Das Buch
Einst war Berun nahezu unbesiegbar, doch die Macht des Kaiserreichs ist nun geschwächt. Ein Anschlag auf die Kaiserinmutter Ann Revin konnte gerade noch abgewendet werden, aber der brüchige Friede mit den Kolnorischen Steppenkriegern ist dahin. Im Süden sieht die Lage nicht besser aus, denn der Fürst des Protektorats Macouban will sich von der Herrschaft Beruns lossagen und hat sich fremde Söldner ins Land geholt. Der Kaiser hingegen ist schwach und nur um seine Vergnügungen besorgt, und so obliegt es dem Meisterspion Henrey Thoren sowie der Kaiserinmutter, Pläne zu schmieden und die Zukunft Beruns zu sichern. Ihnen zur Seite steht das ehemalige Straßenmädchen Sara, die nun mithilfe ihrer magischen Gabe und der Kraft des Blausteins nach den wahren Feinden Beruns forscht. Der junge Adlige Danil, ihr einstiger Mitstreiter, ist in den Norden verbannt worden und sucht dort, seinen Verrat an Sara zu sühnen. Währenddessen steht der Schwertmann Marten in den Sümpfen des Macouban vor ganz neuen Herausforderungen: Er will das Rätsel seiner Herkunft lösen, er muss die Fürstentochter Emeri vor geheimnisvollen Invasoren schützen – und dann sind da noch seine widerstreitenden Gefühle für sie und für Xari, ihre Metis-Dienerin. Als zwei graue Schiffe vor der Küste aufkreuzen, ahnen Marten und seine Freunde, dass hier ein neuer Feind sein Gesicht zeigt. Eine Macht, die seit Jahrhunderten schwieg – und die nun nach Blaustein dürstet …
Das neue große Epos der preisgekrönten Autoren Tom & Stephan Orgel:
DIE BLAUSTEINKRIEGE
Band 1 – Das Erbe von Berun
Band 2 – Sturm aus dem Süden
Die Autoren
Hinter dem Pseudonym T. S. Orgel stehen die beiden Brüder Tom und Stephan Orgel. In einem anderen Leben sind sie als Grafikdesigner und Werbetexter beziehungsweise Verlagskaufmann beschäftigt, doch wenn beide zur Feder greifen, geht es in phantastische Welten. Für ihren Debütroman »Orks vs. Zwerge« sind sie mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet worden und haben sich damit in die Herzen der deutschen Fantasy-Leser geschrieben. Mit »Die Blausteinkriege« stellen sie nun ihre neueste Fantasy-Weltenschöpfung vor.
Mehr über T. S. Orgel auf: www.ts-orgel.de
Mehr über die Blausteinkriege auf: www.blausteinkriege.de
T. S. ORGEL
STURM AUS DEM SÜDEN
Originalausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
INHALT
Karte des Macouban
Karte des nördlichen Waldlandes
Prolog – Huacoun
1 Ein fauler Handel
2 Signale und falsche Fährten
3 Der Klang der Stille
4 Cajetan ad Hedin
5 Ein neues Bündnis
6 Eine zweite Chance
7 Zwischen den Stühlen
8 Narrenspiel
9 Die Geister des Waldes
10 Den Bach hinunter
11 Aufbruch
12 Ausgebrannt
13 Die Augen des Sturms
14 Priester und tote Götter
15 Bessere Zeiten
16 Nichts als die Wahrheit
17 Fünfzehn Jahre
18 Nattern und Schwertfische
19 Schweine
20 Der Berg der Götter
21 Die Feuer der Leidenschaften
22 Nackte Tatsachen
23 Enthüllungen
24 Die Geister des Waldes
25 Was von der See kommt
26 Ein anderer Weg
27 Aufwärts und abwärts
28 Vom Sterben
29 In die Dunkelheit
30 Jäger und Gejagte
31 Letzte Begegnungen
32 Ein Freudentag
33 Weltenbrand
34 Wein und Blut
Epilog – Auf das Leben!
