DAS BUCH

Cora ist in ihrem Job als PR-Frau und bei Männern erfolgreich. Sie sieht gut aus, ist couragiert und witzig, eine echte Traumfrau eben. Als sie dreißig wird, gerät ihr sonst unerschütterliches Selbstbewusstsein ins Wanken. Ihr wird klar, dass die Bilanz ihres bisherigen Lebens nicht berauschend ist: ihr Freund betrügt sie, ihr wichtigster Kunde ist auf dem Absprung, ihre beste Freundin ist schwanger und will bei ihr einziehen. Cora findet Schwangere blöd und kleine Bälger nervig, aber was bleibt ihr übrig, als Uli aufzunehmen? Mit traumwandlerischer Sicherheit sucht Cora sich die falschen Männer aus. Mal fällt sie auf einen notorischen Frauenhelden rein, mal verführt sie ihren besten Freund – und es endet jedes Mal im Katzenjammer. Allmählich fragt sie sich: Was mache ich falsch? Dann aber tritt Ivan in ihr Leben, und Cora hat zuerst mal Krach mit dem coolen Künstlertypen. Umso verblüffter ist sie, als er mit ihr zusammenarbeiten will – in einer Angelegenheit, die viel sinnvoller ist, als es ihr PR-Job je war.

An ihrem einunddreißigsten Geburtstag lässt sie das letzte Jahr Revue passieren, und diesmal ist sie hochzufrieden – denn: Traumfrauen wie Cora haben noch eine Menge vor im Leben!

DIE AUTORIN

Amelie Fried, Jahrgang 1958, wurde als TV-Moderatorin bekannt. Alle ihre Romane waren Bestseller, viele wurden erfolgreich fürs Fernsehen verfilmt. Für ihre Kinderbücher erhielt sie verschiedene Auszeichnungen, darunter den »Deutschen Jugendliteraturpreis«. Zusammen mit ihrem Mann Peter Probst veröffentlichte sie bei Heyne zuletzt den Bestseller Verliebt, verlobt – verrückt? Soeben erschien ihr neuer Roman Traumfrau mit Lackschäden. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von München.

AMELIE FRIED

TRAUM

FRAU

mit Nebenwirkungen

ROMAN

WILHELM  HEYNE  VERLAG

NCHEN

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Für Iris

EINS

Es war der Abend vor meinem dreißigsten Geburtstag. Ich hatte zweihundert Leute eingeladen, ein Buffet organisiert, eine Band engagiert. Es sollte die Party meines Lebens werden. Und ich war in Weltuntergangsstimmung. In zwei Stunden sollte es losgehen. Ich hatte eine alte Fabrikhalle gemietet und sie mit Video-Wänden, roten Samtvorhängen und Fackeln dekoriert. Ein New Yorker Rapper sollte auftreten, die schrillste Performance-Frau der Szene war gebucht. Zum Schluss sollte die Halle in Schaum versinken. Die halbe Stadt sprach seit Wochen von diesem Fest.

Ich stand lustlos vor dem Badezimmerspiegel und sprach mit mir selbst.

»Alte, du siehst zum Kotzen aus.«

»Weiß ich, halt’s Maul!«

»Kein Wunder, du bist ja keine zwanzig mehr.«

»Sehr witzig.«

Ich versuchte, mittels einer raffinierten Drehung aus einer Handvoll schwarzer Haarsträhnen eine avantgardistische Hochfrisur zu zaubern. Vergeblich. Meine Haare verweigerten ebenso den Gehorsam wie mein Gemütszustand.

Dann probierte ich es vor dem Kleiderschrank. Keine Lust auf gar nichts. Rot? Macht mich noch blasser. Schwarz? Würde meiner Begräbnisstimmung entsprechen. Rock? Hose? Kleid? Ich bin sowieso zu fett. Ihr könnt mich alle mal. Ich bleib zu Hause.

Das Telefon klingelte. Florian.

»Du, Cora, ich habe beruflich in Rom zu tun und hänge ein paar Tage dran. Carlo und Marina würden sich auch riesig freuen, dich wiederzusehen. Hast du Lust? Nimm die Abendmaschine, meine Sekretärin hat dir den Flug gebucht. Ich hol dich ab.«

Mir verschlug es die Sprache. Nicht nur weil dieser Schnösel offenbar meinen Geburtstag vergessen hatte. Seit zwei Wochen hatte ich nichts von ihm gehört. Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Dass ich seit Tagen auf seinen Anruf wartete?

Er hatte leider recht.

Florian war meine große Liebe, und ich seine.

Wir hielten es ohne einander nicht aus. Miteinander leider auch nicht. So trennten und versöhnten wir uns seit vier Jahren. Jede Trennung war »für immer«, jede Versöhnung auch. Meine Freundin Uli verdrehte nur noch die Augen, wenn das Gespräch auf den Stand unserer Beziehungen kam.

»Heirate den Kerl endlich, oder schieß ihn in den Wind«, so lautete ihr stereotyper Kommentar, wenn ich mich wieder mal bei ihr über Florian beklagen wollte.

Ich stellte mir vor, wie zweihundert Leute ohne mich feierten. Ich müsste keine geschmacklosen Geschenke auspacken, keine Küsschen verteilen, keine Beileidsbezeugungen entgegennehmen.

Kein Gastgeberinnen-Getue, kein Party-Small-Talk, kein Kater danach …

Die Idee gefiel mir.

Ohne es zu merken, hatte ich bereits angefangen zu packen. Was Nettes zum Ausgehen, den Badeanzug für Strandausflüge, eine Strickjacke für den kuscheligen Abend zu zweit. Carlo und Marina, unsere römischen Freunde, würden sicher Verständnis haben. Im Geiste sah ich uns schon in einem romantischen italienischen Landhaus, im Hintergrund Vivaldi-Musik, in der Hand ein Glas Rotwein. Mein Geliebter hatte die Kulisse bedachtsam gewählt, um mir nun endlich, nach Jahren der Irrungen und Wirrungen, einen Heiratsantrag zu machen. Ich würde zunächst zögern, ihn ein bisschen schmachten lassen, aber dann …

Das Telefon klingelte noch mal.

Aus der Traum. Von Rotwein wurde mir sowieso schlecht. Florian hatte nicht den geringsten Sinn für klassische Musik, und er dachte nicht daran, mich zu heiraten. Im Übrigen wollte ich auch nicht geheiratet werden – jedenfalls nicht von ihm. Unser Hotelzimmer würde er wie immer erst mal mit Sagrotan desinfizieren, weil er eine Bakterienphobie hatte, und unsere Gespräche würden sich um seine zweifellos interessante Tätigkeit als Textchef von Stil, einer Design-Zeitschrift, drehen.

Es war die Lufthansa. »Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass der Flug um 20.45 Uhr nach Rom ausgebucht ist. Ich habe Sie auf die Warteliste gesetzt. Bitte halten Sie sich ab 20 Uhr bereit.«

Scheiße. Es war kurz nach sieben, zum Flughafen brauchte man eine halbe Stunde. Ich hasste es, in Hektik zu packen. Plötzlich wurde mir siedend heiß. Hennemann! Ich hatte morgen einen lebenswichtigen Termin mit Hennemann, meinem größten Kunden!

