Er war tot. Einwandfrei und über jeden Zweifel erhaben. Sie sah das sofort. Später konnte sie sich nicht recht erklären, weshalb sie so sicher gewesen war. Vielleicht kam es daher, wie er gelegen hatte, das Gesicht tief in halbverfaultem Heu vergraben, Hundekot gleich neben dem Ohr. Kein Säufer mit Selbstachtung legt sich neben einen Hundehaufen.
Die Frau drehte ihn vorsichtig um. Die Vorderseite seines Kopfes fehlte. Es war unmöglich, das zu erkennen, was einst eine Person gewesen war, eine Identität. Der Brustkasten gehörte einem Mann und wies drei Einschüsse auf.
Sie fuhr herum und erbrach sich heftig, was ihr aber nur einen bitteren, scheußlichen Geschmack im Mund und einen bösen Krampf im Zwerchfell einbrachte. Die Leiche war wieder auf den Bauch gesackt, als sie sie losgelassen hatte. Zu spät ging ihr auf, daß der Kopf nun auf die Exkremente gefallen war, die sich in den dunkelblonden, triefnassen Haaren verteilten. Als sie das sah, kam ihr endlich alles hoch. Als sei es die höhnische Geste einer Lebenden gegenüber einem Toten, wurde er von tomatenrotem Mageninhalt übersprüht. Die Erbsen waren noch nicht verdaut und blieben als giftgrüne Punkte auf dem toten Rücken liegen.
Karen Borg rannte. Sie rief ihren Hund und nahm ihn an die Leine, die sie – eine symbolische Handlung – immer bei sich trug. Das Vieh lief begeistert neben ihr her, bis es entdeckte, daß sein Frauchen weinte und schluchzte, woraufhin es mit Jammern und Winseln in den Trauerchor einfiel.
Sie rannten und rannten und rannten.
MONTAG, 28. SEPTEMBER, MIT RÜCKBLICK
Polizeigebäude, Oslo, Grønlandsleiret 44. Eine Adresse ohne das Brausen der Geschichte. Grønlandsleiret 44 klang müde, grau und modern, mit einem Unterton von öffentlicher Unfähigkeit und internen Streitereien. Groß und leicht gebogen, als könne es den Windstößen nicht widerstehen, lag es eingeklemmt zwischen Gotteshaus und Gefängnis, hatte im Rücken das kahlsanierte Wohnviertel Enerhaugen und als Schutz gegen den verdrecktesten und verkehrsreichsten Stadtteil gegenüber nur eine riesige Rasenfläche. Die Eingangspartie wirkte abweisend und war viel zu klein für die zweihundert Meter lange Fassade, wirkte geduckt und fehl am Platz und fast versteckt – als ob sie das Kommen schwierig und das Fliehen unmöglich machen sollte.
Die Anwältin Karen Borg wanderte am Montagmorgen um halb zehn die gepflasterte Straße hoch, auf den Eingang zu. Der Hang war gerade lang genug, um ihr einen schweißnassen Rücken zu bescheren.
Sie überlegte sich, daß der Hang mit Bedacht angelegt worden sein mußte; alle betraten das Osloer Polizeigebäude mit schweißnassen Kleidern.
Sie drückte gegen die schweren Metalltüren und betrat das Foyer.
Wenn sie mehr Zeit gehabt hätte, dann wäre ihr dort die unsichtbare Grenze aufgefallen. Reiselustige Norweger warteten auf der hellen Seite der riesigen Halle auf ihre roten Reisepässe. Im Norden, unter der Galerie, saßen die Dunkelhäutigen ängstlich und stundenlang mit schweißnassen Händen bei den Schindern von der Fremdenpolizei.
Aber Karen Borg war spät dran. Sie warf einen Blick zu den Galerien hinauf; eine Seite hatte blaue Türen und Linoleumboden, die andere, die Südseite, war gelb. Im Westen schließlich dominierten Rot und Grün. Der offene Raum erstreckte sich über sechs Stockwerke in die Höhe. Später sollte sie feststellen, daß hier enorm viel Platz verschwendet wurde; die Büros waren winzig klein. Nachdem sie sich mit dem Bau vertraut gemacht hatte, erfuhr sie, daß die wichtigsten Räumlichkeiten im sechsten Stock lagen: die Kantine und das Büro des Polizeichefs. Darüber wiederum, vom Foyer aus und für den Herrn in der Höhe unsichtbar, hauste der Überwachungsdienst.
Wie in einem Kindergarten, dachte Karen Borg, als ihr die Farbcodes auffielen. Als ob sie sichergehen wollten, daß alle ihren Platz finden.
Sie mußte in den zweiten Stock, die blaue Zone. Die drei Fahrstühle mit den Metalltüren hatten sie mehr oder weniger gezwungen, die Treppe zu benutzen.
Nachdem sie zugesehen hatte, wie die Lichtpunkte an den Türen vier Minuten lang auf und ab geklettert waren, ohne je das Erdgeschoß zu berühren, war sie überzeugt. Sie ging zu Fuß nach oben.
Die vierstellige Zimmernummer war auf einen Zettel gekritzelt. Es war leicht, das Zimmer zu finden. Die blaue Tür war übersät von den Überresten alter Aufkleber. Micky Maus und Donald hatten sich der Ausrottung hartnäckig widersetzt und grinsten sie, ohne Beine, aus halben Gesichtern an. Es hätte wohl besser ausgesehen, wenn man sie in Ruhe gelassen hätte. Karen Borg klopfte.
Sie hörte: »Herein«, und öffnete die Tür.
Håkon Sand wirkte nicht gerade begeistert. Es roch nach Rasierwasser, und über einem Stuhl – dem einzigen im Zimmer außer dem, auf dem Sand saß – hing ein feuchtes Handtuch. Sie sah, daß seine Haare naß waren.
Er warf das Handtuch in eine Ecke und bat sie, Platz zu nehmen. Die Sitzfläche des Stuhls war feucht. Sie setzte sich trotzdem.
Håkon Sand und Karen Borg waren alte Freunde, die sich nie trafen. Sie tauschten abgenutzte Phrasen aus, im Stil von: »Wie geht es dir«, »Lange nicht mehr gesehen«, »Wir müssen mal zusammen essen gehen.« Diese Floskeln wiederholten sie bei zufälligen Begegnungen, auf der Straße oder bei gemeinsamen Bekannten, die ihre Kontakte besser pflegten als die beiden.
»Schön, daß du da bist. Das freut mich«, sagte er plötzlich. Ihr kam es nicht so vor. Sein Willkommenslächeln war ziemlich dürftig nach vierundzwanzig Stunden Dienst. »Der Typ will einfach nichts sagen. Er wiederholt immer nur, daß er dich als Anwältin will.«
Karen Borg hatte sich eine Zigarette angezündet. Sie trotzte allen Warnungen und rauchte Prince in der Originalversion, mit dem Maximum an Nikotin und Teer und dem knallroten Etikett, auf dem die erschreckende Warnung des Gesundheitsministeriums stand. Niemand schnorrte bei Karen Borg Zigaretten.
