Der Autor

Torsten Sträter, Jahrgang 1966, ist vielfacher Kabarettpreisträger
aus dem Ruhrgebiet, der ohne erkennbare Ermüdungserscheinungen
die ganze Tragik menschgemachter Blödheit, davon
nicht zuletzt die eigene, in schreiend komische Geschichten
packt und im TV, auf den Bühnen der Republik und nun auch in
seinem neuesten Buch präsentiert. Diesem Buch. Es ist nie zu spät,
unpünktlich zu sein.
Sprachlich jetzt noch guter.

Das Buch

Endlich - das neue Buch von Torsten Sträter! Sie wissen schon: der Mann aus dem Ruhrgebiet. Mit der Mütze. Diesmal geht’s echt um alles: die Macht der Entspannung, Urlaub in Namibia und Botswana, Erziehung, Sex, Bratwurst, wegfliegende Flummis, die heilende Kraft der Musik und den Vater des Gedanken. Er heißt Günter. Ach ja, und es geht um die Zeit! Was sie macht, wie sie funktioniert, wonach sie riecht und ob man sie umtauschen kann.

Torsten Sträter

Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein

Humor

Ullstein

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www.ullstein-buchverlage.de

ISBN 978-3-8437-2120-2
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Titelabbildung: © Guido Schröder
Lektorat: Oliver Domzalski
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ACHTUNG! VORWORT! BITTE LESEN!

Hallo und guten Tag, liebe Leserin, lieber Leser … und liebeandere Person, deren Geschlecht zwischen, vor oder hinter einem der soeben genannten liegt. Ich bin da noch etwas unbeholfen. Sehen Sie es mir bitte nach. Ich arbeite wie wir alle noch an einer eleganten, vernünftig klingenden Anrede. Jedenfalls: Willkommen zu meinem neuen Buch.

Wobei: Das Buch ist neu, der Einband frisch (riechen Sie mal dran!1), der Inhalt allerdings ist ein BEST OF der letzten drei Jahre.

Es ist mir wichtig, dass Sie das wissen. TEXTE UND GESCHICHTEN DER LETZTEN DREI JAHRE! Alles klar? Das heißt aber nicht, dass irgendwas aus diesem Buch bereits irgendwo abgedruckt wurde. Allerhöchstens einmal in meinem Arbeitszimmer; ich knödele Texte gern einmal physisch auf den Schreibtisch, indem ich den Laserdrucker anwerfe und auf Print klicke. Laserdrucker sind super, wenn man nicht grade eine Instagram-Seite ausdrucken will. So entkam ich dem Würgegriff der Tintenstrahl-Mafia. Was wollte ich jetzt?

Genau! Lassen Sie es mich in aller Deutlichkeit sagen: Die allermeisten der Ihnen nun vorliegenden Texte habe ich schon in der einen oder anderen Form veröffentlicht: als Audio-File, als TV-Nummer, in einer meiner Live-Shows … aber niemals gedruckt. Nicht in Buchform.

Trotzdem! Warum Buch? Kennt man doch alles! Geht’s hier um Kohle? Den geneigten Fan melken? Die schnelle Mark?

Kein Stück, belle ich Ihnen gellend zu. Echt nicht. Ich habe dieses Buch zusammengestellt, weil ich hoffe, Sie möchten meine Geschichten einfach mal in Ruhe nachlesen. In der Wanne. Im Zug. Bei der Fußpflege. Im Urlaub. Gern auch in der Wanne Ihres eigenen Zuges, den Sie sich aus den Erlösen Ihrer mobilen Fußpflegetätigkeit gekauft haben und mit dem Sie in diesem Moment in den Urlaub rasen. Es sei Ihnen gegönnt.

Jedenfalls können Sie als Freundin und Freund – oder in welcher Phase der geschlechtlichen Findung Sie sich grad mit Fug und Recht befinden – meiner Bemühungen im Humorbereich nun mein Material lesen. Sie benötigen dafür weder Audio-Player noch YouTube-Zugang, müssen in keine Mediathek; einfach aufklappen und los geht’s.

