Cover

Kyra und Sascha Kauffmann

DER HISTAMIN-IRRTUM

Weg von Radikaldiäten und Verbotslisten – die Formel für ein gesundes Leben mit Histamin

VAK Verlags GmbH
Kirchzarten bei Freiburg

Inhalt

Warum dieses Buch?

Das missverstandene Hormon

Fehldiagnose Histamin-Intoleranz

Der verlorene Schlüssel

Kein Leben ohne Histamin

Die Histamin-Rezeptoren

Dreierlei Histamin

Mastzellen-Histamin

Gehirn-Histamin

Nahrungs-Histamin

Von DAO, MAO und HNMT

Die Diaminoxidase (DAO)

Die Histamin-N-Methyl-Transferase (HNMT)

Monoaminoxidase B (MAO-B)

Wenn das Fass überläuft: Histaminosen

Was lässt das Histamin-Fass überlaufen?

Mikronährstoffmängel

Medikamente – der unterschätzte Faktor

Säure-Basen-Ungleichgewicht

Untertemperatur

Alkohol, Nikotin und Koffein

Schlechte Gene

Darm-Histaminosen

Der Bakterien-Typ

Der Mastzellen-Typ

Schwelbrand im Darm: Das Leaky-Gut-Syndrom

Achtung Verwechslungsgefahr: Salicylatunverträglichkeit

Chronische Mastzellaktivierungen

Allergien, Pseudoallergien und Parasitosen

Die systemischen Mastzellaktivierungserkrankungen (MCAD)

Was reizt die Mastzellen? Die häufigsten Trigger

Teufelskreis Schlafmangel

Hormon-Chaos I: Wenn die Schilddrüse Amok läuft

Hormon-Chaos II: Östrogendominanz

Knick im Genick: Die instabile Halswirbelsäule

Fake Food – Lug und Trug

Chronische Entzündungen im Zahn-Kiefer-Bereich

Schwermetallausleitung – aber richtig!

Chronischer Stress und Hochsensibilität

Kryptopyrrolurie und Hämopyrrollaktamurie

Labordiagnostik

Geld sparen durch Stufendiagnostik

Die korrekte Bestimmung von DAO und HNMT

Liegt zusätzlich eine Allergie vor?

Unverzichtbar: Gründliche Mastzellendiagnostik

Die wichtigsten Medikamente bei Histaminosen

Antihistaminika

Cortison und Adrenalin

Medikamente bei MCAD

Hilfe aus der funktionellen Medizin

Wunderwaffe Vitamin C: Von Seefahrern, Schweinen und rettenden Kaugummis

Vitamin-D-Therapie: Wichtig, aber bitte richtig!

Melatonintherapie: Gehirnwäsche im Schlaf

Curcuma longa: Die gelbe Wunderknolle

Quercetin: »An apple a day …«

CBD-Öl: Tropfen mit Potenzial

Zink: Die Wunderwaffe

PEA: Der Universal-Feuerlöscher

SAMe: Ohne Methylierung läuft nichts

Vitamin B6: Das zweischneidige Schwert

Ernährung: Gebote statt Verbote

Good Bye, Süßkartoffeln!

Essen mit der TAFF-Regel

Finger weg vom Alkohol – aber wie?

Der große Histamin-Selbsttest

Die vier Histaminose-Typen

Der Darm-Lunge-Typ

Spezielle Labordiagnostik für den Darm-Lunge-Typ

Histaminbedingtes Asthma

Herzrasen, Herzstolpern und Schwindelattacken

Hilfreiche Präparate für den Darm-Lunge-Typ

Der Hormon-Typ

Spezielle Labordiagnostik für den Hormon-Typ

Die Schilddrüse stärken

Die Nebennieren entlasten

Hilfe durch bioidentische Hormon-Therapie

Guter Hoffnung sein und bleiben: Histamin und Schwangerschaft

Hilfreiche Präparate für den weiblichen und männlichen Hormon-Typ

Der Histadelie-Typ

Spezielle Labordiagnostik für den Histadelie-Typ

Die Histamin-GABA-Verbindung

ADHS/ADS: Eine Histaminstörung?

Serotonin, Kynurenin und 5-HTP

Die instabile Halswirbelsäule

Der MCAD-Typ

Patientenfall: Behandlung nur mit funktioneller Medizin

Was zahlt die Kasse und wie überlebe ich als gesetzlich Versicherter?

Was tun bei chronischen Schmerzen und Operationen?

Bewährte Infusionstherapien

Gemeinsam gesünder werden: Selbsthilfegruppen

Ein Ausblick

Danksagung

Labore in Deutschland für die im Buch genannten Untersuchungen

Literaturempfehlungen und Quellen

WARUM DIESES BUCH?

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieses Buch ist kein weiteres über Histamin-Intoleranz und histaminarme Diäten. Davon gibt es bereits genug auf dem Markt. Daher findest du hier auch keine seitenlangen Verbotslisten für Nahrungsmittel.

Inwiefern könnte dieser Ratgeber dennoch interessant für dich sein?

