Jörg Diehl
Thomas Heise
Claas Meyer-Heuer

ROCKERKRIEG

Warum Hells Angels und Bandidos
immer gefährlicher werden

Deutsche Verlags-Anstalt

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Typografie und Satz: DVA/Brigitte Müller
ISBN 978-3-641-09431-7
V003
www.dva.de

VORWORT
DIE BLUTSPUR

Es ist das Aufeinandertreffen zweier Legenden, Muhammad Ali gegen Mike Tyson sozusagen, wenn auch mit nicht ganz gleichmäßig verteilten Chancen: Auf der einen Seite die GSG 9, die Elite der Elite, die Enkel der Helden von Mogadischu, das ultimative Mittel des Rechtsstaates. Und auf der anderen Seite Frank Hanebuth, mächtigster Hells Angel in Europa, Ex-Schwergewichtsboxer, 1,96 Meter groß, locker 140 Kilo schwer. »Der Lange« gilt als Pate von Hannover, sein Wort ist vielen Männern Gesetz.

Hanebuth wohnt nördlich der niedersächsischen Landeshauptstadt, in der ebenso sattgrünen wie gutbürgerlichen Gemeinde Wedemark. Seine Villa, Fachwerk mit rotem Klinker, liegt hinter einem zwei Meter hohen Zaun, der mit Stacheldraht bewehrt und mit Kameras gespickt ist. Die Nachbarn des Chefrockers sind Musiker und Chefärzte, Manager und Politiker, die sich privat in ihre schöne, heile, wohlhabende Welt zurückgezogen haben.

In dieses Idyll dröhnt am 24. Mai 2012, morgens um kurz nach 5 Uhr, ein 3200 PS starker Hubschrauber der Bundespolizei vom Typ Super Puma. An Bord des blau lackierten Monstrums hocken ein Dutzend Elitepolizisten der Spezialeinheit GSG 9, Funkname »Wotan«. Schwer bewaffnet mit Maschinenpistolen, 9-Millimeter-Waffen, Pumpguns und Blendgranaten seilen sich die maskierten Kämpfer in den schwarzen Einsatzoveralls in Hanebuths Garten ab.

Sie erschießen einen sechs Monate alten Hütehund, zwecks Eigensicherung, wie es hinterher im schönsten Polizeideutsch heißt, als ihnen der aus dem Schlaf gerissene Rockerfürst auch schon entgegenläuft. Die Hände hält er über den Kopf, sich der Staatsmacht ergebend. Denn diesen Kampf, das weiß Frank Hanebuth, kann er nicht gewinnen, und weil er ein cleverer Mann ist, will er sich auch gar nicht erst darauf einlassen.

Zeitgleich durchsuchen mehr als 1000 Beamte, darunter Hunderte Spezialeinsatzkräfte, Wohnungen, Häuser, Bordelle und Bars im Norden der Republik. Auf einer Pressekonferenz feiern die Polizeiführer Stunden später ihren Schlag gegen das Verbrechen. Die Aktion sei »historisch« gewesen, sagt ein Beamter sehr zufrieden.

Tatsächlich markiert der Einsatz der GSG 9 gegen den mächtigsten deutschen Hells Angel den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung, in deren Verlauf der Druck des Rechtsstaats auf die Rockerszene stetig gewachsen ist. Immer stärker gehen die Ermittler in Bund und Ländern seit einigen Jahren gegen die sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG) vor. Es hagelt Verfahren, Durchsuchungen, Festnahmen, Prozesse und Vereinsverbote: Unter anderem in Neumünster, Flensburg, Frankfurt, Kiel, Köln, Aachen und Berlin werden Rockerclubs geschlossen.

Und dann geschieht im Sommer 2012 das Undenkbare. Die Hells Angels machen aus eigenem Antrieb kurz hintereinander ihre wichtigsten, größten und prestigeträchtigsten Dependancen in Deutschland dicht. In Bremen löst sich das Charter »West Side« auf, in Hannover der Club des Frank Hanebuth. Und auch die Berliner »Nomads« – im Selbstverständnis der Hells Angels eine Art Eliteverband – flüchten aus der Hauptstadt ins beschaulichere Brandenburg.