Alles, was ich tue, was ich tun darf, seit meine kleine Karriere begann, beginnt mit dem Schreiben. Darunter auch eine Geschichte, die ich für das Buch DER KÖNIG DER TIERE von Jürgen von der Lippe schrieb, den ich sehr verehre. Sie heißt: ERHÖHTER GESPRÄCHSBEDARF, und wir schmuggelten sie heimlich in sein Buch. Das ist also der einzige schon mal gedruckt erschienene Text.

Ich finde es einfach schön, wenn eine Sammlung geglückten Materials in ein Buch mündet. Deswegen hoffe ich, Sie haben Lust, das alles noch einmal in der Stille Ihres Badezimmers, des Abteils, des Wartezimmers, Ihres Sessels nachzulesen. In Ihrem Tempo. Das würde mich glücklich machen.

Wenn Sie beim Lesen meine Stimme im Kopf haben, geht das übrigens völlig in Ordnung.


Bis bald,
Ihr Torsten Sträter

Teil 1:
Geschichten

Escape Room

Sprechen wir über Dankbarkeit. Ich bin zum Beispiel dankbar für meine Putzfrau. Sie ist jetzt ohnehin weniger eine Putzfrau, sondern eher eine ZIVILISATIONS-RÜCKGEWINNUNGSEXPERTIN.

Ich bin auch dankbar für die Zeit, die ich mit meinem Meerschweinchen hatte. Wir konnten stundenlang herumtollen und spielen, aber dann ist es irgendwie entwischt. Und da draußen überlebt so ein sanftes Tier nicht lange.

Das macht schon traurig. Ich lenke mich dann ab.

Neulich war ich zum Beispiel in einem sogenannten Escape Room. Kennen Sie? Ist eine Art Spiel. Man zahlt pro Nase 30 Euro Eintritt, dann wird man in einen Raum eingeschlossen und muss unter irgendeinem reißerischen Motto spannende Rätsel lösen, damit man wieder rausdarf. Die heißen dann zum Beispiel GIFTGASANSCHLAG AUF BOCHUM oder so. Hilfestellung bei den Rätseln erhält man per Handfunkgerät vom Spielleiter.

Macht unheimlich Laune. Ich wünschte, alle hätten so viel Spaß wie ich. Und so frage ich mich in letzter Zeit vermehrt: Wie kann ich meinen Mitmenschen eine Freude machen? Und wäre es nicht toll, wenn sich Arbeit nicht wie Arbeit anfühlen würde? Und wer würde das mehr verdienen als eben meine Putzfrau, Frau Schröder?


 Mittwoch, 14:00 Uhr 

Es klingelt. Frau Schröder ist da. Sie ist schon etwas älter und ein bisschen kurz angebunden.

»Ich kann nur zwei Stunden heute«, sagt sie. »Dann holt mein Mann mich ab.«

»Gewiss«, sage ich. Frau Schröder betritt die Küche. Los geht’s. Ich schließe die Tür hinter ihr und stelle einen Stuhl unter die Klinke. Dann nehme ich das Funkgerät und sage: »FRAU SCHRÖDER. ICH MÖCHTE EIN SPIEL SPIELEN. NEHMEN SIE BITTE DAS FUNKGERÄT.«

Ich höre es knarzen, und dann Frau Schröder: »Wie bitte?«

»DIES IST IHR ESCAPE ROOM. WILLKOMMEN IN: DIE SPÜLE DES VERDERBENS. FINDEN SIE HINWEISE, UM ZU ENTKOMMEN! SIE HABEN EINE STUNDE.«

»Was?«

Ich höre, wie sie versucht, die Klinke zu drücken.

»Sie öffnen sofort die Tür, oder ich rufe meinen Mann an!«

»NOCH 58 MINUTEN, FRAU SCHRÖDER. OVER.«

Ich setze mich auf die Couch. Aus der Küche höre ich es scheppern.

»KLEINER TIPP«, sage ich ins Funkgerät, »KÜHLSCHRANK. OVER.«

Eine Minute verstreicht. Dann meldet sich Frau Schröder: »Im Kühlschrank liegt ein Lampenschirm.«

Ich drücke die Sprechtaste. »DAS IST EIN HALBES HÄHNCHEN, DAS WOLLTE ICH NOCH ZU ENDE ESSEN. MACHEN SIE WEITER. OVER.«

Was für ein spannendes Spiel, denke ich.

