Krimi Sommer 2016: Sieben Krimis für die Urlaubszeit

Alfred Bekker et al.

Published by BEKKERpublishing, 2016.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Krimi Sommer 2016

Copyright

Das Leben einer Katze

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Der Satansbraten

Als Köder eine Leiche

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

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13

14

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17

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Die programmierten Todesboten

1

2

3

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5

6

7

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27

28

Sue unter Mordverdacht

1

2

3

5

5

6

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30

31

Der Hacker

1

2

3

4

5

6

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9

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Die Apartment-Killer

1

2

3

4

5

6

7

8

9

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Krimi Sommer 2016

von Alfred Bekker, A. F. Morland & Uwe Erichsen

Der Umfang dieses Buchs entspricht 736 Taschenbuchseiten.

Dieses Buch enthält folgende sieben Krimis:

Uwe Erichsen: Das Leben einer Katze

Alfred Bekker: Der Satansbraten

A. F. Morland: Als Köder eine Leiche

Alfred Bekker: Die programmierten Todesboten

A. F. Morland: Sue unter Mordverdacht

Alfred Bekker: Der Hacker

Alfred Bekker: Die Apartment-Killer

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Authors

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Das Leben einer Katze

Krimi von Uwe Erichsen

Verfilmt als „Die Katze“

Uwe Erichsen hat einen Krimi über einen Bankraub mit Geiselnahme und einer fatalen erotischen Besessenheit geschrieben, der ein völlig anderes Ende für alle Beteiligten nimmt, als der Leser erwartet. Spannend bis zur letzten Zeile.

Kapitel 1

Sie stand nackt am Fenster, während der Morgen zögernd heraufkroch, aber sie fror nicht, obwohl es kühl im Zimmer war. Sie presste die Lider zusammen. Ihre Augen brannten. Ihr Schoß war wund, ihr ganzer Körper schmerzte nach dieser endlosen Nacht, der längsten ihres Lebens, wie ihr schien.

Sie widerstand dem Impuls, den Kopf zu wenden und zu dem breiten Hotelbett zu sehen, dessen Laken und Decken zerwühlt waren. Sie wusste, dass Probek nicht schlief. Wahrscheinlich betrachtete er träge ihren Hintern. Den »großen weißen Arsch«, wie er ihn nannte, wenn er seine harten Finger in ihr Fleisch grub. Wahrscheinlich war die Haut wieder mit roten Striemen und blauen Flecken übersät.

Am Anfang ihrer Beziehung zu Probek hatte sie versucht, die Spuren dieser wilden Umarmungen vor ihrem Mann zu verbergen. Inzwischen war es ihr egal, ob er sie bemerkte oder nicht. Ohnehin bekam er ihren Körper kaum noch zu sehen. Wenn sie sich für ihn hinlegte, um seine wütenden Stöße über sich ergehen zu lassen, geschah es im Dunkeln.

Jutta wandte rasch den Kopf, als sie das Rascheln des Lakens hörte. Probek glitt aus dem Bett. Sein Glied baumelte zwischen den Beinen. Es war schlaff, kein Wunder, aber immer noch groß. Sie versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr nicht, und als er sich an sie presste und seine Arme um ihren Körper schlang, überkam sie einen Moment lang ein Gefühl der Panik.

Sie spürte sein unrasiertes Kinn an ihrer Schulter. Seine harten Bartstoppeln scheuerten auf ihrer Haut. Probek hatte einen starken Bartwuchs.

Alles an Probek war hart und stark. Seine Hände, die ihre Brüste kneteten, und sein Glied, das an ihrem Hintern wieder anschwoll. Ihr Mund wurde trocken. Mein Gott, dachte sie, nicht schon wieder!

Ihr Blick wanderte über die Dächer der Häuser auf der anderen Seite des Platzes, wo sich der Himmel allmählich blau färbte. Es war ein zartes Blau, das noch nichts von der Kraft der frühen Maisonne ahnen ließ.

Der Platz lag noch wie ausgestorben da. Nur hinter den Fenstern des Cafés neben der Bank brannte Licht, und einmal sah sie den dicken Bäcker Vorbeigehen, der die ersten Bleche mit frischem Gebäck in ein Regal schob. Das Café öffnete um sieben.