• Wenn die Diagnose »Histamin-Intoleranz« dir alle möglichen leckeren Nahrungsmittel vom Speiseplan gestrichen hat, es dir damit aber trotzdem nicht viel besser geht.

• Wenn du ein Leben mit Antihistaminika, Cortison und anderen Medikamente führen musst, die deine Beschwerden zwar abmildern, aber nicht wirklich zum Verschwinden bringen.

• Wenn man dir nach einer Ärzte- und Heilpraktiker-Odyssee mit unzähligen Untersuchungen, Behandlungen und Diagnosen gesagt hat, dass deine scheinbar unerklärlichen Symptome zwar auch »irgendwie« mit Histamin zu tun haben, aber im Grunde genommen »psychisch bedingt« seien.

Histamin spielt bei vielen chronischen Erkrankungen eine entscheidende Rolle, die größtenteils unterschätzt oder missverstanden ist. Daraus entstehen unnötigerweise Falschdiagnosen und Folgeerkrankungen. Um das zu ändern, haben wir dieses Buch geschrieben.

Hier erfährst du:

• warum die gängige Diagnostik in 90 Prozent der Fälle weder ausreichend noch korrekt ist

• warum Nahrungsmittelverbote meist mehr schaden als nutzen

• wie Histamin deine Schilddrüse und deinen Zyklus ins Chaos stürzen kann (und umgekehrt!)

• warum Histamin dir den Schlaf rauben kann (nein, es ist nicht der Rotwein!)

• welcher Histaminose-Typ du bist

• mit welchem Programm du deine Histamin-Balance wiederherstellen und so deine Beschwerden nachhaltig lindern kannst

Alle Methoden in diesem Buch beruhen nicht nur auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern haben sich auch in unserer Praxis seit fast 20 Jahren bewährt. Wie immer in unseren Büchern lassen wir auch hier viele Experten aus Wissenschaft und Praxis zu Wort kommen. Wenn du dieses Buch bis zum Ende gelesen hast, wirst du Histamin und deine Beschwerden mit völlig anderen Augen betrachten und hoffentlich überzeugt sagen:

Es gibt ein gesundes Leben mit Histamin!

Wir wünschen viel Freude beim Lesen, viele neue Erkenntnisse und Erfolg bei der Umsetzung des neuen Wissens.

Kyra und Sascha Kauffmann

DAS MISSVERSTANDENE HORMON

Histamin hat einen schlechten Ruf, einen ziemlich schlechten sogar.

Oder fällt dir spontan etwas Gutes zu ihm ein? Doch woher kommt dieses Image?

Die Medizingeschichte hat eine Antwort: Wir schreiben das Jahr 1907. Der Chemiker Adolf Windaus (übrigens derselbe Adolf Windaus, der für seine Forschungen zu Vitamin D und Rachitis im Jahre 1928 den Nobelpreis für Chemie bekam) entwickelte beim Experimentieren mit B-Vitaminen zufällig eine Substanz, die er »Imidazoläthylamin« nannte. Begeistert berichtete er über seine Entdeckung in den einschlägigen Fachzeitschriften. Windaus ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass seine Entdeckung eigentlich ein Naturstoff ist, der im gesamten Pflanzen- und Tierreich (auch natürlich beim Menschen) seit Millionen von Jahren vorkommt. Drei Jahre später fanden britische Wissenschaftler den gleichen Stoff zufällig im Mutterkorn. Und damit begann die systematische Erforschung.

»Imidazoläthylamin« klang ziemlich schwerfällig, selbst für Wissenschaftler. Daher wurde es schnell in das gefälligere »Histamin« umbenannt.

Was bedeutet Histamin?

Der Wortteil »Hist-« leitet sich vom griechischen Wort »Histos« = Gewebe ab.

»Amin« bezeichnet eine chemische Verbindung, die aus einer Aminosäure hervorgeht. Andere Amine sind zum Beispiel Dopamin, Noradrenalin oder Tyramin.

Der nächste weitere Meilenstein war das Jahr 1932. Histamin wurde als der hauptsächlich beteiligte Stoff bei Allergien und ihren schweren Verlaufsformen, den Anaphylaxien, erkannt. Natürlich war man bemüht, möglichst schnell ein Medikament gegen Histamin zu finden. Die ersten systemisch wirkenden Antihistaminika, dem Histamin entgegenwirkende Medikamente, kamen dann bereits Anfang der 1940er Jahre auf den Markt, und endlich konnten schwere Leiden erfolgreich behandelt werden.

Histamin wird seitdem sowohl von Laien als auch von der überwiegenden Anzahl von Ärzten und Heilpraktikern in erster Linie nur mit allergischen Krankheiten und unangenehmen Symptomen wie Juckreiz, Atemnot und Quaddelbildung in Verbindung gebracht. Ein großer Irrtum, wie du noch später lesen wirst, und nicht der einzige.

