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Aus dem Amerikanischen von Uwe Luserke
© Robert Jordan 1990
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »The Great Hunt«,
Tom Doherty Associates, Tor Books, New York 1990
© der deutschsprachigen Ausgabe:
Piper Verlag GmbH, München 2004
Erstmals erschienen im Wilhelm Heyne Verlag, München in zwei Bänden:
»Die große Jagd« (1993), »Das Horn von Valere« (1993)
Karte: Ellisa Mitchell
Covergestaltung: Guter Punkt, München
Coverabbildung: Markus Weber, Guter Punkt, unter Verwendung von Motiven von GettyImages
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Dieses Buch ist gewidmet: Lucinda Culpin, Al Dempsey, Tom Doherty, Susan England, Dick Gallen, John Jarrold, den Johnson-City-Boys (Mike Leslie, Kenneth Loveless, James D. Lund, Paul R. Robinson), Karl Lundgren, der Montana-Gang (Eldon Carter, Ray Grenfell, Ken Miller, Rod Moore, Dick Schmidt, Ray Sessions, Ed Wildey, Mike Wildey und Sherman Williams), William McDougal, Louisa Cheves, Popham Rabul, Ted und Sydney Rigney, Bryan und Sharon Webb und Heather Wood.
Sie kamen mir zu Hilfe, als Gott über das Wasser schritt, und das wahre Auge der Welt ging über mein Haus.
Robert Jordan
Charleston, SC, USA
Februar 1990
Und es wird kommen eine Zeit, da das, was Menschen erbauten, zerstört werde, und der Schatten wird sich auf das Muster des Zeitalters senken, und der Dunkle König wird noch einmal seine Hand auf alles Menschenwerk legen. Die Frauen werden weinen, und die Männer verzagen, wenn die Nationen dieser Erde wie brüchiger Stoff zerrissen werden. Nichts wird erhalten bleiben oder überdauern …
Doch einer wird geboren werden, der dem Schatten gegenübertritt, wiedergeboren, wie er zuvor geboren worden war und unzählige Male wiedergeboren werden wird. Der Drache wird wiedergeboren, und es wird ein Weinen und ein Zähneknirschen sein bei seiner Wiedergeburt. In Sackleinen und Asche wird er die Völker kleiden, und er wird die Welt noch einmal zerbrechen durch seine Wiederkehr und alle Bande zwischen den Menschen zerreißen. Wie die grellen Strahlen der Sonne bei ihrem Aufgang wird er uns blenden und uns verbrennen, doch wird der Wiedergeborene Drache in der Letzten Schlacht dem Schatten die Stirn bieten, und sein Blut wird uns das Licht bringen. Lasst die Tränen fließen, ihr Völker dieser Welt! Weint um eure Erlösung.
Der Mann, der sich – zumindest hier – Bors nannte, verzog spöttisch das Gesicht, als er das leise Gemurmel hörte, das sich in dem Gewölbe des Saals wie Gänsegeschnatter anhörte. Seine Grimasse war durch die schwarze Seidenmaske verborgen, die sein Gesicht bedeckte. Auch die hundert anderen Gesichter im Saal waren durch solche Masken verdeckt. Hundert schwarze Masken und hundert Augenpaare, die sich bemühten, hinter die Masken zu blicken.
Wenn man nicht allzu genau hinsah, konnte man den riesigen Saal für den Teil eines Palasts halten: hohe Marmorkamine und goldene Leuchter, farbenfrohe Wandbehänge und ein Mosaikfußboden. Wenn man nicht allzu genau hinsah. Doch die Kamine gaben nur Kälte ab. Flammen tanzten über Holzscheiten, so dick wie Männerbeine, aber sie wärmten nicht. Die Wände hinter den Behängen und die Decke, die sich hoch über den Leuchtern wölbte, bestanden aus fast schwarzem, unbehauenem Naturstein. Es gab keine Fenster und nur zwei Türen an den gegenüberliegenden Seiten des Saals. Es schien, als habe sich jemand bemüht, den Anschein eines Empfangssaals in einem Palast zu erwecken, es dann jedoch mit oberflächlichem Dekor bewenden lassen. Der Mann, der sich Bors nannte, wusste nicht, wo sich dieser Saal befand, und er glaubte auch nicht, dass es einer der anderen wusste. Er wollte auch lieber nicht darüber nachdenken. Es genügte schon, dass er hierher berufen worden war. Auch darüber dachte er lieber nicht genauer nach, aber einem solchen Ruf folgte auch er.
Er rückte seinen Umhang zurecht, dankbar für die kalten Feuer, denn sonst wäre es ihm, bis zum Boden in schwarzes Tuch gehüllt, viel zu heiß geworden. Der weite Umhang verbarg seine gebückte Haltung, mit der er über seine wahre Größe hinwegtäuschte, und ließ die Leute rätseln, ob er nun dick oder schlank sei. Er war nicht der Einzige hier, der sich in eine ganze Schneiderspanne Stoff gehüllt hatte.
Schweigend beobachtete er die anderen im Saal. Ein großer Teil seines Lebens war von Geduld geprägt gewesen. Es war immer das Gleiche: Wenn er lange genug beobachtete und wartete, machte irgendjemand über kurz oder lang einen Fehler. Die meisten anwesenden Männer und Frauen mochten der gleichen Philosophie frönen; sie hielten die Augen offen und lauschten schweigend denen, die sprechen mussten. Einige Leute konnten das Warten und die Stille nicht ertragen und verrieten so mehr, als sie beabsichtigt hatten.
Diener schoben sich zwischen den Gästen hindurch, schlanke, blonde junge Menschen, die mit einer Verbeugung und mit einem wortlosen Lächeln Wein anboten. Die jungen Männer trugen ebenso wie die jungen Frauen enge, weiße Kniebundhosen und weite, weiße Hemden. Und alle, gleich ob männlich oder weiblich, bewegten sich mit einer atemberaubenden Grazie. Jeder sah aus wie ein Spiegelbild des anderen. Die Jungen waren gut aussehend, die Mädchen hübsch. Er zweifelte daran, dass er sie hätte unterscheiden können, und dabei hatte er ein aufmerksames Auge und ein gutes Gedächtnis für Gesichter.
Ein lächelndes, weiß gekleidetes Mädchen bot ihm ein Tablett mit Kristallkelchen an. Er nahm einen, hatte aber nicht vor zu trinken. Es mochte vielleicht den Eindruck von Misstrauen oder noch Schlimmerem erwecken – und das konnte hier tödliche Folgen haben –, wenn er jedes Getränk ablehnte, aber man konnte ja alles Mögliche in ein solches Getränk gemischt haben. Sicher hätten einige seiner ›Genossen‹ hier nichts dagegen, wenn die Anzahl ihrer Rivalen im Kampf um die Macht etwas schwände, wer auch immer die Unglücklichen sein mochten.
Gelangweilt fragte er sich, ob die Diener wohl nach diesem Treffen beseitigt werden müssten. Diener hören alles. Als sich das Mädchen aus seiner Verbeugung aufrichtete, suchte er ihren Blick über das süße Lächeln hinweg. Ausdruckslose Augen. Leere Augen. Die Augen einer Puppe. Augen jenseits des Todes.
