes Sujet in den zwanziger Jahren waren Blumen, insbesondere Callalilien. Sie malte sie, ähnlich der Nahaufnahme in der Fotografie, stark vergrößert und die ganze Leinwand füllend. (Flower Abstraction, 1924; Two Calla-Lilies on Pink, 1928; Single Lily with Red, 1928). Auch Zelda Fitzgerald war von Blumen fasziniert und sah sich gern O’Keeffes Ausstellungen an. (Vgl. N. Milford, Zelda.) Die »fahlen Früchte« dieses Romans könnten sich auf O’Keeffes Serie mit Avocados beziehen. Das von O’Keeffe selbst als gelungenstes Avocado-Bild bezeichnete Pastell Single Alligator Pear wurde 1923 von der Zeitschrift The Dial abgedruckt.
d.h. in die Schweiz zurück.
Zelda Fitzgeralds Großmutter väterlicherseits, Musidora, war eine Schwester von John Tyler Morgan (1824–1907), Senator von Alabama. Über diese Großmutter war sie auch mit dem Brigadegeneral »Raider« John Hunt Morgan (1824–1864) verwandt, der im amerikanischen Bürgerkrieg fiel. Zeldas Vorfahren gehörten mütterlicherseits wie väterlicherseits zum Südstaaten-Establishment. (Vgl. Biographie von N. Milford, Zelda, New York 1970.)
Vorwort von Sheila Heti
Nachdem ich das Vorwort zu Schenk mir den Walzer[1] geschrieben hatte, schlug ich das Buch noch einmal auf, um mir die Sätze zu notieren, die ich unterstrichen hatte, und dabei wurde mir plötzlich klar, dass die Handlung von Schenk mir den Walzer nahezu identisch ist mit der Handlung meines soeben abgeschlossenen Romans. Erst an diesem Vormittag hatte ich die letzten Korrekturen abgeschickt.
Nun … die Handlung ist nicht identisch mit der letzten Fassung meines Buchs, sondern mit dem ersten Entwurf, den ich schon mehrere Jahre zuvor geschrieben hatte.
Ich glaube nicht, dass ich an dieser narzisstischen Störung leide, die einen beim Schreiben eines Romans befallen kann: Plötzlich sieht jedes Buch wie das eigene aus, alles Mögliche in der Welt sieht wie das eigene Buch aus. Die zwei Handlungsverläufe waren tatsächlich gleich, und ich begann mich zu fragen, wie viele Menschen – außer Zelda Fitzgerald und mir – diese Geschichte noch niedergeschrieben oder erlebt haben?
Besagte Geschichte dreht sich um eine junge Frau, die auf der Suche nach Abenteuern in die Welt hinauszieht. Sie weiß noch nicht, worin diese Abenteuer bestehen werden, aber sie ist sicher, dass sie ihr das liefern werden, was sie sich vom Leben erwartet – was auch immer das sein wird. Die Abenteuer entpuppen sich in erster Linie als romantische Verstrickungen. Dann liegt der Vater der Frau im Sterben, und sie kehrt heim, um während seiner letzten Tage bei ihm zu sein. Hier erkennt sie, dass die ersehnten Abenteuer fadenscheinig und unbedeutend sind, vor allem angesichts der erhabenen Erfahrung, ihren Vater beim Sterben zu begleiten.
Diese letzten Tage an seiner Seite bringen ihr die Weisheit, die sie bei ihren Abenteuern nicht gefunden hat. Vielleicht war es ja tatsächlich »Weisheit«, nach der sie gesucht hat, draußen in der Welt. »Draußen in der Welt« fand sie lediglich unzuverlässige Männer, die sie nicht so sehr lieben konnten wie ihr Vater und die auch sie nicht so uneingeschränkt zu lieben vermochte; Männer, bei denen sie doch nie ihr wahres Ich zeigte.
In Schenk mir den Walzer sagt die Hauptfigur Alabama zu einem jungen Engländer, mit dem sie flirtet: »Ich bin nur dann wirklich ich selbst, wenn ich eine andere bin, die ich mit den wunderbarsten Eigenschaften meiner Phantasie ausgestattet habe.« Das soll fröhlich und kokett klingen, ist in Wahrheit aber unglaublich deprimierend. »Wirklich sie selbst« ist sie erst, als sie zu ihrem Vater nach Hause zurückkehrt.