Die Bank eineinhalb Stunden später.

Seit vier Jahren leitete Herbert Ehser die Filiale der Spar- und Kreditbank am Herzogplatz.

Herbert Ehser war ihr Mann.

An diesem Morgen würde er eine böse Überraschung erleben.

»Es sieht noch so friedlich aus«, sagte sie. Ihre Stimme klang belegt.

Probek bewegte sich hinter ihr. Sie spürte seine harten Muskeln auf ihrer heißen Haut.

»In zwei Stunden«, sagte er heiser nah an ihrem Ohr, »wirst du denken, der dritte Weltkrieg wäre ausgebrochen.« Sie schauerte, als er ihr Ohrläppchen zwischen seine Lippen zog. »Wir haben noch Zeit, Zeit genug«, flüsterte er.

O nein, dachte sie, aber sie sagte es nicht. Sie sah ihr Gesicht in der spiegelnden Scheibe, und sie bemerkte den eigenartigen Ausdruck in den tiefliegenden Augen. Erwartungsvoll, hungrig, gierig. Unersättlich.

Ihr Atem ging keuchend, als Probek eine Hand von hinten her zwischen ihre Beine schob. Sie stützte ihre Arme auf die Fensterbank, weil sie das Gefühl hatte, ihre Knie würden nachgeben.

Als er in sie eindrang, blitzte die Sonne zwischen hohen Giebelwänden auf. Ihre Strahlen waren von gläserner, fast südländischer Klarheit. Die Schatten unten auf dem Platz wurden durchsichtig. Die feinen Schleier über dem ersten frischen Grün der Lindenbäume erinnerten sie an ihre erste Begegnung.

Probek hatte nie zugegeben, dass dieses Zusammentreffen nicht zufällig gewesen war.

Er belog sie. Sie wusste es, hatte es bald erkannt. Aber auch das spielte jetzt keine Rolle mehr.

Begonnen hatte es im letzten Sommer.

Als junges Mädchen, lange bevor sie Herbert kennenlernte, war sie schon einmal auf Ibiza gewesen, und jetzt war es ihr endlich gelungen, ihn zu einem Urlaub auf der Balearen-Insel zu überreden. Sie hatte gehofft, dass sich das gleiche überschäumende Lebensgefühl wieder einstellen würde, das sie damals so genossen hatte.

Doch sie hätte wissen müssen, dass Herbert nicht der richtige Begleiter für Ferien auf Ibiza war. Er vertrug weder das Essen noch die Sonne, und wenn der Betrieb in den Discos am späten Abend losging, war er zu müde, um das Hotel draußen am Strand von Talamanca noch einmal zu verlassen.

Der Urlaub drohte zum Fiasko zu werden, noch bevor er wirklich begonnen hatte. Zum Glück war sie schon am Nachmittag des zweiten Tages Dieter Probek begegnet.

Sie spürte noch die kühlen Schatten der engen Gassen, als sie, von der Menge aufgesogen und mitgezogen, mit Herbert an den verrückten Auslagen der Boutiquen und den offenen Türen der kleinen Bars und Kneipen vorbeibummelte.

Herbert interessierte sich weder für die ausgeflippte Mode, noch den verrückten Schmuck oder die ausgefallenen Keramiken, die überall angeboten wurden.

Sie aber musste das biedere Zeug, das sie mitgebracht hatte, so schnell wie möglich gegen diese verrückten, herrlichen, unmöglichen Sachen eintauschen, die man hier trug. Lange bunte, durchsichtige Umhänge und nichts darunter, Netzhemdchen, die nichts verhüllten, lange T-Shirts, die gerade bis zu den Pobacken reichten, schnurdünne Tangas, mit denen man bekleidet war, sich aber völlig nackt vorkam. Oder umgekehrt.

Als sie im Eingang eines kleinen Ladens mit grün gestrichener Holztür stehenblieb, um die Hüte zu betrachten, die an einem Gestell hingen, wurde Herbert vom Touristenstrom weitergeschoben. Sie stülpte einen weißen Leinenhut über ihre Locken, vermisste aber einen Spiegel, um sich kritisch zu betrachten, und nahm den Hut wieder ab.