Für das Milieu der Motorradgangs ist das in etwa so, als hätten Borussia Dortmund, Bayern München und der Hamburger SV gleichzeitig ihre ersten Mannschaften vom Spielbetrieb der Fußball-Bundesliga abgemeldet – und zwar um einer drohenden Sperre durch den DFB zuvorzukommen. Es ist ein Erdbeben in der Bikerszene, Stärke 10,0 auf der Rockerskala, etwas, das es in dieser Dimension noch nie gegeben hat und das viele Jahre zuvor noch vollkommen unvorstellbar war. Die Frage muss daher lauten: Wie zur Hölle ist es dazu gekommen?

Denn eigentlich befand sich die Szene in einem beispiellosen Aufwärtstrend. Europol zufolge verdoppeln die beiden größten Clubs – Hells Angels und Bandidos – die Zahl ihrer europäischen Filialen seit 2005 nahezu. Deutschland ist im Frühling 2012 weltweit der größte Rocker-Standort nach den USA. Und während es im Herbst 1999 gerade einmal 50 Hells Angels in fünf Chartern gab, zählt das Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2011 bereits 1211 Höllenengel in 57 Chartern. Dem stehen 1029 Bandidos in 73 Chaptern gegenüber – auch deren Zahl ist zuletzt explodiert: Nur ein Jahr zuvor registrierte das BKA bloß 721 Banditen in 50 Chaptern.

Begleitet wird die rasante Expansion der Gangs von einer jahrelangen Dauerfehde, in der sich vor allem Hells Angels und Bandidos auf das Brutalste bekämpfen. Die Presse erfindet dafür den Begriff »Rockerkrieg« – wie soll man es auch sonst nennen, wenn auf offener Straße Menschen getötet werden und die Anführer einer Gruppe ihren Mitgliedern befehlen, die Anhänger der anderen Gruppe anzugreifen, wann immer sie sie sehen? So ziehen die Banden durch das Land und hinterlassen eine Blutspur:

Am 23. Mai 2007 erschießen die Bandidos Heino B., 47, und Thomas K., 35, den Hells Angel Robert K., 47, in seinem Motorradladen im westfälischen Ibbenbüren.

Am 21. Juni 2009 greift ein Kommando der Bandidos im brandenburgischen Finowfurt auf offener Straße einen Konvoi der Hells Angels an: Danilo B., 27, erleidet multiple Stichverletzungen in beiden Beinen und im linken Arm, eine Fraktur der rechten Kniescheibe, eine Fraktur des linken Unterschenkels. Enrico K., 26, wird das rechte Bein fast abgetrennt, Sebastian W., 27, in Hals und Brust gestochen. Und Angels-Anführer André Sommer schleppt sich ins Krankenhaus, mit einer abgebrochenen Klinge im Rücken.

Am 26. Juni 2009 stoppen die Hells Angels Marcus S., 41, Danny A., 29, und Björn S., 27, auf der Landstraße 386 bei Stetten (Rheinland-Pfalz) den örtlichen Outlaws-Präsidenten Dirk O., 45, reißen ihn von seinem Motorrad, schlagen ihn zusammen und erstechen ihn schließlich.

Am 17. Juli 2009 findet im brandenburgischen Eberswalde ein Rocker der Chicanos einen verdächtigen Gegenstand unter seinem Auto. Die alarmierten Sprengstoffexperten der Polizei entschärfen wenig später eine russische Handgranate vom Typ RG 42.

Am 13. August 2009 tötet ein Unbekannter in Berlin-Hohenschönhausen den Hells Angel Michael B., 33, mit einem Schuss in die Brust. Ein Messerstich durchtrennt zudem seine Oberschenkelarterie.