Personenverzeichnis
Glossar
Danksagung
»Gegner bedürfen einander oft mehr als Freunde,
denn ohne Wind gehen keine Mühlen.«
Hermann Hesse (1877 – 1962)
Karte des Macouban
Karte des nördlichen Waldlandes
PROLOG
HUACOUN
Nebel lag über dem Wasser, blaugrau und bleich wie der Bauch eines Fisches. Der Sturm der vergangenen Nacht hatte die Luft merklich abgekühlt, und die Frische zog die weißen Schwaden aus dem warmen Meer, das in trägen Wellen gegen die Bordwand schwappte. Die Boote waren schon vor Sonnenaufgang hinausgefahren und hatten die Netze ausgeworfen. Gewichte aus geschliffenem Kalkstein zogen die riesigen Geflechte aus Weciak-Seide hinunter auf den Grund der flachen Küstenlagune, während große, ausgehöhlte Rotkürbisse die oberen Ränder der Netze an der Oberfläche hielten. Jetzt blieb den Fischern nichts anderes, als zu warten.
Ibril lag im Bug des flachen Boots und blinzelte müde auf die silbernen Fische hinab, die im Lichtschein der Blausteinlaterne standen und träge mit den Flossen wedelten. Es waren lediglich Loriss, bitter schmeckende Begleitfischchen, die auf ein paar Brocken Köder aus dem Boot hofften und von den Fischern nichts zu befürchten hatten. Niemand aß Loriss. Sie schmeckten nach dem, was sie fraßen, und das war in den seltensten Fällen appetitlich oder auch nur frisch. Das hypnotische Wedeln der Flossen zusammen mit dem dumpfen Gluckern des Wassers unter dem Boot schläferte den jungen Metis nur noch mehr ein. Er hatte am Abend mehr getrunken, als gut für ihn war, doch für die Fischer um den alten Ambebe war das Neujahrsfest noch lange kein Grund, einen guten Fangtag auf dem Meer zu verpassen. Regenfreie Tage, an denen man sich auf die Wellen hinauswagen konnte, waren in der Sturmsaison selten und das Wasser zu dieser Zeit fischreich wie nie. Also lag Ibril auf seinem Platz im Boot des Alten, kämpfte gegen die Übelkeit und verfluchte stumm das Bier, seinen trockenen Mund, sein Schicksal im Allgemeinen und seinen sturen Großvater im Besonderen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne über den Horizont geklettert war und die Nebel schmolzen. Dann begann die eigentliche Arbeit: das Einholen der Netze, die hoffentlich prall gefüllt waren. Ibril schloss sie in seinen Fluch ein. Weciak-Seide war nahezu nicht zu zerreißen, dafür biss sie in die Finger und hinterließ Schnitte, in denen das Salzwasser brannte. Immerhin – wenn es ihnen heute gelang, eine Schule goldschimmernder Cabrecas oder grünflossiger Balemar zu fangen, würde er den Rest der Woche wenig zu tun haben, außer seine Finger zu pflegen und das Netz zu flicken, während die Frauen die Fische ausnahmen und über Trockengestelle hängten oder sie in Lake und Salzfässer packten. Fisch brachte zurzeit gute Preise. Der Fürst hatte in der Festung eine Menge Mäuler zu stopfen, und wenn die Gerüchte stimmten, bereitete sich Gostin auf eine Belagerung vor. »Das kommt davon, wenn man sich von Berun lossagt«, hatte Ambebe düster gemurmelt. »Die Herren im Norden werden das nicht dulden. Sie werden die Festung zurückhaben wollen. Krieg liegt in der Luft, sage ich euch.«
Aus Ibrils Sicht lag nur der Gestank des Ködereimers in der Luft. Er grunzte und stemmte sich hoch. Die Nebelschwaden drifteten auseinander und gaben für einen Moment den Blick auf die hoch aufragenden, bleichen Kalkfelsen frei. Der Himmel über ihnen begann, sich rosa zu verfärben, und die ersten Sonnenstrahlen tauchten ihre Kronen aus dunklem Dschungelgrün bereits hier und dort in goldenes Licht. Die Fischer der Metis bewegten sich nie aus der Sichtweite des Ufers. Die offene See gehörte den Göttern und ihrem Hofstaat aus Ertrunkenen, und das galt auch für alles andere, was dort draußen schwamm. Kein Metis wagte sich hinaus in ihr Reich. Es war nie eine gute Idee, die Götter auf sich aufmerksam zu machen.