Da spürte sie, wie ihr jemand einen Strohhut mit riesiger Krempe aufs Haar drückte.

»Der steht Ihnen!«, sagte eine Stimme auf deutsch neben ihr, und sie spürte gleichzeitig die Berührung einer Hand auf ihrem nackten Oberarm.

Als sie den Kopf wandte, hatte sie zum ersten Mal sein hartes, flaches Gesicht mit den schmalen Lippen und dem eckigen Kinn gesehen. Die kühlen, grauen Augen betrachteten sie prüfend, dann nickte er.

»Ja, der Hut steht Ihnen.« Er zog die Lippen zu einem Lächeln auseinander. Seine Zähne blitzten.

Er trug ein verwaschenes T-Shirt und ausgebleichte Jeans. Seine Füße steckten in dünnen Riemensandalen. Seine Haut war leicht gebräunt, das Haar noch nicht ausgebleicht.

Sie hob die Arme, um den Hut wieder abzunehmen, aber er hielt ihre Handgelenke fest. Die Kraft dieser Hände bestürzte sie.

»Lassen Sie ihn gleich auf«, sagte er.

»Gehören Sie zu diesem Geschäft?«, erkundigte sie sich. Sie war verwirrt. Ihre Nasenflügel bewegten sich.

Er lachte. »Sehe ich wie ein Krämer aus?«

Ihre Ohren füllten sich mit Blut. »Es gibt viele Deutsche hier, die Boutiquen betreiben«, verteidigte sie sich.

»Ich wohne im Palmasol in Talamanca«, sagte er.

»Ich auch«, entfuhr es ihr. Sie sah Herbert herankommen. Mit rotem Gesicht wühlte er sich durch die Menge.

»Jutta, was machst du?«, keuchte er. »Ich dachte schon, ich hätte dich verloren!«

Der fremde Mann war in der Menge untergetaucht.

»Wie redest du mit mir?«, fauchte sie. Plötzlich sah sie sein schlaffes Gesicht, das schweißfeuchte Haar und den quellenden Bauch unter dem biederen Hemd mit anderen Augen. Sie riss das Preisschild vom Hut und drückte es ihm in die Hand. »Bezahl den Hut«, sagte sie. »Und dann kaufen wir einen Bikini. Und andere Sachen.«

Während der nächsten zwei Tage sah sie ihn nicht, obwohl sie heimlich nach ihm Ausschau hielt, wenn sie in ihrem Liegestuhl auf der Hotelterrasse, oberhalb des Swimmingpools, lag. Wahrscheinlich hatte er eine Frau bei sich, oder er hatte in der Stadt längst eins dieser gebräunten, freizügigen Mädchen aufgerissen.

Herbert hatte sich eine Darminfektion zugezogen, die sich als hartnäckig erwies. Weil er sich nicht weiter als zehn Schritte von einer Toilette entfernt aufhalten konnte, war er praktisch ans Zimmer gefesselt.

Sie räkelte sich wohlig in der brennenden Sonne. Sie hatte sich zwar einen Tanga gekauft, traute sich aber nicht, dieses fadendünne Bekleidungsstück innerhalb der Hotelanlage zu tragen, obwohl genug Mädchen herumliefen, die außer einem Tangaslip allenfalls noch ein Goldkettchen um die Hüften und eine Sonnenbrille auf der Nase trugen. Sie wusste, dass ihre Hüften etwas zu breit waren, aber sie wusste auch, dass ihre Beine schlank und gerade, der Bauch flach und straff und die Brüste voll und fest waren. Deshalb trug sie den kleinsten und knappsten Bikini, den sie hatte auftreiben können, und wenn sie nachmittags den ersten Sangria an der offenen Bar am Swimmingpool getrunken hatte, legte sie das Oberteil ab.

Sie lag wieder auf ihrer Liege. Vielleicht spürte sie seine Blicke, wahrscheinlich hatte sie aber nur seinen Schatten durch die geschlossenen Lider gesehen, als er neben ihr stehenblieb. Sie schlug die Augen auf.

