Das Buch
Körpergewicht mal drei, geteilt durch 50 – das ist die Menge Kot, die jeder Köter täglich auf Straßen, Bürgersteigen und Wiesen hinterlässt. Hunde sind überall: Sie verderben die Badeidylle am See, gefährden hilflose Kinder und verdrecken die Großstädte. Der langjährige Hundefeind Wulf Beleites beißt nun zurück. Für alle, die Hunde ebenso wenig leiden können wie ihre Halter, hat er die absurdesten Geschichten zusammengetragen. Er entwickelt kluge Strategien gegen manisches Markierverhalten an fremden Gärten und verrät köstliche Rezepte – wie Waldi im Wok.
Der Autor
Wulf Beleites arbeitet seit über vierzig Jahren als Journalist und Fernsehautor, u. a. für Spiegel, Stern, NDR und WDR. Seit 2014 ist er Herausgeber und Chefredakteur der ersten deutschen Zeitschrift für Hundegegner. Zugegeben: Er mag die Vierbeiner ebenso wenig wie ihre Halter.
Wulf Beleites
Kot & Köter
DAS BUCH
FÜR ALLE
HUNDEHASSER
Ullstein
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ISBN 978-3-8437-1087-9
Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch
1. Auflage August 2015
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Titelabbildung: © FinePic®, München
E-Book: LVD GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten.
Gegen Pummi
Dies ist ein satirisches Buch. Ihnen werden hier Figuren und Ereignisse begegnen, die ein reales Vorbild haben, aber vom Autor satirisch verzerrt wurden. Die Handlung ist nicht dokumentarische Darstellung tatsächlicher Vorgänge. Nehmen Sie also nicht alles für bare Münze.
Vorab: »Ist Pummi drin?«
Am Anfang war der Köter, und der Köter war beim Herrchen, und der Köter war Herrchen.
Am Anfang war er beim Herrchen.
Alles ist durch den Köter geworden und ohne den Köter wurde nichts, was geworden ist.
In ihm war der Kot, und der Kot war die Last der Besitzer.
Und die Last leuchtete in der Finsternis, und der Besitzer hat es nicht gerafft.
Es trat ein Mensch auf, der vom Herrchen nicht gesandt war; sein Name war Beleites.
Er war nicht selbst die Last, er sollte nur Zeugnis ablegen für die Last.
Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
Alles begann mit Pummi, einem kleinen, fiesen Spitz. Pummi und mein Großvater wohnten bei uns in der Etagenwohnung mitten in der Stadt. Viereinhalb Zimmer Altbau in Hamburg-St. Georg. Vorne zwei Zimmer, untervermietet. Dann ein endlos langer Flur, der an der Küche vorbeiführte. Hinten ein großes und ein halbes Zimmer für mich, meine beiden Brüder und meine Mutter. Und eben das eine Zimmer für den bärtigen Großvater mit seinem kläffenden Köter.
Das Zimmer war tabu. Betreten verboten. Wir Kinder hätten uns auch nie hineingetraut. Es war nicht unheimlich, sondern nur abschreckend. Es stank durch die Tür nach einem alten, kranken Mann und seinem ebenso inkontinenten Hund. Zu hören war missmutiges Gebrummel und unverständliches Geschimpfe, übertönt von hinterhältigem Geknurre oder lautstarkem Kläffen.
Es war Nachkriegszeit, wir waren Schlüsselkinder. Also: Die Mutter arbeitete, und wir Jungs hatten jeder ein Schlüsselband um den Hals, um alleine nach Kindergarten, Schule oder Spielplatz in die Wohnung zu kommen. Es war immer das gleiche Ritual: Zaghaft die Wohnungstür aufschließen und einen klitzekleinen Spalt öffnen. Dann stets die eine Frage: »Ist Pummi drin?« Keine Antwort und Stille waren ein halbwegs sicheres Zeichen, ungeschoren das hintere Wohnzimmer erreichen zu können. Gekläff und Gezeter bedeuteten, schnell die Tür zu schließen, sich auf die Treppe zu setzen und auf die Mutter zu warten.
Und dennoch ist es passiert: Ich war fünf oder sechs Jahre alt, und Pummi hat zugebissen, ins Bein. Eine Fleischwunde, die genäht werden musste.