Am 12. September 2009 rammt der damalige Anführer der Hells Angels Flensburg, Stefan R., 36, mit seinem Audi A 8 zweimal den Bandido Thomas K., 24, der mit seiner Harley auf der Autobahn unterwegs ist. Der Rocker stürzt und erleidet lebensgefährliche Verletzungen.

Am 8. Oktober 2009 erschießt im Duisburger Rotlichtviertel der Hells Angel Timur A., 31, den Bandido Rudi Heinz »Eschli« Elten, 32. Ein »Szenario wie beim Schachspiel«, sagt der Vorsitzende Richter später: »Vier Züge bis Matt.«

Am 18. Oktober 2009 feuern Unbekannte im hessischen Usingen aus einem Auto heraus auf den Hells Angel Friedrich M., 44, als der in seinen Wagen einsteigen will. Ein Projektil durchschlägt den Arm des Mannes auf Brusthöhe.

Am 28. Dezember 2009 greifen die Bandidos Rafael H. und Nico R. in Erfurt den Hells-Angels-Unterstützer René F., 38, vor einem Motorradladen an. Das Opfer erleidet lebensgefährliche Hieb- und Stichverletzungen.

Am 17. März 2010 tötet im rheinland-pfälzischen Anhausen der Hells Angel Karl-Heinz »Kalli« B., 44, den Polizisten Manuel K., 42. Der Oberkommissar gehört einem Spezialeinsatzkommando an, das sich in den frühen Morgenstunden Zutritt zum Haus des Rockers verschaffen will. Der aber feuert – anstatt zu öffnen – durch die geschlossene Tür auf die vermummten Beamten, weil er, wie er später sagt, den Angriff einer konkurrierenden Bande fürchtet.

Diesen Hells Angel spricht der Bundesgerichtshof (BGH) am Ende sogar frei: »Er erblickte von einem Treppenabsatz aus durch die Teilverglasung der Haustür eine Gestalt, konnte diese aber nicht als Polizisten erkennen«, heißt es aus Karlsruhe. »Kalli« B. habe stattdessen angenommen, schwerbewaffnete Bandidos seien gekommen, um ihn und seine Verlobte zu töten. Als auf den Warnruf »Verpisst euch!« und das Einschalten des Lichts keine Reaktion erfolgt, habe der Mann geschossen.

Eine irrtümliche Annahme einer Notwehrlage sei nach ständiger Rechtsprechung ebenso zu behandeln wie ein Fall tatsächlich gegebener Notwehr, befindet der BGH, der sich damit ziemlich gut informiert zeigt. Denn im Grunde erkennen die Richter mit ihrer Entscheidung letztinstanzlich an, dass es in Deutschland verfeindete Banden gibt, die sich um das Gewaltmonopol des Staates wenig scheren und sich stattdessen mit tödlicher Brutalität und frenetischem Hass bekriegen.

Für die Ermittlungsbehörden jedoch ist das Urteil ein Weckruf, sie müssen handeln. Ziemlich zügig verständigen sich die Innenminister auf ein entschlossenes Vorgehen.

Doch der Verfolgungsdruck auf die Rocker, den Polizei und Staatsanwaltschaften in den Folgejahren aufbauen, all die Verbote, Verfahren und Razzien, die Sonderkommissionen und Datenbanken, das alles ist nur ein Grund für die heftige Bewegung in der Szene. Der andere liegt in den Clubs selbst. Seit ihrer Expansion und dem damit einhergehenden sogenannten Rockerkrieg befinden sich die Gangs in einem radikalen Veränderungsprozess.

Hells Angels und Bandidos haben in den vergangenen Jahren Hunderte junger Männer angezogen, die mit dem Lebensgefühl der Altrocker nichts mehr verbindet. Sie hören Hip-Hop statt Rock ’n’ Roll, sie rasieren sich die Köpfe, Gesichter und Achseln, statt lange Haare im Wind wehen zu lassen, sie gehen auf die Sonnenbank und tragen Brillis im Ohr, keine Eisernen Kreuze mehr. Man könnte auch sagen, sie wollen lieber wie 50 Cent aussehen als so wie Dennis Hopper in »Easy Rider«.