Sein Gesicht lag im Schatten, aber seine Augen schimmerten hell, als er sie träge betrachtete. Er machte keinen Hehl daraus, dass er ihre nackten Brüste, den Bauch und die Schenkel genüsslich mit den Augen abtastete.

Sie streckte einen Arm aus, nahm den breitrandigen Hut auf, den sie neben der Liege abgelegt hatte, und legte ihn über die Brüste. Dabei lächelte sie.

»Jetzt sehen Sie wie eine Katze aus«, stellte er fest. Er trug einen unverschämt knappen knallroten Badeslip. Sie ließ ihre Augen an seinen behaarten Beinen hinaufwandern, verharrte einen Moment an der Wölbung zwischen seinen Beinen und tastete sich dann weiter nach oben, zu den breiten Schultern, dem schlanken Hals und dem harten Gesicht.

»Kommen Sie mit in den Pool«, sagte er.

Keine Frage. Eine Aufforderung. Ein Befehl.

Sie spürte ein Kribbeln auf ihrer Haut, eine angenehme Schwäche. Sie wollte so liegenbleiben, aber als er sich einfach umdrehte und zur Treppe ging, sprang sie auf.

Er blieb am Beckenrand stehen und sah ihr zu, wie sie sich vorsichtig ins klare Wasser gleiten ließ. Der Pool war groß, aber nicht groß genug für die Gäste des voll belegten Hotels. Kinder schwammen und planschten um sie herum

Trotzdem legte sie sich sofort auf den Rücken. Träge bewegte sie die Beine. Sie bemerkte das Funkeln in seinen Augen, bevor er mit einem Kopfsprung neben ihr ins Wasser tauchte.

Sie blieb am Beckenrand, hielt sich an der Überlaufrinne fest und ließ ihren Körper auf dem Wasser treiben.

Er tauchte neben ihr auf und prustete Wasser gegen die Sonne.

»Waren Sie schon mal am Strand?«, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. »Viel zu voll«, meinte sie.

»Ich habe da eine Bucht gesehen, hinter dem Felsvorsprung. Es ist nicht weit.« Er tauchte mit dem Kopf unter, kam wieder hoch und schüttelte das Wasser aus den Haaren, die jetzt schon viel heller geworden waren.

»Viel zu weit«, sagte sie träge.

»Man braucht nicht über die Straße. Es gibt einen Pfad. Zwischen den Pinien her. Morgens ist es da am schönsten. Ich bin um neun schon da. Kommen Sie auch.«

Sie zog die Beine an und streckte sie wieder. Ihre Brustspitzen hatten sich zusammengezogen und ragten wie kleine Steine aus dem Wasser.

»Hübsch«, sagte er, wobei seine Zähne blitzten. »Morgen am Strand.« Er stieß sich vom Beckenrand ab.

»Ich weiß es noch nicht«, sagte sie über die Köpfe zweier Kinder hinweg.

Er machte eine gleichmütige Bewegung mit dem Kopf.

»Kommen Sie, oder kommen Sie nicht.«

Herbert wachte früh auf. Sie holte ihm eine Tasse Kaffee und ein trockenes Brötchen vom Frühstücksbüfett.

Er trank den Kaffee, weil sein Magen zunächst ruhig blieb, aber dann rannte er doch zur Toilette. Als er zurückkam, war sein Gesicht blass.

Sie packte ihre Strandtasche.

»Wo gehst du hin?«, fragte er.

»Zum Strand. Kommst du mit?«

»Gibt's da Toiletten?«

»Nein«, antwortete sie.

Das Meer glitzerte unter der Morgensonne. Die Pinien warfen lichte Schattensprenkel über das leicht abfallende Plateau. Die wärmende Sonne ließ einen würzigen, anregenden Duft aus dem dicken Teppich abgefallener Piniennadeln quellen.

Sie kletterte an der Felswand hinab in die kleine, halbkreisförmige Bucht. Am anderen Ende spielten einige junge Männer Fußball. Ein Surfer schleppte sein Brett zur Wasserlinie.