Er schauderte, als sie graziös weiterging, und dann hob er den Kelch an die Lippen, bevor es ihm bewusst wurde. Nicht, was man dem Mädchen angetan hatte, brachte ihn zum Schaudern. Nein – jedes Mal, wenn er glaubte, an jenen, denen er nun diente, eine Schwäche entdeckt zu haben, waren sie ihm zuvorgekommen und hatten die vermutete Schwäche mit einer brutalen Präzision beseitigt, die ihn verblüffte. Und besorgte. Die oberste Regel seines Lebens war immer gewesen, nach Schwächen bei anderen zu suchen, denn jede Schwäche gab ihm einen Anhaltspunkt, von dem aus er nachbohren und spionieren und beeinflussen konnte. Wenn seine Herren, denen er im Augenblick gehorchte, keine Schwäche hatten …
Er blickte hinter seiner Maske besorgt drein, während er die anderen musterte. Wenigstens gab es hier genügend erkennbare Schwächen. Ihre Nervosität verriet sie, selbst jene, die vernünftig genug waren, ihre Zunge zu hüten. Aber der eine wirkte etwas steif in seiner Haltung, die andere raffte ihren Rock ein wenig ruckartig …
Ein gutes Viertel aller Anwesenden, so schätzte er, hatte sich, von den schwarzen Masken abgesehen, überhaupt nicht verkleidet. Ihre Kleidung verriet viel über sie. Eine Frau zum Beispiel, die vor einem golddurchwirkten scharlachroten Wandbehang stand, sprach leise mit einer Gestalt – unmöglich zu sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte – in grauem Umhang mit Kapuze. Sie hatte offensichtlich diesen Platz ausgewählt, weil die Farben des Wandbehangs ihre Kleidung vorteilhaft zur Geltung brachten. Ausgesprochen dumm, so die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, denn ihr rotes Kleid mit dem tiefen Dekolleté, das entschieden zu viel Haut zeigte, und dem hohen Ansatz, der ihre goldenen Schuhe freigab, bewies, dass sie aus Illian kam und eine reiche Frau war, vielleicht sogar eine Adlige.
Nicht weit hinter der Illianerin stand eine andere Frau, allein und bewundernswert still. Sie hatte einen Schwanenhals und üppiges schwarzes Haar, das ihr in Wellen bis unter die Taille reichte. Sie stand mit dem Rücken zur Wand und beobachtete alles. Keine Spur von Nervosität, nur ruhige Selbstbeherrschung. Wirklich bewundernswert, doch ihre kupferfarbene Haut und ihr beiges Abendkleid mit dem hohen Kragen – es bedeckte alles bis auf ihre Hände, schmiegte sich aber eng und ein ganz klein wenig durchscheinend an ihren Körper, sodass es alles andeutete, jedoch nichts enthüllte – zeigte deutlich, dass sie dem Hochadel von Arad Doman angehörte. Und falls sich der Mann, der sich Bors nannte, nicht gewaltig täuschte, trug das breite Goldarmband an ihrem linken Arm die Zeichen ihres Hauses. Es war sicherlich ihr eigenes Haus, denn keine adlige Domani würde ihren Stolz so sehr vergessen und das Siegel eines anderen Hauses tragen. Dümmer als dumm.
Ein Mann in einem himmelblauen Anzug shienarischen Schnitts kam an ihm vorbei und musterte ihn misstrauisch durch die Augenlöcher seiner Maske von Kopf bis Fuß. Die Haltung des Mannes verriet den Soldaten: die gestrafften Schultern, der ständig umherschweifende Blick und die Art, wie seine Hand bereit zu sein schien, nach einem nicht vorhandenen Schwert zu greifen – alles wies darauf hin. Der Shienarer verschwendete wenig Zeit mit dem Mann, der sich Bors nannte; hängende Schultern und ein krummer Rücken enthielten keine Bedrohung.
Der Mann, der sich Bors nannte, schnaubte, als der Shienarer weiterging, seine rechte Hand war schlagbereit gespannt, während er bereits nach anderen möglichen Gefahren Ausschau hielt. Er kannte sie alle, einschließlich ihres Ranges und ihres Landes. Händler und Soldaten, Gemeine und Adlige. Aus Kandor und Cairhien, Saldaea und Ghealdan. Von allen Nationen und beinahe allen Völkern. Er rümpfte angewidert die Nase. Sogar ein Kesselflicker in leuchtend grünen Kniebundhosen und einem giftgelben Mantel war dabei. Auf die können wir verzichten, wenn einmal der Tag gekommen ist.
Die Verkleideten waren auch nicht besser – und es gab viele davon –, so sehr sie sich auch in ihre Umhänge hüllten. Er erhaschte einen Blick unter eine dunkle Robe und sah die mit Silber verzierten Stiefel eines Hohen Herrn von Tear, und unter einer anderen lugten Sporen mit einem goldenen Löwenkopf hervor, wie sie nur von Offizieren der königlichen Garde von Andor getragen wurden. Ein schlanker Bursche – schlank wirkte er sogar in seiner bodenlangen schwarzen Robe und einem unauffälligen grauen Umhang, der von einer einfachen Silbernadel zusammengehalten wurde – beobachtete das Gedränge aus dem Schatten seiner tief heruntergezogenen Kapuze. Er hätte von überall her stammen können … wenn nicht zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand ein sechsstrahliger Stern tätowiert gewesen wäre. Also einer der Meerleute, und ein Blick auf seine linke Hand würde seinen Clan und den Familiennamen verraten. Der Mann, der sich Bors nannte, bemühte sich jedoch gar nicht erst darum.
Plötzlich verengten sich seine Augen. Er blickte eine Frau an, die so in Schwarz eingehüllt war, dass nur noch ihre Finger zu sehen waren. An ihrer rechten Hand steckte ein goldener Ring in Form einer Schlange, die ihren eigenen Schwanz verschlang. Eine Aes Sedai oder zumindest eine in Tar Valon von Aes Sedai ausgebildete Frau. Keine andere trug einen solchen Ring. Wie auch immer, für ihn machte das keinen Unterschied. Er sah weg, bevor sie seinen Blick bemerkte, und fast im gleichen Moment entdeckte er eine weitere von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllte Frau, die einen Ring mit der Großen Schlange trug. Die beiden Hexen ließen sich nicht anmerken, ob sie sich kannten. In der Weißen Burg saßen sie wie die Spinnen im Netz und zogen die Fäden, an denen Könige und Königinnen tanzten. Immer mischten sie sich ein. Verflucht seien sie alle – mögen sie den ewigen Tod finden! Ihm wurde bewusst, dass er mit den Zähnen geknirscht hatte. Wenn es schon zu viele Menschen gab und man an jenem Tag ihre Anzahl erheblich mindern musste, dann gab es welche, die man noch weniger vermissen würde als die Kesselflicker.
Eine Glocke ertönte, ein einzelner, zittriger Ton, der von überall her gleichzeitig zu kommen schien und alle anderen Laute wie mit einem Messer abschnitt.