»Ihr müßt ihm doch klarmachen können, daß das nicht möglich ist. Erstens bin ich Zeugin in diesem Fall, schließlich habe ich die Leiche gefunden. Und zweitens habe ich keine Ahnung mehr vom Strafrecht. Ich hab’ mich seit dem Examen nicht mehr darum gekümmert, und das ist sieben Jahre her.«
»Acht«, korrigierte er. »Wir haben vor acht Jahren Examen gemacht. Du warst die Drittbeste unter Hundertvierzehn. Ich war Nummer fünf von hinten. Klar kannst du Strafrecht, wenn du willst.«
Er schien gereizt, und das war ansteckend. Plötzlich spürte sie die Stimmung, die sich während ihrer Studienzeit manchmal eingestellt hatte. Ihre stets hervorragenden Noten im strahlenden Kontrast zu seinem holpernden Gang durchs Studium, unterwegs zu einem Examen, das er ohne ihre Hilfe niemals bestanden hätte. Sie hatte ihn durch das ganze Studium gelockt, gezerrt und getrieben, als wäre ihr eigener Erfolg mit dieser Bürde leichter zu ertragen gewesen. Aus irgendeinem Grunde – sie hatten ihn nie ermitteln können, vielleicht, weil sie nie darüber sprachen – hatten sie beide das Gefühl gehabt, daß sie ihm dankbar sein müßte und nicht umgekehrt. Dieses Gefühl, ihm etwas schuldig zu sein, hatte sie später immer geärgert. Warum sie während des gesamten Studiums unzertrennlich gewesen waren, hatte niemand begreifen können. Sie hatten nie etwas miteinander gehabt, höchstens mal eine Runde Knutschen im Suff; sie waren ein ungleiches Freundespaar gewesen, unzertrennlich, streitsüchtig, aber immer voller gegenseitiger Fürsorge, die sie vor den vielen tiefen Fallgruben des Studiums bewahrte.
»Und was deinen Status als Zeugin angeht, auf den scheiß’ ich im Moment, ehrlich gesagt. Das wichtigste ist, daß der Typ endlich die Klappe aufmacht. Mit dem Zeuginnenkram befassen wir uns eingehender, wenn irgendwer das nötig findet. Und das dauert sicher noch lange.«
»Zeuginnenkram.« Sein juristischer Sprachgebrauch war nie sonderlich präzise gewesen, aber Karen Borg konnte das trotzdem nicht so ganz schlucken. Håkon Sand war Polizeiadjutant und offiziell ein Hüter von Gesetz und Ordnung. Karen Borg wollte gern weiterhin glauben, daß die Polizei die Juristerei ernst nahm.
»Kannst du nicht wenigstens mit ihm reden?«
»Unter einer Bedingung. Du lieferst mir eine glaubwürdige Erklärung dafür, daß er weiß, wer ich bin.«
»Das war mein Fehler.«
Håkon Sand lächelte mit der Erleichterung, die er immer empfunden hatte, wenn sie ihm etwas erklären konnte, das er zehnmal gelesen und doch nicht begriffen hatte. Er holte zwei Tassen Kaffee aus dem Vorzimmer.
Und dann erzählte Håkon Sand die Geschichte eines jungen Niederländers, dessen einziger Kontakt mit dem Geschäftsleben – das war zumindest die vorläufige Theorie der Polizei – im Rahmen des europäischen Rauschgifthandels stattgefunden hatte. Aus der Geschichte ging hervor, wieso dieser Niederländer, der derzeit stumm wie ein Fisch in Norwegens ekelhaftestem Loch, der Untersuchungszelle des Osloer Polizeigebäudes, auf Karen Borg wartete, wußte, wer sie war; eine der Allgemeinheit unbekannte, sehr erfolgreiche Anwältin, fünfunddreißig Jahre alt und auf das Geschäftsleben spezialisiert.
»Bravo zwo-null ruft null-eins!«
»Null-eins an Bravo zwo-null, worum geht’s?«
Der Polizist sprach leise, als erwarte er ein in aller Vertraulichkeit erzähltes Geheimnis. Das war jedoch nicht der Fall. Er hatte einfach nur Dienst in der Zentrale. In dem großen Raum mit dem schrägen Boden waren Lautstärke ein Tabu, Entschlossenheit eine Tugend und die Fähigkeit, sich kurz zu fassen, eine Notwendigkeit. Die uniformierten Beamten saßen wie die Hühner auf der Stange vor der Karte ihrer Hauptbühne, Oslo. Der Raum lag so zentral wie möglich im Polizeigebäude, ohne ein einziges Fenster zum unruhigen Samstagabend. Die Hauptstadtnacht drang trotzdem ein, durch die Funkverbindung mit den Streifenwagen und eine wohlwollende 002-Nummer, die Oslos mehr oder minder hilfsbedürftiges Publikum wählen konnte.
»Im Bogstadvei sitzt ein Mann. Er ist nicht ansprechbar, seine Kleider sind blutig, aber er scheint nicht verletzt zu sein. Keine Papiere. Er leistet keinen Widerstand, behindert aber den Verkehr. Wir bringen ihn rüber.«
»Alles klar, Bravo zwo-null. Sagt Bescheid, wenn ihr wieder losfahrt. Null-eins Ende.«
Eine halbe Stunde später wurde der Verhaftete gebracht. Seine Kleider waren wirklich blutgetränkt. Bravo zwo-null hatte die Wahrheit gesagt. Ein junger Polizeianwärter untersuchte den Mann. Mit seinen sauberen blauen Schulterklappen hatte er eine Heidenangst vor solchen Mengen von möglicherweise HIV-infiziertem Blut. Er trug Plastikhandschuhe, als er die offene Lederjacke des Festgenommenen zurückschlug. Erst jetzt konnte er feststellen, daß das T-Shirt einst weiß gewesen war. Auch die Jeans waren blutgetränkt, und der Bursche wirkte auch sonst nicht weiter gepflegt.
»Personalien«, forderte der Wachhabende und linste müde über die Schranke.
Der Festgenommene gab keine Antwort. Er starrte sehnsuchtsvoll auf ein Päckchen Tabak, das der Anwärter zusammen mit einem Goldring und einem von Nylonschnur zusammengehaltenen Schlüsselbund in eine hellbraune Papiertüte steckte. In seinem Gesicht war nichts anderes zu lesen als der Wunsch nach einer Zigarette, und auch dieser Wunsch verflüchtigte sich, als er seinen Blick von der Papiertüte zum Wachhabenden wandern ließ. Er stand, fast einen Meter von dem Polizisten entfernt, hinter einer soliden Metallbarriere, die ihm bis zu den Hüften reichte. Die hufeisenförmige Barriere war, einen guten halben Meter von der hohen Holzschranke entfernt, mit beiden Enden im Betonboden verankert. Die Holzschranke wiederum war ziemlich breit, und die Nase und der dünne graue Schopf des Polizisten lugten hinüber.
»Personalien! Wie heißt du, Mann? Wann geboren?«
Der Fremde lächelte, durchaus nicht höhnisch. Sein Lächeln zeigte eher mildes Mitgefühl für den erschöpften Polizisten, sein Ausdruck schien sagen zu wollen: Nimm es nicht persönlich. Er würde nichts sagen, weshalb brachten sie ihn also nicht lieber gleich in eine Zelle? Sein Lächeln war fast freundlich, und er schwieg. Der Wachhabende mißverstand das. Natürlich.