Ein Schwarm Skellinge kam auf aschgrauen Flügeln vom Land aus herüber, das scharfe Wispern ihrer Schwingen das einzige Geräusch in der Stille über dem Meer. Der vertrocknete alte Fischer am Heck des Boots richtete sich auf. Bislang hatte er wie üblich reglos zusammengesunken dagesessen, sodass Ibril nicht hätte sagen können, ob er überhaupt noch am Leben oder einfach im Schlaf gestorben war. Doch jetzt sah er dem Schwarm der gefräßigen Nachtmöwen mit besorgt gerunzelter Stirn nach. »Sie fliegen aufs Meer hinaus«, stellte er mit einem Krächzen fest.
Ibril zuckte mit den Schultern. »Vielleicht heißt das, dass wir endlich einen guten Fang machen, Großvater«, mutmaßte er. Die grauen Raubmöwen schienen nur aus Hunger und Hunderten kleiner, scharfer Zähne zu bestehen und waren unfehlbar immer dort zu finden, wo es in Sichtweite des Meeres etwas zu fressen gab. Zumindest, solange die Sonne noch nicht am Himmel stand.
Der Alte schüttelte unwirsch den Kopf. »Es ist zu spät für sie, egal, wie viel wir fangen. Außerdem – siehst du sie kreisen?« Er hob die Stimme. »Temba?«
Einen Moment später ertönte eine Antwort links von ihnen, wo das nächste in der Reihe der Fischerboote liegen musste. Die Worte waren durch den Nebel gedämpft und kaum verständlich. »Hast du die Skellinge gesehen?«, rief der Alte.
»Sie sind hier entlanggekommen«, antwortete Temba, ein untersetzter, muskulöser Fischer, der sich die Wartezeit im Boot gewöhnlich damit vertrieb, kleine Götterfiguren aus Treibholz zu schnitzen. Ibril fand im Stillen, dass Temba ein wesentlich besserer Schnitzer als Fischer war.
»Sie kreisen nicht?«
»Nein. Ich kann sie nicht … wartet. Da ist etwas. Etwas ist im Wasser.«
Etwas ist im Wasser. Ibril seufzte unhörbar. Etwas, das nur Temba sagen kann, während er in einem Boot über einem der besten Fischgründe des Macouban sitzt. Es platschte leise, kaum noch hörbar.
Einen langen Moment später räusperte sich Ibril vorsichtig. »Temba?«
Der Schnitzer blieb stumm.
»Etwas ist im Wasser?«, fragte Ibril leise. »Was …?«
Der Alte antwortete nicht. Schwerfällig drehte er sich auf seinem Sitz um und starrte in den Nebel, der im Licht der aufsteigenden Sonne von Augenblick zu Augenblick heller wurde. Noch immer verschluckte der zähe Dunst jedes Geräusch. »Die Skellinge«, flüsterte Ambebe schließlich. »Sie fliegen immer der Nacht entgegen.« Er hob einen zitternden Finger und streckte ihn in die Richtung, in die der Schwarm Raubmöwen verschwunden war. »Es gibt nur eins, was sie mehr lieben als die Nacht. Ihre wahren Herren«, sagte er leise, und der Ton, der in seiner Stimme lag, ließ den jungen Fischer frösteln. »Die Legenden berichten, dass die Skellinge Augen der Götter sind.«
Ibril verdrehte die Augen. Er fürchtete die Götter wie jeder Mann bei Verstand, doch es gab wohl nichts, wofür sein Großvater keine Legende kannte. Und fast alle beschäftigten sich damit, dass irgendjemand oder irgendetwas zu den Augen und Ohren oder auch den Zähnen, Klauen und Flossen der Götter gehörte. Fast konnte man meinen, dass …
Ibril erstarrte. Aus dem Nebel drang der lang gezogene, klagende Laut eines Muschelhorns herüber. Die Metis verwendeten diese Instrumente, um ihre Flotte von Booten im Nebel zusammenzuhalten. Wenn sie ertönten, wusste jeder der Fischer, an welcher Stelle in ihrer kleinen Fangflotte er sich befand. Das Horn mit dem tiefen Ton markierte das äußerste linke Ende der Bootsreihe, der helle Klang steckte das rechte Ende ab. Die dritte Muschel lag zu seinen Füßen im Boot, beschnitzt mit uralten Ornamenten, die Schutz und guten Fang versprachen und die Götter gnädig stimmen sollten. Es verriet der Flotte, wo das Boot des Ältesten lag, und es war Ibrils Aufgabe, es zu blasen, wenn Ambebe das Zeichen dazu gab. Neben diesen dreien gab es noch ein viertes Muschelhorn, das im Zentrum ihres Dorfs in einem eigenen Schrein lag. Dieses Horn konnte die Fischer vom Meer rufen, und in mehr als einer Nacht hatte es die Flotte sicher nach Hause geleitet, wenn der Nebel die Sinne verwirrte und jedes Leuchtfeuer ertränkte. Sie waren die Stimme ihres Dorfs, und jedes Kind kannte den Klang der vier Hörner so gut wie die Stimme seiner eigenen Mutter. Das Problem war: Der Ton aus dem Nebel stammte aus keinem davon. Er war fremd, durchdringend, kratzte über seine Wirbelsäule und ließ irgendetwas in seinem Bauch vibrieren.
