Bärbel Wardetzki

Nimm’s bitte
nicht persönlich

Der gelassene
Umgang mit Kränkungen

Kösel

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Dieses Buch erschien 2003 unter dem Titel
»Erste Hilfe für die Seele. So schützen Sie sich gegen Kränkungen«.
Die hier vorliegende Ausgabe wurde vollständig überarbeitet,
erweitert und aktualisiert.
Copyright © 2012 Kösel-Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Umschlag: Weiss Werkstatt, München
Umschlagmotiv: plainpicture
Satz und Herstellung: Martin Hofer, München
ISBN 978-3-641-08794-4
V003

Inhalt

Einleitung

Was ist eine Kränkung ?

Im Teufelskreis des Gekränktseins

Was passiert bei Kränkungen?

Kränkung hat eine doppelte Bedeutung

Wir entscheiden, was uns kränkt

Das geschwächte Selbstwertgefühl

Wenn Anerkennung und Bedürfnisse zu kurz kommen

Lieber sind wir wütend, als zu spüren, wie weh es tut

Wie Kränkungen ablaufen

Schreck lass nach

Wenn wir gekränkt sind

Die Kränkung trifft den wunden Punkt

Ich nehme alles persönlich

Wie es ist, ist es falsch

Ich bin gekränkt, weil du …

Du kommst mir zu nahe

Die andere wird mit ihm glücklich

Süchte – Schutz vor neuen Kränkungen

Unsere Liebe wird zurückgewiesen

Vorurteile können kränken

Kränkungsleichen leben lange

Wenn wir andere kränken

Nimm’s bitte nicht persönlich

Die Erfahrung, jemanden gekränkt zu haben

Kränkungsfallen

Ich lege jedes Wort auf die Goldwaage

Die Macht der Gekränkten

Kränkendes Verhalten

Der »Täter« trifft auf sein »Opfer«

Rache als Ausgleich

Kränkung als Provokation

Die Verbitterungsstörung

Der gelassene Umgang mit Kränkungen

Welcher Kränkungstyp sind Sie ?

Weiterführende und zitierte Literatur

Einleitung

»Nimm’s bitte nicht persönlich« ist ein Buch, das Ihnen eine schnelle Orientierung bietet, wie Sie mit Kränkungen gelassener umgehen können. Anhand konkreter Beispiele werden eine Reihe wesentlicher Kränkungsthemen und -situationen aufgeführt, bei denen es im Alltag zu heftigen Verwicklungen bis hin zu handfesten oder sogar handgreiflichen Auseinandersetzungen kommen kann. Daher ist es so wichtig, diese Dynamik zu erkennen und zu verstehen, um konstruktive Lösungswege zu finden. Je mehr wir wissen, was uns kränkt, welche alten Wunden durch aktuelle Verlet­zungen aufgerissen werden und welche Möglichkeiten wir haben, sie zu schützen und zu heilen, umso weniger müssen wir unter Kränkungsgefühlen leiden. Denn in der Regel führen die Kränkungsgefühle wie Beleidigtsein, Trotz, Empörung, destruk­tive Wut und Verzweiflung nur zu einer Verschärfung des Konflikts, zu Beziehungsabbruch, Einsamkeit und Unfrieden, aber nicht zu einer Lösung.

Eingeteilt ist das Buch in vier Abschnitte: Der erste erklärt, was Kränkungen sind. Im zweiten geht es um die Situation des Gekränkten. Was fühlt er, wie reagiert er, was kann er in der aktuellen Situation tun? Im dritten Teil beschreibe ich das Kränkungsgeschehen aus der Sicht derer, die andere gekränkt haben, bzw. durch die sich andere gekränkt fühlen. Was veranlasst uns, andere Menschen zu entwerten, wie rutschen wir in Kränkungsfallen und wie kommen wir wieder raus? Der vierte Teil zeigt Lösungen auf für den gelasseneren Umgang mit Kränkungen. ­Er fasst alle wichtigen Schritte zusammen, die nötig sind, um Kränkungskonflikte zu beenden oder gar nicht erst entstehen zu lassen.

Danken möchte ich an dieser Stelle meiner Lektorin Dagmar Olzog, mit der die Zusammenarbeit so wunderbar leicht und konstruktiv verläuft. Sie ist getragen von gegenseitiger Verantwortung und daher wunderbar kränkungsfrei.