Es hat kein Trauma verursacht, aber die Erinnerung ist geblieben, und der Grundstock für eine lebenslange Erkenntnis war gelegt: Hunde sind lästig, ärgerlich und gefährlich. Lästig durch ihr immerwährendes Gebelle. Ärgerlich durch das ewige Koten im öffentlichen Raum. Und gefährlich, weil in jedem Hund ein potentieller, zubeißender Kampfhund steckt. Oder zumindest ein kleiner, fieser Pummi.
Das Gefährliche: »Den Letzten beißen die Hunde.« Dieses Sprichwort, das wahrscheinlich (Grimm’sches Wörterbuch) seinen Ursprung in der Hetzjagd durch eine Hundemeute hat, stimmt auch heute noch, muss jedoch um »den Ersten, Zweiten oder Dritten« ergänzt werden. Denn jeden kann es treffen, egal, wo er steht, sie geht oder es spielt. »Viele Hunde sind des Menschen Tod«. Oder aber: »Biss ist ein Biss ist ein Biss.«
Gefahren gehen auch noch vom Hundefloh, dem Hundebandwurm und dem Hundeklo, auch Sandkasten genannt, aus.
Das Lästige: Hunde bellen in jedem Verhaltenskontext – aus Angst, Langweile, Ärger, Freude oder einfach nur so. Es gibt keine plausible Erklärung für das lästige Wuff-Wuff und impertinente Kläff-Kläff. Bellen in jeder Tonlage ist ein Ausdruck der ständigen Unentschlossenheit, eine blödsinnige Reihenfolge von »Geh weg – Komm her – Geh weg – Komm her!«. Unzählige Schriftsteller, Verhaltensforscher und Logopäden haben sich mit dem Thema beschäftigt, haben kluge Abhandlungen, praktische Ratgeber oder hämische Artikel über die kläffenden Köter geschrieben.
Das Ärgerliche: Körpergewicht mal drei, geteilt durch 50 – das ist die Menge Hundekot, die jeder Köter täglich auf Straßen, Bürgersteigen oder Wiesen hinterlässt. Ich habe sie nach sehr ausführlicher Forschung vor Jahren aufgestellt. Sie wurde niemals hinterfragt, der wissenschaftliche Gehalt nie angezweifelt. Und dass sie womöglich von mir extra erfunden wurde, interessierte auch keinen. Denn dass der Hund die Umwelt vollkackt und an Hauswänden, Denkmälern und Bäumen pinkelnd sein Bein hebt, konnte und kann niemand ernsthaft bestreiten.
Dennoch ist immer wieder die treuherzige oder dreiste Versicherung zu hören: »Mein Hund macht das nicht.« Sie kennen das, lieber Leser. Zwar wird zugegeben, dass Hunde lästig, ärgerlich und gefährlich sein könnten, doch handelt es sich hierbei immer um den Kot und den Köter der anderen.
Und damit wären wir bei dem unsäglichen Thema des »oberen Endes der Leine«. Hier müsse, so die selbsternannten Tierschützer und Hundeexperten, Aufklärung geleistet und um Einsicht geworben werden – mit Hundeführerscheinen, Beißstatistiken, Maulkörben, Leinenzwang, politischen Verordnungen, gesetzlichen Verboten, Bußgeldkatalogen, Kackbeuteln und so weiter und so fort. Die, die sich so aufgeschlossen geben, reden gerne vom besten Freund des Menschen, zitieren ebenso feierlich Franz von Assisi (»Mein Hund ist mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde.«) und philosophieren aufgewärmten Herzens vom besten Freund und treuen Gefährten. Aber sie alle spielen auf der Befehlsklaviatur der Untertanenschule mit »Platz-Sitz-Kusch-Fass«. Oder sie benutzen Hunde-Klicker, arbeiten mit Leckerlis, verfüttern vegane Hundeknochen und kaufen strassbesetzte Dirndl in exklusiven Hundeboutiquen.