Die hohe Tür am anderen Ende des Saals öffnete sich, und zwei Trollocs traten ein. Dornen schmückten die schwarzen Kettenhemden, die bis zu ihren Knien herunterhingen. Alle wichen vor ihnen zurück. Sogar der Mann, der sich Bors nannte.
Sie überragten auch die größten der anwesenden Menschen um wenigstens zwei Köpfe und stellten eine abscheuliche Mischung aus Mensch und Tier dar. Menschliche Gesichter, doch verzerrt und verändert. Einer hatte einen massigen spitzen, gekrümmten Schnabel, wo eigentlich Mund und Nase hätten sein sollen, und statt Haar bedeckten Federn seinen Kopf. Der andere ging auf Hufen, das Gesicht lief in einer behaarten Schnauze aus, und über seinen Ohren wuchsen Ziegenhörner.
Die Trollocs schenkten den Menschen keine Beachtung, drehten sich zur Tür um und verbeugten sich demütig und ängstlich. Die Federn des einen sträubten sich zu einem schmalen Kamm.
Ein Myrddraal trat zwischen sie, und sie sanken auf die Knie. Er war in ein Schwarz gekleidet, das die Kettenhemden der Trollocs und die Masken der Menschen blass wirken ließ. Seine Kleidung hing vollkommen glatt an ihm herunter, während er sich mit der Geschmeidigkeit einer Viper bewegte.
Der Mann, der sich Bors nannte, fühlte, wie sich seine Lippen verzogen, halb, um zu knurren und halb, wie er schamhaft zugeben musste, auch aus Angst. Der Myrddraal hatte sein Gesicht nicht vermummt. Sein leichenblasses Antlitz war das eines Mannes, doch ohne Augen wirkte es wie ein Ei, wie eine Larve in einem Grab.
Das glatte, blasse Gesicht drehte sich langsam und betrachtete einen nach dem anderen, wie es schien. Ein sichtbares Schaudern pflanzte sich unter diesem augenlosen Blick durch die Menge fort. Dünne, blutleere Lippen verzogen sich zum Anflug eines Lächelns, als sich einer nach dem anderen der Maskierten nach hinten in die Menge hineinzuschieben versuchte, um diesem Blick zu entgehen. Der Blick des Myrddraal ließ sie sich in der Form eines Halbkreises mit den Gesichtern zur Tür gewandt zusammendrängen.
Der Mann, der sich Bors nannte, schluckte. Der Tag wird kommen, Halbmensch. Wenn der Große Herr der Dunkelheit wiederkehrt, wird er seine neuen Schattenlords erwählen, und du wirst dich vor ihnen ducken. Du wirst dich Menschen beugen müssen. Mir! Warum spricht das Wesen nicht? Hör auf, mich anzustarren, und sprich endlich!
»Euer Herr kommt.« Die Stimme des Myrddraal rasselte wie die zerbröckelnde, trockene Haut einer Schlange. »Auf die Bäuche, ihr Würmer! Kriecht, damit sein Strahlen euch nicht blendet und verbrennt!«
Zorn erfüllte den Mann, der sich Bors nannte, sowohl des Tonfalls wie auch der Worte wegen, aber dann begann die Luft über dem Halbmenschen zu flimmern, und die Bedeutung seiner Worte kam ihm zu Bewusstsein. Das kann nicht sein! Das kann nicht …! Die Trollocs lagen schon auf dem Bauch und wanden sich, als wollten sie sich in den Boden hineinbohren.
Ohne darauf zu warten, dass sich die anderen bewegten, ließ sich der Mann, der sich Bors nannte, bäuchlings zu Boden fallen. Er ächzte, als er hart auf dem Stein aufschlug. Worte drangen ihm über die Lippen, die ihn gegen Gefahr schützen sollten – sie wirkten wie ein Amulett, waren aber nur ein dürftiger Schutz gegen das, was er fürchtete –, und er hörte hundert andere Stimmen, die angsterfüllt die gleichen Worte murmelten.
»Der Große Herr der Dunkelheit ist mein Meister, und ich diene ihm von ganzem Herzen bis zum letzten Winkel meiner Seele.« In seinem Hinterkopf zeterte eine furchtsame Stimme. Der Dunkle König und alle Verlorenen sind gefangen … Zitternd zwang er sich zur Ruhe. Diese Stimme hatte er doch schon lange hinter sich gelassen! »Höret: Mein Meister ist der Herr über den Tod. Ich flehe um nichts und diene ihm, damit der Tag seiner Rückkehr nahe, und doch diene ich in der sicheren Hoffnung auf das ewige Leben.« … gefangen in Shayol Ghul, gefangen vom Schöpfer im Augenblick der Schöpfung. Nein, ich diene jetzt einem anderen Herrn. »Und gewiss werden die Getreuen im Land erhoben werden, erhoben über die Ungläubigen, erhoben über Throne, doch diene ich demütig, um den Tag seiner Wiederkehr vorzubereiten.« Die Hand des Schöpfers schützt uns alle, und das Licht beschützt uns vor dem Schatten. Nein, nein! Ein anderer Herr. »Schnell möge der Tag der Wiederkehr herbeikommen. Schnell möge der Große Herr der Dunkelheit kommen, um uns zu führen und die Welt für immer und ewig zu regieren.«
Der Mann, der sich Bors nannte, beendete die Litanei schwer atmend, als sei er zehn Meilen weit gerannt. Das rasselnde Atmen um ihn herum sagte ihm, dass er nicht der Einzige war.
»Erhebt euch! Erhebt euch alle!«
Die einschmeichelnde Stimme überraschte ihn. Sicher hatte doch keiner der anderen gesprochen, die auf dem Bauch lagen und ihre maskierten Gesichter gegen den Mosaikboden gepresst hielten, aber dies war nicht die Art von Stimme, die er erwartete … Vorsichtig hob er den Kopf gerade weit genug, um mit einem Auge nach oben schielen zu können.
Die Gestalt eines Mannes schwebte über dem Myrddraal in der Luft. Der Saum seines blutroten Gewands hing nur eine Spanne über dem Kopf des Halbmenschen. Er trug auch eine blutrote Maske. Würde ihnen der Große Herr der Dunkelheit als Mensch erscheinen? Und auch noch maskiert? Und doch lag Angst im Blick des Myrddraal. Er zitterte und duckte sich fast in den Schatten der Gestalt. Der Mann, der sich Bors nannte, suchte verzweifelt nach einer Antwort, die sein Verstand erfassen konnte, ohne zu bersten. Vielleicht einer der Verlorenen?
Dieser Gedanke schmerzte nur unwesentlich weniger. Selbst in dem Fall bedeutete es, dass der Tag der Wiederkehr des Dunklen Königs bevorstehen musste, wenn schon einer der Verlorenen frei war. Die Verlorenen, dreizehn der mächtigsten Benutzer der Einen Macht in einem Zeitalter, in dem viele die Eine Macht in hohem Maße lenken konnten, waren zusammen mit dem Dunklen König in Shayol Ghul eingeschlossen worden, von der Welt der Menschen durch die Siegel des Drachen und der Hundert Gefährten abgeriegelt.