Ich machte PR, diesen Yuppie-Job, in dem alle tierisch erfolgreich waren, bloß ich nicht. Das heißt, ich verdiente nicht schlecht, aber die Arbeit ödete mich an. Allerdings hatte ich ein gewisses Talent dafür, diese Tatsache zu verschleiern. Deshalb hielten mich alle Leute für wahnsinnig dynamisch und kompetent. Ich hatte mich nach ein paar Jahren Mitarbeit in einer Agentur selbständig gemacht. Jetzt beschäftigte ich zwei feste und bei Bedarf eine Horde freier Mitarbeiter.

Woran es lag, dass ich mich nicht erfolgreich fühlte? Ich weiß es nicht. Vielleicht war ich zu anspruchsvoll. Geldverdienen allein machte mir einfach keinen Spaß mehr. Ich lehnte massenhaft Aufträge ab, weil ich keine Lust hatte, Broschüren für den Deutschen Skiverband abzufassen oder Designer-Preisverleihungen für mittelständische Büromöbelhersteller zu gestalten. Womöglich war ich einfach im falschen Job.

Ich malte einen großen Zettel BIN IN ROM! und legte ihn auf den Schreibtisch im Büro. Hella und Arne würden morgen früh in Ohnmacht fallen. Aber man soll seine Angestellten ja zu selbständiger Arbeit animieren. Die beiden würden schon fertig werden mit Hennemann. Der Kerl war ein Gschaftlhuber schwäbischer Herkunft, hatte eine gut gehende Schokoladenfabrik und einen unseligen Hang zur Verbreitung von Kultur. Oder besser: dem, was er dafür hielt. Einen Auftritt der Fischer-Chöre zum Beispiel. Oder eine Ausstellung »Bierdeckel aus zwei Jahrhunderten«. Mich hatte er engagiert, um seinen Sponsor-Aktivitäten einen etwas »zeitgeischtigeren« Touch zu geben. Seither quoll unser Büro von Gratis-Schokoriegeln über, aber auf die Fischer-Chöre fuhr er immer noch ab.

Ich stieg in meine Jeans, streifte achtlos ein T-Shirt über und schnappte meine Lederjacke. Dann bestellte ich ein Taxi. Gleich halb acht. Verdammt, hatte ich alles? Geld, Pass, Kontaktlinsen-Dose, Unterwäsche, Badelatschen? Nervös suchte ich nach Zigaretten. Ach Blödsinn, ich rauchte ja seit zwei Jahren nicht mehr. Ich vergaß es immer, wenn ich mich aufregte. Leider war das ziemlich oft der Fall.

Endlich kam das Taxi. Schon zwanzig vor acht. Hoffentlich bekam ich einen Platz in dem dämlichen Flieger. Warum, zum Teufel, musste heute alle Welt nach Rom fliegen? Möbelmesse, Modenschau, Papstwahl? Keine Ahnung, was es dort so Spannendes gab. Ich wusste nur eines: Ich musste mit!

Der letzte Krach mit Florian hatte es in sich gehabt. Zwei Wochen Funkstille, das gab es selten. Und jetzt sein Anruf. Sicher hatte er sich endlich Gedanken über uns gemacht. Gute Vorsätze gefasst. Entscheidungen getroffen. O Gott, was für Entscheidungen?

»Haben Sie eine Zigarette?«

Der Taxifahrer drehte den Kopf nach hinten und knurrte: »Nichtraucher!«

Ich sank in meinen Sitz zurück.

Nach einer Weile fragte er überraschend sanft: »Warum machen Sie denn das?«

»Was?«, fragte ich entgeistert zurück.

»Rauchen.«

»Tu ich ja gar nicht.«

»Ach so.«

Wieder Pause.

»Wo geht’s denn hin?«

»Nach Rom.«

»In die Ewige Stadt also.«

Ewig. Ewigkeit. Für immer und ewig.

»Sagen sie, schaffen wir’s bis acht?«

Bedächtiger Blick auf die Uhr. »Nein, schaffen wir nicht.«

»Könnten Sie vielleicht ein kleines bisschen schneller fahren?«

»Nein, kann ich nicht.«

Halleluja. Warum hatte ich bloß immer so ein Glück mit Taxifahrern? Entweder trödelten sie, oder sie rasten wie die Geistesgestörten, oder sie schwafelten mich voll. Einer hatte es mal geschafft, mir während einer Viertelstundenfahrt sein gesamtes Lebensleid zu beichten. Frau weg, vom Freund übers Ohr gehauen, Job verloren, aus der Wohnung geflogen. Um ein Haar hätte ich ihn bei mir aufgenommen.

»Du hast eben so eine therapeutische Ausstrahlung«, pflegte Uli zu sagen.

Tatsächlich konnte ich in keinem Wartezimmer sitzen, ohne von einem alten Mütterchen detailliert seine Krankengeschichte erzählt zu bekommen.

Draußen glitten Häuser, Bäume und Strommasten gemächlich vorbei. Es war ein feuchter, grauverhangener Abend. Schwül. Es war Juli. Genauer gesagt, der 8. Juli. Morgen hatte ich Geburtstag. Mir war zum Heulen. Stattdessen fauchte ich den Fahrer an: »Geht’s vielleicht noch ein bisschen langsamer?«

Er warf mir im Rückspiegel einen Blick zu. »Ja, schon.«

Kaum war eine Ewigkeit vergangen, schon waren wir am Flughafen. Zehn nach acht. In zwanzig Minuten begann meine Geburtstagsparty. Ich musste grinsen. Was meine lieben Freunde wohl sagen würden? »Typisch«, würden sie sagen. »Die Cora spinnt eben.«

Und dann würden sie sich vermutlich prächtig ohne mich amüsieren. Leider auf meine Kosten. Als mir einfiel, wie viel Kohle ich für den Spaß abgedrückt hatte, schwand meine gute Laune. Ich war doch total bescheuert. Gleich fand die Party statt, auf die ich immer schon eingeladen werden wollte – und ich war auf dem Weg nach Rom, mitten hinein in die Beziehungskrise mit den immer gleichen Diskussionen.

Florian. Flori. Der nette Kunststudent mit der John-Lennon-Brille und den braunen Locken. Immer das Hemd aus der Hose. Ein bisschen zerstreut, aber bezaubernd. Die ersten zwei Jahre waren eine einzige Studentenliebe-Seligkeit. Spaziergänge im Englischen Garten, Spätvorstellungen im Türkendolch, Liebesnächte bis mittags und Pizza zum Frühstück.

Irgendwann schnitt er die Locken ab. John Lennon musste Alain Mikli weichen. Statt raushängender Hemden trug er italienische Anzüge. Da verlor er ein bisschen von seinem Charme, aber er gewann etwas Weltmännisches. Ich liebte ihn weiter. Er mich auch. Aber er liebte auch andere Frauen. Nie sehr lange, nie sehr tief. Aber sehr oft. Damals begannen unsere Streitereien. Um Liebe, Treue, Freiheit. Darum, ob man sich alles sagen musste. Ob man eifersüchtig sein durfte. Ob Liebe ewig währen konnte.