Es klingelt an der Tür. Wer ist das denn?

Ich öffne. Zwei Damen in Strick. Sie sagen: »Guten Tag, wir würden gern mit Ihnen über Gott sprechen.«

»Über Gott sprechen. Im Ernst?«

Sie nicken feierlich. Ich denke kurz nach; dann sage ich: »Hereinspaziert« und führe Sie ins Bad. Ich gehe raus und blockiere die Tür. Dann stelle ich das Funkgerät auf Kanal zwei.

»HALLO«, sage ich. Es knarzt, dann sagt eine der Damen: »Was soll das?«

»HIER IST GOTT«, sage ich.

»Was?«

»IHR SOLLT DOCH NICHT MIT FREMDEN ÜBER MICH REDEN.«

»Wie bitte?«

»EGAL. WILLKOMMEN ZU: KOCHWÄSCHE DER APOKALYPSE! MOMENT.«

Ich stelle auf Kanal 1. »FRAU SCHRÖDER, WIE LÄUFT’S?«

»In der Kaffeemaschine ist Moos.«

»Das ist ein Experiment«, entgegne ich, »ich teste, wie lange Kaffeepulver braucht, um sich in grünen Tee zu verwandeln.«

»Es stinkt!«

»NEIN. ES FERMENTIERT. OVER.«

Es klingelt schon wieder. Allmählich wird’s anstrengend.

»MOMENT«, sage ich.

Es ist Frau Schröders Mann.

»Sagen Sie es rundheraus«, bellt er, »halten Sie meine Frau in der Küche fest?«

»I wo.« Ich mache eine einladende Handbewegung. »Sie ist im Bad.«

Herr Schröder marschiert los. Ich nehme das Funkgerät, Kanal 2: »HIER IST NOCH MAL GOTT. ICH KOMM JETZT REIN.«

Zurück zu Kanal 1. »FRAU SCHRÖDER? HABEN SIE BEREITS WAS HERAUSGEFUNDEN?«

Es knarzt. »Ja. Hier wohnt eine absolute Sau!«

»WAHREN SIE FUNKDISZIPLIN!«

In diesem Moment tritt Herr Schröder von innen die Badezimmertür ein. Die Stimmung kippt.

»Ich habe einen Hinweis«, kreischt Frau Schröder durchs Funkgerät.

»ÄH … SEHR GUT.«

»Es war nicht der Kaffee, der so riecht.«

»SONDERN?«

»In der Spülmaschine ist ein totes Meerschweinchen!«

Deswegen, denke ich, hat das so gequietscht. Ich dachte, das wären die Scharniere. Mist.

Herr Schröder stürzt in den Flur, die beiden Damen folgen ihm sichtlich zerrüttet. Er stampft zur Küche, befreit seine Gattin. Die beiden Jehova-Matronen zeigen auf Herrn Schröder und rufen: »Dieser Mann ist nicht Gott!«

»Stimmt«, erwidert Herr Schröder. »Ich bin Moses und hab grad die Tür geteilt. Und Sie, Herr Sträter, erwartet ein Prozess wegen Freiheitsberaubung.«

»Genau«, kreischen die Frauen, »wir sind Zeugen!«

»Das ist lustig«, sage ich. »Aber das war nur ein Spiel.«

Niemand sagt etwas.

»Apropos«, sage ich. »Ich bekomme dann pro Person 30 Euro.«

Hab ich natürlich nicht gekriegt. Ist okay. Ich wollte nur Freude bereiten. Wie ich schon sagte: Traurigkeit kriege ich in den Griff. Aber wenn mich etwas runterzieht, dann ist das Undankbarkeit.

Undankbarkeit und tote Meerschweinchen.

Karneval

Reden wir über Karneval. Das ist übrigens der einzige Begriff, den ich kenne. »Fasching« klingt wie ein Ortsteil von München, und »Fastnacht« ist für mich so gegen 21.45 Uhr.