Und der Rückschlag dieser Versiegelung hatte die männliche Hälfte der Wahren Quelle verdorben, und alle männlichen Aes Sedai, diese verfluchten Magier der Macht, waren wahnsinnig geworden und zerstörten die Welt, zerbrachen sie wie eine Tonschale, die man auf einen Stein schmettert, und beendeten das Zeitalter der Legenden, bevor sie starben; verwesten, während sie noch am Leben waren. Ein passender Tod für Aes Sedai, seiner Meinung nach. Sogar noch zu gut für sie. Er bedauerte nur, dass die Frauen verschont geblieben waren.
Langsam und schmerzerfüllt drängte er die Panik in den hintersten Winkel seines Verstands zurück, sperrte sie dort ein und hielt sie fest, obwohl sie danach schrie, wieder herausgelassen zu werden. Er gab sein Bestes. Keiner der anderen, die dort auf dem Boden lagen, hatte sich erhoben, und nur wenige hatten es gewagt, den Kopf zu heben.
»Erhebt euch!« Diesmal klang die Stimme der rot maskierten Gestalt schärfer. Sie gestikulierte mit beiden Händen. »Steht auf!«
Der Mann, der sich Bors nannte, mühte sich ungeschickt auf die Beine, und auf halbem Weg zögerte er. Diese gestikulierenden Hände waren schrecklich verbrannt, von schwarzen Rissen bedeckt. Das rohe Fleisch dazwischen war so rot wie das Gewand der Gestalt. Würde der Dunkle König so erscheinen? Oder auch nur einer der Verlorenen? Die Augenlöcher dieser blutroten Maske schwenkten langsam auf ihn zu, und er richtete sich hastig auf. Er glaubte, in diesem Blick die Hitze eines offenen Schmelzofens zu spüren.
Die anderen befolgten den Befehl genauso ungeschickt und nicht weniger angsterfüllt. Sie erhoben sich. Als alle standen, sprach die schwebende Figur: »Ich bin unter vielen Namen bekannt, doch derjenige, unter dem ihr mich kennen sollt, lautet Ba’alzamon.«
Der Mann, der sich Bors nannte, biss sich auf die Zähne, damit sie nicht klapperten. Ba’alzamon. In der Trolloc-Sprache bedeutete das ›Herz der Dunkelheit‹, und selbst die Ungläubigen wussten, dass dies der Trolloc-Name für den Großen Herrn der Dunkelheit war. ›Er, dessen Name nicht ausgesprochen werden darf.‹ Nicht der wirkliche Name, Shai’tan, aber trotzdem verboten. Unter den hier Versammelten und anderen ihrer Art galt es als Blasphemie, einen der beiden Namen mit menschlicher Zunge auszusprechen. Sein Atem pfiff durch die Nasenlöcher, und um sich herum hörte er, wie andere hinter ihren Masken schwer atmeten. Die Diener waren weg, genau wie die Trollocs, obwohl er nicht gesehen hatte, wie sie sich entfernt hatten.
»Der Ort, an dem ihr steht, liegt im Schatten von Shayol Ghul.« Zahlreiche Stimmen stöhnten auf. Der Mann, der sich Bors nannte, war sich nicht sicher, ob seine eigene Stimme darunter war. Ein Hauch von etwas, das man durchaus als Spott bezeichnen konnte, schwang in Ba’alzamons Stimme mit, als er die Arme ausbreitete: »Ängstigt euch nicht, denn der Tag, an dem euer Herr sich wieder in die Welt begeben wird, ist nahe. Der Tag der Rückkehr naht. Seht ihr es nicht schon daran, dass ich hier bin, um von euch wenigen bevorzugten Brüdern und Schwestern gesehen zu werden? Bald wird das Rad der Zeit zerbrochen. Bald wird die Große Schlange sterben, und mit der Macht, die mir dieser Tod verleiht, der Tod der Zeit selbst, wird euer Herr die Welt nach seinem Bilde wiedererschaffen – für dieses Zeitalter und alle kommenden. Und diejenigen, die mir treu und standhaft dienen, werden mir zu Füßen über den Sternen im Himmel sitzen und die Welt der Menschen für immer regieren. Das habe ich versprochen, und so soll es sein und nie mehr enden. Ihr sollt für immer leben und herrschen.«
Ein erwartungsvolles Gemurmel erhob sich unter den Zuhörern, und manche traten sogar einen Schritt vor, auf die schwebende, blutrote Gestalt zu, und sie erhoben gebannt die Augen zu ihm. Sogar der Mann, der sich Bors nannte, fühlte die Verlockung in diesem Versprechen, für das er hundertmal schon seine Seele verkauft hatte.
»Der Tag der Wiederkehr rückt näher«, sagte Ba’alzamon. »Aber es gibt noch viel zu tun. Viel zu tun.«
Die Luft an Ba’alzamons linker Seite flimmerte und verdichtete sich. Die Gestalt eines jungen Mannes schwebte dort – ein wenig niedriger als Ba’alzamon. Der Mann, der sich Bors nannte, konnte sich nicht entscheiden, ob es ein lebender Mensch war oder nicht. Ein Bauernjunge, nach seiner Kleidung zu schließen, in dessen braunen Augen der Schalk blitzte und der die Andeutung eines Lächelns auf den Lippen trug, als erinnere er sich an einen alten Streich oder freue sich auf einen neuen. Die Haut wirkte warm, aber der Brustkorb hob sich nicht beim Atmen, und die Augenlider bewegten sich nicht.
Nun flimmerte die Luft zu Ba’alzamons Rechten wie vor Hitze, und eine zweite ländlich gekleidete Gestalt hing ein wenig unterhalb von Ba’alzamon in der Luft. Ein wollköpfiger Jüngling mit Muskeln wie ein Hufschmied. Und etwas Eigenartiges: An seiner Seite hing eine Streitaxt, ein großer, stählerner Halbmond an einem dicken Schaft. Der Mann, der sich Bors nannte, beugte sich plötzlich vor, da ihm etwas noch Eigenartigeres aufgefallen war. Ein Jüngling mit gelben Augen.
Zum dritten Mal verfestigte sich die Luft zur Gestalt eines jungen Mannes, diesmal direkt unter Ba’alzamon, beinahe auf seinen Füßen. Ein hoch gewachsener Bursche mit Augen, die einmal grau und dann wieder blau schienen – je nach Lichteinfall –, und dunklem, rötlichem Haar. Wieder ein Dorfjunge oder Bauer. Der Mann, der sich Bors nannte, schnappte nach Luft. Und wieder hatte er etwas Außergewöhnliches entdeckt, obwohl er sich fragte, wieso es an diesen Jungen Außergewöhnliches zu entdecken gab. Ein Schwert hing am Gürtel dieser Gestalt, ein Schwert mit einem Bronzereiher auf der Scheide und einem weiteren am langen Knauf. Ein Dorfjunge mit einem Reiherschwert? Unmöglich! Was hat das zu bedeuten? Und ein Junge mit gelben Augen. Er bemerkte, wie der Myrddraal zitternd die Gestalten anblickte, und falls er sich nicht täuschte, zitterte er nicht vor Furcht, sondern vor Hass.