Sie ging durch den weichen, noch kühlen Sand zum Wasser. Sie hatte ihn nicht gesehen, weil die Sonne blendete. Er kam aus der rollenden Brandung. Er war nackt. Lässig bückte er sich, hob den schmalen Slip und streifte ihn über seine schmalen Hüften. Dann sah er ihr entgegen.

Er sagte nichts, und auch sie schwieg. Sie streifte ihren Hänger ab. Sie trug heute den Tangaslip. Nur den Slip. Einen Büstenhalter hatte sie gar nicht erst mitgebracht.

»Kommen Sie noch mal mit ins Wasser?«, fragte sie dann.

Ihre Stimme klang kehlig.

Er nickte, und sie lief voraus.

Ihr fiel auf, dass er seinen Slip nicht wieder abstreifte. 

Das Wasser war kalt, aber sie spürte es nicht. Als sie weit genug hinausgelaufen war, warf sie sich in eine anrollende Welle und schwamm. Es störte sie nicht, dass ihr Haar nass wurde.

Sie legte sich auf den Rücken und ließ sich von den Wellen zurücktreiben. Der Mann schwamm um sie herum. Dann blieb sie stehen. Das Wasser reichte ihr knapp bis zu den Schultern, aber wenn eine Welle abrollte, wurden ihre Brüste sichtbar.

Er kam heran und umschlang sie mit seinen kräftigen Armen. Sie beugte den Kopf zurück und schloss die Augen. Als er seine Lippen auf ihren Mund presste, stieß sie die Zunge vor. Sie bewegte die Hüften. Seine Hände glitten an ihrem Rücken abwärts, umfassten ihre Pobacken, und dann versteifte sich ihr Körper, als sie seine Finger an ihrer Scham spürte. Der Slip, dachte sie irrsinnigerweise, Himmel, wo ist der Slip? Dann überrollten heiße Wellen ihr Inneres. Er hielt sie fest, sie erwiderte seine Küsse, und dann tat sie etwas, was sie noch nie getan hatte.

Sie ging mit den Händen unter Wasser, zerrte seinen Slip ein Stück herab und umfasste sein Glied und seine Hoden und presste sie.

»Bist du auch allein hier?«, fragte er.

»Nein . . . Mein Mann . . .« Stammelnd erklärte sie, was mit Herbert los war.

Er nannte ihr seine Zimmernummer. »Ich gehe voraus«, sagte er.

»Ich weiß nicht . . .« Sie biss in seine Unterlippe.

Er zog seine Hüfte zurück. »Du reißt mir den Schwanz ab«, sagte er. »Bis gleich.«

»Ich weiß es nicht . . . Ich habe so was noch nie gemacht.«

Er hob die Schultern. »Entweder du kommst, oder du kommst nicht.«

Er ließ sie los und stieg aus dem Wasser, wobei er seinen Slip wieder hochzog. Er musste eine unübersehbare Erektion haben, aber er ging unbeirrt an den Leuten vorbei, die ihm, bepackt mit Matten und Sonnenschirmen und Kühltaschen, entgegenkamen.

Sie sah ihm nach, wie er die Klippe hinaufkletterte und dann in den durchsichtigen Schatten zwischen den Pinien verschwand.

Als sie in sein Zimmer trat, kam er aus dem Bad. Er hatte geduscht und trug einen hellgelben Frotteemantel. Er hob sie einfach auf und legte sie aufs Bett. Seine Lippen wanderten über ihren Körper.

»Ich schmecke bestimmt salzig«, flüsterte sie.

Als er endlich in sie eindrang, kannte sie noch nicht einmal seinen Namen.

Verrückt, dachte sie. Verrückt, irrsinnig und viel zu schnell vorbei.

»Das war gut«, sagte er. »Aber du bist nicht zurechtgekommen.«

Sie streichelte über sein Haar, das immer noch nass war.

»Das macht nichts«, sagte sie.

»Warte nur, gleich dauert es länger!«

»Ich muss nach meinem Mann sehen.«

»Dann kommst du wieder.«

»Ich weiß nicht.«

Sie sah in seine grauen Augen.