»Gate Nr. 19 bitte. Sie werden aufgerufen.«

Die Bodenstewardess drückte mir eine weiße Bordkarte in die Hand. Weiß hieß, man stand auf der Warteliste und musste hoffen, dass ein paar andere Passagiere auf dem Weg zum Flughafen verunglückten oder doch wenigstens zu spät kamen.

Ich ließ mich in der Wartehalle nieder. Die Hölle war los. Ferienbeginn. Konnte man es den Leuten ansehen, ob sie einen Platz hatten oder darauf warteten, einen zu ergattern?

Der Dicke vor mir mit dem Vollbart und den stechenden Äuglein sah so widerlich zufrieden aus. Er hatte sicher einen Platz. Besser hätte er zwei. Ich stellte mir vor, wie er beim Aufstehen die Sitzbank aus ihrer Verankerung riss, weil seine Fettwülste sich unter den Armlehnen verklemmt hatten.

Aus Erfahrung wusste ich, dass man unweigerlich auf einem Mittelplatz landete, wenn man auf der Warteliste gestanden hatte. Ich hasste Mittelplätze. Die Vorstellung, anderthalb Stunden eingequetscht zwischen einem staubig riechenden Bürohengst und einem vergnügungssüchtigen Italienliebhaber zu sitzen, verursachte mir Übelkeit. Fast hätte ich meinen Plan aufgegeben. Dann dachte ich wieder an Florian.

Ich hatte das Gefühl, dass wir vor einer Entscheidung standen, ich musste ihn einfach sehen. Aber es war bei Weitem nicht sicher, dass ich mitkam. Ich erwartete den Aufruf durch die Stewardess wie ein Orakel. Kam ich mit, dann hatte die Liebe zu Florian eine Chance. Musste ich dableiben, war alles aus.

Neben mir kaute ein Typ mit Schnauzbart auf einem Müsliriegel und starrte mich ununterbrochen an. Ob man mir schon ansah, dass ich langsam wahnsinnig wurde? Ich starrte zurück. »Hey, du! Noch nie ’ne Hexe ohne Besen gesehen?« Der Schnauzbart verschluckte sich an seinem Riegel und sah erschrocken in eine andere Richtung. Zwei knutschende Teenies neben mir kicherten.

Die Wartehalle hatte was von einer Kathedrale. Edler, schwarz-weißer Marmorboden. Mindestens zwanzig Meter bis zur Kuppel. Rechts und links die Kanzeln, an denen man für den Gottesdienst einchecken konnte. Nur die Beichtstühle vermisste ich. Welche Gottheit hier wohl angebetet wurde? Die Götzen Fortschritt und Technik? Die Göttinnen Kerosina und Propella?

»Alte, jetzt werd nicht albern!«

»Schon gut, ich bin nervös.«

20.38 Uhr. Allmählich könnten die aber in die Gänge kommen. Wie wollten die denn um 20.45 Uhr starten, wenn jetzt noch alle auf ihren Stühlchen hockten? Zwischen welchen beiden Gestalten würde ich wohl landen – wenn überhaupt?

Der Kleine da drüben sah ganz nett aus. Wirkte wie frisch geduscht. Die hochnäsige Blonde mit dem riesigen Kosmetikkoffer würde mich wenigstens nicht zulabern. Oje, Mutter mit Kleinkind. Das bitte nicht!

Orangensaft auf der Hose, klebrige Finger am Ärmel. Womöglich Gebrüll während des gesamten Fluges. Eine hilflos lächelnde Mutter: »Es stört Sie hoffentlich nicht!«

»Mich? Ach nein, natürlich überhaupt nicht!« Gott schütze mich vor Sturm und Wind und vor ’ner Mutter mit ’nem Kind! Dann lieber zwischen zwei Kettenrauchern. Oder, wenn’s unbedingt sein muss, zwischen dem Müsliriegel-Schnauzbart und dem Fettsack.

20.43 Uhr. Eine Priesterin in blauer Uniform betrat die Kanzel Nr. 19. Ich war gespannt auf ihre Predigt.

»Meine Damen und Herren, wer im Besitz einer Bordkarte ist und sich noch nicht am Schalter 19 gemeldet hat: Bitte kommen Sie jetzt!«

Niemand rührte sich. Wer eine Reservierung hatte, war schlau genug gewesen, sich frühzeitig zu melden.

»So, Sie können dann an Bord gehen, meine Damen und Herren. Die anderen warten bitte noch einen Moment, bis ich die Warteliste aufrufe.«

Ein Gedränge und Geschubse wie auf einem Schulhof begann. Ich sah mich um. So viele Leute passten einfach nicht in ein Flugzeug. Ein paar mussten wohl zurückbleiben. Aber ich war schließlich bisher immer mitgekommen. Warum nicht aus diesmal?

Ich sah Florian vor mir.

Er wartete auf mich am Flughafen, mit einer Rose in der Hand. Er umarmte mich. »Hab dich vermisst, Kleines!« Später, in einem wundervollen Restaurant irgendwo in Rom, würden wir uns in die Augen sehen, und alles wäre gut.

Die Stewardess verlas jetzt Namen. »Friedrich … Hauschild … Schulze … Jachmann … Abele … Maier …« Flori. Zu dir, mein Herz, zu dir! Warum hing ich so an dem Kerl? Warum verklärte ich ihn so? Noch nie hatte er mich mit Blumen empfangen. Und mit In-die-Augen-Schauen hatten wir noch kein Problem gelöst. Alles war immer so kompliziert. Man musste stundenlang reden. War er eigentlich noch der Mann, in den ich mich damals verliebt hatte? Oder hing ich einer Vorstellung von ihm nach, die gar nichts mehr mit ihm zu tun hatte? Wenn ich ihn ein paar Tage nicht gesehen hatte, wusste ich es nicht mehr.

»Leopold … Naumann … Ebert … Pauli … Klotz …«

Jetzt. Gleich musste er kommen, mein Name. Schiller wie Goethe. Haha. Aber so schrieben ihn die Leute wenigstens richtig. Ein schöner Name, fand ich. Klassisch.

»Der letzte Passagier auf meiner Liste ist Passagier Schiller. Passagier Schiller, bitte zu mir.«

Na also, wer sagt’s denn! Ich schnappte meine Reisetasche und steuerte siegesgewiss in Richtung Schalter. Dabei stieß ich fast mit der jungen Mutter zusammen, deren Baby inzwischen plärrte. Wir kamen gleichzeitig bei der Stewardess an. Wie aus einem Mund sagten wir beide »Schiller« und starrten uns gleich darauf verblüfft an.

»Wie bitte?«, sagte die Stewardess.

»Mein Name ist Schiller«, sagte ich.

»Meiner auch«, sagte die junge Mutter.

Das Kind hatte sein Geschrei zum Crescendo gesteigert.

Die Stewardess blätterte verwirrt in ihrer Liste.

»Da muss ein Irrtum vorliegen«, murmelte sie.

»Das glaube ich auch«, sagte ich kühl. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was Mutter und Kind in Rom zu suchen hatten. Möbelmesse kam nicht infrage, Modenschau noch weniger und Papstwahl schon gar nicht.

Hier stehe ich und weiche nicht.

»Meine Damen, tut mir leid, da muss ich rückfragen. Könnten Sie mir bitte Ihre Vornamen sagen?«

»Susanne«, sagte meine Rivalin.