Totenstille hatte sich ausgebreitet, Stille, die Ba’alzamon eine Weile wirken ließ, bevor er weitersprach. »Es gibt einen, der nun auf der Welt wandelt, einen, der war einmal und wird es wieder sein, aber er ist es noch nicht: der Drache.«
Ein überraschtes Gemurmel breitete sich unter den Zuhörern aus. »Der Wiedergeborene Drache! Wir sollen ihn töten, Großer Herr?« Das kam von dem Shienarer, dessen Hand eifrig an die Hüfte griff, wo vermutlich sein Schwert hing.
»Vielleicht«, sagte Ba’alzamon schlicht. »Und vielleicht auch nicht. Vielleicht kann er mir nützlich sein. Früher oder später wird er mir dienen, in diesem Zeitalter oder in einem anderen.«
Der Mann, der sich Bors nannte, blinzelte. In diesem Zeitalter oder in einem anderen? Ich dachte, der Tag der Rückkehr sei nahe. Was kümmert es mich, was in einem anderen Zeitalter geschieht, wenn ich in diesem alt werde und wartend sterbe? Aber Ba’alzamon fuhr fort: »Es ergibt sich bereits ein Knick im Muster an einem der vielen Punkte, wo derjenige, der der Drache sein wird, zu meinem Diener werden kann. Werden muss! Besser, wenn er mir lebend dient als tot, aber tot oder lebendig, er muss und wird mir dienen! Diese drei müsst ihr erkennen, denn jeder ist ein Faden in dem Muster, das ich weben werde, und es wird an euch sein, dafür zu sorgen, dass sie so eingesetzt werden, wie ich es befehle. Betrachtet sie genau, damit ihr sie erkennt.«
Plötzlich war jeder Laut erstorben. Der Mann, der sich Bors nannte, trat nervös von einem Bein auf das andere, und ihm fiel auf, dass andere dasselbe taten. Alle außer der Frau aus Illian, stellte er fest. Sie hatte die Hände vor dem Busen ausgebreitet, als wolle sie ihre üppigen Formen, die sie zur Schau stellte, verbergen; ihre Augen waren geweitet, halb verängstigt und halb verzückt, und sie nickte eifrig, als nicke sie jemandem zu, der ihr gegenüberstand. Manchmal schien es, als antworte sie, aber der Mann, der sich Bors nannte, hörte kein Wort. Plötzlich beugte sie sich nach hinten, wobei sie bebte und sich auf die Zehenspitzen erhob. Er konnte nicht erkennen, warum sie nicht fiel, es sei denn, irgendetwas Unsichtbares hätte sie gehalten. Dann fiel sie genauso plötzlich wieder auf die Füße und nickte erneut. Sie verbeugte sich zitternd. Während sie sich noch aufrichtete, zuckte eine der Frauen mit dem Ring der Großen Schlange zusammen und begann zu nicken.
Also hört jeder von uns seine eigenen Instruktionen, aber keiner kann die der anderen hören. Der Mann, der sich Bors nannte, knurrte missmutig vor sich hin. Wenn er nur wüsste, welche Aufträge auch nur einer der anderen erhielt, könnte er das zum eigenen Vorteil nutzen, aber so … Ungeduldig wartete er darauf, dass er selbst an die Reihe kam, und vergaß sich sogar soweit, dass er sich gerade aufrichtete.
Einer nach dem anderen aus der Versammlung erhielt seine Befehle. Jeder war dabei in Schweigen gehüllt, lieferte durch seine Bewegungen aber doch quälend ungewisse Andeutungen. Wenn er sie nur hätte deuten können! Der Mann aus dem Volk der Atha’an Miere versteifte sich widerstrebend, auch wenn er nickte. An der Haltung des Shienarers erkannte man seine Verwirrung, obwohl er offensichtlich zustimmte. Die zweite Frau aus Tar Valon zuckte erschrocken zusammen, und die in Grau gehüllte Person, deren Geschlecht er nicht bestimmen konnte, schüttelte zunächst den Kopf, bevor sie auf die Knie fiel und lebhaft nickte. Einige zeigten die gleichen krampfartigen Symptome wie die Illianerin, als reiche allein der Schmerz, sie auf die Zehenspitzen zu heben.
»Bors!«
Der Mann, der sich Bors nannte, zuckte zusammen, als eine rote Maske sein Gesichtsfeld ausfüllte. Er konnte den Saal immer noch sehen und auch die schwebende Gestalt Ba’alzamons und die drei anderen Gestalten davor, aber gleichzeitig war alles, was er wahrnehmen konnte, das rot maskierte Gesicht. Ihm war schwindelig, und er fühlte sich, als zerplatze sein Schädel und als würden ihm die Augen aus dem Kopf getrieben. Einen Augenblick lang glaubte er, durch die Augenlöcher der Maske hindurch Flammen zu sehen.
»Bist du mir treu … Bors?«
Die Andeutung von Spott bei der Erwähnung seines Namens jagte ihm einen kalten Schauder über den Rücken. »Ich bin treu, Großer Herr. Ich könnte es nicht vor Euch verbergen.« Ich bin treu! Ich schwöre es!
»Nein, das kannst du nicht.«
Die Gewissheit in Ba’alzamons Stimme ließ seinen Mund austrocknen, aber er zwang sich zum Sprechen: »Befehlt mir, Großer Herr, und ich gehorche.«
»Zunächst sollst du nach Tarabon zurückkehren und deine guten Werke fortsetzen. Ich befehle dir sogar, deine Anstrengungen zu verdoppeln.«
Er sah Ba’alzamon verblüfft an, doch dann flammten hinter der Maske wieder Feuer auf, und er gebrauchte eine Verbeugung als Vorwand, um wegzusehen. »Wie Ihr befehlt, Großer Herr, so soll es geschehen.«
»Zweitens wirst du nach den drei jungen Männern Ausschau halten und auch deine Anhänger nach ihnen suchen lassen. Sei gewarnt; sie sind gefährlich.«
Der Mann, der sich Bors nannte, blickte zu den vor Ba’alzamon schwebenden Gestalten hinüber. Wie kann ich das tun? Ich kann sie sehen, aber ich kann nichts anderes wahrnehmen als sein Gesicht. Sein Kopf drohte zu bersten. Seine Hände unter den dünnen Handschuhen schwitzten, und das Hemd klebte an seinem Rücken. »Gefährlich, Großer Herr? Bauernjungen? Ist einer von ihnen der …«
»Ein Schwert ist gefährlich für den, der davor steht, aber nicht für denjenigen, der den Griff hält. Es sei denn, der Mann, der das Schwert hält, ist ein Narr oder unvorsichtig oder ungeübt. In diesem Fall ist es für ihn doppelt so gefährlich wie für jeden anderen. Es genügt, dass ich dir befohlen habe, nach ihnen Ausschau zu halten. Es genügt, wenn du mir einfach gehorchst.«
»Wie Ihr befehlt, Großer Herr, so soll es geschehen.«
»Der dritte Punkt betrifft diejenigen, die auf der Toman-Halbinsel gelandet sind, und die Domani. Du wirst mit niemandem darüber sprechen. Wenn du nach Tarabon zurückkehrst …«
Der Mann, der sich Bors nannte, merkte beim Zuhören, dass sein Mund offen stand. Die Anweisungen ergaben keinen Sinn. Wenn ich wüsste, was er zu ein paar der anderen gesagt hat, könnte ich mir vielleicht einen Reim darauf machen.
