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Edi Graf

Wolfssonne

Kriminalroman

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Zum Buch

Der Mond ist die Sonne der Wölfe Sternklare Mondnacht im Schwarzwald. Zwischen Nebelschwaden treibt im Wildsee der Kadaver eines Wolfs, im Totholz des Hochmoors liegt die Leiche eines Mannes. Warum musste der Wolfsberater sterben, kurz nachdem er das unheimliche Heulen des Wolfs gehört hatte? Die Tübinger Journalistin Linda Roloff macht sich auf die Suche nach dem Wolfshasser und Mörder. Mit Hilfe des in Namibia lebenden Safariführers Alan Scott erkennt sie, dass der Tod des Wolfs nur eine heimtückische Falle war. Als ihre Tochter Sarah spurlos verschwindet, wird Linda mit einem dunklen Kapitel ihrer Vergangenheit konfrontiert. Der Mann, der ihr damals Rache schwor, ist in ihr Leben zurückgekehrt, um es zu zerstören. Wird Linda enden, wie jene unglückselige Schwarzwälder Spinnerin, die man vor über 500 Jahren tot unter dem Schnapprad einer Wolfsfalle fand? Oder kann sie ein Armband mit der mystischen Inschrift „Der Mond ist die Sonne der Wölfe“ vor dem sicheren Tod in der Wolfsgrube bewahren?

Edi Graf, geboren in Friedrichshafen, studierte Literaturwissenschaft in Tübingen und arbeitet als Moderator und Redakteur bei einem Sender der ARD. Zuhause ist er in Rottenburg am Neckar. Seit über 30 Jahren bereist der Autor den afrikanischen Kontinent und lässt neben seinen Protagonisten, der Journalistin Linda Roloff und ihrer Fernliebschaft, dem Safariführer Alan Scott, die gemeinsam zwischen Schwarzwald, Neckar und Afrika ermitteln, auch Tierwelt und Natur tragende Rollen zukommen. Er greift aktuelle und bewegende Themen auf und liefert dazu detailliert recherchierte Hintergründe, die er geschickt in den Plot integriert. Durch authentisch beschriebene reale Handlungsorte haucht er seinen Krimis Echtheit und Leben ein.

Impressum

Handlung und Personen sind – bis auf die im Vorwort genannte – frei erfunden. Das Sternehotel Berlins KroneLamm in Zavelstein, Wanderheim, Theurerhof, Wildsee, Spinnerinnenkreuz und eine Wolfsgrube in Neubulach existieren real, ebenso das Armband mit dem Aufdruck „Der Mond ist die Sonne der Wölfe“. Wintersbach, Ojumamuya und Renosterskloof hingegen sind erfunden.

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © florian schmetz / unsplash

ISBN 978-3-8392-7228-2

Zitat

»Wölfe wären echte Gewinner der Evolution. Wenn es nur den Menschen nicht gäbe.«

Andreas Beerlage, Wolfsfährten.
Alles über die Rückkehr der grauen Jäger.

VORWORT

Die Geschichte des Wolfs geht weiter.

Er hat seine Fährten im Schwarzwald hinterlassen und somit ziehen sich seine Spuren auch durch diesen Kriminalroman, der sich an die Ereignisse aus Wolfsgebiet anschließt. Der Fall in Wolfsgebiet ist zwar abgeschlossen, der Mörder überführt, aber es sind Fragen offengeblieben, nicht zuletzt, was den Wolf angeht.

Den echten Wolf habe ich inzwischen »kennengelernt«, auf einem »Fahndungsfoto«, das ich vom »echten« Leiter des Kriminalkommissariats überreicht bekam. Tatsächlich durfte ich, nach der Premierenlesung von Wolfsgebiet im Wolf- und Bärenpark Bad Rippoldsau-Schapbach und der Tatortlesung auf der WildLine in Bad Wildbad, den Roman Wolfsgebiet auch den »echten« Ermittlern vorstellen, bei der Weihnachtsfeier der Kriminalpolizeidirektion Calw.