Typisch. Hätte man sich fast denken können. Susanne!

»Und Sie bitte?«, wandte sich die Stewardess an mich.

»Corinna Luise«, sagte ich hoheitsvoll.

Tatsächlich war das mein Taufname, aber wer wollte schon so heißen wie eine greise Herzogin? Seit ich denken konnte, nannten mich alle Cora.

Die blaue Uniform verschwand, und ich lehnte mich mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck gegen den Schalter. Die Mutter hatte den schreienden Balg aus dem Kinderwagen genommen und mit einem Schnuller zum Schweigen gebracht. Jetzt schniefte er nur noch gelegentlich. Aus verheulten Augen schaute er mich vorwurfsvoll an.

Ein paar quälende Minuten vergingen. Inzwischen war es fast 21 Uhr. Dieses Flugzeug würde nicht pünktlich starten, so viel stand fest.

Endlich erschien die Stewardess wieder. Sie hatte eine zweite Liste in der Hand.

»So, meine Damen. Die Sache hat sich aufgeklärt. Ein Computerfehler.« Sie wandte sich an die Mutter. »Sie können dann an Bord gehen. Entschuldigen Sie bitte das Missverständnis.«

»Was soll denn das heißen?«, fragte ich empört.

»Tut mir leid, Frau Schiller. Die Dame steht vor Ihnen auf der Liste. Das hat die Überprüfung der Vornamen eindeutig ergeben. Leider ist die Maschine bis auf den letzten Platz besetzt. Ich kann Sie nur auf die erste Maschine morgen früh verweisen. Abflug 9.50 Uhr, Ankunft in Rom 11.25 Uhr. Tut mir leid.«

Ich war wie vom Donner gerührt. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Die siegreiche Frau Schiller schob ihren Kinderwagen durch die Sperre. Das Baby schaute mich an.

Es grinste.

Schon immer hatte ich Mütter und Kleinkinder als lästig empfunden. Aber nach diesem Erlebnis beschloss ich, sie zu meinen natürlichen Feinden zu erklären.

ZWEI

Es nieselte, als ich aus dem Flughafen kam.

Alles war seltsam unwirklich. Florian war plötzlich endlos weit weg. Meine Sehnsucht nach ihm war verschwunden. Ich konnte mir kaum noch vorstellen, wie wild ich noch vor einer halben Stunde darauf gewesen war, ihn wiederzusehen. Jetzt erschien es mir völlig richtig, dass ich nicht auf dem Weg zu ihm war. Sollte er sich doch allein in einem durchgelegenen italienischen Hotelbett amüsieren. Oder von mir aus auch zu zweit.

Es war zwanzig nach neun. Mein Geburtstagsfest hatte angefangen. Ich warf meine Reisetasche in ein Taxi und mich daneben.

»Merkur-Halle, bitte!«

Im Rückspiegel sah ich ein südländisches Gesicht mit tiefschwarzen Augen. Der Fahrer startete den Wagen.

»Muss was los sein heute Abend. Kollegen sind schon mehrmals hingefahren.«

»Eine Geburtstagsparty.«

»In so großer Halle?«, wunderte sich der Fahrer. »Ist doch ungemütlich!«

»Ist eben ein ungemütliches Geburtstagskind.«

»Und Sie, von woher kommen Sie?«

»Ich komme gerade aus Rom zurück.«

Bei der Halle angekommen, bemerkte ich lauter festlich gekleidete Gestalten, die vorsichtig über die Pfützen stiegen, um ihre Abendroben nicht zu beschmutzen. Ich blickte an mir hinunter. Ein Outfit, als wollte ich mal eben um die Ecke zum Brötchenholen. Null festlich. Na ja, darauf kam’s jetzt auch schon nicht mehr an. Ich fühlte mich sowieso wie im falschen Film.

Musik dröhnte mir entgegen. Die Drei Tournedos, eine intellektuell angehauchte Rockband mit satirisch-obszönen Texten, war derzeit der letzte Schrei. Glücklicherweise war Rudi, der Sänger, ein Exlover von mir. So traten sie an diesem Abend zum Freundschaftspreis auf.

Als ich den Halleneingang erreichte, richtete sich ein gleißend heller Spot auf mich. Ich sah nichts mehr. Dafür hörte ich einen Trommelwirbel und dann Rudi, der ins Mikro brüllte.

»Hipp, hipp, hurra, das Geburtstagskind ist da! Cora, du liebste, du schönste, du wunderbarste aller Frauen, wir grüßen dich!«

Es folgten Beifall, Johlen und Pfeifen. Dann spielte die Band: »Obladi, oblada, life goes on, bra!« Alle sangen im Chor.

Das Leben ging also weiter, obwohl ich in zwei Stunden dreißig werden würde. Ich stand da, unfrisiert, ungeschminkt, in Lederjacke und Jeans, und wusste nicht, ob ich lachen oder heulen sollte.

Jemand umarmte mich von hinten. »Hey, da bist du ja endlich!«

Es war Uli, meine beste Freundin. Sie musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ah ja, interessant. Dein Aufzug soll wohl so was wie eine Protesthaltung sein oder was?«

»So ähnlich«, sagte ich mit schiefem Grinsen.

Endlich schwenkte der Spot in eine andere Richtung, und ich konnte in die Halle sehen. Der riesige Raum wurde durch Fackeln erhellt, deren flackerndes Licht eine mystische Stimmung verbreitete. An der Stirnwand flimmerte eine gewaltige Videoskulptur im Takt der Musik. Zwischen meterhohen Säulen bauschte sich roter Samt. Die Leute waren fast ausschließlich schwarz gekleidet, und der Feuerschein warf dunkle Schatten über ihre Gesichter. Wie eine schwarze Messe, dachte ich. Oder doch lieber eine Teufelsaustreibung? Konnte schließlich nichts schaden, geläutert ins nächste Lebensjahrzehnt zu gehen.

Uli bugsierte mich an die Bar. Dort warteten Hella und Arne, meine beiden Unentbehrlichen.

Hella war – bei einer Größe von ungefähr einem Meter sechzig – das, was man vollschlank nannte. Dabei war sie unglaublich beweglich. Sie trug einen blonden Pagenkopf und sah ein bisschen aus wie die Käthe-Kruse-Puppe aus meiner Kindheit. Aber ihr harmloses Äußeres täuschte: Sie war eine listige Person, die immer erreichte, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte.

Arne war lang, dünn und eher phlegmatisch. Dafür war er unschlagbar im Umgang mit Computern und aufgebrachten Kunden. Am Telefon wirkte er beruhigend wie Valium, deshalb schickten wir ihn vor, wenn es Ärger gab.

Beide hielten Gläser in der Hand und prosteten mir fröhlich zu. »’n Abend, Chefin, wie stehen die Aktien?«, feixte Hella.

Arne umarmte mich väterlich und brummte: »Jetzt kannst du dich bald nicht mehr Jungunternehmerin nennen, was?« Ich bestieg einen Barhocker. Das waren die Sprüche, auf die ich gewartet hatte. Uli hatte mir einen Drink geordert und drückte mir das eiskalte Glas in die Hand.