»Bringt den Burschen in eine Zelle! Die vier steht leer. Der wird hier verdammt noch mal nicht länger rumstehen und mich provozieren.«
Der Mann protestierte nicht, sondern ließ sich willig in Zelle vier führen. Vor jeder Zellentür standen Schuhe, abgelatschte Schuhe in allen Größen. Und die Türschilder verrieten, wer dort wohnte. Vielleicht ging er davon aus, daß diese Regel auch für ihn galt. Jedenfalls streifte er seine Turnschuhe ab und setzte sie ohne weitere Aufforderung ordentlich vor die Zellentür.
Die Zelle maß etwa drei mal zwei Meter und war ausgesprochen unerfreulich. Wände und Boden waren hellgelb, und das Fehlen von Graffiti fiel auf. Der einzige kleine Vorzug, den er an diesem Ort, der zweifelsfrei kein Hotel war, sofort entdecken konnte, war, daß der Wirt offenbar nicht an Strom sparte. Das Licht war viel zu grell, und in diesem Zimmerchen war es mindestens fünfundzwanzig Grad warm.
Gleich neben der Tür befand sich ein Abtritt. Er verdiente die Bezeichnung Klo oder Toilette nicht. Es war eine Steinkonstruktion mit einem Loch in der Mitte. Als er sie erblickte, verkrampfte sein Bauch sich zu einer nachdrücklichen Verstopfung.
Obwohl es an Kritzeleien früherer Gäste fehlte, war dem Zimmer anzusehen, daß es viel genutzt wurde. Auch wenn er selbst alles andere als frisch geduscht war, erbebte sein Zwerchfell, als er den unangenehmen Geruch bemerkte. Die Mischung von Pisse und Exkrementen, von Schweiß und Angst, von Entsetzen und Wut hatte sich in den Wänden untilgbar festgesetzt. Denn abgesehen von der Einrichtung, die Urin und Abführung aufnehmen sollte und die auf keine Weise gereinigt werden konnte, war das Zimmer im Grunde sauber. Vermutlich wurde es täglich ausgespült.
Die Tür wurde verriegelt. Durch die Gitter hörte er, daß der Mann in der Nachbarzelle da weitermachen wollte, wo der Wachhabende aufgegeben hatte.
»Hallo, du, hier ist Robert. Wie heißt du? Und warum ist die Bullerei scharf auf dich?«
Robert hatte auch kein Glück. Schließlich mußte er aufgeben, genau wie der Wachhabende.
»Arschloch!« murmelte er nach einigen Minuten, laut genug, um die Botschaft an den Adressaten zu bringen.
An der Rückwand des Zimmers verlief quer eine Erhöhung. Sie ließ sich vielleicht, mit äußerstem Wohlwollen, als Pritsche bezeichnen. Es lag keine Matratze darauf, und Decken waren auch nirgends zu sehen. Egal, er schwitzte in der Hitze ohnehin wie verrückt. Der Namenlose faltete seine Lederjacke zu einem Kissen zusammen, legte die blutgetränkte Seite nach unten und schlief ein.
Als Håkon Sand am Sonntagmorgen um fünf nach zehn zum Dienst erschien, schlief der unbekannte Häftling noch immer. Das wußte Håkon Sand nicht. Er war verkatert, was nicht hätte sein dürfen. Der Schweiß der Reue klebte ihm das Uniformhemd an den Leib. Schon auf dem Weg zu seinem Büro zerrte ein Finger am Kragen. Die Uniform war ein Scheiß. Zu Anfang waren alle Juristen davon fasziniert, sie standen zu Hause vor dem Spiegel und übten, strichen über die Rangabzeichen an den Schulterklappen; einen Streifen, eine Krone und einen Stern für einen Polizeirat, einen Stern, aus dem zwei oder drei werden konnten, wenn man lange genug aushielt, um Adjutant oder Inspektor zu werden. Sie lächelten ihr Spiegelbild an, richteten sich unwillkürlich auf, stellten fest, daß ihre Haare geschnitten werden mußten, und fühlten sich aufrecht und gepflegt. Schon nach einigen Arbeitsstunden stellten sie dann aber fest, daß Acryl übel roch und daß der Hemdkragen zu steif war und am Hals eine wunde, rote Spur hinterließ.
Der Dienst als Wachhabender war das Letzte. Trotzdem waren alle scharf darauf. Der Job war in der Regel öde und zum Ausgleich erschreckend anstrengend. Schlafen war verboten; ein Verbot, dem die meisten mit einer stinkenden, ungewaschenen Wolldecke als Schutz über der Uniform trotzten. Aber die Schicht wurde gut bezahlt. Jeder Jurist von einem Jahr Laufzeit kam einmal im Monat an die Reihe, was pro Jahr fünfzigtausend Kronen mehr in der Lohntüte ergab. Das war es wert. Der große Nachteil war, daß diese Schicht nach einem vollen Arbeitstag um drei Uhr nachmittags begann, und wenn sie am nächsten Morgen um acht endete, fing wieder ein normaler Arbeitstag an. An den Wochenenden war der Dienst in Vierundzwanzigstunden-Schichten eingeteilt, was ihn besonders lukrativ machte.
Sands Vorgängerin war ungeduldig. Der Wachwechsel sollte vorschriftsmäßig um neun Uhr stattfinden, aber aufgrund einer stillschweigenden Übereinkunft durfte der Sonntagswachhabende eine Stunde später kommen. Der, der nun endlich Feierabend hatte, trat dann schon von einem Fuß auf den anderen. Auch bei der blonden Polizeirätin war das der Fall.
»Alles, was du wissen mußt, steht im Protokoll«, sagte sie. »Was den Mord vom Freitagabend angeht, da liegt eine Kopie auf dem Schreibtisch. Es ist ganz schön viel zu tun. Ich habe schon vierzehn Haftanträge und zwei Paragraph-elf-Maßnahmen ausgeschrieben.«
O verdammt. Auch mit dem besten Willen konnte Håkon Sand nicht einsehen, daß er kompetenter darin sein sollte, über Fürsorgemaßnahmen zu entscheiden, als das Jugendamt selbst. Dennoch mußte die Polizei immer grünes Licht geben, wenn ein Kind außerhalb der Bürozeiten unbürokratisch nervig war oder zu sehr litt. Zwei am Samstag, das bedeutete, statistisch gesehen, keins am Sonntag. Er konnte immerhin hoffen.
»Und der Hinterhof sitzt voll, du kannst ja mal eine Runde drehen, wenn du Zeit hast«, sagte die Blonde.
Er bekam die Schlüssel und befestigte sie mit großer Mühe an seinem Gürtel. Ansonsten war alles so, wie es sein sollte. Alle Papiere lagen vor. Das Protokoll war auf dem laufenden.
Die Formalitäten waren erledigt. Er beschloß, sofort eine Runde Bußbescheide einzulegen, da der Sonntagmorgen seine feuchte, aber zweifellos beruhigende Hand über die wegen Suff Inhaftierten gelegt hatte. Ehe er aufbrach, blätterte er ein wenig in den Papieren auf seinem Schreibtisch. Er hatte im Radio von dem Mord gehört. Am Akerselv war eine arg mißhandelte Leiche gefunden worden. Die Polizei verfügte über keinerlei Spuren. Gerede, hatte er gedacht. Die Polizei hat immer Spuren, nur sind sie oft so schlecht.