Ich weiß nicht, was die Moral dieser Geschichte ist: Natürlich muss man auf Abenteuerreise gehen. Man kann sich nicht auf ewig in der Liebe seines Vaters suhlen. Aber diese Geschichte enthält eine Art emotionale Wahrheit – oder hatte sie zumindest während des Schreibens. Vielleicht führt bei vielen jungen, abenteuerlustigen Frauen der Tod des Vaters – wenn sie denn einen guten Vater hatten – zu der Erkenntnis, dass das, was man draußen in der Welt sucht, nur ein Trugbild dessen ist, was man unbewusst begehrt: die echte Liebe, die man zurückgelassen hat.
Ich behaupte nicht, dies sei eine edle Geschichte – und sicherlich keine feministische. Ich glaube nicht, dass man aus jeder Geschichte etwas lernen kann. Letzten Endes ist es aber das, was Zelda Fitzgerald geschrieben hat – und auch ich.
Schenk mir den Walzer besteht aus vier Teilen, wodurch es sich nicht nur formal von einem Buch mit drei oder fünf Teilen unterscheidet. Drei Teile legen nahe, dass es einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende gibt. Hat ein Buch mit vier Teilen demnach zwei Mittelteile? Oder zwei Anfänge? Zwei Enden? Ich glaube, Schenk mir den Walzer hat zwei Mittelteile.
Wenn ein Buch mit fünf Teilen das Theater und die Form der Tragödie nahelegt, dann ist ein Buch mit vier Teilen eine Tragödie, bei der ein Akt fehlt – vielleicht der Aspekt, dass die Hauptfigur die Tragödie nie wirklich überwindet, denn die Tragödie ist ein Teil ihrer Persönlichkeit, die nicht überwunden werden kann. Schenk mir den Walzer jedoch ist hoffnungsvoller. Am Ende des Buches scheint es, als hätte Alabama die beiden tragischen Mittelteile wirklich hinter sich gelassen. Was zu ihrer Tragödie hätte werden können – der fatale Mangel an Persönlichkeit, weil sie sich für Struktur und Bedeutung in jungen Jahren immer auf den Charakter des Vaters verlassen hatte – verwandelt sich in etwas anderes; ein Teil des väterlichen Wesens scheint in seinen letzten Tagen auf seine Tochter übergegangen zu sein.
Vier ist eine Zahl der Stabilität: Ein Tisch hat vier Beine. Und trotz der ungewöhnlichen Stimmung und der oft zersetzenden Grammatik schließt man das Buch seltsamerweise mit dem Gefühl von vier Stützen in der Brust: Als hätte man gerade etwas Solides, Wohlgeordnetes, Logisches miterlebt.
Wenn der Geist der Tochter Alabama – wild, leidenschaftlich und frei – jeden einzelnen kunstvollen Satz prägt, dann ist es der Geist von Alabamas Vater, Richter Beggs, der die Gesamtstruktur und Form des Buches definiert. Anhand der Struktur versucht man das moralische Ziel des Autors zu verstehen, wogegen die einzelnen Sätze die animalische Essenz erfahrbar machen. Fügt man diese Beobachtungen zusammen, bekommt man einen Eindruck von der Seele des Künstlers.
Das ist kein Buch, bei dem das »Jazz Age« oder die »Flapper« idealisiert werden. Es verurteilt diese ganze Welt und jeden ihrer Protagonisten. Zelda Fitzgerald schreibt über diese Jahre: »Die Nachkriegs-Verschwendungssucht, die David und Alabama und weitere sechzigtausend Amerikaner in einer Art Hasenjagd ohne Hunde quer durch Europas Lande hetzte, erreichte ihren Höhepunkt« und fiel zusammen mit der »demoralisierenden Ungewissheit, für sein Geld bald nichts mehr zu bekommen«.
In Teil I erleben wir Alabama zu Hause während ihrer Kindheit. In Teil II führt sie ein dekadentes Leben im Ausland, und am Ende ist sie dieses verschwenderischen Lebens und all der Menschen darin müde. Noch während der Überfahrt auf dem Atlantik sagt sie zu ihrem Mann David: »Ich habe auf dem ganzen Schiff keinen Menschen getroffen, von dem ich hätte sagen können, um den wär’s schade gewesen.«
In Teil III wendet sich Alabama dem Ballett zu, in dem Versuch, sich der Oberflächlichkeit und Nutzlosigkeit des Lebens, das sie und David gewählt haben, zu entziehen.