Fehldiagnose Histamin-Intoleranz

Das negative Image von Histamin wurde Ende der 1980er Jahre noch verstärkt, als eine Forschergruppe meinte, endlich die Ursache für viele unerklärliche Darmstörungen, die unter »Reizdarmsyndrom« zusammengefasst wurden, gefunden zu haben: einen Mangel an Diaminoxidase (DAO). Dieses Enzym baut Histamin, das von außen über die Nahrung zugeführt wird, im Darm ab. Ist es nicht ausreichend vorhanden oder fehlt es gänzlich, entstünden Krankheitssymptome, wie Durchfall, Blähungen oder Krämpfe, so die Meinung der Forschergruppe. War dies die Entdeckung einer neuen Krankheit? Bis heute sind sich die Wissenschaftler darüber nicht einig. Fakt ist aber, dass es seit den 1990er Jahren immer mehr »Histamin-Intolerante« gibt – Menschen, die chronische Probleme im Magen-Darm-Trakt haben, ohne dass »handfeste« medizinische Ursachen gefunden werden können – außer einem Mangel an DAO.

Der Begriff »Histamin-Intoleranz« ist de facto falsch. Eine Intoleranz, also ein Unvermögen des Organismus, mit einem körpereigenen, überlebenswichtigen Stoff wie Histamin umzugehen, wäre mit dem Leben nicht vereinbar. Oder hast du schon mal von einer Adrenalin-Intoleranz oder einer Testosteron-Intoleranz gehört?

Selbstverständlich gibt es Intoleranzen, wie zum Beispiel die Fruktose-, Laktose- und Salicylat-Intoleranz. Diese beziehen sich jedoch allesamt auf körperfremde Stoffe. Histamin ist jedoch ein Stoff, den der Körper in erster Linie selbst produziert und der lediglich zusätzlich auch über die Nahrung zugeführt wird. In nur sehr wenigen Fällen können Störungen im Histaminhaushalt daher allein durch eine histaminarme Diät dauerhaft verbessert oder gar geheilt werden.

Eigentlich kommt ein gesunder Magen-Darm-Trakt mit Histamin gut zurecht und schafft auch mal einen italienischen Abend mit Gorgonzola-Pizza und Chianti. Er hat die DAO-Enzyme, die Nahrungs-Histamin im Darmtrakt abbauen, und weitere wichtige Helfer, wie den schützenden Darmschleim oder Substanzen der Darmflora (Butyrate), die Histamin ebenfalls unschädlich machen können.

Und dennoch muss man heutzutage lange suchen, um einen wirklich gesunden Magen-Darm-Trakt zu finden. Nur einige Probleme, die viele Menschen quälen und in die Praxen treiben, sind:

• Blähbäuche wie im siebten Schwangerschaftsmonat

• Verstopfung

• breiiger Stuhl und Durchfälle

• Dauer-Flatulenz (ständiges Pupsen)

• Krämpfe

• Völlegefühl

• Sodbrennen

Lebensmittel ohne Histamin

Die Liste der Lebensmittel ohne Histamin ist sehr übersichtlich: Wasser, reines Pflanzenöl, raffiniertes Salz und raffinierter Zucker. Alles andere, was auf den Tisch kommt, hat mehr oder minder große Anteile an Histamin.

Nach vielen Monaten oder sogar Jahren der Ärzte-Odyssee wird dann endlich eine Magen-Darm-Spiegelung gemacht, die oftmals nichts Erhellendes ergibt. Per Zufall gerät der verzweifelte Patient dann an einen, der sagt: »Wir messen noch mal Ihre Diaminoxidase, sonst fällt mir nichts mehr ein. Außer der Überweisung zum Psychiater.«

Liegt der Diaminoxidase-Wert im Blut gemessen dann bei 8 U/ml (Normwert > 10 U/ml) – heißt es dann: »Ah, wir haben jetzt eine Diagnose. Sie sind histaminintolerant – meiden Sie ab sofort dies und das. Damit müssen Sie jetzt leben. Und nehmen Sie DAOSIN®, künstliche Diaminoxidasen aus der Apotheke. Ich habe so etwas Ähnliches – Laktoseintoleranz, ich nehme Lactrase®. Leider werden diese Medikamente von der Kasse nicht übernommen.«

Und schon glaubt der Patient, Histamin in der Nahrung sei sein Problem und hält sich fortan möglichst an die Verbotslisten. Wer diese Diagnose bekommt, hat zumindest das Mitgefühl der Umgebung auf seiner Seite. Denn von nun an ist es vorbei mit italienischen Abenden, bayrischen Brotzeiten und anderen Genüssen. Stattdessen bestimmen seitenlange Listen über erlaubte und verbotene Nahrungsmittel das Leben. Nur in den wirklich sehr seltenen Fällen von genetisch bedingtem DAO-Mangel, der sich als DAO-Wert von weniger als 3 U/ml zeigt, gibt es durch Nahrungsverbote eine dauerhafte Heilung. In den meisten Fällen aber nicht, weil ein DAO-Mangel fast immer tiefer liegende Gründe hat, auf die wir in diesem Buch ausführlich zu sprechen kommen werden.