Die Bilder vom Tatort lagen natürlich noch nicht vor. Trotzdem entdeckte er in der grünen Mappe einige Polaroidaufnahmen. Sie waren grotesk. Håkon Sand würde sich nie daran gewöhnen, Bilder von Toten zu sehen. In seinen fünf Jahren bei der Polizei hatte er das oft genug gemußt. Alle verdächtigen Todesfälle wurden der Polizei gemeldet und unter dem Code »Verd.« in den Computer eingegeben. Verdächtige Todesfälle waren ein weites Feld. Er hatte verbrannte Menschen gesehen, ertrunkene, von Auspuffgasen vergiftete, erstochene, erschossene und erwürgte. Sogar jene bedauernswerten alten Menschen, denen nur das Verbrechen widerfahren war, daß monatelang niemand mehr an sie gedacht hatte – bis schließlich der Nachbar in der Wohnung unter ihrer im Eßzimmer einen unangenehmen Geruch wahrnahm, empört aufblickte und an der Decke einen feuchten Fleck entdeckte; sogar diese armen Wesen wurden als »Verd.« registriert und erfuhren die zweifelhafte Ehre, post mortem ein letztes Mal fotografiert zu werden. Håkon Sand hatte grüne Leichen, blaue Leichen, rote, gelbe und knallbunte Leichen gesehen, außerdem die schönen rosa Opfer von Vergiftungen durch Kohlenoxydgas, deren Seelen es in diesem Jammertal einfach nicht mehr ausgehalten hatten.
Trotzdem waren diese Polaroidbilder krasser als fast alles, was er je gesehen hatte. Jäh warf er sie beiseite und nahm sich das Protokoll vor. Er setzte sich damit in den unbequemen Sessel, eine billige Kunstledergeschichte, im Rücken zu rund und ohne die dringend notwendige Stütze für das Kreuz.
Nüchterne Tatsachen waren in einer restlos unbeholfenen Sprache zu Papier gebracht worden. Håkon Sand runzelte ärgerlich die Stirn. Angeblich wurden die Aufnahmebedingungen für die Polizeischule immer strenger. Die Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken, konnte unmöglich gefordert sein.
Er unterbrach sich am Ende der Seite.
»Anwesend bei der Tatortbegehung war die Zeugin Karen Borg. Sie fand den Verstorbenen bei einem Spaziergang mit Hund. Die Leiche war bekotzt. Zeugin Borg sagt, daß sie das war.«
Borgs Adresse und Berufsbezeichnung bestätigten, daß es sich um Karen handelte. Er fuhr sich durch die Haare und stellte fest, daß er sie morgens hätte waschen müssen. Er beschloß, Karen in den nächsten Tagen anzurufen. Wenn die Bilder die Wahrheit sagten, mußte die Leiche schlimm ausgesehen haben. Er würde auf jeden Fall anrufen.
Er legte die Papiere zurück auf den Tisch und klappte die Mappe zu. Für einen Moment fiel sein Blick auf die Namen oben links: Sand/Kaldbakken/Wilhelmsen. Der Fall gehörte ihm. Kaldbakken war der verantwortliche Hauptkommissar, Hanne Wilhelmsen Chefermittlerin.
Zeit für die Geldbußen.
In der kleinen Holzkiste lag ein dicker Stapel Verhaftungsprotokolle. Rasch blätterte er sie durch, hauptsächlich Suff. Einer, der seine Frau mißhandelt hatte, ein offenbar Geistesgestörter, der später an diesem Tag ans Psychiatrische Krankenhaus weitergereicht werden sollte, und ein gesuchter Betrüger. Die drei letzteren überließ er vorerst sich selbst. Er wollte sich die Säufer vornehmen. Wozu ihnen Geldbußen auferlegt wurden, war ihm allerdings ziemlich unklar. Die wenigen, die bezahlt wurden, übernahm das Sozialamt. Solch ein Reigen der öffentlichen Gelder trug sicher zu einer Art Beschäftigungspolitik bei, war doch aber wohl kaum besonders vernünftig.
Ein Festnahmeprotokoll war noch übrig. Es wies keinerlei Namen auf.
»Was ist denn das?«
Er wandte sich an den Wachhabenden, einen übergewichtigen Burschen von Mitte Fünfzig, der niemals mehr als die drei Streifen auf seinen Schulterklappen bekommen würde; Streifen, die niemand ihm verwehren konnte. Sie wurden nach dem Dienstalter vergeben, nicht nach Leistungen. Håkon Sand wußte längst, daß dieser Mann dumm war.
»Ein Idiot. Der saß schon hier, als ich gekommen bin. Arschloch. Hat sich geweigert, seine Personalien anzugeben.«
»Was hat er angestellt?«
»Nichts. Saß irgendwo im Weg rum. Blutüberströmt. Du kannst ihm ein Knöllchen geben, weil er seine Personalien nicht nennen will. Wegen Störung der öffentlichen Ordnung. Und weil er ein Dreckskerl ist.«
Nach fünf Jahren bei der Truppe hatte Sand gelernt, bis zehn zu zählen. Jetzt zählte er bis zwanzig. Er wollte keinen Ärger bekommen, bloß weil ein Dussel in Uniform nicht begriff, daß man eine gewisse Verantwortung übernimmt, wenn man Menschen ihrer Freiheit beraubt.
Zelle vier. Er nahm einen Kollegen mit. Der namenlose Mann war wach. Er starrte sie mit resigniertem Gesicht an; offensichtlich wußte er, was sie von ihm wollten. Steif und starr saß er auf der Pritsche und sagte seine ersten Worte in polizeilicher Obhut.
»Kann ich etwas zu trinken haben?«
Seine Sprache war Norwegisch und doch nicht Norwegisch. Håkon Sand konnte sie nicht einordnen, der Mann sprach perfekt und doch nicht Norwegisch. Ob er Schwede war?
Natürlich bekam der Mann etwas zu trinken. Er bekam eine Cola, die Håkon Sand selbst bezahlte. Er durfte sogar duschen. Und er bekam ein sauberes T-Shirt und eine frische Hose. Alles stammte aus Sands Schrank im Büro. Bei jeder Wohltat steigerte sich das Murren des Arrestpersonals angesichts dieser Sonderbehandlung. Aber Håkon Sand ließ die blutigen Kleider in eine Tüte stecken und sagte, als er die schwere Metalltür aufschloß: »Diese Klamotten sind wichtiges Beweismaterial.«
Der junge Mann war wirklich wortkarg. Sein schlimmer Durst nach den vielen Stunden in einer überheizten Zelle hatte zwar seine Zunge gelockert, aber sein Mitteilungsbedürfnis schien doch äußerst temporär. Als sein Durst gelöscht war, verstummte er wieder.