»Hier. Golden Angel. Was immer der Grund für deine Verspätung und dein Outfit sein mag – das bringt dich wieder hoch. Hier ist übrigens deine Ehrenloge. Von hier aus kannst du deinem Volk zuwinken.«

»Irgendwann muss ich ja wohl mal auf die Bühne und mein Volk begrüßen, oder, Arne? Was meinst du?«

Arne nickte mir zu. »Aber erst was trinken.«

Recht hatte er. Ich nahm einen Schluck. Mmh, köstlich. Ein süßer, irgendwie tröstlicher Geschmack.

Das Leben war kein Jammertal. Und dreißig zu werden hatte bestimmt auch ’ne Menge Vorteile. Zum Beispiel … äh … Na, mir fiel sicher noch was ein. Später. Nach einem weiteren Golden Angel vielleicht.

Ich lauschte der Musik und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Im Hintergrund entdeckte ich einen Tisch, der mit Paketen und Päckchen übersät war. Das hatte sicher die gute Hella organisiert. So blieb mir heute Abend zumindest das Auspacken erspart.

Von allen Seiten kamen Freunde und Bekannte, um mich zu begrüßen. Manchmal wunderte ich mich selbst, wie viele Leute ich kannte. Kannte ich sie wirklich? Kannten sie mich? Egal. Heute Abend hüllten sie mich ein in ein Gefühl von Wärme, Nähe und Geborgenheit.

»Hallo, Süße! Du siehst keinen Tag älter aus als neunundzwanzig! Danke für die Einladung!«

Das war Egon, ein uralter Freund. Er kam aus derselben miefigen Kleinstadt wie ich, und wir hatten schon in der Grundschule gemeinsam die Bänke bekritzelt. Später war er durch Zufall auch hier gelandet, und von Zeit zu Zeit gingen wir einen trinken. Er war ein kleiner, drahtiger Bursche mit viel Charme und einem losen Mundwerk. Die Mädels standen auf ihn, was sich äußerst hinderlich auf sein berufliches Fortkommen auswirkte. Er war einfach zu leicht abzulenken.

»Na, meine Traumfrau, wie fühlst du dich? Heiratest du mich jetzt endlich? Kommst ja allmählich in das Alter, was?«

Thomas. Mein Hintergründler. Der Mann, der seit Jahren hinter den Kulissen auf mich wartete. Er hatte sich so ans Warten gewöhnt, dass er vermutlich vor Schreck tot umgefallen wäre, wenn ich ihn erhört hätte.

Aber die Gefahr bestand nicht. Er sah nicht schlecht aus und war ein lieber Kerl, aber ich fand ihn langweilig. Aber weil er mir so sehr ergeben war, betraute ich ihn immer wieder mit kleinen Aufgaben, die es ihm ermöglichten, in meiner Nähe zu sein. Ich glaube, im Grunde reichte ihm das.

»Willkommen im Club! Die Party hat ja einiges gekostet. Bist wohl schon Millionärin geworden mit deinem PR-Laden!«

Markus. Mein Ex. Der Mann vor Florian. Spross aus verarmtem Adel, intelligent, aber zynisch. Am Arm Tabea, seine neue Flamme. Tabea war damit beschäftigt, »interessant« zu wirken. Sie rauchte Zigaretten mit langen Filterspitzen, bemühte sich, ihrem Blick etwas Verruchtes und ihrer Stimme einen tieferen Klang zu geben. Sie war Kaffeeholerin am Städtischen Theater, erzählte aber allen, sie sei »Dramaturgin«. Klassischer Fall von Profilneurose. Markus war naiv genug, auf die Inszenierung hereinzufallen.

Ich sah ihn mir noch mal genau an. Schöne Augen, sinnlicher Mund. Leicht abfallende Schultern und ein Hang zum Bauch. Strebsam und standesbewusst bis zum Dünkel. Nein, ihm musste ich wahrhaftig nicht nachtrauern.

»Hallo, schöne Frau.«

Diese Stimme ließ mich leicht erschauern. Mit Raoul hatte ich eine kurze und heftige Affäre, als es zwischen Florian und mir mal wieder aus gewesen war. Er gehörte zu den Männern, die Gift für mich waren. Undurchschaubar, unberechenbar, ungreifbar. Ich hatte mich damals in Sicherheit gebracht. Diese Katz-und-Maus-Spielchen brachten mich um den Verstand. Das kleine Zittern in meinen Knien verriet mir, dass er immer noch gefährlich für mich war.

Zwischen den vertrauten Gesichtern entdeckte ich einige Leute, die ich nicht kannte. Freunde von Freundinnen, Bekannte von Bekannten. Vielleicht ein paar Partyprofis, die sich reingemogelt hatten. Egal. Auf wie vielen Partys ich schon war, ohne eingeladen gewesen zu sein …

Mein Blick traf auf einen anderen Blick.

Den Typ kannte ich nicht. Dunkles Haar, Dreitagebart, markante Nase. Er sah mich unverschämt lange an, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hielt ihm nicht stand. Scheinbar beiläufig drehte ich mich ein Stück zur Bar und griff nach meinem Glas. Ich nahm einen Schluck und sah wieder auf.

Er war weg.

Rudi sang eine Nummer im Walzertakt. Seine Texte waren wie die Karikaturen von Manfred Deix: gemein, treffend und lustig.

Bist du mal achtzig und verwittert,

verlebt, vertrocknet und verbittert,

dann freu dich: Endlich hast du Ruh’

vor deinen Trieben, schubidu!

Ich mochte seinen Humor. Meistens jedenfalls.

Plötzlich stutzte ich. Konnte das wahr sein, oder halluzinierte ich? Da hinten war Hennemann. Mit roten Backen und wichtiger Miene arbeitete er sich durch die Menge. Was in aller Welt wollte der denn hier?

»Sag mal, Hella, ich sehe wohl nicht richtig?!«

Hella drehte den Kopf. »Ach ja, hab ich vergessen, dir zu sagen. Ich habe ihn eingeladen, um ihn für morgen gnädig zu stimmen.«

Aha. Das verstand man wohl unter selbständiger Arbeit. Ich musste mir noch überlegen, ob das in mein unternehmerisches Konzept passte.

Hennemann hatte sich bis zu uns vorgearbeitet. Er nahm meine Rechte zwischen seine beiden Hände und schüttelte sie überschwänglich. »Ja, liebe Frau Schiller, des isch ja eine wunderbare Veranstaltung! So zeitgeischtig! Wissen Sie, die Band, die solltet mir mal engagiere. Zum Beispiel für die Bräsentation von dene Bralline!«

»Bralline?«, echote ich ratlos.

»Ich meine ja die Pralinen, liebe gnädige Frau«, bemühte sich Hennemann. »Sie wissen doch, die neue Pralinen-Kollektion, die wir demnächscht auf den Markt bringen.«

Wenn er aufgeregt war, verfiel er in sein Heimatidiom. Die Drei Tournedos bei der Pralinen-Präsentation? Ein pikanter Gedanke. Offenbar hatte Hennemann nicht auf die Texte geachtet. Ich hoffte inständig, dass es so bleiben möge.