Der Begriff »Karneval« leitet sich von »Karne«, dem spanischen Wort für Fleisch, und »Val« für Valium ab und bedeutet »Halb nackt und weggetreten«.

Ich habe jetzt nix gegen Karneval. Als Kind habe ich mich jedes Jahr verkleidet. Oft als eine Art BATMAN aus Frottee, aber auch als Roboter, indem ich mir eine mit Silberpapier verkleidete Waschmitteltonne auf den Schädel setzte. Ich musste mich übrigens damals immer trotz coolem Kostüm dick anziehen, damit ich mir auf dem Schulweg keinen wegholte. Meine Mutter sagte damals stets: »DU KANNST ENTWEDER IM HAUS BLEIBEN ODER DU SETZT DIR ’NE MÜTZE AUF.« Ja, toll. War trotzdem ’ne schöne Zeit. Bis auf das eine Mal, als ich mit einem Kostüm aus Frischhaltefolie und vier Pfund abgelaufenem Hack als Beulenpest ging. Und Rosenmontag 2007. Das war so:

Uwe, Olli und ich hockten in der Kneipe. »Schade eigentlich«, sagte Olli irgendwann zwischen dem achten und dem neunten Bier, »dass wir keine Kinder mehr sind.«

»Och«, erwiderte ich. »Ich bin immer Kind geblieben. Nur die äußere Fassade schimmelt mir weg.«

»Das isses! Auf’n Kopp!«, bellte Uwe – was im Ruhrgebiet so viel heißt wie GANZ GENAU!

»Ich bin exakt wie früher«, sagte Uwe. »Beispiel: Wenn mich einer kritisiert, egal wer, dann antworte ich mit nur einem Wort: Selber! Und wenn der weiter kritisiert, erhöhe ich einfach die Lautstärke. SELBER! Bis der andere keinen Bock mehr hat.«

»Aha«, sagte Olli.

»Anderes Beispiel. Kennt ihr das auch? Ihr geht in den Supermarkt, seht plötzlich Süßigkeiten, die ihr unbedingt haben wollt, und werft euch deswegen schreiend auf den Boden, einfach aus Trotz und weil ihr sauer seid, und dann denkt ihr plötzlich: Kann ich eigentlich mit EC-Karte bezahlen?«

»Nein …?«, erwiderte ich. »Also mit Kind geblieben meinte ich eigentlich so den Spaß am Spielerischen …«

»Auf’n Kopp!«, unterbrach mich Uwe. Er öffnete sein Portemonnaie und klatschte eine Visitenkarte auf den Tisch. Da stand: HUHU, ICH BIN DER UWE. Darunter: ERSTER DETEKTIV, ZUSTÄNDIG FÜR ARCHIV UND RECHERCHE.

»Uwe, jetzt mal im Ernst«, setzte ich an …, aber plötzlich trat jemand an unseren Tisch. Ein muskulöser Typ, Indianerkostüm aus dem Versandhaus, massiv tätowiert. »Könnt ihr mal ’n bisschen leiser sein? Ich hab keine Lust, mir eure Kinderkacke anzuhören!«

»Meinste, ich hab Angst vor dir?«, sagte Uwe.

»Also ich hätte welche«, warf ich ein.

Olli tat so, als wäre er nicht da. Es funktionierte fast gar nicht.

»Was willst du?«, knurrte der Indianer.

Uwe erhob sich. Dann krempelte er langsam seinen Ärmel hoch. »Bleib locker! Ich bin wie du.«

Auf Uwes Unterarm war ein Tattoo zu sehen. Ein lachender Traktor. Aufgerubbelt.

»Ich muss jetzt gehen«, sagte ich. »Zahlen!«

Der Indianer stutzte, dann brüllte er vor Lachen los. Die Situation entspannte sich. Puh. Das war knapp. »Uwe, so eins muss ich mir unbedingt auch machen lassen«, sagte ich feixend.

»Echt?«

»Ja, sicher.«

»Jetzt verstehe ich«, nickte der Indianer erstaunt. »Ihr seid Idioten.«

Da konnte man jetzt wenig gegen sagen.