Was bringt einen Menschen zur Kunst? Oft ist es das Bedürfnis, die eigene überwältigende, chaotische und kaleidoskopische Energie zu bündeln; den Tumult im Inneren nach außen zu tragen und zu ordnen; daraus objektive Schönheit zu erschaffen. Alabama versucht dies durch den Tanz – obwohl sie zu »alt« ist, um noch eine richtige Balletttänzerin zu werden. Dennoch muss sie etwas tun. In der Welt, zu der sie durch Davids Talent als Maler Zugang hat, »fühlte [sie] sich durch ihren Mangel an gesellschaftlicher Gewandtheit ausgeschlossen«. Doch obwohl das körperliche Training zur Obsession wird, kann sie keine tiefere Überzeugung aufbauen. Als David sie fragt, ob er ihr beim Üben zusehen darf, sagt sie Nein. »Du würdest nur feststellen, dass ich immer Sachen machen muss, die ich nicht kann, und du würdest mich entmutigen.« Sie glaubt nicht stark genug an ihr Ziel, um Davids kritischem Blick standzuhalten, und tatsächlich warnt er sie: »Du weißt doch hoffentlich, dass es in der Kunst einen himmelweiten Unterschied gibt zwischen einem Dilettanten und einem Profi?«
Vielleicht liegt der Grund für ihr Scheitern als Künstlerin in dem, was sie ursprünglich angetrieben hat. Als Alabama David zum ersten Mal davon erzählt, tanzen zu wollen, tut sie es folgendermaßen (und führt dabei den Namen seiner Geliebten an, auf die sie zu Recht eifersüchtig ist): »Ich werde eine so berühmte Tänzerin, wie es blaue Adern auf dem weißen Marmorbusen von Miss Gibbs gibt.«
Auf einem Sockel aus Tücke und dem Wunsch, im Rampenlicht zu stehen, kann man keine Kunst erschaffen. Künstlerin will sie unter anderem auch werden, weil sie das Gefühl hat, »dass sie der Welt nichts zu geben habe«. Aber für gewöhnlich wendet man sich der Kunst unter der ehrgeizigen Prämisse zu, dass das Gegenteil der Fall ist!
Würde sie sich allerdings nicht mit dem Tanz ablenken, müsste sie sich den Pflichten eines Daseins als Mutter und Ehefrau stellen – was sie langweilt. Vielleicht findet sich die eindrücklichste Beschreibung dessen, was sie in den beiden Mittelteilen vorhat, in diesem Absatz:
»Die makabren Leute, die den Krieg mitgemacht hatten, erzählten mit Vorliebe eine Anekdote über die Soldaten der Fremdenlegion, die in der Umgebung von Verdun einen Ball veranstalteten, auf dem sie mit Leichen tanzten. Nicht minder makaber war Alabamas ständiges Zusammenbrauen eines Gifttrunks für ihr Unbewusstes und ihr Beharren auf Magie und Glimmer des Lebens, dessen Puls sie nur mehr als Pochen eines amputierten Beines spürte.«
Weil ihre Motivation für das Tanzen von Anfang an die falsche war, verliert die ganze Welt des Balletts unweigerlich schon bald ihren Glanz. Sie sieht darin ihr eigenes Leben gespiegelt: »Stella mit ihren Fehlern und Arienne mit ihren Finten, das Buhlen um Gunst, das Gezänk um die vorderste Reihe, all das erschien ihr im trüben, durch das Glasdach fallende Sonnenlicht wie das Kriechen und Drängeln wimmelnder Insekten, die man durch eine Glasglocke betrachtet. ›Larvae!‹, sagte die unglückliche Alabama verächtlich.«
Alabama versucht zwei Mal vergebens, sich ein sinnvolles Leben fernab ihres Vaters aufzubauen. Das Telegramm mit der Nachricht, dass ihr Vater im Sterben liegt, »bedeutete einen so wichtigen Einschnitt in ihr gemeinsames Leben wie die herabsausende Klinge einer Guillotine«.
Ich finde, keine Figur in diesem Roman ist wunderbarer oder klarer gezeichnet als Richter Beggs. Er ist der Einzige in der Geschichte, der zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Er spricht stets mit Überzeugung – und der Klang seiner Stimme hallt im Kopf des Lesers nach. Er kennt die Welt: »Der Kerl taugt nichts. Er ist ein Erzfaulpelz und noch nicht einmal geschieden.«, »Ich halte dieses emotionale Gewäsch nicht länger aus.«, »Meiner Meinung nach kann sich ein anständiges Mädchen nicht mit einem Mann verloben und gleichzeitig an jemand anderem interessiert sein.«
Ist Alabama dazu imstande, sich selbst eine ähnlich verlässliche Moral zu erschaffen? Kann jemand, dem das Leben einst so »sinnlos ausschweifend« erschien, es in eine ergiebige und gesunde Form umwandeln?