Ältere Rocker bezeichnen die Neuen daher manchmal wenig charmant als »das Gesocks«. In den Clubs mischen mittlerweile ehemalige Hooligans, Neonazis und Neuköllner Kleinkriminelle mit – nicht immer als reguläre Rocker, oftmals nur in Schlägertrupps, »Supporter«, also Unterstützer, genannt. Viele dieser jungen Männer, meist mit einem Faible für Kameradschaft, Kampf- und Kraftsport, haben einen Migrationshintergrund und eine dicke Strafakte bei der Polizei. In Berlin etwa befehligt der Ex-Boxer Kadir Padir einen Trupp Hells Angels, in dem kaum einer der Männer einen Motorradführerschein besitzt, geschweige denn eine Harley-Davidson, dafür aber den Respekt der Straße. Und das scheint heute in der OMCG-Welt einzig entscheidend zu sein.

Viele Jung-Rocker sind als Jugendliche sogenannte Intensivtäter gewesen und in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Straftaten zum Alltag gehören. Der Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch schrieb bereits vor Jahren über den Nachwuchs örtlicher Clans: »Sie haben eine Selbstbedienungsmentalität entwickelt, die darauf abzielt, sich zu nehmen, was immer sie wollen und wann und sooft sie es wollen.« Damit seien die jungen Männer ein »ideales Reservoir für die Fußtruppen des Organisierten Verbrechens«.

In Bremen etwa gründet im August 2010 der Kurde Mustafa B. gemeinsam mit knapp zwei Dutzend Mitgliedern seiner Sippe einen Ableger des internationalen Motorradclubs Mongols. Es ist das erste Mal, dass in Deutschland Angehörige eines muslimischen Zuwanderer-Clans, der bereits der Schweren Kriminalität zugerechnet wird, in die Bikerszene drängen. Inzwischen gibt es die Mongols und ähnliche Gruppierungen in vielen Städten.

Auch die großen Gangs, die vor Jahren noch eine strikt nationale Personalpolitik verfolgten, haben ihr Rekrutierungsschema längst geändert. Gesucht werden nicht mehr unangepasste Asphalt-Cowboys teutonischer Provenienz, sondern schlagkräftige Typen mit krimineller Vorerfahrung. Alles andere ist dann Verhandlungssache.

So sagt der Berliner Streetworker Taner Avci, 39, im Dezember 2011 der »Zeit« über sogenannte Bildungsverlierer: »Klappt es dann nicht mit einer Ausbildung, bleibt meist nur noch der Traum vom schnellen Geld. Nicht selten suchen sich Jugendliche dann auch illegale Wege, um an Geld zu kommen. Besonders erschreckend ist in Berlin der Zulauf zu den Hells Angels und den Bandidos, zwei Banden, die es schaffen, Jugendlichen einen fragwürdigen Halt zu geben. Für jemanden, der sein Leben lang in einer Hartz-IV-Familie verbracht hat, ist es nicht leicht, aus diesem Automatismus auszusteigen.«

Dass sich immer mehr Männer, wie etwa der Duisburger Free Fighter Timur A., der als Hells Angel im Oktober 2009 den Bandido »Eschli« Elten töten wird, von ihren Straßengangs ab- und den Rockerbanden zuwenden, hat nicht nur mit deren Stärke, sondern auch etwas mit der gesteigerten Medienpräsenz dieser Clubs zu tun. Gefragt, warum seine Bande sich den örtlichen Höllenengeln als Schlägertruppe angedient habe, antwortet im Januar 2012 ein junger Deutsch-Marokkaner aus Köln: »Ey, Mann, die sind berühmt. Guck mal YouTube!«

Doch mit diesen neuen Leuten in ihren Reihen beginnen die Motorradclubs sich zu verändern. Die OMCG-Szene steht in Deutschland vor einem grundlegenden Wandel, vor dem erfahrene Kriminalisten warnen. Denn während viele Altrocker über ihre Clubs, denen sie sich verpflichtet fühlen und an denen ihnen liegt, noch einigermaßen beherrschbar sind, scheinen die jungen Wilden keinerlei Loyalität mehr zu kennen. Wenn es gerade opportun erscheint, streifen sie die eine Kutte ab und ziehen die nächste an. Zudem sind sie häufig hochaggressiv und sorgen mitunter für heftige Konflikte, in die sie immer wieder die gesamten Gangs hineinziehen.

