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Impressum:

Ehefrau. Mutter. Sexsüchtig. Erotischer SM-Roman

von Starla Bryce

 

Starla Bryce wurde im Herbst 1992 in Niedersachsen geboren. Hier lebt sie mit Mann und Kind auch heute noch. Nach einigen Veröffentlichungen in anderen Genres hat Starla nun den erotischen Roman für sich entdeckt. Das tabulose Beschreiben sinnlicher Szenen bereitet ihr genauso viel Freude wie das Erschaffen realitätsnaher Charaktere. Privat hält sie sich gern in der Natur auf – ob beim Genießen der ersten Frühlingssonnenstrahlen im Garten oder beim Spaziergang durch den leuchtend bunten Herbstwald.

 

Lektorat: A. K. Frank

 

 

Originalausgabe

© 2020 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © Arthur-studio10 @ shutterstock.com

Umschlaggestaltung: MT Design

 

ISBN 9783964777126

www.blue-panther-books.de

1. Ein bisschen mehr Verantwortung

»Wirklich? Ich soll das machen?« Fassungslos starrte Monika ihren Chef Herrn Deters mit ihren schokoladenbraunen Augen an. Wie kam er nur auf die Idee? Monika Habermaß, sechsunddreißig Jahre alt, einen Meter achtundsechzig groß, einige Kilos zu viel auf den Hüften und so rothaarig wie Pippi Langstrumpf höchstpersönlich, arbeitete bereits seit dreizehn Jahren für die Lebenswert-Versicherung. Obwohl ihr Umgang mit Kunden stets freundlich war und sie Unmengen an Vertragsabschlüssen aufweisen konnte, war ihr Vorgesetzter in all den Jahren nie auf die Idee gekommen, auch nur an eine Beförderung oder etwas Ähnliches zu denken. Und jetzt das!

»Frau Habermaß, ich zähle auf Sie! Eigentlich sollte Ihr Kollege Herr Kramer die Aufgabe übernehmen, wie Sie ja wahrscheinlich mitbekommen haben, aber der hatte gestern Abend einen Unfall. Und ich kann ihm wohl kaum zumuten, aus dem Krankenhausbett heraus den Ausbilder zu spielen, oder? Armer Kerl… Ein Auto hat ihn erwischt. Aber es ist wohl noch glimpflich ausgegangen. Und außerdem, Frau Habermaß: Ich finde, ein bisschen mehr Verantwortung täte Ihnen gut.«

Herr Deters, ein Mann mit Wohlstandsbauch und einer stets wie Alufolie glänzenden Glatze, klopfte Monika auf die Schulter.

Was sollte Monika erwidern? Ihr Chef war kein Mann, der sich etwas ausreden ließ, wenn er sich erst einmal was in den Kopf gesetzt hatte. Monika nickte bloß und bekam als Antwort eine dunkelblaue Bewerbungsmappe in die Hand gedrückt.

»Schön, schön. Dann wäre das ja geklärt! Der Junge kommt um halb zehn. Ich schicke ihn in Ihr Büro! Nehmen Sie ihn mit zu Kundenterminen und erzählen Sie ihm was über die Lebenswert-Versicherung und unsere Angebote. Einen Tag in der Woche findet die Berufsschule statt. Ich glaube, immer freitags. Das würde doch perfekt mit ihren Arbeitszeiten zusammenpassen. Ach so, und wenn Sie Feierabend haben, schauen Sie, wer da ist, damit der Junge seine acht Stunden täglich vollkriegt!«

Damit war die Sache erledigt. Herr Deters verließ den Raum und ließ Monika an ihrem Schreibtisch zurück. Sie schaute auf den Kalender, an dem sie jeden Morgen von Montag bis Donnerstag den Datumsschieber ein Feld weiterschob. Freitags hatte sie frei. Zumindest als Versicherungskauffrau. Die Mutter und Hausfrau hatte immer Dienst.

Sie sollte einen Auszubildenden einarbeiten. Schöne Scheiße! Es war ja nicht so, dass sie bereits zu Hause oft genug Vorbild und Lehrerin sein musste! Bei zwei Kindern im Grundschul- beziehungsweise Kindergartenalter war nichts mit mal eben am Nachmittag die Füße hochlegen und sich irgendeinen sinnlosen Quatsch im Fernsehen ansehen, während man dem Heißhunger auf Käsekuchen-Brownies nachgab. Monika strich sich über die mit einer großen Spange hochgesteckten Haare. Für mehr reichten Zeit und Energie am Morgen nicht aus. Immerhin schaffte sie es, an den Abenden ihre Blusen zu bügeln und darauf zu achten, dass Blazer und Bleistiftröcke gut saßen. Heute trug Monika eine altrosa Bluse mit Perlmuttknöpfen. Ihre Schwiegermutter hatte Monika einmal gesagt, dass sich die Farbe nicht mit ihren roten Haaren vertrug. Daraufhin hatte sich Monika extra zwei rosa Blusen gekauft. Es war die erste Rebellionsphase ihres Lebens. Zu Teenagerzeiten hatte sie dazu keinen Mumm gehabt. Der Rock war, wie meistens, schwarz. Die Beine wurden von einer hautfarbenen Feinstrumpfhose umhüllt und an den Füßen steckten schwarze Pumps mit niedriger Absatzhöhe.

Monika saß auf ihrem Drehstuhl, der bei jeder größeren Bewegung ein Quietschen von sich gab. Ohne wirkliches Interesse warf sie einen Blick in die Bewerbungsunterlagen. Das Foto hätte eher in die Galerie eines sozialen Netzwerks als in einen Lebenslauf gepasst. Eine Ganzkörperaufnahme. Ein dunkelhaariger junger Mann im Anzug stand an eine Wand gelehnt. Es sah aus, als stünde er im Inneren eines Parkhauses. Das Foto war qualitativ gut, aber eindeutig kein Bewerbungsbild. Monika schüttelte den Kopf. Sie hielt nichts von zu strengen Bewerbungsauflagen, aber eine gewisse Norm sollte eingehalten werden. Sie erinnerte sich noch genau daran, dass der Fotograf, den sie damals im Studio besucht hatte, ihr ans Herz gelegt hatte, auch den letzten Knopf ihrer hochgeschlossenen Bluse zuzumachen. Bieder ist der Sieger!, hatte er gesagt. Anscheinend hielt Herr Deters nicht allzu viel von den allgemeinen Anforderungen an Bewerbungsbilder. Hatte er sich die Mappe überhaupt genau angesehen? Der junge Mann sah nicht schlecht aus. Aber nicht, als würde er in ein solches Unternehmen wie diese Versicherung passen. Monika überflog den Lebenslauf des künftigen Azubis.

Geburtsdatum: 03.02.1995.

1995! Das las sich für Monika, als sei es noch gar nicht so lange her.

Im Feld Berufstätigkeit las Monika, dass der Neue ein Psychologie-Studium abgebrochen hatte. War er die Art Mensch, die bereits in jungen Jahren an unverbesserlichem Klugscheißer-Syndrom litt, alles besser wusste und meinte, jede Person auf Anhieb lesen zu können?

Bitte nicht!, dachte Monika und öffnete das Fenster, von dem aus sie auf eine Straße mit Wohnhäusern, überwiegend ältere, aber gepflegte Mehrfamilienhäuser, blicken konnte. Das Fliegengitter hielt sich erstaunlich tough, obwohl es schon seit Wochen an der linken Ecke immer ein wenig mehr abriss. Heute war der achte August. Ein Donnerstag. Der Sommer in diesem Jahr hatte seinem Namen nicht gerade alle Ehre gemacht und bereits jetzt merkte man, dass der Herbst schon in den Startlöchern stand. In diesem Moment freute sich Monika jedoch über die angenehm kühle Luft, die in ihr Büro zog. Das kleine Büro im ersten Stock des einstigen Einfamilienhauses roch nach dem muffigen Teppich, der bereits so lange hier ausgelegt war, wie Monika zurückdenken konnte. Das Regal hinter ihrem Schreibtisch passte gerade so in den Raum hinein und war vollgestopft mit jeder Menge Ordnern, in denen Kundendaten und –verträge zu finden waren. Monika stellte keine großen Ansprüche an die Optik ihres Arbeitsplatzes. Auch wenn ihr Mann Clemens ihr schon mehrmals ans Herz gelegt hatte, sich bei einem größeren Betrieb zu bewerben – Monika mochte die kleine Versicherung in der Schlehenstraße nahe der Feuerwehrwache gerne. Sie wollte ihr winziges Büro, in dem sie immerhin ihre Ruhe hatte, nicht gegen einen Platz in einem Großraumbüro eintauschen. Doch nach den neuesten Entwicklungen würde sie bald die Zeit, in der sie weder Kinder versorgen oder bespaßen oder sich bei Kundengesprächen den Mund fusselig reden musste, sondern die Ruhe ihres Büros genießen konnte, gegen die Fragen eines Berufseinsteigers eintauschen. Die in ihrem Büro hängende, schlichte graue Uhr gab Monika zu verstehen, dass der neue Auszubildende jeden Moment erscheinen würde.

Monika klickte auf der Tastatur ihres Computers herum, um ein Formular für eine private Rentenversicherung auszudrucken, das sie später bei einem Kundentermin – eine Frau mittleren Alters – brauchen würde. Ihren neuen Auszubildenden würde Monika mitnehmen müssen. Monika seufzte, nicht bloß, weil sie wenig Lust hatte, sich bei der Arbeit über die Schulter schauen zu lassen, sondern auch, weil der Computer nun eine Meldung anzeigte: Die Tinte ist fast aufgebraucht. Details zur Tinte anzeigen. Monika schloss das Fenster. Bisher hatte es immer noch ein paarmal geklappt, bevor die Farbe tatsächlich leer war. Das Surren des Druckers ertönte und parallel dazu klopfte es an der Tür.

»Herein«, rief Monika und sah, wie sich die Tür öffnete.

»Hallo«, sagte eine tiefe Stimme, die nicht recht zum Erscheinungsbild passen wollte. Das war der Kerl, dessen Bewerbungsmappe Monika auf ihrem Schreibtisch liegen hatte. Um die einen Meter achtzig groß, sehr schlank, auf dem Kopf lockige braune Haare, die an den Seiten deutlich kürzer waren. Monika erinnerte sich nicht, wie die Frisur im Fachjargon genannt wurde. Der Neue trug ein langärmliges Hemd, dessen Muster Monika an Eisblumen im Drogenrausch denken ließ, dazu eine schwarze Stoffhose und Chucks. Sie würde ihm sagen müssen, dass neutrale Hemden und Businessschuhe besser zu einem angehenden Versicherungskaufmann passten. Über der Schulter hing ein brauner Lederrucksack.

Monika stand auf, während der neue Azubi näherkam. Seine Augen wirkten aus der Nähe so blau wie die Perlhyazinthen, auf die Monika im Frühjahr immer so sehnsüchtig wartete. Auffällig waren auch die langen Wimpern, die Monika sogleich an ihre deutlich kürzeren denken ließen. Im Gegensatz zu ihrem neuen Azubi war Monika nicht mit langen dunklen Klimperwimpern gesegnet. Doch der Gedanke verflog schnell und wich der Feststellung, dass der neue Azubi, obwohl keiner dieser typischen Schönlinge, das gewisse Etwas hatte. Der junge Mann sah gut aus, das konnte Monika nicht leugnen.

»Ich bin Miro!« Wieder diese tiefe Stimme, die in Kontrast zu seinem leicht androgyn anmutenden Äußeren stand.

»Nein, bist du nicht. Ich habe deine Bewerbungsunterlagen gesehen. Guten Tag, Frank!« Sie grinste, als sie ihm die Hand reichte. Ein fester Händedruck, dachte Monika und sah bereits an seinem Lächeln, dass er äußerst überzeugt von sich selbst war.

»Und du bist?«

Sie hatte ihm noch kein Du angeboten. Dennoch entschied sich Monika, keinen Aufstand zu machen. Sie wollte weder zickig noch asbach wirken.

»Monika Habermaß. Monika ist übrigens mein richtiger Name.«

»Erwischt!« Frank alias Miro lächelte und fuhr sich durch die Haare. »Ich kann den Namen Frank nicht ausstehen. Frank Rahner… Das klingt nach einem Mittfünfziger!«

»Immerhin kein Kevin-Justin«, antwortete Monika. Sie selbst war nach ihrer Großmutter väterlicherseits benannt und hatte nach jahrelanger Abneigung im Teenageralter irgendwann Frieden mit ihrem Vornamen geschlossen. Es konnte einen immer noch schlechter treffen.

Anstatt eine fachliche Frage zu stellen, war das Erste, was Monikas neuer Auszubildender wissen wollte: »Geht es hier auch so ab wie in der Serie Stromberg

Monika musterte Frank, der sich selbst offenbar den Namen Miro gegeben hatte.

»Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete sie und hätte ihn am liebsten aus ihrem Büro geschoben und einem Kollegen aufgedrückt. Sie hatte die Serie nie gesehen. Interessierte Frank sich überhaupt für die Arbeit eines Versicherungskaufmannes? Es machte auf Monika nicht gerade den Eindruck, dass sie Frank einfach so mit zu Kunden nehmen konnte, ohne dass er sich in vollkommen andere Themen als das Fachliche verstrickte. Gutes Aussehen hin oder her – sie war keine zwanzig mehr! Und zudem verheiratet. Selbst in jüngeren Jahren war Monika nicht der Typ Frau gewesen, der sich jedem beliebigen Kerl an den Hals geschmissen hatte.

»Nie gesehen?«

Monika schüttelte den Kopf.

»Da hast du was verpasst! Aber hey, wir können das nachholen! Man wird ja auch mal Leerlauf hier haben, oder?«

»Du meinst eine Mittagspause?«

Frank nickte.

»Ja, die gibt es. Offiziell von zwölf Uhr dreißig bis dreizehn Uhr. Aber da ich bloß von montags bis donnerstags je fünf Stunden arbeite, mache ich keine Mittagspause. Du wirst die Nachmittage über bei anderen Kollegen unterkommen. Ich kümmere mich darum.« Wieso war das ihre Aufgabe? Herr Deters hatte den Auszubildenden angeschleppt, also sollte er sich gefälligst selbst damit befassen! Typisch Männer…

»Setz dich neben mich, dann kann ich dir ein bisschen was erzählen, ehe wir in etwa einer Stunde zu einem Kundentermin aufbrechen. Aber das da«, Monika deutete auf Franks Hemd, »geht gar nicht! Kunden erwarten von ihrem Versicherungsberater ein dezentes und neutrales Aussehen.«

In Franks Blick spiegelte sich Amüsement. »Ich kann es ausziehen, wenn es dir dann besser geht!« Sogleich begann Frank damit, die Knöpfe aufzumachen. Monika schluckte, als sie einen Blick auf Franks Oberkörpererhaschte. Weder zu viel Fett noch zu viele Muskeln. Sondern genau richtig, sodass Monika am liebsten über Franks Haut gestrichen hätte, um zu wissen, wie sie sich anfühlte. »Du ziehst dir einfach ab morgen neutralere Hemden an. In Ordnung? Am besten ohne Muster.«

»Sterilweiß? Oder darf es auch ein bisschen rosa sein?«

Monika bemerkte die Spitze sofort. »Von mir aus auch beerdigungsschwarz. Hauptsache, es sieht seriös aus.«

»Seriös kann ich.« Ihr war alles andere als wohl bei dem Gedanken, diesen jungen Mann in ihr Auto steigen zu lassen und zu einer potenziellen Kundin mitzunehmen. Frank stellte seinen Rucksack ab und nahm sich einen der beiden Stühle, die vor Monikas Schreibtisch standen. Bevor er jedoch neben ihr Platz nahm, öffnete Frank seinen Rucksack und zog eine Plastikflasche mit einer lachsroten Flüssigkeit hervor. Melonenwelle las Monika auf dem Etikett.

»Auch einen Schluck?«

Wahrscheinlich hatte sie zu sehr auf die Flasche geglotzt.

»Nein, danke!« Monika roch den viel zu süßen Geruch des Getränks. »Ich bin süchtig nach dem Zeug!«, gestand Frank ihr und Monika war wieder mal überzeugt worden, dass Werbestrategien auch bei Erwachsenen – oder solchen, die sich dafür hielten – funktionierten.

Immerhin war das Fenster auf und sorgte für etwas Luftzirkulation. Frank setzte sich neben Monika und schaute sie an. »Dann erzähl mal!«

Woher nahm er diese Lockerheit? Hatte er gar keine Angst, gleich am ersten Tag wieder rausgeschmissen zu werden? Nicht, dass sie die Kompetenzen dazu gehabt hätte, aber das konnte Frank nicht wissen.

»Wieso hast du dich für die Ausbildung zum Versicherungskaufmann entschieden?«, fragte Monika. Mal sehen, was Frank darauf antwortete.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er mit seiner tiefen Stimme zurückgab: »Ich kann Leuten gut Dinge andrehen. Das ist doch wichtig in dem Job, oder?«

Er schien noch schlimmer zu sein, als der erste Eindruck Monika zugeflüstert hatte. Wieso musste er so attraktiv sein?

»Wir drehen hier niemandem etwas an. Wir beraten Kunden, die an diversen Versicherungen oder einer Altersvorsorge interessiert sind. Du musst dich mit dem, was du den potenziellen Kunden erzählst, auskennen. Ansonsten trauen die Kunden dir nicht. Vertrauen ist wichtig! Wir wollen keine krummen Geschäfte machen, sondern den Leuten ein Stück Sicherheit in ihrem Leben bieten. Dafür stehen wir als Versicherung.« Sie musste ihm dieses Gehabe austreiben. So könnte sie ihn niemals auf echte Kunden loslassen! Wahrscheinlich würde sie diejenige sein, die von Herrn Deters die Quittung bekam, sollten in den kommenden Wochen die ersten Beschwerden eintrudeln!

Monika griff nach dem Formular, das sie vorhin ausgedruckt hatte, steckte es in einen unbenutzten Ordner der Lebenswert-Versicherung und legte ein paar Informationsbroschüren hinzu. Sie wollte gut vorbereitet zu dem Termin gehen. Wie immer.

»Du wirst mich schon einarbeiten!«

Täuschte sie sich oder zuckten Franks Mundwinkel, während er die Worte aussprach? Monikas Handinnenflächen begannen zu schwitzen. Da war dieser winzige Gedanke: Ob er auch so dreist beim Sex vorging?

2. Früher oder später sowieso

Als sie in ihren weißen Fiat Panda stiegen, bereute Monika zum allerersten Mal, sich nicht für einen größeren Wagen entschieden zu haben. Es fühlte sich beinahe an, als säße Frank eng an sie gedrückt. Monika schaltete die Klimaanlage ein. Trotz der milden Temperaturen war ihr heiß.

Bestimmt liegt es vor allem daran, dass ich es hasse, Zuschauer beim Fahren zu haben, redete sich Monika ein. Doch jeder noch so kurze Blick in Richtung Beifahrersitz belehrte sie eines Besseren. Frank musterte sie amüsiert – und sah dabei viel zu gut aus. Zu allem Überfluss ertönte beim Einschalten der Zündung das Lied, das Monika auf der Hinfahrt zur Arbeit rauf und runter gehört hatte: Nicht verdient von Michelle und Matthias Reim.

»Was ist das? Hausfrauen-Herzschmerz-Musik?«

»Das ist Michelle! Schlager!«, antwortete Monika mit etwas mehr Nachdruck als gewollt. Dass sie zu Hause eine ganze Sammlung von CDs der blonden Sängerin hatte, sagte sie Frank nicht.

»Für mich klingt das eher nach…«

Monika drehte ihren Kopf zur Seite, um Frank anzusehen. Lange konnte sie ihren Blick jedoch nicht auf ihm ruhen lassen, denn der Verkehr auf der Straße forderte ihre Aufmerksamkeit. Ein Glück, dass sie die Adresse, zu der sie fahren musste, kannte.

»Nach was?« Monika ahnte, dass er genau das gewollt hatte: Sie neugierig machen. Und es hatte geklappt.

»Nicht, dass du das falsch auffasst.«

»Werde ich nicht.« Die Ampel vor ihnen sprang auf Rot und gab Monika Gelegenheit, zu Frank hinüberzuschauen. Zwischen ihren Beinen begann es zu kribbeln. Auf ihre Pussy hatte Frank offenbar mächtig Eindruck gemacht. Ganz anders sah ihr Kopf die ganze Sache.

»Na gut. Dann kann ich dir ja sagen, dass es sich in meinen Ohren ganz danach anhört, als hättest du Bedürfnisse, die lange nicht gestillt worden sind.«

Monikas Lippen öffneten sich. Empörung und Scham mischten sich in Monikas Inneren. Sah sie etwa wie eine ungebumste Jungfer aus?

»Meine Bedürfnisse gehen dich nichts an! Du solltest dir solche Sprüche verkneifen!«

»Ich weiß. Aber du wolltest es nicht falsch auffassen.«

Es wurde Grün und Monika trat aufs Gas – einen Hauch zu stark, sodass sie aus dem Augenwinkel sah, wie Frank in den Sitz gepresst wurde.

»Was hörst du denn so für Musik?«, fragte Monika. Bestimmt keine Klassik, davon war sie überzeugt.

Frank grinste. »Was mir gerade gefällt. Deutschrock. Hip Hop. R ´n´ B.«

»Hip Hop… Sido, Bushido und so was?« Monika hatte ab und zu in den Nachrichten von den Eskapaden diverser Deutschrapper gehört. Sie war froh, dass Mariella bisher noch keine Anzeichen gemacht hatte, derartige Musik zu favorisieren.

Frank grinste. »Zum Beispiel.«

Wie hatte ihre Freundin Ira diese Musikrichtung kürzlich am Telefon genannt? Ich-ficke-deine-Mutter-Mucke oder so. Noch ein Bereich, in dem Frank total unausgereift zu sein schien.

Monika bog in die Ludwigstraße ein. Wann hatte ihr Herz vor einem Kundentermin derart gepocht? Sie war routiniert. Doch Franks Anwesenheit bei dem anstehenden Gespräch stieß ihr schwer auf.

Monika parkte ihr Auto direkt vor der Ligusterhecke, die an das Haus grenzte, in dem die potenzielle Kundin wohnte. Monika griff nach hinten, um die mitgebrachten Unterlagen vom Rücksitz zu nehmen. Als sie sich wieder umdrehte, sah sie Frank die Beifahrertür einen Spalt weit öffnen. Dann zog er sie wieder zu.

»Tja, sieht ganz danach aus, als müsste ich einen anderen Weg nach draußen nehmen.« Er deutete auf die Fahrertür.

Monika spürte, wie sich ihre Wangen rot färbten. Sie hatte nicht daran gedacht, auf der Beifahrerseite genug Abstand zum Aussteigen zu lassen. »Tut mir leid. Das kommt daher, dass ich es gewohnt bin, allein zu solchen Terminen zu fahren.«

»Kein Ding«, erwiderte Frank und fuhr sich lächelnd durch die Haare.

»Ich parke kurz um, damit du aussteigen kannst.« Monika schaltete den Wagen an, als Franks Hand plötzlich ihre berührte. Wieder spürte Monika die Wärme in sich, die bereits zu Beginn der Autofahrt in ihr gewesen war. Franks Hand fühlte sich warm und weich an. Und hatte überhaupt nichts auf ihrer Hand zu suchen!

»Du brauchst den Wagen nicht umparken. Ich kann doch über dich rüber rutschen.«

Perplex starrte Monika Frank an und schaltete kurzerhand den Motor wieder aus. »Meinst du das gerade ernst?«

Franks Grinsen wurde breiter und in seinen blauen Augen funkelte es. »Früher oder später sowieso.«

»Du…« Monika wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Er war so derart von sich überzeugt, so derart unprofessionell! Und so verdammt anziehend!

»Noch so ein Satz und ich schleppe dich zum Chef!«, sagte Monika halbherzig. Fand Frank sie attraktiv, obwohl sie älter war als er? Oder wollte er nur testen, wie er bei ihr ankam? War er ein selbst ernannter Milfhunter?

Ob es daran lag, dass Frank sein Pulver bereits verschossen oder sich Monikas Ansage zu Herzen genommen hatte – während des Kundentermins gab er sich jedenfalls seriös. Sofern das mit einem kunterbunten Hemd möglich war. Mit einem abgeschlossenen Vertrag verließ Monika das Haus der Kundin. Die Erleichterung stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie sich auf den Fahrersitz fallen ließ.

»Lief doch super!«, sagte Frank.

»Redest du von dir oder von mir?«

»Ich meine damit, dass du dir ganz umsonst Sorgen gemacht hast. Mach dich mal ein bisschen lockerer. Du bist zu verkrampft! Kommt wohl mit den Jahren in der Versicherungsbranche, oder?«

»Wenn ich lockerer werden soll, musst du aber etwas steifer werden!« Erst, als die Worte ihre Kehle verlassen hatten, wurde Monika die Doppeldeutigkeit bewusst. Sogleich lief sie rot an. Frank schaute sie spöttisch an, ohne ein einziges Mal zu blinzeln.

»Auf die Gefahr hin, dass ich dein Büro nie mehr betreten darf und meinen Ausbildungsplatz verliere… Aber ich habe schon seit der ersten Sekunde an das Gefühl, dass du mehr als unzufrieden bist. Und unzufriedene Frauen werden irgendwann unausstehlich. Ich will dich gerne mal glücklich erleben. Ich glaube, glücklich gefällst du mir noch besser! Und deshalb kannst du dich gerne selbst davon überzeugen, dass ich eines nicht nötig habe, Nika: Steifer zu werden!« Franks Hand griff nach Monikas Hand und legte sie in seinen Schritt. Wie selbstverständlich ließ Monika es geschehen. Ihr Herz raste wie kurz vor ihrem ersten Mal. Oh ja, er war steif. Monika hatte beinahe vergessen, wie sich ein steifer Schwanz anfühlte. Ihr Blick hing an Franks Augen, in denen sich Begehren mit einem Hauch Spott mischte. Frank hielt Monikas Hand noch immer fest und führte sie nun über seine Hose.

Monika biss sich auf die Lippen. Ihre Pussy pochte regelrecht und forderte, sofort Franks Schwanz in sich zu spüren.

»Es gefällt dir.« Eine Feststellung, keine Frage. »Ich kann noch viel mehr, was dir gefallen wird, Nika.« Monika korrigierte ihn nicht. Obwohl sie Spitznamen nicht ausstehen konnte, war es okay, dass Frank sie Nika nannte. Sie schloss die Augen und spürte Franks Hände an ihren Brüsten.

»Soo weich!«, hauchte Frank in ihr Ohr und machte sich daran, die rosa Bluse aufzuknöpfen. Monika dachte an den schlichten weißen BH, den sie trug. Ob Frank eher auf Push-ups stand? Oder mochte er es, dass sie keine Körbchengröße vorgaukelte, die sie nicht hatte?

»Ohhh…« ein Seufzen kam aus Monikas Mund, als Frank ihren rechten Nippel zwischen zwei Fingern hin und her drehte. Der leichte Schmerz förderte ihre Feuchtigkeit zwischen den Beinen nur. Monika hielt ihre Augen weiterhin geschlossen, um die Berührungen vollkommen genießen zu können. Währenddessen tobte in ihrem Inneren ein Kampf. Lust gegen Vernunft. Sie spürte, wie Frank ihren Sitz nach hinten stellte. Kurze Zeit später war Frank zwischen ihren Beinen, zog ihren Rock hoch und die Strumpfhose nach unten. Monika riskierte einen Blick und sah, wie Franks Finger ihren bordeauxfarbenen Slip beiseiteschoben. Vor Spannung hielt sie den Atem an, der sich erst wieder entlud, als Frank sein Gesicht hinabsenkte und seine Zunge an Monikas Kitzler spielen ließ. Monika stöhnte auf. Wann hatte Clemens sie zum letzten Mal oral verwöhnt?

»Du bist so feucht und so schön rot!« Frank streichelte über Monikas Schamhaare. Sie war stolz auf ihre rötlich schimmernden Haare, die ihre Muschi zierten wie ein edler Pelz. Auch ihr Mann Clemens hatte immer gerne über Monikas Schamhaare gestrichen.

Ich liebe es, wenn du so richtig nass bist und ich deinen Duftsaft auf deinen Haaren verteilen kann.

Monika erinnerte sich noch genau an seine Worte. Solche Dinge hatte Clemens in der Vergangenheit zu Monika gesagt, während sie nackt nebeneinandergelegen hatten und ihre Lust mit einem langen Vorspiel anstachelten. Wann war ihr letztes Mal gewesen? Clemens… So schnell, wie der Gedanke an ihn gekommen war, schubste Monika ihn beiseite.

Frank sah Monika an. Auf den Lippen ein leichtes Grinsen und Pussysaft, der seinem Mund ein leichtes Schimmern verlieh. Sein Blick machte ihr unmissverständlich klar, dass er bereit war, ihre Pussy zu verwöhnen, bis es kein Entrinnen mehr vor dem Höhepunkt gab. Sie wollte diesen Augenblick genießen und schloss die Augen. Franks Zunge fuhr weiter über ihren Kitzler. Auf und Ab. Monikas Beine zitterten. Dieses Gefühl war einfach zu intensiv. Franks Zunge tauchte in ihre Spalte ein. Monika spürte, wie leicht sie hinein glitt. Würde sein Schwanz genauso leicht hineinrutschen? Wie er sich wohl anfühlte?

»Ich will dich lecken, bis du kommst! Und danach stoße ich dich, bis du darum bettelst, noch einmal kommen zu dürfen!«

Monika öffnete die Augen. Das Kribbeln in ihrer Leistengegend steigerte sich mehr und mehr. Sie würde nicht allzu lange brauchen, bis der Orgasmus ihren Körper durchschüttelte.

»Stopp! Das… das geht nicht!«, wandte Monika plötzlich ein. Es war so geil gewesen. So wahnsinnig geil. Franks Zunge an ihrer Duftstelle. Wieso hatte er davon gesprochen, sie zu stoßen? Natürlich war das hier bereits Betrug, doch Monika redete sich ein, dass Ehebruch erst so richtig mit Geschlechtsverkehr begann. Sie hatte daran gedacht, wie er sich in ihr bewegte. Und doch… Dass er es nun ausgesprochen hatte, machte ihr klar, wie falsch das hier war. Wieso war sie so schwach geworden und hatte ihrer Lust nachgegeben? Sie hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen! Was fiel ihr ein? Das tat man als verheiratete Frau und Mutter nicht! Und als Vorgesetzte schon gar nicht! Mit über dreißig sollte sie sich weitaus besser im Griff haben!

»Und ob das geht, Nika. Glaub mir, ich werde dir eine Welt zeigen, die du noch nicht einmal erahnen kannst! Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du regelrecht süchtig sein nach Sex!«

3. Weiß auf Weiß

So ein Miststück!

Frank lief die Treppe hinunter, verließ das Gebäude und betrat den kleinen Parkplatz der Versicherung. Die Luft tat gut. Dennoch wollte der Nebel in seinem Kopf, der ihn daran hinderte, klare Gedanken zu fassen, nicht wegziehen. Nachdem sie den Kundentermin hinter sich gebracht und wieder bei der Lebenswert-Versicherung eingetrudelt waren, hatte Monika Frank in ihrem Büro um ein kurzes Gespräch gebeten.

»Es ist besser, wenn du für heute Feierabend machst. Morgen arbeite ich nicht. Wir haben also beide über das Wochenende genug Zeit, um diesen Vorfall zu vergessen.« Das waren ihre Worte gewesen. In ihren Augen hatte Frank allerdings etwas ganz anderes gelesen. Sie wollte ihn genauso, wie er sie wollte. Und eines spürte Frank gerade sehr deutlich: Er hielt den Druck nicht mehr aus! Dieses biedere Mauerblümchen, dessen Blick zu ihm sagte Nimm mich. Ich brauch es ganz dringend, während ihr Mund etwas davon erzählte, dass so etwas nicht noch einmal passieren durfte. Er war kurz davor gewesen sie zu ficken. So kurz davor! Seine Zunge hatte bereits ihre herrlich duftende Nässe erkundet. Und wie gut sie geschmeckt hatte! Er schätzte, dass sie schon lange keinen Schwanz mehr geritten, geschweige denn von einem Mann dominiert worden war. Was für eine Verschwendung!

Frank liebte den Geschmack von Pussysaft auf seinen Lippen, den Anblick von hemmungslos stöhnenden Frauen, die kurz vor dem Höhepunkt waren. Monika brauchte dringend einen, ach was, gleich mehrere Orgasmen! Doch sie hatte sich selbst den Höhepunkt vermasselt.

Monika… Sie war älter als er und dem Ring an ihrem Finger nach verheiratet. Sie tat so, als wäre sie eine Emanze, die ihre Stellung über ihm deutlich machte. Doch sie wollte, wie die meisten Frauen, umschmeichelt und hemmungslos gefickt werden. Und das hatte sie eindeutig verdient. Sie war klug und hübsch. Aber die leichten Falten um ihren Mund deuteten darauf hin, dass sie nicht viel lachte. Und erst ihre Schamhaare! Frank hatte keine bevorzugte Haarfarbe. Doch er hatte die Erfahrung gemacht, dass rothaarige Frauen einen Tick schwerer zu erobern waren als Damen anderer Haarfarben. Und er mochte rothaarige Fötzchen. Er wollte sie. Wollte wissen, wie sich sein Schwanz anfühlte, wenn ihre Lippen genüsslich an ihm lutschten.

Da vorne stand ihr Auto. Der weiße Fiat Panda, in dem er sie vor wenigen Minuten durch seine Zunge zum Stöhnen gebracht hatte. Ein typisches Frauenauto. Nur die Farbe war falsch: Die meisten Frauenautos waren rot. Klein und rot. Alles, was klein und rot war, war für Frank kein Auto. Autos hatten in seiner Welt laut zu sein und mussten mit einem silbernen Stern oder vier Ringen versehen sein.

Frank sah sich um. Der Parkplatz war leer und wenn er sich nicht allzu dumm anstellte, würde niemand aus einem der oberen Fenster erkennen, was er machte.

Frank ging nahe an Monikas Auto heran, die Fahrertür im Fokus. Ein Ritsch, dann war sein Hosenstall geöffnet. Sein Schwanz war noch immer steif. Monikas Ansage eben hatte nichts daran geändert. Vielmehr war seine Geilheit dadurch nur verstärkt worden. Er wusste, er würde Monika noch dazu bekommen, ihre Beine ein weiteres Mal zu spreizen. Dieses Mal nicht bloß für seine Zunge, sondern für seinen Schwanz. Er wollte seinen Namen aus ihrem Mund hören, während sie kam. Denn obwohl Frank seinen Vornamen keineswegs leiden konnte, klang es irgendwie geil, wenn sie ihn zwischen ihren Lippen hervorbrachte. Er wollte sie auf jede erdenkliche Art und Weise ficken. Sie mit seinen sexuellen Forderungen schocken, sie so hart rannehmen, wie wahrscheinlich noch kein Mann vor ihr. Seine rechte Hand wichste seinen Schwanz, während er daran dachte, dass Monikas Hände vor wenigen Minuten diesen Griff an der Autotür berührt hatten. Gerade war Monika die einzige Frau in seinem Leben, die Frank interessierte. Es fühlte sich an, als hätte er alles durch. Die Stripperin. Die Tankstellentussi. Das Mädel von nebenan. Die Domina. Die biedere Bibliotheksangestellte. Aber seine Vorgesetzte hatte Frank noch nie gefickt.

Frank spritzte ab. Feuchte Kleckse landeten auf der Tür von Monikas weißem Fiat Panda. Zufrieden grinsend stellte Frank fest, dass es beinahe gar nicht auffiel. Wenn Monika Feierabend hatte, würde sie die Tür aufmachen und als kleinen Gruß seinen Saft an der Hand haben. Frank öffnete seine silberne Mercedes E-Klasse Coupé – ein Wagen, der eigentlich viel zu teuer war, wenn man davon ausging, dass Frank offiziell nur sein Auszubildendengehalt hatte - und stieg ein.

4. Der ganz normale Alltag

Die Felder zogen an Monika vorbei, während sie in ihrem Fiat Panda in Richtung des Kindergartens Die Tobemäuse fuhr. Im Radio lief Einmal von Mark Forster. Monika wusste, dass sie bereits all die großen Momente im Leben, von denen sie als kleines Mädchen geträumt hatte, erlebt hatte. Sie waren vorbei und kamen nie zurück. Führerschein machen und das erste Auto kaufen. Der erste Job. Der Verlobungsantrag ihres Mannes, der so rumgedruckst hatte wie noch nie zuvor. Die Hochzeit, die für Monikas Geschmack viel zu pompös gewesen war. Anstatt des champagnerfarbenen Ballkleides wäre ihr ein schlichtes Spitzenkleid im 70er-Jahre-Hippie-Stil lieber gewesen. Und anstatt der Feier im gemieteten Saal eine Trauung am See – nur Clemens, sie und der freie Prediger. Doch Rückgrat war etwas, das Monika erst im Laufe der letzten Jahre entwickelt hatte. Entwickelte. Allmählich wagte sie es, ihrer Schwiegermutter die ehrliche Meinung zu sagen. Die Geburten ihrer beiden Kinder, die, nebenbei bemerkt, nicht so unkompliziert gewesen waren, wie Monika es sich immer vorgestellt hatte. Der Bau des eigenen Hauses, das Monika nie gewollt hatte. Aber für Clemens musste es immer mehr sein. Seitdem er vor einigen Jahren diesen Job als Wirtschaftsingenieur bei einem großen Automobilhersteller ergattert hatte, hatte sich die Veränderung nach und nach vollzogen.

Jeder Tag der letzten Monate, Jahre, hatte sich gleich angefühlt. Es war nicht schön, aber zumeist in Ordnung gewesen. Bis jetzt. Nun war Frank in ihr Leben getreten und hatte Monika aufgezeigt, was das Leben zu bieten hatte. Monika war sicher gewesen, dass sie niemals fremdgehen würde. Sie dachte an die klebrige Flüssigkeit, die sie eben nach Feierabend an der Fahrertür ihres Autos vorgefunden hatte. Das war sicher kein Vogel gewesen. Monika war beinahe sicher, dass Frank auf ihr Auto gespritzt haben musste. Sie hatte sich gerade noch davon abhalten können, die Flüssigkeit, die sie für Franks Sperma hielt, zu probieren. Der Gedanke hatte ein Prickeln zwischen ihren Schenkeln heraufbeschworen. Was war passiert? Wieso hatte sie sich von ihrem Auszubildenden, den sie heute zum ersten Mal gesehen hatte, ihr Höschen runterziehen und sich lecken lassen? Immerhin hatte sie danach die Courage gefunden, ihm klarzumachen, dass so etwas nie wieder vorkommen würde. Monika hatte mit ihrem Kollegen Martin abgeklärt, dass er Frank an den Nachmittagen, wenn Monika bereits Feierabend hatte, in seine Obhut nahm. Für Notfälle hatte sie Frank ihre private Handynummer gegeben. Wohl war ihr nicht dabei gewesen, doch war es sicherer, falls Frank sich beispielsweise krankmelden musste oder Fragen hatte. Monika versuchte ihre zitternden Finger zu ignorieren. Das heute war ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Keine Affäre, wie Clemens sie im vergangenen Frühjahr gehabt hatte. Sie hatte ihren Fehler noch rechtzeitig eingesehen. Um vierzehn Uhr einundzwanzig parkte Monika auf dem bereits überfüllten Parkplatz vor dem Kindergarten. Sie gehörte meist zu denen, die auf die letzte Sekunde kamen. Die ersten waren die Supermuttis, wie Monika sie in Gedanken nannte. Einige von ihnen arbeiteten nicht, weil sie sich, wie sie bei einem Gespräch angegeben hatten, in den ersten Jahren vollkommen auf ihre Kinder konzentrieren wollten. Monika war der leise Vorwurf in Stimme und Blick nicht entgangen. Ja, sie fühlte sich manchmal schlecht, weil sie bereits ein Jahr nach der Geburt ihres Sohnes wieder arbeiten gegangen war. Doch noch einmal hatte sie nicht in eine solche Depression rutschen wollen, wie nach der Geburt ihrer Tochter. Es war Monika sehr schwergefallen, ihren Job zu pausieren und plötzlich nur Hausfrau und Mutter zu sein. Zwar hätte sie nicht arbeiten gehen müssen, da ihr Mann genug verdiente, doch nur zu Hause zu sein war nichts für sie. Beim zweiten Kind hatte sie sich getraut, mehr an sich zu denken. Sie wollte sich ein Stück Unabhängigkeit bewahren. Soweit dies möglich war.

Monika wartete im Auto, bis der Großteil der Mütter im Kindergarten verschwunden war. Nach Sprüchen oder auch nur nach verachtenden Blicken der Supermuttis war ihr heute nicht zumute. Am liebsten hätte sie sich eine kuschelig-warme Decke geschnappt und sich darunter verkrochen. Doch die Show musste weitergehen. Als Mutter durfte sie ihren Gefühlen nicht mal eben freien Lauf lassen.

Um Punkt halb drei stieg Monika aus dem Auto und betrat den Kindergarten. Aus verschiedenen Räumen drangen Kinderstimmen. Vor Vergnügen kreischend. Lachend. Einige wütend oder schrill weinend. Monika bog um die Ecke, vorbei an der großen Holzmaus mit Sattel, auf der man wie auf einem Pferd reiten konnte, bis sie vor dem Raum der Mäusezähne angekommen war. Die Tür war geöffnet und einige Kinder begrüßten bereits ihre wartenden Mütter.

»Mama!« Constantin rannte aus dem Gruppenraum und fiel Monika, die bei seinem Anblick in die Hocke gegangen war, um den Hals. Er war ebenso rothaarig wie seine Mutter.

»Hallo mein Schatz, wie war dein Tag?« Monika drückte ihrem Vierjährigen einen Kuss auf die Wange. Noch freute er sich über körperliche Bezeugungen ihrer Mutterliebe. Monika war gespannt, wie lange es dauerte, bis er ihr eines Tages vorwarf: »Lass das! Was sollen denn meine Freunde denken?« Dass Kinder schnell älter wurden, sah sie an ihrer mittlerweile achtjährigen Tochter.

»Mein Tag war toll!«, sagte Constantin und lächelte Monika an. In solchen Momenten vergaß sie, dass er ein ziemlicher Dickkopf sein konnte. Typisch Widder!

»Was habt ihr Schönes gemacht?«

»Wir haben Heidelbeeren im Garten gepflückt. Jonas hat mir eine gemopst, aber ich habe ihn nicht gehauen!« Constantin schaute seine Mutter an, als erwartete er einen Begeisterungstaumel.

»Das ist gut, mein Schatz!« Constantins Drang, jedem, der ihm etwas wegnahm, zu hauen oder zu beißen, besserte sich allmählich.

Monika nahm Constantins Jacke vom Haken sowie den kleinen Rucksack mit Conni-Motiv. Ihren Sohn an der kleinen Patschehand gefasst, lief sie nach draußen.

»Tschüss, Maja!«, rief Constantin seiner Kindergartenfreundin zu, die bereits von ihrer Mutter im Kindersitz des Autos angeschnallt wurde. Monika winkte kurz, ehe sie den Fiat Panda aufschloss, um Constantin sowie Rucksack und Jacke im Auto zu verstauen. Die Fahrt nach Hause wurde von einem Conni-Hörspiel begleitet. Seitdem Monika ihrem Sohn vor geraumer Zeit eine Geschichte mit der blonden Kinderbuchfigur vorgelesen hatte, war Constantin absoluter Fan. Monika hätte lieber weiterhin Radio oder eine ihrer CDs von Michelle gehört, doch wie sonst auch gab sie den Wünschen ihres kleinen Sohnes den Vorzug. Heute war sie froh, dass Constantins Geplapper und die Erzählstimme, die aus den Lautsprechern drang, sie ablenkten und das Zittern ihrer Hände allmählich schwächer wurde.

Monika fuhr in einen Kreisel und nahm die erste Ausfahrt. Neider hätten diese Gegend als Bonzenecke betitelt. Und tatsächlich sagten die Häuser hier vor allem eines aus: Unsere Besitzer haben Geld! Viel Geld!

So auch das Haus, in dem Monika lebte. Es war weiß mit dunkelblau gedecktem Dach. Die Haustür wurde von zwei Säulen eingerahmt, die einen Balkon stützten. Der große Garten lag in Richtung der Straße, wurde jedoch von einer Thuja-Hecke und einem hohen Metallzaun mit geschwungenen Bögen eingerahmt, sodass es vorbeigehenden Leute schwer gemacht wurde, einen Blick auf die spielenden Kinder oder das Geschehen der sommerlichen Grillparty zu werfen. Die lange Einfahrt des Einfamilienhauses in der Elisenstraße, in deren Boden Lampen eingelassen waren, war noch leer. Natürlich war Clemens noch nicht zu Hause.

»Machst du heute Waffeln, Mama?«

»Waffeln?« Monika strich sich eine Haarsträhne, die sich gelöst hatte, hinters Ohr.

»Jaaa! Du hast gesagt, dass du mal wieder Waffeln backst!«

Wann hatte sie das gesagt? Monika konnte sich nicht erinnern, doch wenn Constantin das sagte, musste es wohl stimmen. Er vergaß so etwas nicht.

Monika stieg aus dem Auto und antwortete ihrem Sohn mit »Heute nicht, Schatz.«

»Ich will aber Waffeln!«