»Entwarnung!«, sagte Uwe. »Ich hab euch alle nur verarscht. Alles gut … Ich bin kein Kind. War ’n Schpass. Is’ Karneval. Geld is’ meine Welt. Ich bin ein Mann der Zahlen.«

Der Kellner kam.

»Wie viel?«, fragte ich.

»78,40 Euro.«

Uwe nickte, zückte einen 5-Euro-Schein und sagte: »Mach 12.«

Ich erinnere mich noch vage, dass wir dann mit dem Indianer um die Häuser zogen, wobei wir Uwe an sich buchstäblich um die Häuser zogen, während er brüllte, dass unmittelbar nach PIEP PIEP KLEINER SATELLIT von BLÜMCHEN keinerlei ernst zu nehmende Musik mehr erschienen sei, und dann: Filmriss.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es früher Abend. Ich hatte rasende Kopfschmerzen. Ich rief Uwe an.

»Uwe. Was war das denn?«

»Lustiger Abend. Olli ist gegen halb sechs in ein Taxi gekrochen und hat dem Fahrer gesagt, er solle ihn unbedingt vor Sonnenaufgang heimbringen.«

»Warum?«

»Damit sich das Auto während der Fahrt nicht in einen Kürbis zurückverwandelt.«

»Okay.«

»Dann waren wir beim Indianer. Netter Typ. Ist an sich aus Dresden. Und stell dir vor: Der ist nicht nur tätowiert wie ein Tier, der tätowiert auch selbst. Nicht besonders gut, aber er übt viel … Und da hat Marco gefragt, ob das wirklich dein Wunsch sei mit dem Tattoo …«

»Mich nicht!«

»Na, du warst ziemlich relaxt …«

»Bewusstlos«, sagte ich. »Ich war bewusstlos.«

»Jaja … da habe ich halt gesagt … äh … Auf’n Kopp!«

»Moment«, sagte ich und legte das Telefon beiseite.

Ich ging zum Spiegel. Japp. Da war faktisch ein faustgroßer Traktor auf meinem Schädel. Er war nicht wirklich gut gemacht, und es blutete noch etwas, aber immerhin: Man erkannte, dass er lachte.

Ich nahm das Handy wieder auf.

»Uwe«, sagte ich, »warum?«

»Du hast doch gesagt, du fändest das super!«

»Das war ein Spaß, du Idiot!«

»Selber!« Aufgelegt.


Und da stand ich nun. Karneval 2007. Ich wollte doch irgendwann auf die Bühne. Komiker werden. Mit einem lachenden Traktor auf dem Schädel? Wohl kaum. Ich schluchzte. Dann fiel mir meine Mutter wieder ein. Ich stellte mich erneut vor den Spiegel und sagte zu mir: »DU KANNST ENTWEDER IM HAUS BLEIBEN, ODER DU SETZT DIR ’NE MÜTZE AUF.«

Hätten wir das auch mal geklärt.

Plastikmüll

Eines meiner Hobbys ist Kaffee trinken. Ich bin jemand, der Unmengen Kaffee säuft. Schon weil ich gar keinen Alkohol vertrage. Also null. Keine Toleranz. Zero. Ein Mon Chéri, und ich wache drei Tage später nackt und teilrasiert am Rhein-Herne-Kanal auf, ’ne Träne unters Auge tätowiert – Filmriss. Schlimm. Nicht mein Ding. Ich trinke Kaffee. Und damit produziere ich ordentlich Müll. Allein die ganzen Pappbecher. Die sind ja mit Plastik beschichtet. Und Plastik ist ein Problem. Es ist doch so: Die Erde könnte so schön sein, aber sie hat Sackratten: die Menschen. Die ersten Jahre der Menschheit liefen ja noch recht entspannt ab für Mutter Erde: Fellschlüpfer, Grunzlaute, einmal nicht aufgepasst, zack!, Säbelzahntiger-Snack.