Ich habe mir als Autor abermals erlaubt, die Geschichte im realen Wolfsgebiet im Nördlichen Schwarzwald spielen zu lassen. Der Wildsee auf dem Kaltenbronn, das Enztal, das Wolftal, die Heuhüttentäler entlang der Murg, das Wanderheim und das Spinnerinnenkreuz in Bad Teinach-Zavelstein, sowie der Theurerhof in Speßhardt gehören dazu. Als Vorbild für den fiktiven Schauplatz des Showdowns habe ich die Wolfsgrube am Premiumweg und Genießerpfad Wolfsgrube Neubulach gewählt. Den Ort Wintersbach hingegen wird man auf der Schwarzwaldlandkarte vergebens suchen.

Ich danke an dieser Stelle Rolf Berlin vom Hotel Berlins KroneLamm in Zavelstein, der als einzige reale Person in der Handlung mitspielt und mir zahlreiche Geschichten über den Wolf und die Spinnerin erzählt hat. Danke der Leiterin der Kriminalpolizeidirektion Calw, Sandra Zarges, für die umfassende und ausführliche Recherchehilfe zum aktuellen Roman. Ich danke meiner jahrelangen Lektorin Claudia Senghaas für ihre Unterstützung, auch bei der Covergestaltung und Titelfindung, und besonders meiner Privatlektorin und Co-Autorin des Romans Maultaschen in Love, Veronika Wieland, für ihr unermüdliches und großes Engagement, ihre Ideen und ihr Gespür für Feinheiten im Manuskript. Bei den Recherchen war mir dabei vor allem das Buch Wolfsfährten von Andreas Beerlage eine wertvolle Quelle. Dazu danke ich aber vor allem auch meinen treuen Lesern, die Wolfsgebiet innerhalb eines Jahres vier Auflagen beschert haben, was mir bei der Fortsetzung der Geschichte ein großer Ansporn war.

Wolfssonne ist ein Roman, der inhaltlich auch meinen ersten Linda-Roloff-Krimi Nashornfieber aufgreift und meine journalistische Ermittlerin mit dem düstersten Kapitel ihrer Vergangenheit konfrontiert.

Ich habe mich entschieden, auch wieder eine Wölfin mitspielen zu lassen, nicht zuletzt, weil sie im inzwischen erschienenen Hörbuch mit Autorenlesung zu Wolfsgebiet durch die Darstellung der Schauspielerin Irina Blaul eine wunderbare »Stimme« bekommen hat.

Das Hörbuch ist als digitale Ausgabe über Bookwire im Download und Streaming erhältlich, eine Ausgabe mit 6 CDs gibt es bei Edi Graf & Veronika Wieland GbR unter info@edigraf.de.

Und nun viel Freude meinen geschätzten Lesern auf einer Reise in das Wolfsgebiet im Schwarzwald, wo seit alten Zeiten der erste Vollmond des Jahres als Wolfsmond gilt. Und gemäß dem überaus magischen Spruch »Der Mond ist die Sonne der Wölfe« gelangte der Mond zum mystischen Namen »Wolfssonne«.

Edi Graf, 21. Juni 2021

PROLOG

Dienstag, 8. Februar 2005

Mord.

Dieses eine Wort ragte wie ein Mahnmal aus dem Urteil, das der vorsitzende Richter im voll besetzten Saal des Tübinger Landgerichts mit der Formel »Im Namen des Volkes …« eingeleitet hatte: »Lebenslang, wegen Entführung einer Minderjährigen und schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Mord.«

Der Mann auf der Anklagebank des Schwurgerichtssaals nahm das Urteil ohne sichtbare Regung entgegen. Dem 32-jährigen Kahlrasierten aus Tübingen war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, eine 22-jährige Studentin vergewaltigt und ermordet und, um diese Tat zu vertuschen und eine Zeugin zu erpressen, die fünfjährige Tochter der Zeugin entführt und in einer Weinberghütte gefangen gehalten zu haben.