Ein Zittern ging durch den dürren Körper Ambebes. Er murmelte etwas, das nach den Beschwörungen der Dorfweisen klang, und seine Finger tasteten nach dem Haumesser, das stets neben seinem Sitz lag. Als sie den Griff fanden, umklammerten sie das alte Werkzeug so hart, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten, bevor der Alte mit hastigen Hieben die Seile durchtrennte, mit denen das Netz am Boot befestigt war. Er drehte sich um, und das Glühen in seinen Augen erschreckte Ibril zutiefst. »Rudere!«, krächzte er heiser.
Das riss den jungen Fischer aus seiner Starre. Er schwang sich auf die Ruderbank, ergriff sein Paddel und schob es in die Aussparung des Dollbords. Doch noch bevor er es eintauchen konnte, ging ein Zittern durchs Wasser, ähnlich dem auf einer Pfütze, wenn ein schwerer Stiefel direkt daneben den Erdboden erzittern ließ. Ein Geruch von Salz und Tang schlug ihm entgegen, ließ ihn würgen, und ein nicht spürbarer Lufthauch ließ die Nebel hinter Ambebe aufwallen und schließlich zerreißen. Aus den zerfasernden Schwaden schob sich lautlos eine gewaltige, monströse Form hervor, einer fahlgrauen Klippe gleich. Bleiche Tentakel hingen von oben herab und schienen sich träge tastend zu bewegen. Vielleicht bewegten sie sich auch nicht, doch Ibril war viel zu entsetzt, um darauf zu achten, ob der gewaltige Krake, der den Bug des Schiffs vor ihnen verzierte, ein echtes Meerestier oder nur eine lebensechte Schnitzerei war. Erst ein einziges Mal in seinen sechzehn Lebensjahren hatte der junge Fischer eine der Triaren Beruns gesehen, jener gewaltigen Schiffe, die die innere See befuhren, jedes angetrieben von den Ruderschlägen von mehr als einhundert Männern. Damals hatte er verstanden, wie Berun es gewagt hatte, seinen Göttern zu trotzen. Wer Fahrzeuge wie dieses bauen konnte, dem war niemand gewachsen. Das zumindest hatte er seitdem gedacht. Vielleicht hatte er sich getäuscht. Das hellgraue Schiff, das sich aus dem Nebel schälte, war größer. Viel größer. Obwohl kein Lufthauch wehte, glitt es heran und an ihnen vorbei. Doch kein Ruder ragte aus seiner Seite. Über vier Mannhöhen war überhaupt keine Öffnung in der glatten Bordwand zu sehen, nur silbrig schimmerndes, bleiches Holz in Planken, von denen jede breiter war als das ganze Boot Ambebes. Nichts wies darauf hin, wie sich dieses Schiff vorwärts bewegte, kein Geräusch ging davon aus, wenn man vom leisen Rauschen des Wassers absah, das an der Bordwand vorbeistrich, und vom gelegentlichen dumpfen Knarren aus dem Inneren des schweigenden Behemoths.