In beiden ihrer Lebensentwürfen – Salonlöwin und Tänzerin – empfand sie Neid und Eifersucht, echtes Bestreben und Heuchelei, Langeweile und Frustration. Erst als sie wieder nach Hause zurückkehrt, gewinnen ihre edleren Gefühle wieder die Oberhand: Traurigkeit und Bedauern, Wertschätzung und Hingabe, die Fähigkeit, von ganzem Herzen zu lieben. Auf gewisse Weise ist es ein Buch darüber, sein eigenes Vermächtnis zu akzeptieren. Ihr Name – Alabama – hätte ihr Hinweis genug sein sollen, wer sie wirklich ist: kein leichtsinniges Flapper-Mädchen, keine verwegene Künstlerin, sondern eine normale Frau, die in den traditionellen Werten eines Richters aus den Südstaaten verwurzelt ist.
Alabamas Sprache ist im vierten und letzten Teil einfach und schlicht, sie versucht nicht mehr geistreich zu sein. Auch Zelda Fitzgeralds Erzählstimme findet im letzten Teil zu einer perfekten Schlichtheit, und sie benutzt diese neue, ruhige Sprache, um damit ihre qualvolle Trauer auszudrücken. Erst im letzten Abschnitt ist die Stimme des Buches frei von Chaos, Wildheit und Verwirrung. Alabama hat eine Reise zurückgelegt, genau wie die Sprache der Erzählerin; am Ende ist sie von ihrem inneren Tumult erlöst, ebenso auch die Sätze. Die Bizarrheit von Alabamas Leben – und die Bizarrheit der Sätze, die dieses Leben beschreiben – dienten womöglich dem tieferen Zweck, vor ihr und vor uns eine harte Wahrheit zu verbergen: Dass Alabama nichts Besonderes ist; außergewöhnlich war an ihr vielleicht nur, dass sie versuchte, ihren Traum zu leben, denn sie war auf der Suche »nach einem neuen Ausgangspunkt … einer neuen Chance im Leben«.
Doch es gibt im Leben keine neue Chance, keinen neuen Ausgangspunkt, und ich bin der Meinung, dass das auch gut so ist. Das ursprüngliche Ich – das ursprüngliche Zuhause – genügt, um darauf ein Leben zu bauen. Die größte Schönheit liegt in der universellen Einfachheit unserer tiefsten Gefühle, die berührender sind als jede Darbietung. Wer wir sind, ist besser als das, was wir lieber wären; ein Anspruch, der in Alabamas Fall auf den »unbegrenzten Möglichkeiten der amerikanischen Werbung« beruhte. Sehnsüchte beruhen immer auf falschen Versprechungen. Aber das Scheitern an falschen Versprechungen kann nur etwas Gutes sein; im Prinzip ist es eine Art Rettung.
Auf den letzten Seiten des Buches erhaschen wir noch einen Blick auf die kaputte Welt, von der sich Alabama verabschiedet. Alabama ist von der Erfahrung des Todes geprägt und verändert – sowohl des Todes ihres Vaters als auch des Todes ihrer eigenen Lebensentwürfe – und kommt, als sie mit David nach einer Einladung ihre Freunde verabschiedet, nicht umhin, zu bemerken, wie schwach und unwichtig diese Menschen sind, mit denen sie einst ihre neue, bessere Welt bevölkern wollte. Sie sagen:
»Wir haben Sie richtig totgequatscht.«
»Sie müssen vom Packen ganz tot sein.«
»Für eine Party ist es tödlich, wenn man bleibt, bis die Verdauung einsetzt.«
»Ich bin tot, meine Liebe! Es war wundervoll!«
Sie sind nicht die Essenz irgendeines neuen Lebens. Sie schließt die Tür hinter ihnen allen.
Schenk mir den Walzer ist ein zutiefst autobiographisches Buch. Zelda Fitzgerald schrieb es Anfang 1932 in sechs Wochen, in denen sie täglich mehrere Stunden daran arbeitete, nachdem sie sich mit 31 selbst wieder in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen hatte. Die Reaktionen fielen mehrheitlich negativ aus, sie verdiente 120 Dollar damit und wandte sich niedergeschmettert dem Schauspiel und der Malerei zu. Einer meiner liebsten Sätze in dem Roman ist dieser: »Im Gegensatz zu Frauen, dachte sie, werden Männer nie zu dem, was sie tun – ihre Taten bestehen stets nur aus der eigenen philosophischen Interpretation ihres Tuns.«
Aus dem kanadischen Englisch von Marion Hertle
Für Mildred Squires
Einst sahn wir Himmel in lieblicher Bläue
und Sommermeere
Als Theben schwankte in Sturm und Regen,
Wie zu sterben.
Ach, wäre er wieder
Unser Himmel, lieblich und blau.
Ödipus, König von Theben[2]