Den Ermittlungsbehörden, aber auch den Motorradbanden, die zumindest theoretisch strengen internen Regeln folgen und drakonische Strafen kennen, erwächst daraus ein Problem: Wie wird man die Geister wieder los, die man einst zu Hilfe gerufen hat? Kann man sie überhaupt wieder loswerden? Oder ist die Zeit der Etablierten abgelaufen – nicht nur weil die ungestümen, hungrigen Jungen nach vorne drängen, sondern auch weil den Alten inzwischen die Staatsmacht auf den Füßen steht?

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Bücher über die Motorradgangs erschienen, die alle dieselbe Perspektive auf die Szene wählen: Es sind subjektive Berichte von Insidern, Undercover-Polizisten oder ehemaligen Gangmitgliedern. Die Autoren beschreiben, was sie (angeblich) in ihrer kleinen Rockerwelt erlebt haben, einen größeren Kontext vermögen sie nicht herzustellen.

Dieses Buch soll etwas anderes sein, etwas, das es in Deutschland noch nicht gegeben hat. Aus Tausenden Seiten exklusiv vorliegender und vertraulicher Akten, aus Dutzenden Gesprächen mit Polizisten, Milieu-Größen und Rockern entstand die erste objektive Darstellung eines Phänomens, das die Sicherheitsbehörden in den nächsten Jahren massiv beschäftigen wird.

Dieses Buch beschreibt, wie es dazu kommen konnte, dass eine abgeschriebene und totgesagte Szene einen derartigen Aufschwung erlebt. Es zeichnet nach, wie Abertausende Rocker in Deutschland inzwischen ihr Geld verdienen, in welche Geschäfte sie verwickelt sind und zu welchen Politikern, zu welchen Prominenten sie beste Beziehungen pflegen. Und es gibt einen Eindruck davon, zu welcher Bedrohung die Gangs sich auswachsen, wie mächtig sie geworden sind, wie weit ihre Kontakte reichen. Rocker sind nicht mehr nur die tumben Schläger, die vor Diskotheken stehen und dort den Drogenhandel kontrollieren. Sie mischen in der Lebensmittelbranche mit, machen Immobiliendeals, sie sind Gastronomen, führen Unternehmen und profitieren von der Vermarktung ihres Lifestyles.

Vor allem aber möchten wir mit diesem Buch dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit versteht, was in den vergangenen Jahren in dem oft beschworenen Rockerkrieg eigentlich geschehen ist. Worum es geht und welche Konsequenzen die Taten hatten. Wer die handelnden Personen sind, welche Ziele sie verfolgen und wie Rocker, Presse, Politik und Polizei den Konflikt für ihre jeweiligen Zwecke nutzen.

Eines noch: Es gibt Millionen kreuzbrave Motorradfahrer in Deutschland, manche von ihnen nennen sich Biker. Es gibt Tausende Clubs, in denen sie sich organisiert haben – doch um all diese geht es in diesem Buch nicht. Vielmehr geht es im Folgenden um die sogenannten »One Percenter«, also um das eine Prozent der Szene, das sich selbst als gesetzlos definiert. Es geht vor allem um Hells Angels und Bandidos, am Rande auch um Outlaws und Gremium – diese Gruppierungen sind ausschließlich gemeint, wenn in diesem Buch von Rockern, Bikern, Harley-Fahrern und Motorradclubs die Rede ist.

Nur damit es keine Missverständnisse gibt.