Egal ob »guter« oder »böser« Hundehalter: Sie alle pflegen ihr neurotisches Verhältnis zu einem von ihnen über Jahrtausende durch Domestizierung oftmals ebenso neurotisierten Tier. Und die Bandbreite ihrer Liebe, Freundschaft, Zuneigung und Vermenschlichung, der Herrschsucht, Selbstverwirklichung und dem Befehlsgebaren, ihrer Beklopptheit oder Zärtlichkeit kennt keine Grenzen. Sie deckt alle gesellschaftlichen Bereiche ab. Und sie spiegelt sich wider in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Lifestyle, den Medien, in Kunst und Kultur.
Seit über vierzig Jahren arbeite ich als Journalist – für Print und TV. Hundethemen haben mich immer begleitet und zum Schreiben angeregt. Nicht die niedlichen oder rührenden Geschichten über tapsige Hundewelpen und treue Hundeseelen. Das war eher etwas für die Kuschelressorts der Familien-, Erziehungs- oder Promiredaktionen. Auch über Polizei-, Rettungs- oder Blindenhunde durften andere schreiben. Aber kam Daisy mit ihrem Moshammer an der Leine an die Elbe, zerfleischten sich auf dem Hamburger Kiez zwei Ludendoggen gegenseitig und auch noch ihre Zu-Halter oder trafen sich erbitterte Hundehalter vor Gericht, so waren das seit jeher meine Themen. Auch berichtete ich gerne über esoterische Hundekreise, vegane Hundeernährung, beknackte Hundemode und ihre exquisiten Boutiquen oder natürlich immer wieder über die Kampfhundattacken.
Nach meiner Zeit als Gerichtsreporter bei der Hamburger Morgenpost wurde ich seriöser, wandte mich gesellschaftlich relevanteren Themen zu. Doch spätestens beim Eintritt in die Satire-Redaktion extra 3 beim NDR brach die alte Leidenschaft wieder durch: Hundethemen waren meine, denn zeitgleich gab es ein verhängnisvolles Zusammentreffen:
1992 – Wir saßen in einer Kneipe. Jeder vor einem Glas Guinness. Vier Hamburger Journalisten fachsimpelten vor sich hin. Dann musste eine höchst brisante Frage geklärt werden: Was ist die beste Boulevard-Schlagzeile? Eine, in der alles, aber auch wirklich alles drinsteckt. Eine Zeile, die schamlos jeden Dreck abdeckt. Die kein niederträchtiges Bedürfnis auslässt und kein gängiges Klischee vernachlässigt.
Vier Guinness später war sich der Kneipen-Presserat einig: Nichts ging über die alte, irgendwann Mitte der 1970er Jahre von der Illustrierten Quick ermittelte Zeile: »Deutscher Schäferhund beißt Inge Meisel Brustkrebs weg!« Da war wirklich alles drin. Da gab es nichts dran zu meckern. Das war auch heute nicht zu toppen.
Noch einmal ein Guinness für jeden, und schon wieder tauchte eine medienrelevante Grundsatzfrage auf und musste diskutiert werden: Welche ebenso überfällige wie auch überflüssige Zeitschrift fehlt auf dem deutschen Medienmarkt. Eine weitere Runde Guinness später schlug die Geburtsstunde von Kot & Köter – Die Zeitschrift für den Deutschen Hundefeind. In einer Redaktionssitzung haben wir das Konzept festgeklopft. 44 Seiten, Hochglanz. 44 Seiten, die es in sich haben sollten:
•Die Zeitschrift sollte sich politischen Fragen (Bismarck und die Doggen), gesellschaftlichen Themen (Die Rolle des Nuttenpudels im Wandel des Straßenstrichs) ebenso wie ausgewählten Hunderezepten zuwenden.
Über das Konzept hinaus sind wir vier nicht gekommen, aber die Anti-Hundezeitschrift entwickelte ihre Eigendynamik. Wir platzierten eine Titelschutzanzeige, und prompt nahm sich der mediale Boulevard begierig des Themas an. Erst die privaten Radiosender, dann die Zeitungen. Schon nach einer knappen Woche zogen die nachmittäglichen Krawall-Talkshows genüsslich nach.