Er saß auf einem unbequemen Holzstuhl. Im Grunde bot das acht Quadratmeter große Zimmer nur Platz für zwei Stühle, denn es enthielt auch noch einen klobigen doppelten Aktenschrank von allerstaatlichster Sorte, brandlackierte Bücherregale aus Leichtmetall voller nach Farben sortierter Ordner und einen Schreibtisch. Zur Wand hin trug der Schreibtisch kleine Stiefel aus Metall, deshalb war die Schreibplatte schräg. Und das, seit ein Amtsarzt auf die Idee gekommen war, den Angestellten einen Ergotherapeuten an den Hals zu jagen. Schiefe Schreibflächen sollten gut für den Rücken sein. Niemand wußte, warum; die meisten hatten sogar das Gefühl, daß ihre Rückenprobleme sich verschlimmerten, weil sie immer wieder auf dem Boden nach Gegenständen fahnden mußten, die die schräge Tischplatte hinabgekullert waren. Der zusätzliche Stuhl raubte das letzte bißchen Bewegungsfreiheit.
Das Büro gehörte Hanne Wilhelmsen. Sie war eine strahlende Schönheit und soeben verbeamtet worden. Nachdem sie die Polizeischule als Jahrgangsbeste absolviert hatte, war sie im Laufe von zehn Jahren zur Bilderbuchpolizistin geworden. Alle lobten Hanne Wilhelmsen, ein einzigartiger Erfolg an einem Arbeitsplatz, wo zehn Prozent des täglichen Einsatzes darin bestehen, schlecht über andere zu sprechen. Sie gab Vorgesetzten nach, ohne deshalb als Speichelleckerin zu erscheinen, trug aber auch ihre eigenen Meinungen vor. Sie war dem System gegenüber loyal, brachte aber auch Verbesserungsvorschläge, die zumeist umgesetzt wurden. Hanne Wilhelmsen hatte die Intuition, über die nur einer von hundert Polizisten verfügt; das Fingerspitzengefühl, das verrät, wann ein Verdächtiger verlockt und verleitet werden soll und wann man besser droht und auf den Tisch haut.
Sie wurde geachtet und bewundert und verdiente das auch. Und trotzdem kannte niemand in dem großen grauen Haus sie wirklich. Sie besuchte alljährlich Weihnachtsfeier, Sommerfest und die Geburtstagsfeiern der Abteilung, tanzte wunderbar, erzählte von der Arbeit, verbreitete strahlendes Lächeln und ging zehn Minuten nach dem Ersten nach Hause, weder zu früh noch zu spät. Sie betrank sich nie und blamierte sich nie. Und niemand kam näher an sie heran.
Hanne Wilhelmsen war mit sich und der Welt zufrieden, hatte aber zwischen ihren Beruf und ihr Privatleben einen tiefen Graben gezogen. Sie hatte keine einzige Freundin bei der Polizei. Hanne Wilhelmsen liebte eine andere Frau, ein Makel an diesem perfekten Menschen, dessen Entlarvung, davon war sie überzeugt, alles zerstören würde, was sie sich in so vielen Jahren aufgebaut hatte. Wenn sie ihre einen halben Meter langen braunschwarzen Haare nach hinten schleuderte, reichte das aus, um alle Fragen nach dem schmalen Trauring an ihrer rechten Hand, ihrem einzigen Schmuck, abzuwehren. Den Ring hatte ihre Liebste ihr geschenkt, als sie – sie war neunzehn gewesen – zusammengezogen waren. Es gab Gerüchte, es gibt schließlich immer Gerüchte. Aber sie war doch so schön. Und so weiblich. Und die Ärztin, die einige flüchtig über Bekannte kannten und die andere mehrmals zusammen mit Hanne Wilhelmsen gesehen hatten, war auch sehr schön. Fast schon lächerlich mädchenhaft. Es konnte einfach nicht stimmen. Und Hanne Wilhelmsen trug immer einen Rock, wenn Uniform angesagt war, das tat doch sonst fast keine, Hosen waren schließlich viel praktischer. Diese Gerüchte waren einfach üble Nachrede. So lebte sie ihr Leben in der Gewißheit, daß das, was nicht bestätigt wird, niemals wirklich wahr ist, und deshalb war es für Hanne Wilhelmsen wichtiger als für alle anderen in dem großen Haus, immer, immer gute Arbeit zu leisten. Die Perfektion umgab sie wie ein Schild. So wollte sie es, und da sie weder spitze Ellbogen noch einen anderen Ehrgeiz zeigte als den, gute Arbeit zu leisten, konnten auch Eifersucht oder Neid ihre Verteidigungsanlagen nicht zerstören.
Sie lächelte Håkon Sand, der auf dem zusätzlichen Stuhl Platz genommen hatte, an.
»Glaubst du, ich stelle nicht die richtigen Fragen?«
»Ach was. Das ist dein Gebiet, das weiß ich. Ich habe nur das Gefühl, daß das ein dickes Ding ist. Wie gesagt, wenn du nichts dagegen hast, möchte ich gern dabeisein. Das ist nicht gegen die Vorschriften«, fügte er rasch hinzu.
Er kannte ihr Bedürfnis, sich wenn möglich an die Regeln zu halten, und das respektierte er. Es kam nicht oft vor, daß die Juristen der Polizei bei den Verhören anwesend waren, aber gegen die Vorschriften war es nicht. Ab und zu hatte er es auch früher schon gemacht. Vor allem, um zu lernen, wie Verhöre überhaupt abliefen, manchmal aber auch, weil ihn ein Fall besonders interessierte. Normalerweise hatten die Kollegen nichts dagegen. Im Gegenteil, wenn er sich ruhig genug verhielt und sich nicht ins Verhör einmischte, schien es den meisten sogar zu gefallen.
Wie auf ein Signal hin wandten sie sich beide dem Häftling zu. Hanne Wilhelmsen stützte den rechten Ellbogen auf den Tisch und ließ glänzend lackierte, lange Nägel auf den Tasten einer uralten elektrischen Schreibmaschine spielen. Es war eine IBM-Kugelkopf, die vor fünfzehn Jahren als avanciert gegolten hatte. Jetzt fehlte ihr das E. Es war so abgenutzt, daß das Farbband statt seiner einen schwarzen Fleck produzierte. Das war nicht weiter schlimm, alle begriffen, daß der Fleck ein E vorstellen sollte.
»Ich glaube, das wird ein langer Tag, wenn du die ganze Zeit schweigen willst.«
Ihre Stimme war milde, fast nachsichtig.
»Ich werde dafür bezahlt. Adjutant Sand wird bezahlt. Du dagegen bleibst einfach nur sitzen. Früher oder später lassen wir dich vielleicht laufen. Vielleicht möchtest du dazu beitragen, daß das früher passiert?«
Zum erstenmal wirkte der junge Mann verwirrt.
»Ich heiße Han van der Kerch«, sagte er nach zwei Minuten des Schweigens. »Ich bin Niederländer, aber ich habe eine Aufenthaltsgenehmigung. Ich studiere in Oslo.«
Nun hatte Håkon Sand eine Erklärung für die perfekte Sprache, die nicht ganz norwegisch war. Er dachte an den Helden seiner Jugend, Art Schenk, und ihm fiel ein, daß er schon als Dreizehnjähriger kapiert hatte, daß dieser Mann für einen Ausländer phantastisch gut norwegisch gesprochen hatte. Und er dachte an die Leseerlebnisse seiner Jugend, an Holländer-Jonas von Gabriel Scott, ein Buch, das er geliebt hatte; bei den Fußballmeisterschaften hatte er immer zu der Mannschaft in Orange gehalten.