Ich wünsche mir, dass viele Leser und Leserinnen durch dieses Buch eine Hilfe für ihre konkreten Kränkungskonflikte bekommen und die Tipps und Vorschläge erfolgreich anwenden können.

Am Ende des Buches finden Sie einen kleinen Test, mit dem Sie erfahren, welcher Kränkungstyp Sie sind.

Wir haben es in der Hand, ob wir
gekränkt reagieren oder ein Problem konstruktiv
und ohne Beziehungsabbruch lösen.

Was ist eine Kränkung ?

Im Teufelskreis des Gekränktseins

Was passiert bei Kränkungen?

Je länger ich mich mit dem Thema Kränkungen beschäftige, um so deutlicher wird mir deren weitreichende und häufig auch schicksalhafte Bedeutung für unser Leben. Ob gewollt oder ungewollt, ob bewusst oder unbewusst, wir kränken andere Menschen und werden immer wieder gekränkt.

Die Kränkungsdynamik zieht sich durch alle Lebensbereiche. Sie betrifft unsere Freundschafts- und Liebesbeziehungen, unsere Berufssituation, gesellschaftliche Ungleichheiten, weltpolitische Auseinandersetzungen und unser persönliches Wohlbefinden. Wo immer Missverständnisse, Konflikte, Leid, Hass, Gewalt und Zerstrittenheit auftreten, können wir damit rechnen, dass dahinter unaufgelöste Kränkungskonflikte stehen, die einer konstruk­tiven Auseinandersetzung im Wege stehen.

Gegenseitige Kränkungen und Gekränktheit können verheerende Folgen haben. Sie führen im schlimmsten Fall zu Kriegen und Mordtaten, häufig zum Abbruch einer Beziehung gefolgt von Rache und Zerstörungsgedanken. Innerlich sind wir getrieben von Hass und Wut auf den Gegner, von Unversöhnlichkeit, Bitterkeit und Ablehnung. Wir sind empört, wie jemand es wagt, auf eine so verletzende Weise mit uns umzugehen. Weiß unser Gegenüber denn nicht, wen er vor sich hat?

Was bleibt uns zu tun? Eine Möglichkeit ist, wir schlagen zurück, verbal oder handgreiflich. Von unserer Ohnmacht und Hilflosigkeit können wir uns aber durch Gewalt nicht befreien, auch nicht von dem Schmerz der erlebten Verachtung, Demütigung und Entwertung. Im Gegenteil. Oft sind wir umso gewalttätiger, je machtloser wir uns fühlen. Die Befriedigung der Vernichtung des »Gegners«, ihn k. o. am Boden zu sehen oder wenigstens ebenso verletzt zu haben wie wir es wurden, löst weder das zugrundeliegende Problem, noch heilt sie unsere Wunden. Die heilen wir aber auch nicht dadurch, dass wir uns deprimiert zurückziehen, uns in unser Leid vergraben, uns für minderwertig, schlecht, ablehnungswürdig und verloren definieren.

Wenn wir nichts tun, außer unsere Wunden zu lecken und in Selbstmitleid zu zerfließen, ändern wir gar nichts, da auch diese Haltung am Ende wieder Hassgefühle und Rachegedanken auf die produziert, die uns das angetan haben. Wir bleiben in Unfrieden mit den anderen und dadurch auch mit uns. Unfrieden führt jedoch automatisch wieder in den nächsten Konflikt und damit in die nächste Kränkungssituation. Denn wenn wir mit uns und den anderen nicht in Frieden sind, signalisieren wir Ablehnung und Aggression und ernten zwangsläufig dasselbe. Ein Teufelskreis, der in einer Spirale der Gewalt enden kann.