1870 erfanden wir dann den Kunststoff. Und zwar für Billardkugeln. Die waren vorher aus Elfenbein. Und weil man nicht für jede verdellte schwarze Acht einen Elefanten keulen konnte, wurde nach alternativem Material gesucht. Das war Zelluloid. Ab da ging’s los. Machen wir nun einen Sprung von »Oheim, mein Monokel kneift« zu sinnlosen Artikeln wie der Bananenaufbewahrungsbox. Superteil! Wie oft sage ich mir: Ich möchte übers Wochenende nach London fliegen und exakt eine Banane mitnehmen, aber nicht im Handgepäck. Sondern schön im Hardcase. Denn eine Banane mit Druckstellen ist ja das Widerlichste, was es gibt. ABER ZUM GLÜCK GIBT ES DAS HIER! Hoffentlich kommt bald eine ähnliche Lösung für einzelne Weintrauben. Mein Gott!

Fest steht: Plastik ist längst ein fester Bestandteil der Gesellschaft. Und schon deshalb nicht mehr wegzudenken, weil die Scheiße einfach nicht vernünftig verrotten will. Eine Plastikflasche braucht 450 Jahre dafür.

Also wird es nach Berechnungen um 2050 mehr Plastik in den Ozeanen geben als Fische. Das bedeutet, es werden Filme verschwinden wie Godzilla, weil die nächste Bedrohung eine 200 Meter hohe, mutierte Einwegwindel sein wird. Hoffentlich.

Gibt’s auch ’ne gute Nachricht? Jau. Der Vorteil von einer Milliarde Tonnen Plastik in den Ozeanen liegt auf der Hand: Man wird Amerika endlich zu Fuß erreichen können. Expeditionen werden aufbrechen, ab und zu auf einer Plastiktüte ausrutschen, ein paar einlaminierte Rochen sehen und ansonsten nicht mal nass werden.

Hm. Was können wir tun? Zum Beispiel die Fische nicht noch zusätzlich stressen durch so Quatsch wie Kreuzfahrten. Wo ist da der Sinn, die Weltmeere zu durchkreuzen mit dem Energieverbrauch von ein paar Millionen Autos? Überall nur Wasser, an Bord aber isses wie in der Innenstadt von Frankfurt am Main, fehlt nur noch ’ne Handvoll Politessen und ’n Takko, dann kannste direkt zu Hause bleiben. Ich bitte Sie.

Aber was kann jeder Einzelne tun? Kleine Schritte machen. Dafür aber jeder von uns. Plastik schlicht vermeiden. Zum Beispiel: Plastik-Wäscheklammern weg, und einfach mal die nassen Brocken selber ’n Tag lang festhalten. Da kann man nichts weiter tun, als gepflegte acht Stunden seiner Unterbuxe beim Trocknen zuzusehen. Was noch? ’ne Hüpfburg aus Holz? Oder Ikea-Bälle-Bad: Bälle raus … Kartoffeln rein.

Jedes fucking Jahr gelangen 8 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Meere. Ich werde oft drauf angesprochen: »Müssen diese Pappbecher immer sein?« Nun – wenn ich in Eile bin, möchte ich an der Tankstelle ungern den kochenden Kaffee schreiend in die hohle Hand gegossen kriegen. Aber auch ich versuche meinen Beitrag zur Vermeidung von Plastikmüll zu leisten. Ich habe zwar keine globalen Konzepte zur Plastik-Reduzierung.

Aber ich für meinen Teil verzichte jetzt auf die Plastikdeckel auf dem Becher. Ich habe da lange drüber nachgedacht. Und das ist mein Beitrag. Schwierig, klar. Ich habe aber schon ein Konzept, das ist auch fast vermarktungsreif.