Ich lächelte ihn strahlend an. »Wie schön, dass Ihnen die Musik gefällt. Darüber könnte man natürlich mal nachdenken. Wir haben aber auch einige andere interessante Vorschläge für Sie. Die wollen wir Ihnen dann morgen unterbreiten. Es bleibt doch bei unserem Termin?« Ich intensivierte mein Lächeln. »Oder wäre Ihnen ein anderer lieber?«

Das hätte ich besser nicht gefragt. Schlagartig schien sich Hennemann zu erinnern, dass wir in letzter Zeit ziemliche Meinungsverschiedenheiten gehabt hatten und er nicht besonders zufrieden mit uns war. Seine Stirn umwölkte sich.

»Doch, doch, natürlich bleibt’s bei morgen. Da gibt es einiges zu klären! Aber das wissen Sie ja.«

Mist. Ich hatte gehofft, dass er in seiner Euphorie die Besprechung platzen lassen würde.

Hella machte große Ohren. Sie spannte sofort, dass ein Tiefdruck im Anzug war. Gekonnt rollte sie mit den Augen und machte ein verführerisches Schmollmündchen.

»Lieber Herr Hennemann, ich freue mich so sehr, dass wir bei dieser Gelegenheit auch mal ein paar persönliche Worte wechseln können«, flötete sie.

Gut so, dachte ich.

»Wissen Sie, man hat ja nicht viele Kunden, bei denen man das möchte«, fuhr sie fort.

Weiter so, Kleine!

Sie prostete ihm zu. Dann brach es plötzlich aus ihr heraus: »Aber Sie, Sie sind wie Ihre Pralinen – einfach süß!« Sie fiel vor Lachen beinahe von ihrem Barhocker, während Arne mich ansah und die Augen verdrehte.

O nein, dachte ich. Das ist das Ende. Morgen werde ich sie feuern. Ich wagte nicht, Hennemann anzusehen. Er war Choleriker und brüllte manchmal los, sodass einem die Ohren wegflogen. Mit einem solchen Anfall rechnete ich.

Es blieb still. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass er Hella erstaunt betrachtete. Dann sagte er langsam: »Ja, Sie sind mir vielleicht oine. Dabei hann i immer denkt, Sie möget mi net. Des freit mi jetzt richtig! Kommen Sie, Frollein Hella, mir trinket jetzt was zamm!«

So einfach war das also. Der brauchte auch bloß ein paar Streicheleinheiten, und schon war er handzahm. Ich schaute mich nach den anderen um.

Uli platzte fast vor Lachen.

Arne saß da und staunte mit offenem Mund.

Ich kippte beherzt meinen dritten Golden Angel.

Allmählich begann meine Umgebung angenehm zu verschwimmen. Keine Ahnung, was in dem Zeug drin war, die Wirkung war jedenfalls prima. Ich fühlte mich allmählich richtig wohl. Vergessen waren der geplatzte Flug, Frau Schiller, das dämlich grinsende Baby. Und Florian.

»Was war denn eigentlich los?«, wollte Uli wissen. »Wieso bist du zu spät und in dem Aufzug?«

»Vergiss es einfach!«, befahl ich und prostete ihr zu.

Mit einem Wink orderte ich meinen nächsten Golden Angel. Als Joey, der Barkeeper, mir zwinkernd das Glas rüberschob, setzte auf einmal die Musik aus.

Wieder ertönte ein dumpfer Trommelwirbel.

Uli stieß mich an. »Zwölf Uhr!«

Die Band stimmte »Happy Birthday to You« an, und die ganze Halle schunkelte mit. Ich flog von einem Arm in den nächsten, wurde beglückwünscht und abgeküsst, bis mir fast die Sinne schwanden. Als die Euphorie sich etwas gelegt hatte, erklomm ich die Bühne, um endlich meine Geburtstagsgäste zu begrüßen.

DREI

Als ich am nächsten Tag das Bewusstsein wiedererlangte, war es nach elf.

Ich lag in meinem eigenen Bett. Immerhin. Und neben mir lag keiner. Ich hatte sogar ein Nachthemd an – allerdings über der Jeans. Und einen Turnschuh. Zugedeckt war ich mit der Zeitung. Sie trug das Datum vom 9. Juli. 9. Juli? Geburtstag. Dreißig geworden. Mein Kopf fühlte sich an, als wären die Gehirnwindungen mit Blei ausgegossen. Bei jeder Bewegung ertönte ein Gong, der vibrierend nachhallte.

Ich krabbelte vorsichtig zum Kühlschrank und holte eine Flasche eiskaltes Mineralwasser heraus. Die eine Hälfte schüttete ich in mich hinein, die andere über meinen schmerzenden Kopf. Dann schleppte ich mich zurück ins Bett. Erst mal so tun, als wäre nichts. Ein Kater verschwand am schnellsten, wenn man ihn nicht beachtete.

Hella und Arne würden erst um drei auftauchen. In weiser Voraussicht hatte ich ihnen den Vormittag freigegeben. Um drei war der Termin mit Hennemann. Bis dahin war ich hoffentlich wieder zurechnungsfähig.

Ich versuchte den Buchstabensalat auf der Zeitung zu ordnen. »Atmo-Manege voprschen 000 000 DM Brodell.« Wie bitte?

»Atom-Manager verprassen 30 000 DM in Bordell.«

Ach so. Sehr vernünftig. Make love, not war. Solange die Kerle rumvögelten, bauten sie keine Atombomben.

»Bundesanstalt für Arbeit verteilt 16 Milliarden Mark.«

Ich stellte mir vor, wie ein Beamter Geldscheine unters jubelnde Volk warf. Sechzehn Milliarden! Wie viele Hundertmarkscheine das wohl waren?

»Bei Bonbons dient Sex zur Versöhnung.«

Das war nicht nur bei Bonbons so. Bonbons? Ich las die Zeile noch mal. Bonobos, ach so, das waren diese Affen.

Mein Blick wanderte weiter.

»Bundesbürger essen zu fett.«

Stimmte nicht. Sie tranken nur zu wenig Alkohol dazu. Beim Gedanken an Alkohol wurde mir schlecht.

Als ich aus dem Bad zurückkam, klingelte das Telefon.

Es war Uli.

»Hallo, Süße, weilst du wieder unter den Lebenden?«

»Ich weiß noch nicht so genau«, murmelte ich.

Seit Uli und ich uns kannten, verging kein Tag, an dem wir nicht telefonierten oder uns sahen. Der morgendliche Anruf war Tradition. Meist meldete sich Uli, wenn sie gegen neun in ihren Laden kam. Sie verkaufte die schrägsten Hüte der Stadt. Leider hatten nicht alle so viel Sinn fürs Ausgefallene wie sie, deshalb lief ihr Salon mehr schlecht als recht. Uli ließ sich davon aber nicht beeindrucken. »Ich kann nur verkaufen, was mir selbst gefällt!«, verkündete sie. »Bevor ich Queen-Elizabeth-Hüte verscherble, mach ich den Laden lieber dicht.« Sie hatte gut reden, ihr Freund Michael hatte die dicke Kohle, und sie musste sich um ihr Auskommen keine Sorgen machen.

Ich saß um neun gewöhnlich beim Frühstück, das aus einer großen Tasse Tee mit Milch und einer Multivitamintablette bestand. Wir erzählten uns die neuesten Liebesgeschichten, wen wir kennengelernt hatten, wer was gesagt hatte und ähnlichen »Weiberkram«. So pflegte Michael unser morgendliches Viertelstündchen zu bezeichnen.