»Mehr sage ich nicht.«
Stille. Håkon Sand wartete auf Wilhelmsens nächsten Zug. Wie immer der auch aussehen mochte.
»Na, von mir aus. Das ist deine Entscheidung und dein Recht. Aber dann bleiben wir doch ziemlich lange hier sitzen.«
Sie spannte einen Bogen in die Schreibmaschine, als sei sie jetzt schon sicher, daß es doch etwas zu schreiben geben werde.
»Na gut, dann erzähle ich dir unsere Theorie.«
Die Stuhlbeine kratzten über das Linoleum, als sie ihren Stuhl zurückschob. Sie bot dem Niederländer eine Zigarette an und steckte sich selbst eine an. Der Junge wirkte dankbar. Håkon Sand war weniger zufrieden, er wippte mit dem Stuhl und öffnete die Tür, um für Durchzug zu sorgen. Das Fenster stand schon auf Kipp.
»Am Freitagabend haben wir eine Leiche gefunden«, sagte Hanne Wilhelmsen leise. »Sie war ziemlich übel zugerichtet. Es war ein Mann, und offenbar hatte er nicht sterben wollen. Zumindest nicht auf so schreckliche Weise. Das Blut muß ganz schön gespritzt haben. Du warst auch ganz schön bespritzt, als wir dich gefunden haben. Wir hier bei der Polizei sind vielleicht langsam. Aber trotzdem sind wir imstande, zwei und zwei zusammenzuzählen. In der Regel kommt vier dabei heraus, und ich glaube, das ist auch jetzt der Fall.«
Sie streckte die Hand nach einem Aschenbecher aus, der hinter ihr im Bücherregal stand. Es war ein geschmackloses Reiseandenken aus Griechenland, braunes Flaschenglas, geziert von einem Faun mit bösem Lächeln und einem riesigen strotzenden Phallus. Nicht ganz Hanne Wilhelmsens Stil, dachte Sand.
»Ich sage es lieber gleich.« Ihre Stimme klang jetzt schärfer. »Morgen bekommen wir eine vorläufige Analyse des Blutes an deinen Kleidern. Und das reicht – wenn das Blut zu unserem Freund ohne Gesicht paßt – locker für längere Untersuchungshaft. Dann holen wir dich, ohne das anzukündigen, zum Verhör. Immer wieder. Vielleicht vergeht eine Woche, ohne daß du von uns hörst, und dann sind wir wieder da; vielleicht, wenn du gerade eingeschlafen bist. Wir sitzen einige Stunden lang beim Verhör, du sagst nichts, wir bringen dich zurück und holen dich wieder. Das ist ziemlich anstrengend. Für uns auch, natürlich, aber wir können einander ablösen. Für dich ist es schlimmer.«
Håkon Sand zweifelte langsam daran, daß Hanne Wilhelmsen ihren Ruf als Regelfetischistin verdient hatte. Die Verhörmethoden, die sie da skizzierte, standen nun wirklich nicht in den Vorschriften. Und er war sich nicht sicher, ob es gestattet war, damit zu drohen.
»Du hast ein Recht auf einen Anwalt, den der Staat bezahlt«, warf er ein, um eventuelle Ungesetzlichkeiten auszugleichen.
»Kein Anwalt!« Das schrie der junge Mann geradezu. Er zog noch einmal an seiner Zigarette, dann drückte er sie energisch aus und wiederholte: »Ich will keinen Anwalt. Ich komme ohne besser zurecht.«
Ein fragender, fast bettelnder Blick richtete sich auf die Zigaretten auf dem Tisch. Hanne Wilhelmsen nickte und reichte ihm Zigarette und Streichhölzer.
»Ihr glaubt also, daß ich das war. Ja, das kann schon stimmen.« Das war’s! Die Grundbedürfnisse des Mannes schienen befriedigt; die Dusche, ein Frühstück, etwas zu trinken und zwei Zigaretten. Er wirkte, als habe er alles gesagt, lehnte sich zurück und rutschte an die Stuhlkante. Dort blieb er mit seinem abwesenden Blick hängen.
»Ja, ja.«
Wilhelmsen schien die Lage unter Kontrolle zu haben.
»Vielleicht rede ich weiter«, sagte Hanne Wilhelmsen und blätterte in der ziemlich dünnen Mappe neben der #Schreibmaschine. »Wir haben also diese übel zugerichtete Leiche gefunden. Der Tote hatte keine Papiere, sein Gesicht war schon mal vorausgelaufen, wohin immer er eigentlich wollte. Aber die Jungs vom Unruhekommando kennen sich ziemlich gut in der Drogenszene dieser Stadt aus. Haare und Kleidung reichten aus. Mord aus Rache, meinen die Jungs. Ich halte diese Annahme durchaus für plausibel.« Sie verschränkte die Hände hinter dem Kopf und massierte sich mit den Daumen den Nacken, während sie den Niederländer voll ansah. »Ich glaube, du hast ihn umgebracht. Morgen, wenn der Bericht der Gerichtsmedizin kommt, werden wir mehr wissen. Aber die Techniker können mir nicht verraten, warum. Dafür brauche ich deine Hilfe.«
Der Appell schien vergebens zu sein. Der Junge verzog keine Miene, er behielt sein abwesendes, leicht verächtliches Lächeln bei und schien sich noch immer als Herr der Lage zu fühlen. Das war er allerdings nicht.
»Um ganz ehrlich zu sein, ich glaube, es wäre klug von dir, mir zu helfen«, fuhr Wilhelmsen unverdrossen fort. »Vielleicht hast du das aus eigenem Antrieb gemacht. Vielleicht aber auch auf Bestellung. Vielleicht hast du sogar unter Druck gehandelt. Das alles kann von entscheidender Bedeutung für deine Zukunft sein.« Sie unterbrach ihren gleichmäßigen Wortstrom, steckte sich eine neue Zigarette an und blickte dem Mann in die Augen. Noch immer schien er nichts sagen zu wollen. Hanne Wilhelmsen seufzte demonstrativ und schaltete die Schreibmaschine aus. »Ich kann nicht entscheiden, wie hoch deine Strafe ausfällt. Falls du schuldig bist, meine ich. Aber es wäre für dich von Vorteil, wenn ich vor Gericht etwas Nettes über deine Kooperationsbereitschaft sagen könnte.«
Håkon Sand hatte dasselbe Gefühl wie als kleines Kind, wenn er ein seltenes Mal den Fernsehkrimi hatte sehen dürfen. Er mußte aufs Klo, wagte aber nicht, das zu sagen, aus Angst, er könnte etwas Spannendes verpassen.
»Wo habt ihr ihn gefunden?«
Die Frage des Niederländers traf Håkon Sand völlig unerwartet, und zum erstenmal konnte er auch im Gesicht seiner Kollegin einen Hauch von Unsicherheit erkennen.
»Da, wo du ihn umgebracht hast«, antwortete sie, übertrieben langsam.
»Beantworte meine Frage, wo habt ihr ihn gefunden?«
Beide zögerten.
»Bei der Hundertmannsbrücke über dem Fluß. Das weißt du«, sagte Wilhelmsen und fixierte ihn weiterhin, um nicht die geringste Nuance in seiner Miene zu übersehen.