ER hatte sämtliche Taten vor Gericht bestritten, doch die vorgelegten Indizien, Zeugenaussagen und Beweise, die vor allem die Mutter der von ihm entführten Tochter und zeitgleich seine damalige Lebensgefährtin, gegen ihn vorbrachte, reichten der Schwurgerichtskammer am Tübinger Landgericht vollkommen aus, um ihr Urteil zu fällen. Der Richter sprach den Angeklagten in allen Fällen schuldig. Mit dem Strafmaß folgte er dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Die Journalistin Linda Roloff war wegen ihrer Zeugenaussage in diesem Prozess nicht offiziell als Gerichtsreporterin im Schwurgerichtssaal, doch sie hatte sich aufgrund ihrer persönlichen Betroffenheit für die Urteilsverkündung akkreditieren lassen.

Dass ER hier saß und jetzt für 15 Jahre in den Knast wanderte, hatte ER ihrer Aussage zu verdanken.

Und das wusste ER.

Als der Angeklagte nach Prozessende in Handschellen aus dem Saal geführt wurde, drehte ER sich zu ihr um und fauchte:

»Das zahl ich dir heim! Genieß die Zeit ab heute. Wenn ich raus bin, mache ich dir dein Leben zur Hölle! Dir und allen, die dir lieb und teuer sind! Das schwöre ich dir!«

Als Linda Roloff das Gerichtsgebäude verließ, klang seine Drohung in ihr nach, und dieses eine Wort aus dem Urteil ging ihr nicht mehr aus dem Sinn.

Mord.

*

15 Jahre später

Der junge Rüde trägt den Duft der Fähe in seiner Nase und ist ihrer Spur seit Wochen gefolgt. Doch er ist unsicher. Seit Tagen hat er die Wölfin nicht mehr gewittert und in den Nächten keine Antwort auf sein Heulen bekommen. Stundenlang hat er vor der Höhle, zu der ihre Spuren immer wieder geführt haben, im Schnee gekauert und gewartet.

Als der Mond, rund wie die Sonne, in der Nacht aufgeht, und von einer Kraft, die seine Helligkeit im Schnee silberglänzend reflektiert und den Waldboden auf der kleinen Lichtung zum Leuchten bringt, bemerkt der Rüde in ihrer Fährte den Grund für seine Unsicherheit und weiß mit einem Mal, was ihn stört. Es ist die Richtung, in die sie zuletzt ging. Ihre letzte Spur führt aus der Höhle, und sie kam nicht mehr zurück. Jetzt weiß er auch, weshalb das Fiepen der Nestwölfe verstummt ist.

Er hat sie nie zu Gesicht bekommen, weder die Fähe noch ihre Jungen. Da er jedoch nie einen anderen Rüden gewittert hat, ist ihm sein Ziel, ein eigenes Rudel zu gründen, noch nie so nah erschienen wie jetzt und hier, unter den hoch aufragenden Fichten, deren Äste den Wald wie schützende Flügel beschirmen. Zwischen den Bäumen unten im Tal gurgelt das Wasser des schmalen Flusses, an dessen Ufer er den Duft der Schafe wahrgenommen hat, und weiter oben, in einer einsamen Waldschneise, hat er das Meckern von Ziegen und den Ruf des Esels gehört.

Das Revier gefällt ihm. Es gibt Wasser, um den Durst zu stillen, dichten Wald, um sich zu verstecken, und weite Wiesen, um die Beute zu hetzen und zu jagen. Und es gibt Wild. Auf seinem langen Weg in das Gebiet mit seinen flachen, kahlen Bergkuppen, den engen Tälern und steilen Hängen hat er sich fast nur von Mäusen und Aas ernährt. Vor zwei Tagen hat er einen Hasen gerissen, ein Reh ist ihm knapp entkommen, der junge Bock war zu wehrhaft gewesen und er zu unerfahren. Und allein. Ihm fehlt das Rudel für die erfolgreiche Jagd. Und ihm fehlt die Gefährtin.

Der Wolf wittert die Schafe, und er muss jagen. Es ist der uralte Instinkt seiner Art, und er wird erfolgreich sein und seinen neuen Lebensraum erobern. Doch die Schafe sind von einem hohen Zaun umgeben und werden von einem alten Hund bewacht. Das leise Ticken, das in seinen Ohren schmerzt, verrät ihm Gefahr. Er wird es nicht wagen. Nicht allein. Mit ihr würde es ihm gelingen. Doch sein Instinkt sagt ihm, dass sie nicht mehr lebt. Und er ahnt, dass einer seiner größten Feinde, der das Revier durchkreuzt, ihren Tod verursacht hat.