»Hat es dir keinen Spaß gemacht?«

»O doch«, versicherte sie.

Er richtete sich auf und betrachtete sie ungeniert.

»Ich habe dich gekratzt«, sagte er.

Sie betrachtete ihren Busen. Ein großer Fleck, noch olivfarben, bildete sich an einer Seite. Erschreckt holte sie Atem. Dann bemerkte sie den langen, roten Kratzer auf dem Bauch.

»Und der Arsch hat auch was abgekriegt«, sagte er.

Sie lachte plötzlich. »Ich werde sagen, dass ich an der Klippe abgerutscht bin.«

»Das kannst du nicht jeden Tag sagen. Du kannst ihm erzählen, du wärst beim Schwimmen über Steine gezogen worden.«

»Jeden Tag? Was denkst du dir?« Sie hielt den Atem an. Wie eine läufige Hündin war sie hinter ihm hergerannt. Über die Fortdauer ihres Verhältnisses hatte sie sich noch keine Gedanken gemacht. Wann hätte sie es auch tun können!

»Lassen wir es dabei«, sagte sie. »Es war schön, aber es wird nicht wieder passieren.«

»Ist es der Altersunterschied?«, fragte er.

Sie sah ihn verblüfft an. »Welcher Altersunterschied? Du bist doch nicht älter als ich!«

»Eben.« Er grinste. »Ich bin 28. Wie alt bist du? Fünfunddreißig? Oder noch älter? Mir macht es nichts aus.«

»So ungefähr«, sagte sie.

Sie war gerade 34 geworden. Sie senkte die Lider. Na warte, Jüngelchen, dachte sie, ich hätte nicht übel Lust, dir vorzuführen, was eine Frau von 34 drauf hat.

Herbert lag blass und schlapp im Bett. Die Jalousien waren herabgezogen. Die Luft im Zimmer roch stickig. Sie trat ans Fenster und riss die Balkontür auf. Gedämpft drang der Lärm vom Swimmingpool herauf. Sie spreizte die Lamellen der Jalousie.

Dieter Probek ging über den geplatteten Weg zwischen den raschelnden Palmen her zur strohgedeckten Bar. Rasch wandte sie sich ab.

»Wie geht es dir?«, erkundigte sie sich.

»Besser«, behauptete er. »Wo hast du so lange gesteckt? Du wirst dir einen Sonnenbrand holen.«

»Das ist mir egal.« Sie trat an sein Bett. Seine Hand kroch auf ihren Schenkel zu, kniff sie ins Fleisch. Ihr wurde heiß, als sie daran dachte, dass er seine Hand weiter auf die Reise schicken könnte. Dann würde er spüren und fühlen, was sie getan hatte.

Sie drehte sich ab. Seine Hand fiel auf das Laken.

»Vielleicht kann ich es heute Abend versuchen«, sagte er matt.

»Wir haben keine Eile«, sagte sie. Sie sah sein Gesicht im Spiegel. Herbert war 40 Jahre alt. Zum ersten Mal fragte sie sich, wie er sein würde, wenn er 50 wäre. Sie wäre dann gerade 44.

Sie strich über ihr Haar und berührte ihre geschwollene Unterlippe.

Vielleicht würde es dann andere Männer wie Dieter Probek geben, überlegte sie. Sie betrachtete ihr Gesicht. Ihr fiel nicht auf, dass sie eine Fortsetzung ihrer Affäre mit Probek doch nicht ausschloss.

Herberts Frage traf sie wie ein Fausthieb in den Magen.

»Wer war der Kerl?«

Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus. Zum Glück war es schattig im Zimmer, so konnte er nicht sehen, dass ihr alles Blut aus dem Gesicht fiel. War er doch nicht so schlapp, wie er tat? War er ihr etwa nachgegangen?

Jutta wusste von seiner Spitzelmentalität. Sie wusste, dass er seine Untergebenen in der Bank heimlich belauerte, dass er sich in ihre Telefongespräche einschaltete, ihre privaten Kontenbewegungen nachprüfte und ihre Fehlzeiten genau notierte. Doch nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass sich dieses Gebaren einmal gegen sie wenden könnte. Allerdings hatte sie ihm bis heute nie Anlass gegeben, misstrauisch zu sein. Deshalb hätte sie es vermutlich gar nicht gemerkt, wenn er ihr nachspioniert hätte.