»Wer hat ihn gefunden? Wer hat die Polizei verständigt?«
Wilhelmsens Zögern schien Håkon Sand eine Lücke zu sein, die gefüllt werden mußte.
»Eine Spaziergängerin. Eine Anwältin, übrigens eine Freundin von mir. Sicher ein entsetzliches Erlebnis.«
Hanne Wilhelmsen war außer sich vor Zorn, was Håkon Sand aber zu spät bemerkte. Ihre abwehrende Handbewegung zu Beginn seiner Rede war ihm nicht aufgefallen. Er lief unter ihrem tadelnden Blick knallrot an.
Van der Kerch stand auf. »Ich will doch eine Anwältin«, sagte er. »Und zwar diese Frau. Wenn ihr sie mir besorgt, dann überlege ich mir zumindest, ob ich reden werde. Wenn ich sie nicht bekomme, dann will ich lieber zehn einsame Jahre im Knast.«
Unaufgefordert ging er zur Tür, stieg über Håkon Sands Beine und wartete höflich darauf, in seine Zelle zurückgebracht zu werden. Hanne Wilhelmsen folgte ihm, ohne den noch immer knallroten Polizeiadjutanten eines Blickes zu würdigen.
Der Kaffee war ausgetrunken. Er hatte nicht besonders gut geschmeckt, obwohl er frisch aufgebrüht war. Koffeinfrei, erklärte Håkon Sand. In einem scheußlich orange-braunen Aschenbecher lagen sechs Kippen.
»Sie war stocksauer auf mich. Aus gutem Grund. Es wird einige Zeit vergehen, bis ich beim nächsten Verhör dabeisein darf. Aber der Typ ist unerschütterlich. Du oder keine.« Der Polizeiadjutant wirkte nicht weniger erschöpft als bei Karen Borgs Eintreffen. Er rieb sich die Schläfen und fuhr sich durch die Haare, die jetzt ganz trocken waren. »Ich habe Hanne gebeten, dem Jungen zu sagen, was alles dagegen spricht. Sie sagt, er läßt sich nicht davon abbringen. Ich habe mich blamiert. Wenn ich dich überreden kann, uns zu helfen, stehe ich ein bißchen besser da.«
»Ich verspreche dir nicht mehr, als daß ich mit ihm reden werde«, sagte sie kurz und erhob sich.
Beide gingen hinaus, sie zuerst, er nach ihr. Wie in alten Zeiten.
Der junge Niederländer hatte unbedingt mit Karen Borg sprechen wollen und dabei eine gewisse Offenheit vorgespielt. Jetzt schien er das vergessen zu haben. Er war sauer wie ein Essigkrug. Karen Borg saß in Håkon Sands Schreibtischsessel, während Håkon sich diskret zurückgezogen hatte. Das Anwaltszimmer im Polizeigebäude war ein tristes Loch, und in seiner Angst, Karen Borg könne ihre Zusage, mit dem jungen Niederländer zu sprechen, zurückziehen, hatte er ihr sein Büro zur Verfügung gestellt.
Der Junge sah hübsch, aber langweilig aus. Athletischer Körper und dunkelblonde Haare, die vor drei oder vier Wochen über eine Frisur hinausgewachsen waren, die sicher Geld gekostet hatte. Seine Hände waren sehr fein, fast feminin. Ob er Klavier spielte? Die Hände eines Liebhabers, dachte Karen Borg ohne die geringste Ahnung, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Karen Borg war an Sitzungszimmer gewöhnt, an Besprechungsräume mit Eichenmöbeln und an luftige Büros mit Vorhängen zu fünfhundert Kronen der Meter. Sie konnte mit Männern in Anzügen mit passenden und unpassenden Krawatten umgehen – und mit der einen oder anderen Frau mit Diplomatenkoffer. Sie wußte alles über Aktiengesetze und Gesellschaftsgründungen, und erst vor drei Wochen hatte sie hundertfünfzigtausend Kronen verdient, indem sie für einen ihrer wichtigsten Mandanten einen Vertrag durchgesehen hatte.
Sie hatte nur fünfhundert Seiten lange Verträge lesen, ihren Inhalt kontrollieren und O. K. auf den Umschlag schreiben müssen. Fünfundsiebzigtausend pro Buchstabe. Die Worte ihres Gegenübers waren offenbar genauso wertvoll.
»Du wolltest mit mir sprechen«, sagte Karen Borg. »Ich weiß nicht, warum. Können wir anfangen?«
Er musterte sie, schwieg aber weiterhin. Sein Stuhl wippte, hin und her, hin und her. Davon wurde Karen Borg nervös.
»Ich bin nicht die Sorte Anwältin, die du brauchst. Ich kenne andere, die für dich besser geeignet sind; ich könnte kurz telefonieren und dir im Nu einen Spitzen Verteidiger besorgen.«
»Nein!«
Die Stuhlbeine knallten auf den Boden. Er beugte sich vor, und sie blickte zum erstenmal in seine Augen, wo sie ihr Spiegelbild entdeckte.
»Nein. Ich will dich. Ruf nirgendwo an.«
Plötzlich fiel ihr ein, daß sie hier allein mit einem Mann saß, der vermutlich ein Mörder war. Die gesichtslose Leiche verfolgte sie seit Freitagabend. Sie riß sich zusammen. Hierzulande ist noch keine Anwältin von ihrem Mandanten umgebracht worden. Jedenfalls nicht im Polizeigebäude. Das dachte sie dreimal und beruhigte sich. Die Zigarette half.
»Jetzt antworte schon! Warum ich?«
Noch immer keine Reaktion.
»Heute nachmittag wirst du dem Untersuchungsrichter vorgeführt. Ich weigere mich mitzukommen, wenn ich keine Ahnung habe, was du sagen wirst.« Auch Drohungen brachten sie nicht weiter. Trotzdem glaubte sie in seinen Augen einen Hauch von Besorgtheit zu ahnen. Sie machte einen letzten Versuch. »Und ich habe nicht mehr sehr viel Zeit.«
Rasch schaute sie auf die Rolex. Gereiztheit hatte ihre Angst verdrängt und nahm spürbar zu. Das schien er zu bemerken. Wieder wippte sein Stuhl.
»Hör auf zu wippen!«
Zum zweitenmal knallten die Stuhlbeine auf den Boden. Er schien die Oberhand zu haben.
»Ich frage ja gar nicht nach der Wahrheit.« Ihre Stimme klang jetzt ruhiger. »Ich möchte nur wissen, was du vor Gericht sagen wirst. Und ich muß das jetzt wissen.«
Karen Borgs Erfahrung mit Kriminellen ohne blütenweißen Kragen und Seidenschlips beschränkte sich darauf, hinter einem Fahrraddieb und ihrem neuen Fünfzehn-Gänge-Rad hergeheult zu haben. Aber sie hatte schließlich ihren Fernseher. Matlock hatte gesagt: »Ich will nicht die Wahrheit wissen, ich will wissen, was du vor Gericht sagen wirst.« Aus ihrem Mund klang das nicht so fesch. Eher zögerlich. Aber vielleicht konnte sie doch irgend etwas aus ihm herauslocken.