Für einen Augenblick lag das Paddel vergessen in Ibrils Händen, als er hinaufstarrte, hoch und immer höher, bis dorthin, wo die Wand in das unwirkliche Grau des hereinbrechenden Morgens überzugehen schien. Eine Gestalt stand dort oben. Sie war beinahe ebenso grau wie die Schiffswand. Ibril konnte sich nicht sicher sein, doch sie schien hager zu sein und höher aufzuragen als jeder Metis. Ihre Augen waren seltsam groß und hell, während ihr Mund von hier nur einen kaum zu erkennenden Strich bildete. Sie trat vor und legte die Hände auf die Reling, um auf das kleine Boot herabzusehen, das auf den Wellen tanzte. Jetzt konnte er erkennen, dass der Schädel der Gestalt vollkommen glatt war, beinahe wie poliertes Fischbein. Der Blick der riesigen Augen traf für einen Moment seinen eigenen und schien in ihn hineinzusehen, ihn bis in sein tiefstes Inneres zu erkunden. Dann wandte sich die Gestalt ab, als hätte sie das Interesse verloren.
»Huacoun«, flüsterte Ambebe heiser und brach damit zum zweiten Mal den Bann, der sich über Ibril gelegt hatte. Der junge Fischer wandte sich ab, stach sein Paddel ins Wasser und ließ ihr Boot ruckartig voranschnellen – weg, nur weg von dem verfluchten Hexerschiff. Zug um Zug schossen sie vorwärts, als Ambebe plötzlich entsetzt die Augen aufriss. Noch bevor Ibril seinen Blick deuten konnte, fiel ein Schatten über sie. Er fuhr herum und verlor das Gleichgewicht, als er den Bug des zweiten Schiffs direkt über sich aufragen sah. Mit einem Aufschrei kippte er ins Wasser, gerade als der gewaltige Kiel Ambebe unter sich begrub, sich knirschend durch das kleine Boot fraß und die Trümmer unter seine Bugwelle riss. Ibril wurde herumgewirbelt, ein Strudel packte ihn, schmetterte ihn gegen die Bordwand, wo der Besatz von Muscheln ihm die Haut von Schulter und Oberarm fetzte, bevor ihn eine andere Strömung vom Schiff wegriss und unter Wasser drückte. Eisige Finger legten sich um ihn, schnürten ihn ein und zerrten ihn zurück an die Wasseroberfläche, wo er keuchend nach Luft rang, nur um im nächsten Moment wieder unter die Wellen gerissen zu werden. Keine Finger, Schnüre waren es, die Maschen ihres eigenen Netzes, wurde dem jungen Fischer klar, als eine Kürbisboje dicht neben ihm durch das Wasser gezogen wurde. Die Stränge der Weciak-Seide wanden sich um seine Arme und Beine, als das Schiff Netz, Fang und Fischer mit sich riss. Panik überfiel ihn. Er versuchte, sich zurück an die Oberfläche zu kämpfen, die jetzt, in diesem Moment, von der Morgensonne berührt wurde. Doch während die grauen Schiffe lautlos weiter nach Osten glitten, zog sich das seidene Gefängnis weiter um Ibril zusammen und schnitt tief in seine Haut. Über ihm, kaum eine Armeslänge entfernt, glitzerte die Oberfläche, lockend oder spottend, das konnte er nicht sagen, als er langsam gedreht wurde und ihm nichts anderes übrig blieb, als in die smaragdgrüne Tiefe unter ihm zu starren. Dort unten schimmerte weißlich das gewaltige Netz, voll beladen mit den silbernen Leibern der Balemar, auf die sie gehofft hatten. Die Luft brannte in seiner Lunge, und sein Herzschlag raste in den Adern seines Halses, während er verzweifelt gegen das Verlangen ankämpfte einzuatmen. Jeder Schlag der Trommel in seiner Brust stach in seine Ohren, und dann sah er die bleichen Gesichter, die ihn mit unnatürlich großen, hellen Augen von der anderen Seite des Netzes anstarrten. Ibril schrie.
Die Luft aus seiner Lunge bildete eine silberne Perlenschnur, die zur Oberfläche hinauftanzte und das Gesicht auswischte.