Der verlorene Schlüssel

»Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: »Meinen Schlüssel.« Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: »Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.«

aus: Paul Watzlawick »Anleitung zum Unglücklichsein«

So verhält es sich auch mit der Histamindiagnostik: Die Lösung eines Problems wird an der falschen Stelle gesucht, weil es Mühe macht weiterzudenken und sich auf unbekanntes Terrain zu begeben. Übrigens ein häufiges Phänomen in der Schulmedizin.

Die funktionelle Medizin hingegen versucht, Stoffwechselstörungen aus der Sichtweise des Körpers zu betrachten. »Was bezweckt der Organismus, wenn er Histamin in hohen Mengen ausschüttet?«, ist eine zentrale Frage, die wir uns immer wieder gestellt haben. In den letzten zehn Jahren haben wir viele Hundert Untersuchungen des Histaminstoffwechsels durchgeführt. Bei Menschen mit und ohne Magen-Darm-Beschwerden. Dabei beschränkten wir uns nicht wie üblich auf die Untersuchung der DAO, sondern schauten uns den gesamten Prozess an.

Mit der Zeit ergaben sich immer wieder Konstellationen, die nicht ins Lehrbuch passten. Wir stellten fest, dass eine hohe Histaminbelastung im Darm, im Blut oder im Urin nicht zwangsläufig mit einer Verminderung der Diaminoxidase(aktivität) oder einer Allergie einhergeht. Es gab Patienten mit sehr niedriger DAO, die aber keinerlei Probleme hatten beim Verzehr von Thunfischpizza mit Gorgonzola, sowie Menschen mit normaler DAO und einem hohem Histaminspiegel. Zudem fiel uns auf, dass hohe Histaminwerte auch bei vielen chronischen Erkrankungen vorkamen, zum Beispiel bei autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen, Osteoporose, Pyrrolurien, Burnout-Syndrom, Chronic Fatigue Syndrome, Schwindel, plötzlichen Ohnmachtsattacken, Hormonstörungen, ADHS, Depressionen und Panikattacken.

Wie passt das alles zusammen? Die Erklärung ist eigentlich simpel und logisch: Es wird bei der Erfassung von Histaminstörungen nicht korrekt und vor allem nicht gründlich genug untersucht. In aller Regel wird nur die DAO im Blut bestimmt. Ein weiterer Irrtum. Und leider halten sich Irrtümer in der Medizin sehr hartnäckig und machen nur sehr langsam der Wahrheit Platz.

Kein Leben ohne Histamin

Die Evolution muss sich etwas dabei gedacht haben, wenn sie ein einziges Molekül eine so große Rolle in der gesamten belebten Natur spielen lässt und es zudem mit enormer Robustheit ausgestattet hat. Weder große Hitze noch extreme Kälte, starke Säuren oder Basen können ihm wirklich etwas anhaben. Durch Kochen oder Braten lässt es sich nicht zerstören. Welcher Naturstoff kann da schon mithalten?

In der Pflanzenwelt dient Histamin der Abwehr von Fressfeinden. Wusstest du, dass die Brennnessel sehr viel Histamin enthält und der Hautkontakt mit ihren Blättern zur sogenannten Urtikaria, im Volksmund Nesselsucht genannt, führt? In der Tierwelt ist es ähnlich, denn viele Tiergifte enthalten Histamin zum Schutz vor Feinden.

Wir nehmen dich nun mit auf eine Reise in die spannende Welt des Histaminstoffwechsels. Dazu benötigst du ein wenig Rüstzeug. Das heißt, wir vermitteln zunächst einige biologische und physiologische Grundlagen. Biologen und Histamin-erfahrene Mediziner mögen es uns nachsehen, dass wir an der einen oder anderen Stelle die Zusammenhänge ein wenig vereinfachen. Wer Lust auf mehr Fachinformation und wissenschaftliche Aufsätze hat, der findet im Anhang ausreichende Literaturempfehlungen zum Vertiefen.

Histamin hat gleich zwei große Aufgabenbereiche von der Natur übertragen bekommen. Es wirkt:

1. als Gewebshormon, das an allen Organsystemen Wirkungen entfalten kann

2. als Neurotransmitter, der im zentralen und peripheren Nervensystem Informationen überträgt

Der Bauplan von Histamin ist sehr überschaubar: Der Grundbaustoff ist die Aminosäure Histidin. Diese wird in nur einem einzigen Umbauschritt durch das Enzym Histidin-Decarboxylase in Histamin umgewandelt. Hierfür ist aktives Vitamin B6 als Hilfsstoff notwendig. Überall in der Natur läuft diese Synthese gleich ab, sei es in Pflanzen, in Tieren oder im Menschen.

Der sehr kurze Syntheseweg hat einen entscheidenden Vorteil: Histamin ist jederzeit schnell verfügbar, auch wenn es plötz.lich vermehrt gebraucht wird. Die Speicher für Histamin sind dadurch in der Regel immer gut gefüllt.