Einige Minuten waren vergangen. Ihr Gegenüber wippte nicht mehr auf und ab, sondern kratzte mit dem Stuhl auf dem Linoleum herum. Dieses Geräusch ging ihr auf die Nerven.
»Ich habe den Mann, den du gefunden hast, umgebracht.«
Karen Borg war eher erleichtert als überrascht. Sie hatte gewußt, daß er es gewesen war. Er sagt die Wahrheit, dachte sie und bot ihm eine Halspastille an. Der Junge rauchte gern mit einer Pastille im Mund, genau wie sie selbst. Sie hatte damit vor vielen Jahren angefangen, aus der Vorstellung heraus, daß das gegen Raucheratem half. Nach einer Weile hatte sie begriffen, daß das nicht der Fall war, aber da hatte sie Gefallen an ihrer Angewohnheit gefunden.
»Ich habe den Mann umgebracht.« Er schien jemanden überzeugen zu wollen. Das war nicht nötig. »Ich weiß nicht, wer er ist. War, meine ich. Das heißt, ich weiß, wie er heißt und wie er aussieht. Aussah. Aber ich habe ihn nicht gekannt. Kennst du noch andere Anwälte?«
»Sicher«, antwortete sie und lächelte erleichtert. Er erwiderte das Lächeln nicht. »Kennen ist vielleicht übertrieben, ich bin mit keinem befreundet, wenn du das meinen solltest, aber es wäre kein Problem, einen guten Verteidiger für dich zu finden. Schön, daß du einsiehst, was du brauchst.«
»Du sollst mir keinen neuen Verteidiger besorgen. Ich frage bloß, ob du einen kennst. Rein privat.«
»Nein. Doch, na ja, zwei von meinen früheren Kommilitonen haben sich darauf spezialisiert, aber keiner von ihnen spielt in der ersten Liga. Noch nicht.«
»Triffst du sie oft?«
»Nein, höchstens mal zufällig.«
Das war wahr. Karen Borg hatte nicht mehr viele Freunde. Einer nach dem anderen waren sie aus ihrem Leben getrottet, oder sie aus ihrem; ihre Wege führten in verschiedene Richtungen und kreuzten sich nur noch gelegentlich ein paar Höflichkeitsphrasen lang, bei einem Bier im Sommer oder einem Kinofilm in späten Herbststunden.
»Das ist gut. Dann will ich dich. Von mir aus können sie mich wegen dieses Mordes anklagen; ich bin mit der Untersuchungshaft einverstanden. Aber du mußt die Polizei dazu bringen, mir eins zu versprechen: Ich will hier im Polizeigebäude sitzen bleiben. Ich will um keinen Preis ins Gefängnis!«
Der Mann überraschte sie immer wieder von neuem. In unregelmäßigen Abständen brachten die Zeitungen große Artikel über die restlos unwürdigen Zustände in der Arrestabteilung des Polizeigebäudes. Die Zellen waren für einen vierundzwanzigstündigen Aufenthalt vorgesehen und selbst dafür kaum geeignet. Dieser Mann wollte hier bleiben. Wochenlang.
»Warum denn?«
Der Junge beugte sich zu ihr herüber. Sie spürte seinen Atem, unangenehm nach mehreren Tagen ohne Zahnbürste, und ließ sich im Sessel zurücksinken.
»Ich verlasse mich auf niemanden. Ich muß nachdenken. Wenn ich ein paar Tage nachgedacht habe, können wir weiterreden. Bitte, komm dann wieder her und sprich mit mir!«
Er wirkte angespannt, fast schon verzweifelt, und zum erstenmal empfand sie Mitleid mit ihm. Sie wählte die Nummer, die Håkon auf einen Zettel gekritzelt hatte.
»Wir sind fertig. Du kannst uns holen kommen.«
Karen Borg brauchte zum Termin vor dem Untersuchungsrichter nicht zu erscheinen, und das war gut so. Sie war nur einmal bei einem solchen Termin zugegen gewesen. Und zwar während ihres Studiums, als sie noch glaubte, sie würde ihr Können einst für die Bedürftigen einsetzen. Sie hatte sich in Saal 17 auf die Zuhörerbank fallen lassen, hinter einer Schranke, die dazu zu dienen schien, die unschuldigen Zuhörer vor der brutalen Wirklichkeit im Raum zu beschützen. Alle halbe Stunde wurde jemand in Untersuchungshaft geschickt, und nur bei einem von elf Delinquenten ließ der Richter sich von dessen Unschuld überzeugen. Damals hatte sie kaum unterscheiden können, wer Staatsanwalt war und wer Verteidiger; sie hatten gelächelt und waren dicke Freunde gewesen, hatten einander Zigaretten angeboten und grobe Gerichtsanekdoten erzählt, bis der arme Festgenommene gebracht wurde und die beiden ihren Kampf aufnahmen. Die Polizei hatte zehn Runden gewonnen. In all ihrem jugendlichen Verteidigungseifer hatte sie sich eingestehen müssen, daß das Verhalten des Richters sie nicht sonderlich erstaunte. Auf sie hatten die Angeklagten gefährlich, ungepflegt, unsympathisch und wenig überzeugend gewirkt, wenn sie ihre Unschuld beteuerten und gegen den Richter wüteten, einige hatten geweint, viele geflucht. Aber sie hatte verärgert auf die kumpelhafte Atmosphäre reagiert, die sich in dem Augenblick wieder einstellte, da der Häftling von zwei Polizisten hinausgeführt und in die Wartezellen im Keller zurückgebracht wurde. Die beiden Gegner, die einander eben noch jegliche Ehre abgesprochen hatten, griffen nicht nur ihre noch nicht beendete Anekdote wieder auf, sondern der Richter beugte sich auch noch zum Zuhören vor, schüttelte den Kopf und ließ eine scherzhafte Bemerkung fallen; und dann wurde das nächste arme Würstchen gebracht. Karen Borg fand, Richtern solle man aus dem Weg gehen und Freundschaften außerhalb des Gerichtssaals pflegen. Sie hatte sich dieses feierliche Verhältnis zu Gerichten bewahrt. Deshalb war sie froh darüber, während ihrer acht Jahre in der Anwaltskanzlei nicht einmal einen Fuß in den Gerichtssaal gesetzt zu haben. Sie löste die Probleme bereits vorher.
Die Verhängung von U-Haft für Han van der Kerch wurde zum reinen Schreibtischjob. Er akzeptierte schriftlich acht Wochen mit Brief- und Besuchsverbot. Die Polizei akzeptierte voller Staunen seinen Wunsch, im Polizeigebäude bleiben zu dürfen. Der Mann war eben ein komischer Vogel.
Karen Borg blieb das Untersuchungsgericht also erspart, und sie kehrte in die Kanzlei zurück. Die fünfzehn Anwälte und ebenso viele Sekretärinnen und Referendare hausten auf Aker Brygge. Die exklusive Herrenboutique im Untergeschoß hatte schon dreimal Konkurs gemacht und war nun endlich einer gut laufenden Hennes & Mauritz-Filiale gewichen. Die gemütliche teure Imbißbar hatte McDonalds Platz machen müssen. Überhaupt hatten die Lokalitäten nicht gehalten, was sie versprochen hatten, aber ein Verkauf würde einen katastrophalen Verlust bedeuten. Und zentral lagen sie immerhin.