Sechs Jahre lang (1992–1998) tingelte ich als der angebliche Chefredakteur von Kot & Köter, als »Hundehasser der Nation« auf Sat1, RTL, Pro 7 etc. durch die Programme – ohne je eine Ausgabe der Zeitschrift produziert zu haben. Nur eine Titelseite – aufgeklebt auf einer echten Hundezeitschrift – gab es, die ich bei meinen Auftritten bereitwillig in jede Studiokamera hielt. Sechs Jahre mit 16 Auftritten bei Schreinemakers, Arabella, Sonja und Co.
Erst war es nur eine witzige Idee und schmeichelte meinem Ego als Rampensau. Hinzu kamen auch die Honorare für die Auftritte. Ich startete mit 500 Mark, erhöhte meine Forderung aber bald auf 1000 Mark pro Auftritt. Zwar feilschten die Redaktionen um den Preis, jammerten über niedrige Etats, willigten dann aber doch ein. Sie wollten mich unbedingt in ihren Sendungen haben.
Die Thesen, die ich in den Talkshows verkündete, sprachen vielen Leuten aus der Seele und tun es auch heute noch: »Der Hund beißt, kotet und macht Krach. Der Hund ist eine Gefahr. Der Hund ist ein Ärgernis. Der Hund ist eine Ersatzbefriedigung.« Die guten Einschaltquoten belegten, dass eine feindliche Einstellung zum Thema Hund vielen Leuten gefiel. Kein Wunder: Im Gegensatz zu den Hundefreunden, mit ihren zahlreichen Zeitschriften und Büchern für Hundeliebhaber, haben die Hundefeinde kein Sprachrohr. Und das, obwohl es mindestens genauso viele Leute gibt, die sich durch Hunde belästigt fühlen. Sei es der Jogger im Park, der von hyperaktiven und frei laufenden Tölen schikaniert wird, oder der Postbote, der ängstlich, ständig auf der Hut, seine Pakete austeilt. Ich denke hier auch an den ein oder anderen Nachbarn, der durch kläffende Nachbarshunde zur Weißglut getrieben wird. All diese Menschen fühlen sich alleingelassen, sie haben keine Lobby.
Das soll sich nun ändern. In diesem Buch möchte ich als ausgewiesener Hundehasser, gewitzter Hundegegner und belesener Hundefeind allen Gleichgesinnten helfen. Ich möchte Tipps und Tricks geben, wie Sie sich die Köter vom Leib halten können. Und ich möchte die Hundegeschichten aus meinem Leben mit Ihnen teilen. Das Buch ist eine Lebenserfahrung – es basiert auf der Grundlage irrealer Tatsachen und realer Möglichkeiten. Immer mit Pummi im Kopf gegen die Pummis dieser Welt. Denn eine Widmung gibt es natürlich auch: »Gegen Pummi«.
Jute statt Plastik
Zu Großvaters und Pummis Zeiten kackte jeder Hund überall hin, wo er sein Bedürfnis loswerden wollte. Mein Großvater und alle anderen Hundehalter gingen nach vollendeter Tat seelenruhig weiter. Passanten empörten sich selten, setzten ihren Weg vorsichtig fort und wichen den Kothaufen auf den städtischen Trottoirs geschickt aus. Sie hatten schon lange vor der Veröffentlichung Lou Reeds Warnung »Walk on the Wild Side« verinnerlicht. Heute aber werden zunehmend Kothaufen mit Plastikbeuteln beseitigt. Vor allem, wenn empörte Bürger mit anklagendem Finger auf Hund, Halter und Haufen zeigen.
Wer kennt es nicht, das Slalomlaufen auf dem Bürgersteig, morgens auf dem Weg zur Arbeit. Sollten Sie in Berlin-Friedrichshain, Hamburg-Altona oder Düsseldorf-Eller leben, lieber Leser, so gilt mein Mitleid ganz besonders Ihnen. Treten Sie nicht hinein, sondern machen Sie lieber einen zwar lächerlich anzuschauenden, aber sicheren Ausfallschritt. Ganz wichtig: Legen Sie sich mit den Hundehaltern, auch wenn Sie ihn und seinen Kacksack auf frischer Tat erwischen, nicht direkt an. Zwar haben Sie die besseren Argumente, er aber den bissigeren Köter. Gehen Sie lieber in die Hocke, nesteln Sie am Hosenbund und täuschen nun ihrerseits ein »Geschäft« vor. Ambitionierte Hundegegner haben immer ein Kleinkind dabei, das auf Kommando Pipi und Kaka machen kann. Auch sollten Sie immer ein Stück Kreide bei sich führen, um mit zugehaltener Nase einen anklagenden und aufklärerischen Hinweiskreis um den Haufen zu ziehen. Noch besser ist die Markierung der Kothaufen mit kleinen Fähnchen, diesen Partystickern – am besten in den Farben Schwarz-Rot-Gold.