Die Aminosäure Histidin

Histidin ist eine Aminosäure, die der Körper nur bedingt selbst herstellen kann. Es kommt aber in fast allen Nahrungsmitteln vor, in großen Mengen in Fleisch, Sojabohnen, Mais und Weizenkeimen. Neben der Synthese für Histamin, wird Histidin auch für die Herstellung von Carnosin benötigt, ein wichtiger Schutzfaktor gegen oxidativen Stress.

Die Histamin-Rezeptoren

Histamin wirkt in erster Linie über Rezeptoren, d. h. um eine Reaktion auszulösen, muss es an einer Körperzelle mit einem Histamin-Rezeptor andocken. Bislang sind vier verschiedene Rezeptortypen und die über sie vermittelten verschiedenen Wirkungen bekannt:

H1-Rezeptoren:

• Darm: Kontraktion der Darmmuskulatur

• Bronchien: Kontraktion der Bronchien

• Blutgefäße: Gefäßerweiterung der kleinen Arterien und Gefäßverengung der kleinen Venen

• Nerven: Schmerz und Juckreiz

• Zentrales Nervensystem: erhöhte Wachheit

• Nebenniere: Ausschüttung von Adrenalin

• Weiße Blutkörperchen: Steigerung der Immunantwort

• Eierstöcke: Ausschüttung von Östrogen

• Gebärmutter: Kontraktion und Einnistung der Eizelle

H2-Rezeptoren:

• Magenschleimhaut: Sekretion von saurem Magensaft

• Herz: Steigerung des Herzschlags und der Pumpkraft

• Skelettmuskeln: Erhöhung der Muskelanspannung

• Immunsystem: Verstärkung der Abwehr

H3-Rezeptoren:

• Zentrales Nervensystem: erhöhte Wachsamkeit und Konzentration

• Peripheres Nervensystem: Hemmung der Ausschüttung von Serotonin, GABA (Gamma-Aminobuttersäure) und Acetylcholin

• Zentrales Nervensystem: Regulation von Hunger- und Durstgefühl

H4-Rezeptoren:

• Immunsystem: Steigerung der zellulären Immunabwehr

• Hautzellen: erhöhte Entzündungsbereitschaft

Aus der Erforschung der Histamin-Rezeptoren erhoffen sich Wissenschaftler neue therapeutische Ansätze zur Behandlung von Erkrankungen, wie Depressionen, Morbus Parkinson, Alzheimer, Psoriasis und Neurodermitis.

Kein Hormon im Körper hat so umfassende Möglichkeiten der Einflussnahme auf verschiedene Zellfunktionen. Histamin kann auf jedes Organsystem eine Wirkung ausüben. Bereits ganz zu Beginn unseres Lebens kommt eine im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtige Funktion von Histamin zum Tragen: Wenn die befruchtete Eizelle sich in die Gebärmutter einnisten möchte, kann sie dies nur in Anwesenheit von Histamin tun.

Dreierlei Histamin

Unser Organismus muss sich ständig mit Histamin aus drei verschiedenen Quellen auseinandersetzen:

1. mit Mastzellen-Histamin, das in den Mastzellen (und ähnlichen Zellen) produziert wird

2. mit Gehirn-Histamin, das in speziellen Nervenzellen und Mastzellen im Hypothalamus hergestellt wird

3. mit Nahrungs-Histamin, das wir zwangsläufig mit der Nahrung zuführen, da Histamin in der gesamten belebten Natur vorkommt

Es ist natürlich chemisch betrachtet immer der gleiche Stoff, aber um Histamin-Erkrankungen zu verstehen, müssen wir diese getrennt betrachten.

Mastzellen-Histamin

Die Mastzellen sind die wichtigsten Histamin-Produzenten. Sie gehören mit zu den ältesten Immunzellen. Bereits Lebewesen vor ca. 500 Millionen Jahren hatten Mastzellen. Man findet sie, anders als andere Immunzellen, nur selten im Blut; sie sitzen überwiegend im Gewebe in der Nähe von Blutgefäßen und Nerven, vor allem in:

• Haut

• Schleimhaut

• Lunge und Bronchien

• Gehirn

• Magen-Darm-Trakt

• Eierstöcken

• Gebärmutter

Sie sind die Zellen deines Immunsystems, die am schnellsten auf eine Bedrohung reagieren. Du kannst dir Mastzellen als kleine Wachposten mit einem großen Waffenarsenal vorstellen. Auf bestimmte Kommandos feuern sie und geben ihre Botenstoffe, auch Mediatoren genannt, ins Blut ab. Diese sind u. a.:

• Histamin

• Heparin

• Tryptase

• Serotonin

• ECP

• Leukotriene

• Chromogranin A

Insgesamt gehen Forscher von mehreren Hundert Botenstoffen aus. Histamin hat unter allen jedoch eine herausragende Stellung. Es ist nicht nur die häufigste, sondern auch die biologisch stärkste Substanz in den Mastzellen. Da eine Histaminfreisetzung starke Auswirkungen haben kann, darf diese nicht ohne triftigen Grund erfolgen. Daher hat die Natur dafür gesorgt, dass es extra gesichert ist. Es sitzt in kleinen Bläschen abgekapselt und durch das Spurenelement Zink gekettet an Heparin in der Mastzelle.