Habe ich das erste Mal bei STARBUCKS getestet. Die Firma hat ja auch komplett was am Sender. Was sind das für Preise? Ich bin es gewohnt, für ’n Kaffee eins fuffzig zu zahlen, also gehe ich eigentlich nicht zu Starbucks, aber an dem Tag in München brauchte ich dringend ’n Kaffee und ging rein. Ich blickte auf die Tafel mit den Kursen, und mein erster Gedanke war nicht: »Das ist aber teuer hier.« Mein erster Gedanke war: »In was für Gebinden schenken die denn hier aus? In Barrel? Wie soll ich das wegkriegen? Ich bin gar nicht mit dem Bollerwagen hier.«

Und ich hab auch gar nicht verstanden, was da stand: Die haben ja keine normalen Bechergrößen. Nix mit Klein, Mittel, Groß. Die Bechergrößen da heißen TALL, VENTI und GRANDE. TALL, VENTI und GRANDE – das sind vollkommen willkürlich ausgedachte Fantasienamen. Da könnten die genauso gut sagen: Wir haben drei Bechergrößen – LOLEK, BOLEK und PAPA FICK! Echt jetzt.

Ich hatte trotzdem Bock auf Kaffee. Und sagte zu dem Mädchen hinterm Tresen: »Einen Kaffee bitte.«

Sie antwortete: »Ja, dann brauche ich deinen Namen.«

»Entschuldigung«, erwiderte ich, »habe ich aus Versehen Bausparvertrag gesagt?« Ich meine: Wozu braucht die meinen Namen?

»Ja, ich brauch den eben«, sagte das Mädchen, »ich muss den auf den Becher schreiben.«

»Weil?«

»Ja, muss ich draufschreiben.«

Nix da. Ich will schon aus datenschutztechnischen Gründen nicht, dass sie meinen Namen weiß. Und ich praktiziere Datenschutz auch analog. Beispiel: Wenn ich im Hotel bin, gehe ich zuerst ins Bad. Wenn dann vorn ins Toilettenpapier so ein Pfeil reingefaltet ist, benutze ich das nicht, weil ich aus datenschutztechnischen Gründen nicht will, dass die im Hotel wissen, wann ich kacken war. Ich bring mein eigenes Papier mit. Dafür klau ich ’n Handtuch. Nein! Ich klaue natürlich nicht. Mir gefällt einfach der Gedanke, dass ich ’ne Woche im Hotel bin, und nach fünf Tagen rotten sich die Angestellten in einem Konferenzraum zusammen. Krisensitzung. »Der Sträter war fast ’ne Woche nicht scheißen, wir müssen einen Arzt rufen!« Und ich laufe jeden Morgen gebückt und knurrend durch den Frühstücksraum und verbreite Angst und Schrecken. Egal jetzt.

»Wozu«, sag ich zu dem Mädchen, »brauchst du meinen Namen?«

»ICH MUSS DEN AUF DEN BECHER SCHREIBEN!«

»Ja, aber mein Bäcker sagt doch auch nicht: ›Soll ich Karl-Heinz aufs Hörnchen malen? Ich hab grad ’n Stift.‹ Der gibt mir die Tüte mit den Scheißbrötchen und fertig!«

»Ich muss den Namen aber auf den Becher schreiben!«

»Alles klar«, sage ich. »Bereit? ZUUUUUUUUL, HERRSCHER DES SONNENSYSTEMS UND ANHÄNGIGER PLANETEN! Ich darf buchstabieren: Zett, U, U, U, U, U, U, U, U, U, U ,U, U, U, U, U, U …«

Das hört sich jetzt albern an, aber es war schön zu sehen, wie sie versuchte, sich mit immer kleiner werdenden Us den Platz auf dem Becher einzuteilen.

Ist aber auch egal. Darum geht es gar nicht. Ich bekam erwartungsgemäß nach 90 Sekunden meinen Becher, sagte Danke, wollte ihn nehmen, und sie fügte hinzu: »Warte, ich mach dir einen Deckel drauf.«

»Meine Liebe«, sagte ich, »das wirst du nicht tun.«

»Was? Warum nicht?«

»Acht Millionen Tonnen Plastikmüll. Im Meer. Jedes Jahr. Dies soll mein Beitrag sein. Keine Plastikdeckel mehr auf Kaffeebechern.«

Sie: »Ja …, aber der Kaffee ist doch zum MITNEHMEN!«

»Ja«, erwiderte ich, »aber ich habe das Einsparungskonzept bereits fertig. Ich halte den Becher einfach … mit der Öffnung nach oben.«

Könnt ihr alle hier adaptieren. Kostenlos. Danke.