Seit Jahrzehnten ist es die wissenschaftliche Standardformel zur Berechnung von Kötern und ihrer Kot-Menge: Körpergewicht mal drei durch 50. Bei etwa fünf Millionen Hunden in Deutschland, denen ein Durchschnittsgewicht von je zehn Kilogramm zugrunde gelegt wird, ergibt dies täglich einen imposanten Haufen von 3 Millionen Kilo Hundekot. Diese Menge bringt beachtliche Entsorgungsprobleme mit sich.
Der vorgeschriebene Weg: Mit dem Plastik-Kackbeutel – egal ob nun die kostenfreien der kommunalen Müllabfuhr oder die aufgehübschten Gassi-Beutel der einschlägigen Hundezubehör-Industrie – sollen die glibberigen Haufen oder hart getrockneten Würste aufgehoben und in Papierkörben entsorgt werden.
Allein in Hamburg hat die Stadtreinigung im vergangenen Jahr 26 Millionen Beutel verteilt, 2,3 Millionen mehr als 2012. Die Hamburger Straßenkehrer rechnen vor: »Bei rund 45 000 derzeit in Hamburg gemeldeten Hunden fallen täglich 13 Tonnen Hundekot an. Das sind rund 4800 Tonnen Hundekot pro Jahr. Auf jeden Hamburger Hund kommen 585 Gassi-Beutel jährlich oder 1,6 Gassi-Beutel pro Tag. Der für die Hundehalter kostenlose Service kostete die Stadtreinigung 2013 rund 131 000 Euro. Das waren fast 12 000 Euro mehr als 2012.«
Doch nicht nur die Kostenexplosion bereitet den Hamburgern Kopfzerbrechen. Zunehmende Kritik kommt auch von der »Vereinigung der hanseatischen Flaschen-Sammler« (VhFS). Immer öfter greifen sie in den roten Tonnen nicht mehr nach Flaschen und Dosen, sondern direkt in die unsorgsam schlecht verschlossenen Kot-Beutel. Oftmals sei ihr Sammelgut auch so stark von den tierischen Exkrementen verunreinigt, dass die örtlichen Flaschensammelstellen bei REWE, Penny oder Aldi eine kostenerstattende Annahme schlicht verweigern.
Einen möglichen Ausweg aus dieser verdreckten Situation könnte mit ein bisschen politischem Willen jetzt eine Initiative der Grünen bringen.
Als Experte in Sachen Kot will und muss ich mehr wissen und fahre nach Berlin.
Auf einer sehr gut besuchten Pressekonferenz im Berliner »Café Paris« stellt ein Ex-Umweltminister seinen grünen Entsorgungsplan vor. Ihm gehe die »unerhörte Menge der täglich anfallenden Plastikbeutel« schon seit längerem »derart auf den Zeiger«, dass hier endlich ein »ökologisches Umdenken« gefragt sei. Sein grüner Ausweg: Jute statt Plastik. Nicht länger solle Hundekot in den umweltschädlichen Plastiktüten gesammelt werden, sondern er wird in Jutetaschen deponiert, im heimischen WC entsorgt und die Jutetasche geht dann ab in die Öko-Waschmaschine.
Ein Plan, der sofort die begeisterte Unterstützung des Dachverbandes, der »Kooperationsgemeinschaft deutscher Flaschensammler« (KdF) findet. Und auch vom Nebentisch kommt knurrende Zustimmung. Ein Kollege ist von der Pressekonferenz derart begeistert, dass er sofort einen Brief an den »lieben Kackbeutel« schreibt.