Gehirn-Histamin

Das Histamin im Gehirn ist ein Neurotransmitter und wird von spezialisierten Nervenzellen und Mastzellen im Hypothalamus gebildet. Wissenschaftler vermuten zudem, dass Histamin auch aus dem Blutkreislauf über die (intakte) Bluthirnschranke ins Gehirn übertreten kann.

Aus der Forschung wissen wir, dass Histamin für folgende Funktionen im Gehirn mitverantwortlich ist:

• Schlaf-Wach-Rhythmus

• Lernfähigkeit und Gedächtnis

• Belohnung

• Nahrungsaufnahme (Hunger/Durst)

• Angst und Erregung

• Thermoregulation

• Konzentration

Histamin ist einer der wichtigsten Neurotransmitter im zentralen Nervensystem, kann aber über lange Nervenfasern (Axone) seinen Einfluss auch im peripheren Nervensystem entfalten. Du kennst sicherlich andere Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin, Acetylcholin oder GABA. Histamin steht in enger Kommunikation mit diesen und hat so großen Einfluss auf deine Emotionen, deine Konzentration und deinen Antrieb. Diesem Aspekt von Histamin wird in der Medizin, vor allem in der Neurologie und Psychiatrie, noch viel zu wenig Beachtung geschenkt. Dr. William Walsh, ein Schüler von Dr. Carl Pfeiffer, forscht in Chicago zum Einfluss von Histamin auf die Entstehung und den Verlauf von Depressionen, Angststörungen, Zwängen und schweren Psychosen. Wir durften ihn in Chicago persönlich kennenlernen und waren von seinen fundierten wissenschaftlichen Studien sehr beeindruckt. Seine Erkenntnisse prägen unsere Praxisarbeit.

Nahrungs-Histamin

Da Histamin überall in der Natur vorkommt, finden wir es auch praktisch in jedem Lebensmittel. Auch wenn einige Obst- und Gemüsesorten, etwa Tomaten, Spinat, Avocados, Erdbeeren und Zitrusfrüchte von Natur aus einen relativ hohen Histamingehalt haben, führen vor allem Verarbeitungsprozesse wie Gärung, Konservierung und Reifung dazu, dass sich der Histaminanteil erhöht. Typische Histamin-Bomben sind zum Beispiel diese:

• Essig

• lange gelagerte Nüsse

• Dosenfisch und Dosenfleisch

• Salami und andere verarbeitete Wurstwaren

• lange gereifter Käse, zum Beispiel Roquefort, Parmesan

• Ketchup

• Alkohol, besonders Rotwein, Sekt und Champagner

• Fertigsaucen

• Convenience Food

• Fast Food

Der Anteil an Histamin schwankt allerdings sehr stark, da es ein Naturstoff ist. Auch aus diesem Grund machen Nahrungsmittellisten wenig Sinn. Die durchschnittliche Ernährung hat infolge der zunehmenden Industrialisierung der Lebensmittelbranche heute einen sehr hohen Anteil an Histamin. In der Nahrung unserer Vorfahren kamen die Mengen, wie wir sie heute täglich verzehren, nicht vor. Es gab kein Dosenfutter, Ketchup, Convenience und Fast Food. Für die Wintermonate wurde Gemüse eingelegt, ansonsten aß man frisch, regional und vor allem unverarbeitet. Als im 19. Jahrhundert die ersten Fischkonserven auf den Markt kamen, gab es bald auch die ersten Berichte über entsprechende »Vergiftungen«.

Auch wenn wir bei allen Histaminosen zunächst einmal eine histaminarme Kost empfehlen, ist bei systemischen Histamin-Erkrankungen das Mastzellen- und Gehirn-Histamin das Problem, und nicht das Nahrungs-Histamin. Die häufig ausgesprochene Empfehlung, sich histaminarm zu ernähren, kann nicht das Ende der Therapie sein, sondern nur der Anfang. Das Ziel muss es sein, Ernährungseinschränkungen möglichst überflüssig werden zu lassen.