Der Rüde ist entschlossen zu bleiben. Dieser Wald ist ein altes Wolfsrevier, das er für seine Art zurückerobern wird. Er hat seinen Platz hier in diesem Wald.

In jener Nacht klingt sein Heulen unablässig zum klaren Nachthimmel hinauf, wo sich die Sterne aus der Finsternis über den Wipfeln der hoch aufragenden Fichten zu einsamem Funkeln versammelt haben. Und wie ihr Herrscher hat in einem matten, aber dennoch strahlenden, hellen Gelb der Mond in der Düsternis der Nacht den Platz der Sonne eingenommen.

Der einsame Wolf hat sein Revier gefunden. Er überstreckt seinen Kopf, reckt dabei den Hals nach vorn und das Kinn in die Höhe und stößt jenes Heulen aus, durch das sich seine Art seit Generationen verständigt und mit dem er eine Fähe anlocken will.

Jetzt, in der Nacht, ist der Mond seine Sonne …

*

Es ist die dritte Nacht, die er geduckt in seinem Versteck zwischen den Totholzstämmen ausharrt. Seine Silhouette verschmilzt mit den Bäumen, hinter denen er im Anschlag lauert. Der Mann spürt seine Erregung, denn das Heulen war noch nie so nah. Sein Plan ist so einfach wie genial, und der Grund für diese Jagd so alt wie die Menschheit: Rache. Und er wird sie auskosten, ab dem Moment, wo der Schuss gefallen ist. Der Riemen der Repetierbüchse hängt lose über seine Knie, die Mündung der Kimber Caprivi ragt in Richtung seines Ziels. Der Vorderschaft ruht in seiner linken Hand, die rechte hält den Pistolengriff und ertastet die Gravur, die dort auf einer Silberplatine angebracht ist. Er weiß, dass es ein Mähnenlöwe ist, der dort, mit dem Monogramm des Besitzers und von arabesken Motiven umrahmt, das Pistolengriffkäppchen ziert. Sein Zeigefinger tastet die sanfte Rundung des Abzugs entlang, und er spürt eine leichte Nervosität. Das Heulen ist nah. So nah, dass er heute vielleicht zum Schuss kommt.

Er hat noch nie mit einer Kimber Caprivi geschossen, doch die Repetierbüchse hat alles, was er für den Erfolg seines Plans braucht. Es gibt ganz sicher nicht sehr viele dieser schweren Großwildwaffen hier in der Gegend, eine Handvoll vielleicht, und die Ermittler werden sehr schnell auf die Spuren stoßen, die zu ihrem Besitzer führen. Die Verwirrung wird perfekt sein. Er lacht leise in sich hinein, als das Heulen erneut an seine Ohren dringt. Näher als zuvor.

Die runde Scheibe des Mondes spiegelt sich nur ganz leicht verschwommen in der fast glatten Wasseroberfläche, ehe sie sich wieder hinter einer Wolke versteckt. Niemand ist um diese Zeit hier oben am Rand des Kolks, dieser tümpelgroßen, wassergefüllten Vertiefung namens Wildsee unterwegs, kein Mensch traut sich mehr nachts allein in den Wald, seit das Revier zwischen Großer Enz und Wildseemoor, vom Dürreychbach im Norden bis zum Hirschbach im Süden, Wolfsgebiet geworden ist. Am Schwarzwässerle hat er seine Spuren zuletzt entdeckt und ist ihnen bis zum Hochmoor gefolgt.

In den torfigen Stellen zwischen Moosen und Wollgras haben sie sich tief in den schwarzen Boden eingegraben und sind unschwer zu identifizieren gewesen. Länglich und oval, niemals rund. Vier Krallen. Neun Zentimeter. Zwei übereinander und wieder zwei übereinander, Hinterpfote im Abdruck der Vorderpfote. Geradeaus schnürend, wie an einem Lineal ausgerichtet. Der kürzeste Weg, energiesparend, eine Wolfsfährte, eindeutig.