Ein aktueller Beziehungskonflikt ist oft das Ergebnis einer langen Kette gegenseitiger Kränkungen, die sich beispielsweise im Laufe einer Partnerschaft oder Ehe angesammelt haben und mit Trennung oder Scheidung enden. Oft liegt die zentrale Kränkung schon lange zurück. Die Beispiele sind vielfältig:

Der Partner hat nie ausdrücklich um ihre Hand angehalten, was sie bis heute nicht verschmerzt hat. Sie wollte nie Kinder mit ihm, was er als Abwertung seiner Person interpretierte. Er ging fremd und verletzte dadurch ihr Vertrauen. Sie fuhr allein in Urlaub, als er in einer beruflichen Krise war, wodurch er sich von ihr fallengelassen fühlte. Werden diese und andere Kränkungen nicht angesprochen und die emotionalen Folgen nicht mitgeteilt, kann dies zur Trennung oder Gewalt gegen den Partner / die Partnerin führen. Nicht umsonst liegt die Tötungsrate von Ehepartnern, die sich trennen wollen, bei ca. 250 Fällen im Jahr.*

Daher ist es so wichtig, die Kränkungsdynamik besser zu verstehen. Wenn wir erkennen, welche Prozesse in uns selbst ablaufen und was unser Gegenüber bewegt, kränkend mit uns umzugehen, schaffen wir die Voraussetzung, diesen Konflikt zu lösen oder wenigstens abzuschwächen.

* Laut Daten des Kriminologischen Forschungsinstituts von 1999

Im Teufelskreis der Kränkung

Kränkung hat eine doppelte Bedeutung

Wenn wir von Kränkung sprechen differenzieren wir nie zwischen der erlittenen Kränkung, die Menschen erleben und der erteilten Kränkung, die anderen zugefügt wird. Es mag müßig sein, eine solche Unterscheidung zu treffen, aber bei meiner Arbeit spüre ich immer mehr Unbehagen, wenn ein und derselbe Begriff für Unterschiedliches verwendet wird. Daher schlage ich vor, von Kränkungsreaktion und Kränkungshandlung beziehungsweise von erlittener und erteilter Kränkung zu sprechen.

Die Kränkungsreaktion, also die erlittene Kränkung, ist das, was Menschen erleben, wenn sie sich zurückgewiesen, abgelehnt, ausgeschlossen oder verachtet fühlen. Sie umschreibt alle emotionalen, körperlichen und geistigen Prozesse, die als Reaktion auf das Kränkungsereignis in der jeweiligen Person stattfinden.

Die Kränkungshandlung oder das Kränkungsereignis dagegen ist die erteilte Kränkung, also das, was Menschen tun, wodurch sich andere verletzt fühlen. Das kann eine Kritik sein, ein falsches Wort zum falschen Zeitpunkt, eine ausgebliebene Einladung oder das Verlassenwerden von einem bisher geliebten Menschen. Aber auch Demütigung, Diskriminierung, gewollte Entwertung, Ab­lehnung, Zurückweisung oder Ausschluss sind Kränkungsereig­nisse. Die Liste der Beispiele könnte ich endlos erweitern, denn im Grunde kann fast alles kränkend erlebt werden, weil jeder durch andere Ereignisse gekränkt werden kann. Somit ist eine Kränkung im Sinne einer Kränkungshandlung nichts Objektives: Wir können nicht sagen, dass beispielsweise eine Ablehnung automatisch eine Kränkungsreaktion beim Gegenüber auslöst. Das tut sie nur dann, wenn der andere sich dadurch entwertet und in seinem Selbstwertgefühl gemindert fühlt.

Nehmen wir an, eine Kritik hat uns gekränkt. Die Arbeit, die wir mit großem Eifer und viel Mühe dem Chef vorlegen, wird auseinandergenommen und mit den Worten: »Ist Ihnen nichts Besseres eingefallen?« kommentiert. Diese Bemerkung führt in dem Moment zu einer Kränkungsreaktion, wenn wir uns abgewertet fühlen und glauben, versagt zu haben. In diesem Fall lehnen wir unser Produkt selber ab, werfen uns mangelnde Kreativität vor und stellen uns möglicherweise völlig infrage. Schlimmstenfalls meinen wir, für diesen Job nicht geeignet zu sein, unabhängig von früheren Erfolgen.

Ob die Kritik für uns zur erlittenen Kränkung wird, hängt einerseits davon ab, wie wir sie verarbeiten, andererseits von ihrer Form. Wird unsere Arbeit beispielsweise sowohl auf ihre Stärken als auch auf ihre Schwächen hin beurteilt, sind wir vielleicht gar nicht gekränkt oder weniger, als wenn sie pauschal abgelehnt wird. Doch auch dann müssen wir nicht gekränkt reagieren. Denn wenn wir von der guten Qualität unserer Arbeit überzeugt sind, werden wir die Entwertung nicht annehmen.

Kränkung hat eine doppelte Bedeutung