Von DAO, MAO und HNMT

Wenn Histamin seine Mission erfüllt hat, muss auch wieder Ruhe in den Organismus einkehren. Dafür gibt es zwei Enzymgruppen, die überschüssiges Histamin abbauen:

• Diaminoxidasen (DAO)

• Histamin-N-Methyl-Transferasen (HNMT)

Die Diaminoxidase (DAO)

Diese Enzymgruppe wird vor allem in der Dünndarmschleimhaut gebildet und in das Darmlumen abgegeben. Dort patrouillieren die DAO auf der Suche nach Arbeit auf und ab. Sie bestehen überwiegend aus Kupfer und benötigen als Cofaktoren Vitamin B6 (Pyridoxal-5-Phosphat), Zink und ein wenig Mangan. Sind sie gut versorgt, bauen sie anflutendes Histamin aus der Nahrung oder auch aus Darmbakterien in der Regel zuverlässig zu Imidazol-Acetaldehyd ab, welches nach einem weiteren enzymatischen Schritt als Imidazol-Essigsäure über den Urin ausgeschieden wird. Eigentlich war Histamin für die DAO in den vielen Jahren der Evolution nicht die hauptsächliche »Beute«. Sie waren in erster Linie für die Entsorgung anderer, für uns schädlicher biogener Amine zuständig, nämlich:

• Cadaverin

• Spermidin

• Putrescin

Diese Substanzen entstehen beim Verderb von Lebensmitteln. In den Jahrtausenden der Evolution ohne Kühlschrank und Gefrierfach war die DAO unser Schutz vor einer häufig tödlich verlaufenden Lebensmittelvergiftung. Daher waren DAO-Enzyme auch in vielen Jahren eher histaminarmer Ernährung nie arbeitslos. In unseren modernen Zeiten mit Smart-Kühlschränken mussten sich die Darm-Diaminoxidasen neu anpassen und umlernen. Mangels relevanter Mengen anderer biogener Amine überwachen sie jetzt quasi nur noch den Histaminabbau im Darm.

Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld der DAO ist die Gebärmutter und während der Schwangerschaft auch die Plazenta. In beiden Organen befinden sich viele Mastzellen. Ihre Zahl und Aktivität schwankt unter dem Einfluss von Östrogen und Progesteron. Während der monatlichen Blutung, bei der Gewebe der Gebärmutterschleimhaut abgestoßen wird, wird Mastzellen-Histamin in die Gebärmutterhöhle freigesetzt und dort von der DAO abgebaut. Ein zu hoher Histaminspiegel in der Gebärmutter und in der Plazenta kann Frühwehen auslösen, dies gilt es zu verhindern. Zudem muss auch der Fötus selbst vor zu viel Histamin geschützt werden. Aus diesem Grund steigt im Verlauf der Schwangerschaft die Anzahl der DAO-Enzyme bis zu 300-fach an. Dieser Effekt tritt allerdings erst etwa ab der 13. Schwangerschaftswoche ein. Wir kommen auf diesen enorm wichtigen Aspekt noch später zu sprechen.

Die DAO baut also in erster Linie Nahrungs-Histamin und Histamin in der Gebärmutter ab. Aber auch in der Niere – unserem Blutreinigungsorgan – sitzen jede Menge Diaminoxidasen, die, während das Blut gefiltert und rückresorbiert wird, ebenfalls noch Histamin abbauen können. Daher ist eine ausreichende Trinkmenge so enorm wichtig bei Histamin-Erkrankungen.

Die Histamin-N-Methyl-Transferase (HNMT)

Histamin-N-Methyl-Transferasen befinden sich im Gegensatz zur DAO innerhalb der Zellen, oft in der Nähe der Histamin-Rezeptoren, und kümmern sich in erster Linie um den Abbau von körpereigenem, selbst produziertem Histamin (Mastzellen- und Gehirn-Histamin). Mehr als die Hälfte des täglich anfallenden Histamins gehen damit zulasten der HNMT. Diese Enzymgruppe ist daher viel mehr gefordert als die DAO. Darüber hinaus ist sie auch für den Abbau von Histamin zuständig, wenn die DAO ihren Job nicht schafft. Dann gelangt überschüssiges Histamin aus dem Darm ins Blut und wird in der Leber über die HNMT abgebaut.

Der Umfang der Synthese von HNMT und damit des Abbaus von körpereigenem Histamin hängt in erster Linie von der Methylierungsfähigkeit unseres Körpers ab. Die Methylierung ist ein Stoffwechselprozess, bei dem ein Molekülteil, bestehend aus einem Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatomen (sogenannte Methylgruppe), von einem Molekül auf ein anderes übertragen wird. Die Entgiftung von Histamin über HNMT erfolgt im ersten Schritt über die Methylierung des Histamins, d. h. das Anfügen einer Methylgruppe.

Dreh- und Angelpunkt des Histaminabbaus über die HNMT ist die Synthese von s-Adenosylmethionin (SAM/SAMe). Diese chemische Verbindung ist der wichtigste Methylgruppenüberträger, den wir haben. Seine ausreichende Produktion ist die zwingende Voraussetzung für den regelrechten Abbau von körpereigenem Histamin, aber auch für die Bildung von Neurotransmittern, wie Adrenalin und Melatonin, für die Entgiftung und für viele andere Prozesse. Daher möchten wir ein wenig detaillierter darauf eingehen.