Düster ragt der Hochwald aus Tannen, Fichten und wenigen knorrigen Kiefern aus dem Moor am Rand des Kolks in den Himmel, nur die weißen Stämmchen der meist in kleinen Gruppen direkt am Ufer wachsenden Moorbirken leuchten hell. Seine Augen suchen nach einer Bewegung zwischen den niederen Latschenkiefern und Preiselbeersträuchern, doch nur das Wollgras wird von einem sanften Windhauch gestreichelt. Die Ruhe ist fast unheimlich, nur ganz selten dringt ein Glucksen aus dem See an seine Ohren. Er weiß, dass in dem sauren Wasser weder Fische noch Lurche leben, nur ein paar Stockenten sind hin und wieder zu entdecken. Und doch lebt das Moor, schwirren an wärmeren Tagen Libellen über das Wasser, und in den lauen Sommernächten zirpen Gebirgsschrecken zwischen Seggen und Totholz. Grasfrösche und Erdkröten laichen in den kleinen, weniger sauren Tümpeln, Waldeidechsen sonnen sich auf den Steinen und Wurzeln in den trockenen Heideflächen und sind bevorzugte Beute für die hier oben meist schwarz gefärbten Kreuzottern. »Höllenotter« nennen sie die Einheimischen. Jetzt, in der Nacht, ruhen sie in ihren Höhlenverstecken, doch sobald am Morgen die Frühlingssonne das Holz und die Steine erwärmt, kommen sie heraus und tanken Energie. Sie brauchen die Strahlenkraft, um ihre wechselwarmen Körper aufzuheizen und erfolgreich auf die Jagd gehen zu können.

Erfolgreich auf die Jagd, denkt er. Dem Wolf reicht hierzu das Licht des Mondes. Und ER ist ihm auf den Fersen. Das erneute Heulen reißt ihn aus seinen Gedanken. Der Wolf muss unmittelbar vor ihm sein. In Schussentfernung! Irgendwo dort, im Totholz.

Er versucht, mit seinen Augen die Dunkelheit zu durchdringen und zwischen Hochmoor und Wald eine Bewegung auszumachen, entspannt gleichzeitig so geräuschlos wie möglich die Kimber Caprivi, indem er mit dem Daumen den Hebel der Schlagfeder umlegt. Das leise Knacken, das dabei entsteht, klingt in seinen Ohren wie eine Explosion in der Stille der Nacht. Er schreckt hoch, als er vom Kolk her einen nasalen Schrei und ein Klatschen auf der Wasseroberfläche vernimmt, und weiß im selben Augenblick, dass es nicht das Geräusch der Schlagfeder ist, das die Ente aufgeschreckt hat.

Er späht in die Richtung und meint, in den Spitzen der Grauseggen den Hauch einer Schwingung der Halme auszumachen. Der Mond schiebt sich in diesem Moment hinter einer Wolke hervor, und dann entdeckt er den schemenhaften Umriss auf dem schmalen Pfad zwischen den krummen Latschenkiefern. Hochbeinig und schlank die Gestalt, die buschige Rute hängt unbewegt nach unten, das Fell verschmilzt mit den nachtgrauen Farben seiner Umgebung, nur die kurzen Ohren heben sich gegen den Schimmer ab, den der Mond aus seinem Versteck in den Nachthimmel sendet. Nur für einen Sekundenbruchteil registriert er das gelbe Leuchten der Augen, setzt die Kimber Caprivi an, stellt den Leuchtpunkt des Zielfernrohrs genau auf die Mitte dazwischen, als das Leuchten auch schon wieder verlischt, und drückt ab.

Der Schuss zerreißt die Stille der Moornacht. Der Jäger sichert durch erneutes Betätigen des Handspanners die Repetierbüchse und starrt auf den leblosen Körper des Wolfs. Ein Grinsen umspielt seine Lippen, als er an seinen Plan denkt.

Der tote Wolf ist erst der Anfang …