Mit einem Mal fühlte er, wie sein Kopf von der Hand eines Riesen gepackt zu werden schien, der seine Schläfen fast eindrückte. Er wurde hochgehoben, und die Welt explodierte in tausend Feuerwerksraketen. Jeder Lichtblitz wurde zu einem Bild, das ihm durch den Kopf schoss oder wirbelte und in der Entfernung kleiner wurde, bevor er es auch nur halbwegs begreifen konnte. Ein unmöglicher Himmel mit roten und gelben und schwarzen Streifenwolken, die über den Himmel rasten, als würden sie von dem stärksten Sturm getrieben, den die Welt je erlebt hatte. Eine weiß gekleidete Frau – ein Mädchen? – schwamm in die Schwärze hinein und verschwand, kaum dass sie aufgetaucht war. Eine Rabe blickte ihm in die Augen, erkannte ihn und war weg. Ein gerüsteter Mann mit einem grotesken Helm, geformt und bemalt und vergoldet wie ein unheimliches, giftiges Insekt, hob sein Schwert und stürzte sich seitlich aus seinem Gesichtsfeld hinaus. Ein Horn, gekrümmt und golden, flog aus weiter Entfernung heran. Ein durchdringender Ton erklang, als es auf ihn zuflog. Der Ton riss an seiner Seele. Im letzten Moment blitzte es auf und wurde zu einem blendend goldenen Lichtring, der durch ihn hindurchglitt und ihn in Todeskälte erschauern ließ. Ein Wolf sprang aus dem Schatten des Nicht-Sichtbaren und biss ihm die Kehle durch. Er konnte nicht schreien. Der Strom floss weiter, ertränkte ihn, begrub ihn. Er konnte sich kaum noch daran erinnern, wer er war oder was er war. Aus dem Himmel regnete es Feuer, und Mond und Sterne stürzten herab; Blut rann in den Flussbetten, und die Toten standen auf; die Erde öffnete sich und spie geschmolzenen Fels aus …
Der Mann, der sich Bors nannte, fand sich in gebückter Haltung im Saal wieder. Die meisten anderen musterten ihn schweigend. Wo immer er auch hinsah, nach oben oder nach unten oder sonst wohin, überall überwältigte ihn der Anblick von Ba’alzamons maskiertem Gesicht. Die Bilder, die seinen Geist überflutet hatten, verschwammen langsam; er war sicher, dass er vieles bereits vergessen hatte. Zögernd richtete er sich auf. Ba’alzamon befand sich unverändert genau vor ihm.
»Großer Herr, was …?«
»Es gibt Befehle, die zu wichtig sind, sodass selbst der, der sie ausführt, nichts davon wissen soll.«
Der Mann, der sich Bors nannte, verbeugte sich beinahe doppelt so tief wie zuvor. »Wie Ihr befehlt, Großer Herr«, flüsterte er heiser, »so soll es geschehen.«
Als er sich erneut aufrichtete, befand er sich wieder allein in der Stille. Ein anderer, der Hohe Herr aus Tear, nickte nun und verbeugte sich vor jemandem, den niemand sonst sah. Der Mann, der sich Bors nannte, fasste sich mit zittriger Hand an die Stirn und versuchte etwas festzuhalten, das ihm durch den Kopf geschossen war, obwohl er sich nicht einmal ganz sicher war, dass er sich daran erinnern wollte. Der letzte Rest verflog, und plötzlich fragte er sich, woran er sich eigentlich erinnern wollte. Ich weiß, da war etwas, aber was? Es war irgendetwas! Oder? Er rieb sich die Hände, verzog das Gesicht, als er den Schweiß unter seinen Handschuhen fühlte, und wandte seine Aufmerksamkeit den drei Gestalten zu, die vor Ba’alzamons schwebendem Körper in der Luft hingen.
Der muskulöse Junge mit den lockigen Haaren, der Bauer mit dem Schwert und der Bursche, dem der Schalk aus den Augen lugte. Im Geist hatte der Mann, der sich Bors nannte, den dreien bereits Namen verliehen: Hufschmied, Schwertkämpfer und Schwindler. Wo stehen sie in diesem Rätsel? Sie mussten wichtig sein, sonst hätte Ba’alzamon sie nicht in den Mittelpunkt dieser Versammlung gestellt. Doch nach seinen Befehlen allein zu schließen, konnten sie alle jederzeit sterben, und er nahm an, dass zumindest einige der anderen ebenso tödliche Befehle in Bezug auf die drei erhalten hatten. Wie wichtig sind sie? Blaue Augen konnten bedeuten, dass man dem Adel von Andor angehörte – bei dieser Kleidung allerdings unwahrscheinlich –, und es gab Leute aus den Grenzlanden, die helle Augen hatten, genau wie einige Tareni, nicht zu vergessen ein paar aus Ghealdan, und natürlich … Nein, das half alles nichts. Aber gelbe Augen? Wer sind sie? Was sind sie?
Er fuhr zusammen, als jemand seinen Arm berührte. Als er sich umblickte, sah er, dass einer der weiß gekleideten Diener, ein junger Mann, an seiner Seite stand. Auch die anderen waren wieder da, mehr sogar als zuvor – einer für jeden der Maskierten. Er blinzelte. Ba’alzamon war verschwunden. Auch der Myrddraal war fort, und wo sich die Tür befunden hatte, war jetzt nur blanker Felsen zu sehen. Aber die drei Gestalten hingen immer noch dort. Er hatte das Gefühl, sie starrten ihn an.
»Wenn es Euch recht ist, Lord Bors, zeige ich Euch Euer Zimmer.«
Er mied diese toten Augen, blickte noch einmal zu den drei Gestalten hinüber und folgte ihm dann. Unsicher fragte er sich, woher der Jüngling gewusst hatte, welchen Namen er benutzen musste. Erst als sich die mit fremdartigen Schnitzereien bedeckte Tür hinter ihm geschlossen hatte und sie ein Dutzend Schritte weit gegangen waren, fiel ihm auf, dass er sich mit dem Diener allein im Korridor befand. Seine Augenbrauen zogen sich hinter der Maske misstrauisch zusammen, doch bevor er ein Wort herausbekam, sagte der Diener: »Auch die anderen werden jetzt in ihre Zimmer geführt, Lord Bors. Würdet Ihr mir bitte folgen? Die Zeit ist knapp, und unser Herr ist ungeduldig.«
Der Mann, der sich Bors nannte, knirschte mit den Zähnen, zum einen wegen des Mangels an Aufklärung und zum anderen, weil der Diener zu ihm wie zu einem Gleichgestellten gesprochen hatte, doch er folgte ihm schweigend. Nur ein Narr ließ seine Laune an einem Diener aus, und was noch schlimmer war: Wenn er sich an die toten Augen des Burschen erinnerte, war er nicht sicher, ob es überhaupt etwas bewirken würde. Und woher wusste er, was ich fragen wollte? Der Diener lächelte.