Sie drehte sich um und sah ihn direkt an. Sein Gesicht war verkniffen.

»Welcher Kerl?«, fragte sie. Ihre Stimme klang normal.

»Mit dem du da unten am Swimmingpool gesprochen hast«, antwortete er.

Die Erleichterung überflutete sie wie eine heiße Welle. Das war gestern gewesen. Er hatte am Fenster gestanden, vielleicht gesehen, wie sie zum Pool gegangen waren.

Sie lachte. »Ein Gast«, sagte sie.

»Von diesen Typen treiben sich zu viele auf Ibiza rum«, meinte er.

»Was für Typen?«

»Du weißt, welche ich meine. Diese Aufreißer.«

Wieder lachte sie. »Die meisten von diesen Typen wohnen in der Stadt und nicht in so einem scheißbiederen Schuppen wie diesem hier!«

Sie neigte nachdenklich den Kopf.

Warum war Probek im Palmasol abgestiegen, wo es von Kindern wimmelte und die Frauen von ihren Männern beobachtet wurden?

»Denk dran, wir sind hergekommen, um Ferien zu machen«, sagte Herbert matt.

»Natürlich«, antwortete sie leichthin und verschwand im Bad.

Am nächsten Morgen trank er vorsichtshalber keinen Kaffee. Er würgte ein Brötchen trocken hinunter, spülte mit schwarzem Tee nach, und wartete darauf, dass seine Eingeweide wieder mit Krämpfen reagierten.

Als sie ausblieben, verkündete er, dass er sich mit ihr unten auf die Terrasse legen wollte.

»Da ist es langweilig«, sagte sie. »Und das Kindergeschrei wird dir auf die Nerven gehen.« Sie hatte sich den Hänger bereits im Bad übergestreift. Die blauen Flecken an ihrem Busen und die Spuren von Probeks Fingern an ihren Hinterbacken schillerten wie Ölflecken.

»Morgen vielleicht«, sagte er. Er stöberte in seinem Koffer herum, bis er den albernen, weißen Leinenhut fand, den er vor drei Jahren in Holland gekauft hatte. Er setzte ihn auf. »Wie sehe ich aus?«

»Umwerfend«, sagte sie.

Sie lagen auf der Terrasse unter einem Sonnenschirm. Um die Mittagszeit erreichte das Geschrei der Kinder einen Höhepunkt, und die Hitze wurde unerträglich.

Herbert blätterte in deutschen Zeitungen, während der Schweiß über sein Gesicht rann. Irgendwann sah er sie an.

»Warum ziehst du das nicht aus?«, fragte er und deutete auf den Hänger. Sie hatte den Saum bis zu den Schenkeln hinaufgezogen.

Sie beugte sich zu ihm hinüber und lächelte. »Ich will dich nicht aufregen«, sagte sie.

Er grinste. »Vielleicht hast du recht.« Er wischte über sein Gesicht. »Ich muss erst wieder zu Kräften kommen.« Er legte sich zurück und schloss die Augen.

Kurz nach zwölf schlenderte Probek über die Terrasse. Er trug eine Sonnenbrille mit spiegelnden Gläsern, die seine Augen vollständig verbarg. Er ging am Pool vorbei und stieg die Stufen zur Bar hinunter. Sie beobachtete ihn durch die Stäbe des Gitters. Es versetzte ihr einen Stich, als er sich neben eine große, schlanke Blondine stellte, ungeniert ihren nackten, unglaublich festen Busen betrachtete und ihr dann einen Campari bestellte. Er sagte etwas zu ihr, und sie lachte und berührte flüchtig seine Hand. Es war eine schnelle, doch beinahe vertrauliche Geste.

Doch dann wandte sich Probek ab. Langsam kam er die Stufen herauf, langsam schlenderte er am Pool entlang. Von der anderen Seite des Schwimmbeckens her warf er Jutta plötzlich einen Blick zu. