DAS BUCH
Cincinnati hat eine neue Meistervampirin – und Rachel Morgan ein Problem. Denn die Neue will, dass Rachel verschwindet. Constance folgt ihr auf Schritt und Tritt, bedroht ihre Freunde und sorgt überall in der Stadt für Chaos. Der Grund für ihren Hass auf Rachel ist ganz einfach: Seit diese einen Weg gefunden hat, die Seelen der Vampire zu retten, schwindet die Macht der Ältesten. Aber Constance will eine Rückkehr zu den alten Traditionen erzwingen – und sie hat Verbündete. Rachel mag zwar die mächtigste Hexe der Stadt sein, doch ist sie auch einer Armee von Meistervampiren gewachsen?
DIE AUTORIN
Kim Harrison, geboren im Mittleren Westen der USA, wurde schon des Öfteren als Hexe bezeichnet, ist aber – soweit sie sich erinnern kann – noch nie einem Vampir begegnet. Als einziges Mädchen in einer Großfamilie lernte sie rasch, ihre Barbies zur Selbstverteidigung einzusetzen. Sie spielt schlecht Billard und hat beim Würfeln meist Glück. Kim mag Actionfilme und Popcorn, hegt eine Vorliebe für Friedhöfe, Midnight Jazz und schwarze Kleidung und ist bei Neumond meist nicht auffindbar. Ihre Bestseller-Serie um die Abenteuer der schönen und tollkühnen Hexe Rachel Morgan ist längst Kult. Mehr Informationen unter: www.kimharrison.net
Ein ausführliches Werkverzeichnis der von Kim Harrison im Heyne Verlag erschienenen Bücher finden Sie am Ende des Bandes.
KIM HARRISON
BLUTFLAMME
ROMAN
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Titel der amerikanischen Originalausgabe
MILLION DOLLAR DEMON
Deutsche Übersetzung von Antonia Zauner
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Deutsche Erstausgabe 02/2022
Redaktion: Sabine Thiele
Copyright © 2021 by Kim Harrison
Copyright © 2022 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Satz: Leingärtner, Nabburg
ISBN 978-3-641-26108-5
V001
www.heyne.de
Für Tim
1
Am Flughafen von Cincinnati war es so laut, wie man es an einem Freitag erwarten würde, und das Gedränge und die vielen Stimmen verstärkten meine unerwartete Unsicherheit noch. Ich setzte mich aufrechter hin und suchte die wogenden Massen nach einem verstohlenen Schatten ab, nach jemandem, der versuchte, unauffällig zu bleiben, mit der Umgebung zu verschmelzen. Aber da war nur ein einsamer TSA-Agent, der mit verschränkten Armen an einer Wand lehnte und mich anstarrte, als würde ich ihn gleich mit Flüchen bombardieren. Als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, gab er mir mit einer Geste zu verstehen, dass er mich im Blick hatte. Ich erwiderte die Liebenswürdigkeit, indem ich mir mit dem Mittelfinger das Auge rieb.
Augenblicklich stieß er sich von der Wand ab und mischte sich unter die Reisenden, aber ich wusste, dass mehr als eine Kamera auf mich gerichtet war. Ich schob mir eine rote Locke aus dem Gesicht und ließ den Blick über die nichts ahnenden Massen schweifen. War der kleine Austausch jemandem aufgefallen? Quen, der mit Ellasbeth und den Mädchen an einem Tisch in der Nähe stand, lächelte wissend, und ich wurde rot.
»Dreck auf Toast, meine Strafe wurde aufgehoben, ich darf wieder fliegen.«
Darf ich das wirklich?, überlegte ich, während ich mich streckte und Trent in der Menge entdeckte, der mit drei Kaffee- und zwei Saftbechern zurückkam. Der Papphalter und die bunten Kinderbecher hätten an jedem anderen Ort einen seltsamen Kontrast zu seinem Anzug und der Krawatte gebildet, aber hier, im Hollows International Airport, schien nichts unmöglich zu sein.
Mir stockte der Atem, als er ruckartig stehen blieb und von den Getränken zu dem großen, attraktiven lebenden Vampir aufblickte, der ihm gerade den Weg abgeschnitten hatte. Der blonde Vampir, der eindeutig zu spät dran war, schien davon nichts zu bemerken, sondern eilte in einem unheimlichen Tempo weiter. Trent sah zu mir und hob kurz das Kinn zum Zeichen, dass er gleich wieder zurück sein würde. Lucy schrie, weil sie das Echo ihrer Stimme von der Decke widerhallen hören wollte, und Ellasbeth wurde immer angespannter und frustrierter.
Ich lehnte mich lässig zurück und bemühte mich, nicht zu lächeln, während Trent versuchte, die Mädchen abzulenken, damit sie sich besser benahmen. Lucy stürzte sich sofort auf ihren Saft, aber ihre stillere, zurückhaltendere Schwester ignorierte den Becher und beobachtete stattdessen drei Hunde, die vor ihren großflächig tätowierten und dadurch leicht als Werwölfe erkennbaren Besitzern durch den Terminal trotteten. Sie waren so groß wie kleine Ponys und vermutlich Teil des Rudels.
Ellasbeth mit ihrem cremefarbenen Hosenanzug und der Tausend-Dollar-Tasche sah aus, als wäre sie mit den Nerven am Ende. Neben ihrem makellosen Business-Outfit wirkte ich mit meinen Jeans, der dunkelgrünen Lederjacke und den flachen Arschtrittstiefeln fehl am Platz, aber das war nichts Ungewöhnliches. Die sechs Stunden Flug und vier Stunden Zeitverschiebung würden ihren Tribut fordern. Zum Glück verwandelten Erste-Klasse-Flüge launische kleine Mädchen in niedliche Engel. Dass sie ihnen zueinander passende blau-weiße Pullis angezogen hatte, ging mir zwar gegen den Strich, aber damit konnte man sie definitiv nicht aus den Augen verlieren.
Um ehrlich zu sein, war ich froh, dass sich in dem für Seattle gekennzeichneten Gepäckhaufen nichts von mir befand. Ich verzichtete diesmal dankend, trotzdem behielt ich die vorbeieilenden Leute aufmerksam im Blick, während sie um die kleine Familie herumglitten wie Wasser um einen Stein und keinerlei Eindruck hinterließen. Oh, natürlich wurde Trent nach wie vor erkannt, sobald er seinen hübschen Kopf durch die Tore seines Anwesens steckte, aber in letzter Zeit flüsterten die Leute eher und schossen verstohlen Fotos, statt herüberzueilen, ihm die Hand zu schütteln und um ein Selfie zu bitten.
In mir vibrierte etwas, als Trent sich von den Mädchen abwandte und mit zwei Kaffeebechern zu mir kam. Lächelnd nahm ich einen entgegen und rückte zur Seite.
»Fettfrei hatten sie nicht«, sagte er und kniff seine ausdrucksstarken grünen Augen auf bezaubernde Weise in leichter Sorge zusammen. »Sind zwei Prozent auch in Ordnung?«
Ich nickte, nippte an meinem Kaffee und genoss die ungewohnte Cremigkeit. »Danke. Ja.«
Es war fast so weit. An der Art, wie Trent auf die Uhr blickte und sich wartend zurücklehnte, erkannte ich, dass er nervös war. Der vertraute Anblick berührte mich bis ins Innerste, und als ich sein Knie an meinem spürte, regten sich Zweifel. Aber nein. Ich hatte zu viel zu tun, und es war keine gute Idee, jetzt die Stadt zu verlassen und ihn als unnötiger Ballast zu begleiten.
Ich würde ihn vermissen, aber selbst wenn sich in den Hollows nicht gerade Ärger zusammenbrauen würde, wäre ich nicht bereit, sieben Tage bei Ellasbeths Familie zu verbringen und so zu tun, als wäre alles prima, während Trent mit irgendwelchen Elfenbonzen stritt, damit sie seinen Status als Sa’han anerkannten.
Der Kaffee rann warm und nussig meine Kehle hinunter, während ich Ellasbeth über den Becherrand hinweg beobachtete. Als sie Trents Knie an meinem bemerkte, presste sie die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Doch dann versuchte sie, Ray dazu zu überreden, etwas von ihrem Saft zu trinken, und ihr Lächeln war echt. Die winzige Falte auf ihrer Stirn verschwand allerdings nicht.
»Ich werde dich und die Mädchen vermissen«, sagte ich, und Trent drückte meine Hand.
»Ich hätte dich liebend gerne die Woche über bei mir, aber Quen kennt ihre Security, und du hast morgen dein Playdate mit Dali.«
Playdate? Das schien mir nicht das passende Wort zu sein, und ich war alles andere als begeistert über die Aussicht, den selbst ernannten Anführer der Dämonen zu einem Treffen mit einem der überlebenden Rosewood-Babys zu begleiten, damit er sein Mentor werden konnte. Dali wollte ihn unterrichten. Umsonst. Nach drei Monaten Hinhalten hatte ich mich endlich bereit erklärt, ihn den verständlicherweise zögerlichen Eltern des Kindes vorzustellen. »Ich könnte auf dem Mond sein, und Dali würde kommen und mich holen, so wichtig ist es ihm«, sagte ich, und Trent drückte lachend noch einmal meine Hand.
»Ich glaube«, flüsterte er mir ins Ohr, »dass du da etwas ganz Großartiges tust. Es wird deiner Art helfen, wieder ihren Platz in dieser Welt zu finden. Ihnen etwas geben, auf das sie nach all der Zeit stolz sein können.«
»Und wenn Dali es vermasselt?«, fragte ich besorgt.
Trents Lächeln wurde breiter. »Das wird er nicht. Er braucht das. Sie brauchen es alle. Es ist eine Verbindung zur Gemeinschaft, ein Grund zu leben.«
»Eher eine zweite Chance, die Dämonen mithilfe von unvoreingenommenen Kindern wiederaufleben zu lassen, statt durch eine Hexe, die ihnen nicht zuhört. Obwohl ich zugeben muss, dass ich froh bin, nicht mehr der einzige weibliche Dämon zu sein«, sagte ich, und Trent lachte leise hinter seinem Kaffeebecher. »Dali wird es vermasseln«, prophezeite ich. »Früher oder später wird er Kerics moralischen Kompass manipulieren oder dem Kind etwas beibringen, das die Eltern ausdrücklich nicht wollten, oder sie schlicht anlügen.«
»Solltest du deine Meinung ändern: Ich habe einen zusätzlichen Sitzplatz gebucht, damit alle etwas Ruhe vor den Mädchen haben. Und in Seattle kann man Zahnbürsten kaufen.«
Ich zuckte zusammen. Sechs Stunden in einem Flieger? »Meine Anwesenheit dort würde deinem Anliegen eher schaden als nutzen.«
Trents gute Laune verflog. »Sie würde mir nutzen, wenn sie keine solchen …«
»Vorsicht …«, warnte ich mit einem kleinen Lächeln. »Man weiß nie, wer zuhört.«
»… traditionsbesessenen, verängstigten alten Säcke wären, die blind für die Realität sind«, beendete er seinen Satz aufgebracht.
Voller Liebe glättete ich ihm das schwebende Haar. Magie kitzelte meine Fingerspitzen, und er bemühte sich sichtlich um Beherrschung. »Nein, danke«, sagte ich und sah zu, wie die Mädchen aufgeregt zu den riesigen Fenstern rannten, hinter denen ein Jet auf den Terminal zurollte. »Ich war schon überrascht, dass sie mich überhaupt durch die Sicherheitskontrolle gelassen haben, um dich am Gate zu verabschieden. Zu versuchen, in einen Flieger zu steigen, ist noch einmal eine ganz andere Nummer.«
Doch ich zögerte, als mir klar wurde, dass er noch vor zwei Jahren mit seiner Privatmaschine geflogen wäre. Er meinte, er würde an die Umwelt denken, aber ich fragte mich, ob mehr dahintersteckte. »Richte Ellasbeths Mutter meine Glückwünsche zu ihrem Geburtstag aus.«
»Das werde ich.« Die Ellbogen auf die Knie gestützt, schaute er abwesend in die Ferne. »Es ist nur eine Woche«, flüsterte er und zwang sich dann zu einem Lächeln. »Begleitet dich David heute zu einer Besichtigung?«
Ich hörte Eifersucht in seiner Stimme. »Jepp«, antwortete ich fröhlich und fühlte mich geliebt, war aber auch ein wenig verärgert. Würde Trent mich zu den Besichtigungen begleiten, würden die Verkäufer sofort den Preis erhöhen, weil sie dachten, er würde mir finanziell unter die Arme greifen. David war unauffällig, niemand kannte ihn, und sein Fachwissen über Versicherungen kam mir sehr gelegen. »Das Objekt ist noch nicht auf dem Markt, aber es sieht gut aus, und mit etwas Glück habe ich eine neue Bleibe, bis du zurück bist.«
»Und wenn nicht, kannst du immer noch bei mir einziehen«, sagte er leise. »Das Zauberlabor steht leer. Ich benutze es nicht.«
Ich drückte seine Hand. »Es ist einfach zu weit draußen, Trent«, erwiderte ich bedauernd, auch wenn ich manchmal am Wochenende im renovierten Zauberlabor seiner Mutter arbeitete. »Kein Hilfesuchender wird bis dorthin fahren.«
»Früher haben sie das getan«, murmelte er. Aber jetzt nicht mehr, beendete ich seinen Satz im Stillen. Jetzt, da Trents Sa’han-Status in Gefahr war, wollte niemand mehr seine Hilfe, weshalb ihm auch nicht mehr viele einen Gefallen schuldeten. Früher hatten ihm diese Gefallen Türen geöffnet. Er hatte Macht besessen, die ihn über dem Gesetz stehen ließ und zum elfischen Sa’han machte. Aber das war jetzt vorbei.
Mir tat das Herz weh, und ich hielt den Atem an, während ich zu Ellasbeth hinüberblickte, die sich mütterlich um die Mädchen kümmerte. Sie war sowohl eloquent als auch kompetent und wäre in der Lage, ihm all das zurückzugeben. Aber nur, wenn ich nicht mehr im Spiel war, beziehungsweise in Trents Bett. Natürlich konnte er einfach noch ein paar uneheliche Kinder mit Ellasbeth zeugen, damit den elfischen Gesetzen Genüge getan war, aber das würde nichts daran ändern, dass er mich liebte. Die Tatsache, dass ich eine Dämonin war, wenn auch eine von Hexen gezeugte, machte das allerdings inakzeptabel.
Ellasbeth sah auf, als spürte sie meinen Blick, und lächelte blasiert. Vielleicht waren ihre Ohren doch besser, als ich dachte.
Ich wollte nicht zu Trent ziehen. Ich liebte ihn und die Mädchen, aber dass ich wegen meiner Arbeit zentrumsnah wohnen musste, war nicht der einzige Grund. Für ihn war alles einfach. Und das wollte er auch für mich. Das klang toll, aber dann würde ich niemals wissen, ob ich meinen Erfolg mir selbst oder ihm verdankte, und ich wollte aus eigener Kraft erfolgreich sein.
Leider sah es zunehmend so aus, als bliebe mir keine andere Wahl, als zu Trent zu ziehen, und sei es nur vorübergehend. Ich hatte gerade mal noch zwei Wochen, bevor Constance Corson, die zukünftige Meistervampirin Cincinnatis, mich aus Piscarys ehemaligem Wohnsitz werfen und ihn und die Stadt in Besitz nehmen würde. Schon den ganzen Monat kamen immer mehr ihrer Leute in die Stadt und machten Ärger, indem sie sich in den Bars und anderen Hotspots tummelten, um die alte Ordnung mit gefletschten Fangzähnen niederzureißen. Dagegen hatte sich überraschender Widerstand geregt, aber wie erwartet unternahm die I. S. nichts, da Constance aus ihrer Sicht lediglich ihren Einfluss als zukünftige Meistervampirin – und damit ihre zukünftige Chefin – geltend machte. Das von Menschen geführte FIB konnte natürlich auch nicht viel ausrichten. Bis jetzt bedrohten Constances Leute lediglich andere Vampire, aber das konnte sich schnell ändern, sobald sie die Macht übernahm, und das bereitete allen Sorgen. Der dritte Grund, warum ich Cincy im Moment nicht verlassen wollte.
»Ich möchte, dass du dich vorsiehst, wenn ich nicht da bin«, sagte Trent, und ich drehte mich überrascht um. Nicht nur seine Worte, sondern auch der Ausdruck in seinen grünen Augen drückte Sorge aus.
»Ich sehe mich immer vor«, erwiderte ich, aber dass er es überhaupt angesprochen hatte, bedeutete, dass etwas nicht stimmte. »Was ist los?«, fragte ich leise und beugte mich näher zu ihm.
Er atmete tief durch und tat so, als würde er von seinem Kaffee trinken, um die Bewegungen seiner Lippen zu verbergen. »Vielleicht hat es keine Bedeutung, aber letzte Nacht hat möglicherweise jemand versucht, in mein Anwesen einzubrechen.«
Möglicherweise? Ich erstarrte. »Ich komme mit dir«, sagte ich und wühlte nach meinem Handy, um Jenks Bescheid zu sagen.
»Nein.« Er hielt meine Hand fest. »Es war vermutlich nur ein Einschüchterungsversuch.«
Aber irgendetwas an seinem Lächeln stimmte nicht ganz. Vor sechs Monaten hätte ich ihm vielleicht geglaubt, aber jetzt? Ich durchschaute ihn beinahe besser als Quen.
Und er wusste es. »Ich hätte es nicht erwähnt, aber die drei Vampire, die Quen vertrieben hat, waren nicht in der Gesichtserkennungsdatenbank von Cincy.«
Ich nickte langsam. »Auswärtige Vampire, die Ärger machen. Ich komme mit dir.«
Er warf mir einen schnellen Blick zu, und mein Inneres krampfte sich vor Sorge zusammen, als er liebevoll lächelte. »Rachel, ich wünsche mir nichts mehr, als dass du mit mir kommst, aber nicht wegen drei unfähiger Vampire aus Constances Camarilla, die über die Mauern klettern und mir durch mein Sicherheitssystem Drohungen zurufen.«
»Drohungen? Was haben sie gesagt?«
Seine Hand in meiner fühlte sich warm an, als er sie anhob und mich auf die Fingerknöchel küsste. »Sie haben verlangt, dass ich Constance als das Gesetz in Cincinnati und den Hollows anerkenne.«
»Trent …«
»Ganz ruhig, das kommt nicht unerwartet«, meinte er. »Und wie du sagtest: Ich wohne zu weit draußen, um direkten Einfluss auf das zu haben, was in der Stadt passiert.« Er presste die Lippen zusammen und blickte abwesend in die Ferne.
Ich drückte seine Hand, und er schaute mich wieder an. »Versprich mir, dass du anrufst, wenn noch mal etwas in der Art passiert. Sofort«, drängte ich.
»Das werde ich.« Er sah zu seinen beiden Mädchen hinüber. »Versprochen.«
Ich glaubte ihm. Sollte es wirklich Ärger geben, konnte ich in der Zeit da sein, die ich brauchte, um einen Dämon aus seinem Schmollwinkel zu reißen und mir einen Sprung durch die Kraftlinien zu kaufen.
»Hier«, sagte er, und ich riss die Augen auf, als er eine kleine Ringschachtel aus seinem Jackett zog. »Der ist für dich. Hat nicht direkt etwas mit Constances Drohungen zu tun, aber ich kann dann nachts besser schlafen.«
»Ähhh …«, stotterte ich. Trent war nicht der Typ, der Schmuck schenkte. Eine Waffe, einen Zauber oder einen Talisman, aber keinen Schmuck, sofern es sich dabei nicht um eine Waffe, einen Zauber oder einen Talisman handelte. Ich nahm die kleine graue Schachtel entgegen und war froh, dass er nicht hier im Terminal auf ein Knie gesunken war. Ja, Ellasbeth war die Mutter seines Kindes, und er kümmerte sich um Quens Tochter, aber er war immer noch Single.
»Es ist ein Zauber«, erklärte er dicht bei mir, und ich roch seinen Duft nach Zimt und Wein. »Ich habe einen ganzen Monat gebraucht, um ihn zu entwickeln.«
Ich entspannte mich und öffnete die Schachtel, in der ein kleiner, zierlicher Silberring mit Perle lag. »Oh Trent, er ist wunderschön«, sagte ich und nahm ihn heraus, wobei ich kurz zögerte, als ich das leise Kribbeln des Zaubers spürte. »Was kann er?«
»Er ist dafür da, dass du mich nicht vergisst.«
Ich hob die Augenbrauen, als er mir den Ring aus der Hand nahm und ihn an meinen kleinen Finger steckte. »In nur einer Woche?«, meinte ich trocken, und er lachte.
»Schau, hier. Ich habe auch einen.« Er zeigte mir seine Hand, an der ein Zwilling zu meinem steckte, nur dass er golden und die Fassung deutlich männlicher gestaltet war. »Wenn einem von uns etwas passiert, dann färben sich die Perlen schwarz.«
»Oh!« Er nahm meine Hand, und ich blickte auf unsere ineinander verschlungenen Hände hinunter. Die Ringe fingen das künstliche Licht so ein, dass sie beinahe leuchteten. Es war so eine Art Ich-bin-gefallen-und-komme-allein-nicht-mehr-hoch-Zauber. »Danke. Er ist wunderbar.« Dann zögerte ich. »Wenn du sagst, falls einem von uns etwas passiert, dann …«
Er sah mich nicht an und zuckte mit den Schultern. »Er funktioniert über deine Aura.«
Es war also Schmuck, aber ein Klunker mit einem Kniff. »Danke, Trent«, sagte ich und verdrängte, dass der Ring uns signalisieren sollte, dass der jeweils andere ermordet wurde. »Ich liebe ihn.« Und das war die Wahrheit. Er war zierlich genug, um an meinen schmalen Fingern gut auszusehen, und so klein, dass die meisten Menschen ihn nicht bemerken würden. Jenks allerdings schon. Der Pixie sah alles.
Trents Laune schien sich zu bessern, aber ich sah immer noch Sorgenfalten um seine Augen. »Ich habe nur einen Tag gebraucht, um sie zu fertigen, sobald ich erst einmal die Perlen hatte. Sie zu finden hat einen guten Monat gedauert.« Er sah zu den Mädchen. »Sie stammen aus der gleichen Auster und sind so einzigartig, wie du es bist.« Er sah mich wieder an und hob meine Hand an den Mund, um meine Fingerspitzen zu küssen. Ein Kribbeln durchlief mich, und mir wurde warm. Es war ungewöhnlich, dass er seine Zuneigung so öffentlich zeigte, aber vielleicht war es auch eine Botschaft an Ellasbeth, die gerade nicht sehr glücklich dreinblickte.
Für einen kurzen Moment gab es inmitten der hektisch vorbeieilenden Passagiere nur uns, aber dann krampfte sich seine Hand um meine, und ihr Flug wurde ausgerufen. Er richtete sich auf und warf Quen einen Blick zu. Sofort widmete der ältere Dunkelelf sich den Mädchen, wischte über Hände und Gesichter, band Schnürsenkel und lenkte ihre Aufmerksamkeit, ohne es so aussehen zu lassen, als manipulierte er sie. Dreck auf Toast, er ist verdammt gut.
»Ich muss los«, sagte Trent und erhob sich.
Ich stand ebenfalls auf, und mein Magen zog sich zusammen. »Es ist nur eine Woche«, sagte ich, und das Gefühl, von ihm getrennt zu sein, packte mich mit voller Wucht, während seine Familie sich eilig fertig machte. Ich fühlte mich wie eine Außenseiterin, vor allem, als die Mädchen zur Scheibe rannten, um den Flieger anzusehen, und dabei ihre Tante Rachel ganz vergaßen.
Trent stellte seinen Kaffee ab. »Ich habe gesehen, was in nur einer Woche passieren kann.« Er lächelte, seine Lippen nur wenige Zentimeter von meinen entfernt. »Rufst du mich an?«
»Ruf du mich an«, gab ich zurück, und Trent nahm mir den Becher ab, um ihn neben seinen auf eine Stuhllehne zu stellen, ehe er mich in eine leidenschaftliche Umarmung zog, die ein Feuer in mir auflodern ließ. Darauf folgte ein zurückhaltender, aber zärtlicher Kuss, der in mir den dringenden Wunsch nach mehr weckte.
»Ja, Madam Dämonin«, scherzte er und gab mich frei. Dann ging er, und ich blickte ihm hinterher. Er hatte Ray an einer Hand und Lucy an der anderen. Quen folgte ihm mit Ellasbeth, die in ihrer Tasche nach den Tickets suchte. Sie waren die perfekte Familie, und es bereitete mir Sorge, dass sie eine Woche bei den übertrieben vornehmen Elfen an der Westküste verbringen würden.
Vielleicht wäre es doch besser gewesen, Cincy Constance zu überlassen und Trent zu begleiten, um Ellasbeth auf Abstand zu halten.