Der Mann, der sich Bors nannte, fühlte sich nicht besonders wohl, bis er wieder in dem Zimmer war, in dem er nach seiner Ankunft gewartet hatte, doch auch dort war es nicht wesentlich besser. Es half auch nicht viel, dass er die Siegel an seinen Satteltaschen unversehrt vorfand. Der Diener stand in der Tür, kam aber nicht herein. »Ihr könnt Euch jetzt umziehen und wieder Eure eigene Kleidung tragen, wenn Ihr es wünscht, Lord Bors. Niemand kann Euch beobachten, wenn Ihr abreist oder wenn Ihr an Eurem Ziel ankommt, aber es ist am besten, wenn Ihr bei der Ankunft korrekt angezogen seid. Es kommt bald jemand, um Euch den Weg zu zeigen.«
Ohne von einer sichtbaren Hand berührt zu werden, schloss sich die Tür.
Der Mann, der sich Bors nannte, schauderte gegen seinen Willen. Hastig öffnete er die Siegel und Schnallen seiner Satteltaschen und zog seinen Umhang heraus. Im Hinterkopf fragte ihn eine leise Stimme, ob die versprochene Macht und selbst die Unsterblichkeit ein weiteres Treffen wie dieses wert seien, aber er übertönte die Stimme schnell mit einem Lachen. Für so viel Macht würde ich dem Großen Herrn der Dunkelheit auch unter der Kuppel der Wahrheit noch huldigen. Er erinnerte sich an die Befehle, die ihm Ba’alzamon mitgegeben hatte, und seine Finger glitten über die strahlende goldene Sonne auf der Brust seines weißen Umhangs und den roten Hirtenstab hinter der Sonne, die Zeichen seines Amtes in der Welt der Menschen, und beinahe hätte er gelacht. Es gab Arbeit, wichtige Arbeit, in Tarabon und auf der Ebene von Almoth.
Das Rad der Zeit dreht sich, und die Zeitalter kommen und gehen, hinterlassen Erinnerungen, die zu Legenden werden, verblassen zu bloßen Mythen und sind längst vergessen, wenn dieses Zeitalter wiederkehrt. In einem Zeitalter, von einigen das Dritte genannt, einem Zeitalter, das noch kommen wird und das schon lange vorbei ist, erhob sich ein Wind in den Bergen des Verderbens. Der Wind stand nicht am Anfang. Es gibt weder Anfang noch Ende, wenn sich das Rad der Zeit dreht. Aber es war ein Beginn.
Er wurde zwischen schwarzen, messerscharfen Felsgipfeln geboren, wo der Tod durch die Pässe wanderte und sich doch vor noch gefährlicheren Dingen verbarg. Von dort wehte der Wind nach Süden über den Wald der Großen Fäule, der von der Berührung des Dunklen Königs vergiftet und verzerrt worden war. Der krankhaft-süßliche Gestank nach Fäulnis verflog, als der Wind die unsichtbare Linie überquerte, die von den Menschen die Grenze nach Shienar genannt wurde, wo die Bäume voller Frühlingsblüten hingen. Es hätte eigentlich schon Sommer sein sollen, aber der Frühling war spät eingekehrt, und das Land blühte im Übermaß, um aufzuholen. Auf jedem Busch raschelte neues, grünes Laub, und an jedem Ast der vielen Bäume zeigte sich frisch sprießendes Rot. Der Wind schlug Wellen in der aufgehenden Saat auf den Feldern wie auf tosenden Gewässern. Die Saat wuchs so schnell, dass man es fast mit bloßem Auge verfolgen konnte.
Der Geruch nach Tod war schon lange verflogen, als der Wind die von Mauern geschützte Stadt Fal Dara auf ihren Hügeln erreichte und den Turm der Festung im Mittelpunkt der Stadt peitschte, einen Turm, auf dem zwei Männer zu tanzen schienen. Von festen Mauern umgeben, waren sowohl die Stadt als auch die Festung von Fal Dara nie eingenommen, nie verraten worden. Der Wind seufzte über Dächer aus Holzschindeln, um hohe steinerne Schornsteine und größere Wachtürme; seufzte sein klagendes Lied.
Mit nacktem Oberkörper zitterte Rand al’Thor unter der kalten Liebkosung des Windes, und seine Finger verkrampften sich um den langen Knauf des Übungsschwerts, das er in der Hand hielt. Die heiße Sonne hatte den Schweiß über seine Brust rinnen lassen, und das rötliche, dunkle Haar klebte ihm am Kopf. Ein schwacher Geruch in der um ihn herum wirbelnden Luft stieg ihm in die Nase, doch er verband den Geruch nicht mit dem Bild eines alten Grabes, das man frisch geöffnet hatte, obwohl ihm das für einen Moment durch den Kopf ging. Er war sich des Geruchs und des Bildes kaum bewusst, da er sich bemühte, seinen Geist zu leeren und das Nichts heraufzubeschwören. Doch der andere Mann, der mit ihm auf der Plattform des Turms stand, störte ihn ständig in seinem Bemühen. Zehn Schritte breit war diese Fläche auf dem Turm und umgeben von einer brusthohen Zinnenmauer. Wirklich groß genug, um sich nicht beengt zu fühlen, außer wenn man diese Fläche mit einem Behüter teilen musste.
Trotz seiner Jugend überragte Rand die meisten anderen Männer. Lan war jedoch genauso groß wie er und hatte stärkere Muskelpakete, auch wenn seine Schultern nicht ganz so breit waren. Ein schmales, geflochtenes Lederband hielt das lange Haar des Behüters aus seinem Gesicht, das aus steinigen Flächen und harten Winkeln zu bestehen schien und das trotz der leicht grau gefärbten Schläfen keine Falten aufwies. Trotz Hitze und Anstrengung glänzte nur ein dünner Schweißfilm auf seiner Brust und den Armen. Rand sah Lan in die eisig blauen Augen und suchte nach einem kleinen Hinweis darauf, was der andere Mann vorhatte. Der Behüter schien nicht einmal die Augenlider zu bewegen und schwang das Übungsschwert in seinen Händen geschmeidig und sicher, während er sich von einer Stellung in die andere begab.
Das Übungsschwert hatte statt einer Klinge ein Bündel dünner, lose befestigter Stäbe, die ein lautes Geräusch von sich gaben, wenn sie auf etwas auftrafen, und die eine Schwellung zurückließen, wo sie auf den Leib geklatscht waren. Rand wusste das nur zu gut. Drei dünne, rote Striemen zogen sich beißend über seine Rippen, und ein weiterer brannte an seiner Schulter. Er hatte es nur mit Mühe vermeiden können, sich noch mehr solcher Verzierungen zuzuziehen. Bei Lan zeigte sich keine Spur irgendeines Striemens.
Wie er es gelernt hatte, formte Rand eine einzelne Flamme in seinem Geist und konzentrierte sich darauf, versuchte, alle Gefühle und alle Leidenschaft hineinzufüllen und in seinem Inneren einen leeren Raum, ein Nichts zu erzeugen. Selbst jeder Gedanke sollte verbannt werden. Die Leere entstand. Wie nur zu oft in letzter Zeit war es keine perfekte Leere; die Flamme zeigte sich noch immer, oder zumindest schickte irgendein Lichtschimmer Wellen durch die Finsternis. Aber es reichte gerade so. Der kühle Friede des Nichts breitete sich über ihn aus, und er wurde eins mit dem Übungsschwert, mit den glatten Steinplatten unter seinen Stiefeln, selbst mit Lan. Alles war eins, und er bewegte sich ohne nachzudenken in einem Rhythmus, der Schritt für Schritt und Bewegung auf Bewegung den Behüter kopierte.