Ich konnte Michael nicht ausstehen. Er war Chirurg, ehrgeizig und arrogant. Keine Ahnung, was Uli an ihm fand. Wir sparten das Thema nach Möglichkeit aus.

Ich fragte mit unverfänglicher Stimme: »Sag mal, Uli, was war ’n noch so los gestern?«

»Du warst doch wohl dabei, oder irre ich mich?«

»Ja, schon. Aber mein Hirn ist total vernebelt. Ab dem Auftritt von Capt’n Cool (das war der New Yorker Rapper) erinnere ich mich an nichts mehr.«

»Aha. Absentia alcoholica, oder wie das heißt.«

Uli liebte Fachausdrücke und Fremdwörter. Wenn ihr der richtige Begriff nicht einfiel, erfand sie einfach einen.

»Mir egal, wie das heißt. Klär mich gefälligst auf! Sag mir, ob ich mich gestern danebenbenommen habe.«

»Lass mich mal nachdenken. Nachdem du mit Hennemann eine Runde Lambada getanzt hast, bist du rauf auf die Bühne und hast Rudi ’nen Heiratsantrag gemacht. Komischerweise hast du ihn Florian genannt. Später wolltest du unbedingt singen. Du hast auf ›Baby, Come Back to Me‹ bestanden, aber außer dem Refrain kanntest du keine Zeile vom Text. Hundert Punkte auf der nach oben offenen Peinlichkeitsskala. Kam aber gut an. Na ja, und als dann die Schaum-Nummer kam, wolltest du den Leuten die Haare waschen.«

Ich sagte eine Weile gar nichts. Dann räusperte ich mich.

»Und wie geht’s dir heute?«

Jetzt war Uli plötzlich still.

»Uli, was ist denn?«

Ich hörte ein Schlucken am anderen Ende der Leitung.

»Was ist denn, Uli? Was ist los?«

»Ich bin schwanger.«

»Waaas?«

Ich schoss senkrecht aus dem Bett. »Was bist du? Das kann nicht dein Ernst sein! Bist du dir sicher?«

»Total sicher. Ich bin zwei Wochen überfällig. Heute Morgen habe ich den Test gemacht.«

Wie von einem rechten Haken getroffen, fiel ich in mein Kissen zurück. Fast hätte ich angefangen zu heulen.

Uli! Ein Kind! Das bedeutete: Keine Komplizin mehr auf nächtlichen Streifzügen. Keine Gefährtin mehr für gelegentliche Wochenenden in den Bergen. Keine spontanen Kinobesuche mehr, keine langen, ungestörten Gespräche bei viel Wein und Zigaretten. (Ach Scheiße, ich rauchte ja nicht mehr!)

Es bedeutete: Kindergeschrei, Stillprobleme, Windelgespräche, dada, baba, kacka. Und es bedeutete: Michael als stolzer Vater. Den kriegten wir nie mehr los. Verdammt!

»Du willst es doch wohl nicht kriegen?«, forschte ich vorsichtig nach.

»Spinnst du? Ich bin einunddreißig. Wann soll ich denn Kinder kriegen, wenn nicht jetzt?«

Überhaupt nicht, dachte ich. Jedenfalls nicht von diesem Kerl. »Wer ist denn der Vater?«

»Also, hör mal, Cora, du hast echt Nerven. Dreimal darfst du raten.«

»Schon gut, war ’ne rhetorische Frage. Weiß er’s schon?«

»Ja.«

»Und?«

»Er freut sich total.«

Klar, dachte ich. Der eitle Affe ist stolz darauf, dass seine einzigartigen Gene sich fortpflanzen. Wahrscheinlich geht er heimlich zum Samenspenden, weil er findet, dass gar nicht genug kleine Michaels auf der Welt rumlaufen können.

»Und jetzt?«, fragte ich hilflos.

»Nichts. Ich dachte, du freust dich.«

»Tu ich ja auch.«

Klang wohl nicht überzeugend.

»Ach, Cora, das ist doch nicht das Ende der Welt. Was macht das schon? Ich habe vielleicht ein bisschen weniger Zeit für Spaß. Aber sonst? Zwischen uns ändert sich doch nichts, Süße!«

Denkst du. Ich weiß doch, wie Frauen anfangen zu spinnen, wenn sie Kinder kriegen. Als gehörten sie plötzlich zu einer Sekte. Interessieren sich für nichts anderes mehr. Reden nur noch über Kinder. Männer übrigens auch. Bei denen ist es fast noch schlimmer. Völlig gaga werden die meisten. Tragen mit blödem Gesichtsausdruck ihre sabbernden Babys durch die Gegend und platzen vor Stolz. »Uli, lass uns Schluss machen. Wir reden morgen. Ich muss erst mal zu mir kommen, okay?«

»Okay. Bis morgen dann.«

Ich legte auf. Das war ungefähr so, als hätte Uli mir gesagt, dass sie nach Neuseeland auswandern wolle. Auf einen Schlag war sie unerreichbar weit weg.

Ich dachte an unser erstes Gespräch. Es war ziemlich genau zehn Jahre her, dass mich eines Tages eine wildfremde Frau anrief.

»Hallo, bist du die Cora?«

Ich kannte die Stimme nicht.

»Bin ich. Mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Ich heiße Uli. Ich bin die Freundin von Egon. Genauer gesagt, seine Exfreundin. Er hat gestern mit mir Schluss gemacht. Und dann hat er mir deine Nummer gegeben. Du könntest mir alles erklären.«

Ich schnappte nach Luft. Der Typ hatte wohl ’ne Vollmeise! Hetzte mir seine abgelegten Mädels auf den Hals, weil er keinen Bock hatte, sich um einen eleganten Abgang zu bemühen!

»Gib mir deine Nummer, Uli«, bat ich. »Ich ruf dich gleich zurück.«

Dann knöpfte ich mir Egon vor. Der zeigte nicht die Spur eines schlechten Gewissens.

»Ach, Cora, sei doch nicht so moralisch! Uli ist ein nettes Mädchen, aber mehr halt nicht. Was soll ich ihr denn sagen?«

»Lass dir gefälligst was einfallen! Wenn du eine Mieze rumkriegen willst, bist du doch auch nicht auf den Mund gefallen!«

»Du kannst das viel besser als ich. Erzähl ihr was von meiner schwierigen Kindheit. Du machst das schon.«

Ich knallte den Hörer auf und rief wieder bei Uli an. Am nächsten Tag trafen wir uns. Sie wohnte in einem winzigen Dachzimmer zur Untermiete. Die Heizung war ausgefallen, und es war eiskalt. Wir tranken zwei Liter Glühwein und erzählten uns gegenseitig unser Leben. Von da an waren wir unzertrennlich.

Und nun war sie schwanger. Wahrscheinlich würde sie Michael heiraten. Alles war aus.

Der Tag fing beschissen an und ging so weiter. Das Telefon klingelte wieder. Hella.

»Mensch, Chefin, ich versuche seit einer Ewigkeit, dich zu erreichen.«

Sie übertrieb, wie meistens. Ich hatte höchstens fünf Minuten telefoniert.