Der Methylierungszyklus läuft fast in jeder Körperzelle ab und regelt die optimale Bereitstellung von Methylgruppen. Er besteht im engeren Sinne aus dem Methionin- und dem Folsäure-Zyklus; im weiteren Sinne auch aus dem Biopterin-Zyklus. Der Methioninzyklus sichert die Bereitstellung des wichtigsten Methylgruppen-Übertrages, des s-Adenosylmethionins (SAMe). Ausgangspunkt ist die essenzielle Aminosäure Methionin. Diese wird unter Verbrauch von Mangan, Magnesium, Vitamin B12 und mitochondrialem ATP zu SAMe. Sobald dieses wiederum seine Methylgruppe abgibt, zum Beispiel an das HNMT, wird es zu S-Adenosyl-Homocystein, das wiederum in einem weiteren Schritt zu Homocystein enzymatisch umgewandelt wird. Dieses neurotoxische und gefäßschädigende Molekül wird über drei Wege abgebaut, zwei davon recyceln es über den Verbrauch von B12/Folat bzw. Betain/Cholin zu Methionin zurück. Im dritten Weg wird Homocystein unter Verbrauch von Vitamin B6 in Cystathionin und Cystein umgewandelt und weiter zu Glutathion und Taurin umgebaut.

Bei der Methylierung spielen vor allem die Enzyme MTHFR, CBS und MAT eine entscheidende Rolle. Der sehr häufig vorkommende Polymorphismus beim MTHFR-Gen kann die Methylierung nachhaltig stören und somit auch den Histaminabbau beeinträchtigen.

Monoaminoxidase B (MAO-B)

Monoaminoxidasen (MAO) sind ebenfalls am Abbau von körpereigenem Histamin beteiligt, allerdings erst im allerletzten Schritt. N-Methyl-Histamin, methyliertes Histamin, wird durch das Enzym MAO-B in N-Methyl-Imidazol-Essigsäure abgebaut und dieses dann über den Urin ausgeschieden. Die MAO haben aber eigentlich noch viele weitere Aufgaben, wie zum Beispiel auch den Abbau von Tyramin, das vor allem nach dem Verzehr von Schokolade und Käse anfällt.

WENN DAS FASS üBERLäUFT: HISTAMINOSEN

Der Mensch ist ein lebendiges System, das sich ständig an seine Umwelt anpassen muss. Dadurch kommt es kurzfristig zu Veränderungen, wie beispielsweise einem Anstieg der Körpertemperatur oder des Blutdrucks. Wenn es zu einer Abweichung kommt, beispielsweise Fieber, verfügt der Körper über Regulationsmethoden (zum Beispiel Schwitzen, Schüttelfrost), um bestimmte Werte wieder zurück zum Sollwert zu bringen. Die Natur hat dafür ausgeklügelte Systeme, die sich in Millionen von Jahren der Evolution entwickelt und bewährt haben.

Ist der Mensch gesund, regelt der Körper dieses im Allgemeinen selbstständig ohne Eingriff von außen. Einen akuten Anstieg des Histaminspiegels, zum Beispiel weil uns ein Insekt gestochen hat, kann der Körper normalerweise gut selbstständig in den Griff bekommen. Nach wenigen Tagen ist die Schwellung vorüber, der Juckreiz und die Schmerzen lassen nach.

Ein chronisch hoher Histaminspiegel bedeutet für den Körper hingegen ein Zustand wie ein Heer unter Dauerbeschuss. Zur Verteidigung erhalten alle Zellen Befehle – und der Generalbefehl lautet: »Achtung, seid bereit, ihr seid bedroht!«

• Nervenzellen: Seid wachsam und konzentriert!

• Muskelzellen: Seid angespannt!

• Herzmuskelzellen: Schlagt kräftig und schnell!

• Schleimhautzellen: Werdet den Feind schnell wieder los durch Durchfall, Husten und vermehrte Magensäure.

Der Körper kann aus eigener Kraft nicht mehr einen gesunden Histaminspiegel wiederherstellen. Er hat die Fähigkeit zur Regulation verloren. Dieser Daueralarmzustand kann einzelne oder mehrere Organsysteme betreffen und zeigt sich durch entsprechende Symptome. Diesen Zustand nennen wir Histaminose.

Histaminose = Histaminzufluss > Histaminabfluss

Nur der Vollständigkeit halber möchten wir kurz erwähnen, dass es auch das Gegenteil gibt: zu wenig Histamin im Körper. Dieser Zustand heißt »Histapenie«. Er kommt deutlich seltener vor als die Histaminosen, daher gehen wir hier nicht weiter darauf ein.

Je nachdem, wo genau der Fehler im System liegt – eher auf der Zufluss- oder auf der Abflussseite, lassen sich die Histaminosen klassifizieren (siehe Abbildung).

Ein Problem bei der Verstoffwechselung oder der Freisetzung von Histamin ist keine Histaminintoleranz, sondern eine Histaminose. Wir möchten daher im Folgenden nur diesen Begriff verwenden.

Was lässt das Histamin-Fass überlaufen?

Wenn die »Abflussrohre«, unsere DAO und HNMT, verstopft oder nicht richtig aufgedreht sind, und das Fass dabei ständig Nachschub erhält, läuft es irgendwann über. Genauso verhält es sich auch mit unserem Körper.