Der Wind erhob sich erneut und trug Glockengeläut von der Stadt herauf. Irgendjemand feiert unentwegt, dass der Frühling endlich da ist. Der von außen einströmende Gedanke flatterte auf Lichtwellen durch das Nichts, störte die Leere, und als könne der Behüter Rands Gedanken lesen, wirbelte das Übungsschwert in Lans Hand auf Rand zu.
Eine lange Minute erfüllte das schnelle Klack-Klack-Klack der gebündelten Stäbe die Plattform auf dem Turm. Rand versuchte erst gar nicht, den anderen anzugreifen; er hatte alle Hände voll damit zu tun, die Streiche des Behüters abzufangen. Damit beschäftigt, Lans Hiebe im letzten Moment abzuwehren, ließ er sich zurückdrängen. Lans Gesichtsausdruck änderte sich nie. Das Übungsschwert schien in seinen Händen zum Leben zu erwachen. Plötzlich verwandelte sich der weit schwingende Hieb des Behüters mitten in der Bewegung und wurde zu einem Stoß. Überrascht trat Rand zurück, wobei er sich schon bei dem Gedanken an den Schlag duckte, der ihn nun treffen würde. Diesmal konnte er ihn nicht mehr abhalten.
Der Wind heulte über den Turm … und schnappte zu. Es war, als sei die Luft plötzlich zähflüssig geworden. Sie hielt ihn wie in einem Kokon fest. Schob ihn nach vorn. Die Zeit und alle Bewegungen verlangsamten sich. Erschrocken beobachtete er, wie Lans Übungsschwert auf seine Brust zielte. Der Aufschlag hatte nichts Langsames oder Sanftes an sich. Seine Rippen wurden wie durch einen Hammerschlag erschüttert. Er keuchte, aber der Wind ließ es nicht zu, dass er nachgab; stattdessen trieb er ihn vorwärts. Die Stäbe von Lans Übungsschwert bebten und bogen sich – ganz langsam, wie es Rand erschien –, und zerbrachen dann. Die scharfen, abgebrochenen Spitzen stießen auf sein Herz zu; unregelmäßige Splitter durchbohrten seine Haut. Schmerz durchfuhr seinen Körper. Seine ganze Haut schien aufgeschlitzt zu sein. Er brannte, als sei die Sonne aufgeflammt, um ihn wie ein Stück Speck in der Pfanne zu braten.
Mit einem Aufschrei warf er sich zurück und stolperte rückwärts gegen die Steinmauer. Mit zitternder Hand berührte er die Schnittwunden auf seiner Brust und hielt sich die blutigen Finger ungläubig vor die grauen Augen.
»Und was war das für eine Art von Parade, Schafhirte?«, schimpfte Lan. »Du solltest es jetzt besser können, es sei denn, du hast alles vergessen, was ich dir beizubringen versucht habe. Wie schlimm bist du …?« Er brach ab, als Rand zu ihm aufblickte.
»Der Wind.« Rands Mund war ausgetrocknet. »Er … er hat mich vorgeschoben! Er … Er war fest wie eine Wand!«
Der Behüter blickte ihn schweigend an und streckte dann die Hand zu ihm aus. Rand nahm sie und ließ sich auf die Beine ziehen.
»Seltsame Dinge geschehen manchmal so nahe an der Fäule«, sagte Lan schließlich, doch so gleichmütig die Worte auch klangen, so besorgt war doch sein Unterton. Und das allein war schon seltsam genug. Behüter, diese halb legendären Kämpfer, die den Aes Sedai dienten, zeigten nur selten Gefühle, und bei Lan geschah das noch seltener als bei Behütern üblich. Er warf das abgebrochene Übungsschwert beiseite und lehnte sich an die Wand, wo ihre Kampfschwerter lagen, damit sie ihnen beim Üben nicht im Weg waren.
»Das hatte nichts damit zu tun«, protestierte Rand. Er setzte sich neben den anderen Mann und lehnte sich mit dem Rücken an den Stein. So lag die Oberkante der Mauer über Kopfhöhe und schützte ihn ein wenig vor dem Wind. Falls es überhaupt ein Wind war. Kein Wind hatte sich je so … fest … angefühlt wie dieser. »Friede! Vielleicht noch nicht einmal in der Fäule.«
»Für jemanden wie dich …« Lan zuckte die Achseln, als erkläre das alles. »Wann brichst du auf, Schafhirte? Vor einem Monat hast du gesagt, dass du gehen wirst, und ich glaubte, mittlerweile müsstest du schon drei Wochen lang unterwegs sein.«
Rand blickte überrascht zu ihm auf. Er verhält sich, als sei nichts geschehen! Mit finsterer Miene legte er das Übungsschwert hin und nahm sein richtiges Schwert auf die Knie. Seine Finger glitten an dem langen, lederumhüllten Griff mit dem eingesetzten Bronzereiher entlang. Ein anderer Bronzereiher befand sich auf der Scheide, und noch ein weiterer war auf der verborgenen Klinge eingraviert. Es war immer noch ein eigenartiges Gefühl für ihn, ein Schwert zu besitzen. Ein richtiges Schwert, und dazu noch eines mit dem Zeichen eines Schwertmeisters. Er war ein Bauer von den Zwei Flüssen, die nun so weit entfernt waren. Vielleicht für immer so weit von ihm entfernt. Er war Schäfer wie sein Vater – ich war Schäfer. Was bin ich jetzt? –, und sein Vater hatte ihm ein Schwert mit dem Reiherzeichen gegeben. Tam ist mein Vater, ganz gleich, was jemand anders behauptet. Er wünschte, seine Gedanken beruhten nicht auf dem Wunsch, sich selbst etwas einzureden.
Abermals schien Lan seine Gedanken zu erraten. »In den Grenzlanden, Schafhirte, ist es so: Wenn ein Mann ein Kind aufzieht, dann gehört das Kind ihm, und niemand kann etwas anderes behaupten.«
Mit gerunzelter Stirn ignorierte Rand die Worte des Behüters. Das war einzig und allein seine Angelegenheit. »Ich will lernen, wie man das benutzt. Ich muss es.« Es hatte ihm Ungemach bereitet, mit einem Reiherschwert herumzulaufen. Nicht jeder wusste, was es bedeutete, und viele bemerkten es gar nicht, aber trotzdem erregte ein Schwert mit Reiherzeichen, besonders in der Hand eines Jungen, der kaum alt genug war, um sich Mann zu nennen, die falsche Art von Aufmerksamkeit.
»Ich habe manchmal einfach Stärke vorgetäuscht, wenn ich nicht wegrennen konnte, und außerdem habe ich Glück gehabt. Aber was passiert, wenn ich nicht wegrennen und niemanden ins Bockshorn jagen kann und mein Glück versagt?«