Kot und Kunst
Wie schon erwähnt, pinkelte Pummi an jede Hauswand, kackte auf jeden Bürgersteig, ging überall, wo es ihm beliebte oder ihn überkam, in die Hocke, und geduldig schaute mein Großvater zu. Auch heute sind trotz Aufnahmebeutel, öffentlicher Appelle und satter Geldbußen die Straßen, Wiesen und Wege vollgeschissen wie eh und je. Die berechtigte Empörung ist groß, aber auch hier setzt langsam, ähnlich wie bei der zunehmenden Akzeptanz von Graffiti in den Großstädten, ein Umdenken ein. Bei einer der immer wiederkehrenden Recherchen zum Thema »Hundekot im öffentlichen Raum« bin ich über Manfred Gresens und seinen Kampf gegen Hundehaufen auf den Berliner Trottoirs gestolpert und habe ihn sofort in mein Hundehasserherz geschlossen.
Manfred Gresens aus Berlin-Mitte ist ein rüstiger Rentner. Täglich wandert er durch die Straßen der deutschen Kot-Hauptstadt und führt akribisch Buch über die Haufen, in die er tritt oder denen er noch rechtzeitig ausweichen kann. Beide sind für ihn von gleichem Ärger, »denn der Hundekot verschandelt unser ansonsten so schönes Berlin«, beklagt sich der 80-Jährige. Gresens dokumentiert Haufen für Haufen, katalogisiert sie mit Datum, Straße und Hausnummer, schießt Beweisfotos. Er wendet sich an die Stadtreinigung und Innenbehörde und fordert, meist vergeblich, die Beseitigung des »widerlichen Unrats«. Berühmt wurde er mit einem achtminütigen Rap-Song, in dem er unter dem trefflichen Künstlernamen »Saubermann 007« gegen die täglich in seiner Stadt an- und herabfallenden 55 Tonnen Hundekot rebelliert. Seine Song-Botschaft: »Siehste Hundekacke hier und Hundescheiße da, dann bist du in der deutschen Hauptstadt, ist doch klar.« Manfred Gresens ist ein Kämpfer, der über die Hundescheiße zu einem Künstler wurde.
Kot wird zur Kunst. Denn wie jeder Haufen ein Oben und Unten, ein Vorher und Nachher hat, hat der Haufen an sich auch zwei Seiten. Was dem einen ein Ärgernis zu sein scheint, kann sich dem anderen als wahre Offenbarung darbieten. Kein Hundehaufen gleicht dem anderen. Die 6,9 Millionen Hunde setzen in Deutschland täglich etwa 14 Millionen Haufen in die Gegend. Es sind große oder kleine, feste oder wabbelige, tiefbraune oder hellgelbe Hundehaufen. Längst arbeiten angehende Fotografen des Studienganges »Fotojournalismus und Dokumentarfotografie« der Fachhochschule Hannover unter ihrem Professor Ralf Vogel an einem »Braunbuch Kot«, so der Arbeitstitel des geplanten Bildbandes.
Ursprünglich sollte es eine rein fotografische Typologie werden nach dem Motto: großer Hund – großer Haufen, kleiner Hund – kleiner Haufen. Ein schwer, mächtig und weiträumig verteilter Haufen ließe auf einen Bernhardiner schließen. Eine Hinterlassenschaft, ebenfalls von stattlicher Größe, aber in einer exakten geraden Linie hingeschissen, stünde für den Kot eines Deutschen Schäferhundes. Flüchtige Flatschen, die mit einer schlanken Schleifspur verbunden sind, könnten eindeutig auf einen Windhund schließen lassen. Ein gesprenkelter Haufen, hell-dunkel durchsetzt, wäre einem Dalmatiner zuzuordnen. Und ganz feine, filigrane Hundewürstchen kämen sicherlich aus den Därmen zittriger Chihuahuas.
Doch so einfach ist es nicht, denn wie immer steckt der Teufel im Detail oder um im Bild und beim Thema zu bleiben: Viele Köche sind des Haufens Brei. 1.665 Millionen Euro geben Deutschlands Hundehalter jährlich aus, damit ihre Lieblinge ordentlich kacken und scheißen können. Dieser Milliardenbetrag teilt sich in zwei Untergruppen auf:
•1.335 Millionen Euro für Heimtierfutter aus industrieller Fertigung (davon 1.204 Mio. Direktkauf und 131 Mio. Online-Versand)
•330 Millionen Euro für selbst erstelltes, nicht industriell gefertigtes Futter
Hinzu kommen die unterschiedlichen Ernährungsphilosophien: rein vegan, schlicht vegetarisch, bunt gewürfelt, nur Dose, oder auch Trockenfutter, mit oder ohne Nachtisch in Form von Leckerlis?
Könnte also ein robuster Burg-Haufen doch von einem Dackel stammen, der fast nur mit Trockenfutter gemästet wurde? Und ist vielleicht der zarte Kringel mit ausgefransten Rändern das Produkt einer Deutschen Dogge, die konsequent mit selbst erstelltem Futter vegan zufriedengestellt wird? Woher stammt der schon leicht angegammelte, zerbröselte und durchgetrocknete Resthaufen, dem Maden und Schmeißfliegen neues Leben einhauchen? Kam er von einem Pekinesen, einer Bulldogge oder einem Englischen Setter?
Ein neues Muster musste her. Die Foto-Studenten fanden Hilfe in der nahegelegenen Kunsthochschule, in der sie ohnehin einige Gastseminare abreißen mussten. Die Zusammenarbeit war nicht einfach, denn die versnobten Kunststudenten verlangten neue Kriterien. Aufgelistet wurde die Hundescheiße nun nicht mehr nur nach den einzelnen Rassen und ihren Därmen plus Schließmuskel. Stattdessen ergänzten die Kunststudenten die Objektzuordnung um die Kategorie der Kulturepochen mit ihren hervorstechenden Merkmalen.
Sie erstellten ein schlichtes Raster: Antike, Mittelalter, Romanik, Früh-, Hoch-, Spätgotik und Neuzeit. Für die angehenden Fotografen waren das zwar böhmische Dörfer, aber nach dem Motto »Das kackt uns weiter« waren sie dabei.
Hundehaufen, die keine flachen oder kugeligen Formen vorweisen, sondern eher steil, erhaben und senkrecht gen Himmel zeigen, weil sie sicherlich mit viel Geduld und Ausdauer aus angemessener Höhe herabgelassen wurden, werden jetzt als dorische und ionische Hundesäulen klassifiziert. Sollten sie aber noch fest in der Form, jedoch gebrochen und nebeneinander auf dem Boden liegen und ein letztes Druckornament an der Spitze vorweisen, handelt es sich eindeutig um eine korinthische Hundesäule.
Die feinen, filigranen Hundewürstchen, die bei der ersten Zuordnung auf zittrige Chihuahuas schließen ließen, landen jetzt eindeutig in der Karolingischen Kunst des Mittelalters. Hingegen sind zierlich abgeworfene, sich in der Luft verfestigende Hundepupse, die als kleine Kügelchen landen und sich verführerisch dem Erdboden anschmiegen, dem Rokoko zuzuweisen.
Flüchtige Flatschen mit ihren eleganten Schleifspuren, diesem goldgelben Schweif des schnellen Kotens, zeigen eindeutig die Merkmale des Jugendstils.
Zügig geht es weiter: Voller Haufen, an den Rändern füllig, rund und fest – Barock. Geordnete Wurst, eine neben die anderen gelegt – Klassizismus. Ein geschlossener Haufenaufbau mit einer zentralen Endspitze – Naturalismus. Ein heller, lichtdurchlässiger und konturarmer Haufen – Impressionismus. Schiss- und letztendlich: Beim Dadaismus ist alles möglich.
Lieber Leser, ich möchte Sie durch diese Geschichte ermuntern, mit einem neuen Blick durch die Straßen zu gehen. Natürlich bleiben Tretminen ein Ärgernis für alle Bürgerinnen und Bürger. Aber bisweilen kann der Haufenblick helfen, gelassener durch die vollgekackten Straßen einer Stadt zu gehen. Er kann die seit der Schulzeit längst vergessenen Kulturmerkmale auffrischen. Es ist nun an der Zeit, dass die Kulturdezernenten der Kommunen flächendeckend Kot-Piktogramme aufstellen und verteilen, damit auch der Blick von bildungsferneren Bevölkerungsschichten geschärft wird, und ihnen die einzelnen Kulturepochen nähergebracht werden.