»Was ist denn so dringend?«

»Hennemann hat gestern im Suff rausgelassen, dass er eine andere Agentur gegen uns antreten lassen will. Er meint, Konkurrenz belebe das Geschäft. Wer ihm das überzeugendere Konzept für die Pralinen-Kampagne macht, kriegt den Etat fürs nächste Jahr.«

»Wer sind die anderen?«

»Halt dich bitte fest.«

Ich griff nach meinem Kopfkissen.

»Es ist Macke und Co.«

»Oh, no!«, stöhnte ich auf.

Das war ja ein reizender Zufall! Macke und Co. war die Agentur, bei der ich gearbeitet hatte, und wenn ich einen Feind auf der Welt hatte, dann war es Jens Macke. Er gehörte zu den Männern, die sich für unwiderstehlich hielten. Er war ein eingebildeter, selbstgefälliger, unausstehlicher Macho, der jede Frau anbaggerte, die nicht bei drei auf dem Baum war. In der Agentur gab es kein weibliches Wesen, das vor seinen Nachstellungen sicher gewesen wäre.

Ich hatte ihm allerdings von Anfang an derartig die Krallen gezeigt, dass er sich bei mir nie richtig getraut hatte. Deshalb hatte er dann auf jede denkbare Art und Weise versucht, mir das Leben schwerzumachen. Und ausgerechnet der trat gegen uns an!

Am liebsten hätte ich in mein Kopfkissen gebissen.

»Danke, Hella. Wir sehen uns nachher.«

Schöner Mist. Hennemann war zwar ein Nervtöter, aber sein Etat war unser größter Brocken. Und Schokolade war ja kein so übles Thema. Wenn er absprang, wurde es ziemlich eng, denn gerade hatte ich seinetwegen ein paar lukrative Aufträge abgelehnt.

Mein Magen fühlte sich nicht gut an. Ich stieg aus dem Bett und kochte mir eine Kanne Tee. Die Teebeutel legte ich mir auf die Augen. Sollte abschwellend wirken. Ich schluckte drei Vitaminpillen. Dann stellte ich mich unter die Dusche.

Es war ein Uhr. Noch zwei Stunden bis zum Showdown.

Ich schmierte mir ein Wurstbrot, füllte ein Glas mit Eiswürfeln, Cola und Zitrone. Dann setzte ich mich an den Computer. Ich hatte vor, diesem schwäbischen Schokoriegel ein Pralinen-Konzept vorzulegen, das ihn zum Schmelzen bringen würde.

Mit feurigen Formulierungen erläuterte ich, warum nur eine kleine, flexible Agentur wie meine der Herausforderung »Praline« gewachsen wäre. Dass die idealen Pralinenkäufer unter den jungen, gutverdienenden, erfolgreichen Aufsteigern zu suchen wären. Und dass wir den Draht zu diesen Leuten hätten. Die Praline zur Zeitgeist-Leckerei der Neunzigerjahre zu machen – das war die Aufgabe! Es wurde kein Konzept, es wurde ein Pamphlet.

Als ich fertig war, ließ ich vier Exemplare ausdrucken. Meine Armbanduhr zeigte immer noch auf eins. Das konnte nicht sein. Ich rief die Zeitansage an. Es war 14.28 Uhr. Gleich würden Hella und Arne kommen.

Ich räumte meinen Schreibtisch auf und hörte dabei den Anrufbeantworter ab.

»Hallo, hier spricht Tante Elsie. Hallo, Cora? Bist du da? Ist das wieder dieser blöde Apparat? Geh doch mal ran! … Also, wenn du mich hörst: Alles Gute zum Geburtstag, mein Prinzesschen!« Piep.

Tante Elsie war meine Familie. Ich war bei ihr groß geworden. Meine Eltern hatten sich getrennt, als mein Vater spitzgekriegt hatte, dass ich ein Kind der Liebe war – allerdings nicht der Liebe zu ihm. Mein richtiger Vater war ein spanischer Geschäftskollege, den er irgendwann zum Essen angeschleppt hatte und der lange Zeit so eine Art Hausfreund gewesen war. Der Mann meiner Mutter war viel auf Reisen, wo er sie sicher ständig betrog. Seine Eroberungen aber waren offensichtlich nicht so blöde, sich von ihm schwängern zu lassen.

Es ergab sich wohl, dass der Spanier und meine Mutter sich näherkamen, und so verfüge ich heute über einen stattlichen kastilischen Zinken und eine wilde, schwarze Mähne.

Ich hing sehr an Tante Elsie. Sie war eine einfache, stinkbürgerliche Frau, und sie hatte mich sofort aufgenommen, als meine Mutter plötzlich nicht mehr für mich sorgen konnte. Ihrer Liebe hatte ich es vermutlich zu verdanken, dass ich keinen größeren Schaden davongetragen hatte, bedauernswerte Scheidungswaise, die ich war!

Der nächste Anrufer. »Guten Tag, Frau Schiller, hier Merkle, Firma Topsped & Co. Dürfte ich Sie um einen Rückruf bitten?« Piep.

Was wollten die denn? Ich hatte bei denen doch gar nichts bestellt.

»Hallo, Cora, Florian hier. Du, es tut mir echt leid, dass ich nicht am Flughafen sein konnte. Deshalb weiß ich auch gar nicht, ob du überhaupt gekommen bist. Dieser Möbel-Typ, Avarezzi, hat mir kurzfristig ein Interview zugesagt. Echt wichtig für mich. Sei nicht sauer. Bitte fahr zu Carlo und Marina, die erwarten dich.« Piep.

Als ich gerade einen Tobsuchtsanfall kriegen wollte, kam Hella zur Tür rein. »Hallo, Chefin, alles klar?«

»Kann man so sagen«, knurrte ich.

Das Band lief weiter.

»Hallo, Cora. Sie kennen mich nicht. Ich war gestern auf Ihrem Fest. Sie sind eine bemerkenswerte Frau. Aber das wissen Sie wahrscheinlich. Auf bald.« Piep.

»Ach, ist ja interessant«, sagte Hella mit unverhohlener Neugierde. »Wer ist denn das?«

»Erstens weiß ich es nicht. Zweitens geht es dich nichts an.«

Ich war gereizt wie ein Tiger.

Wer konnte das sein? Ich ließ die Gesichter Revue passieren, die mir aufgefallen waren. Keiner drunter, zu dem die Stimme gepasst hätte. Doch, da war dieser Typ mit dem durchdringenden Blick und der großen Nase. Vielleicht der?

Keine Ahnung.

»Hallo, Cora, gut geschlafen?« Geräuschlos war Arne eingetreten.

»Es geht so, danke.« Ich riss mich zusammen. Die beiden konnten echt nichts dafür. »Wollt ihr ’nen Tee?«

Während ich in der Küche frischen Tee kochte und ein Tablett mit Geschirr und Keksen vorbereitete, vertieften sich die beiden in das Konzeptpapier. Als ich ins Büro zurückkam, machten sie ein beeindrucktes Gesicht. Bevor wir darüber reden konnten, klingelte es an der Tür. Hennemann, der schwäbische Pedant, war natürlich zehn Minuten zu früh. Die Schlacht begann.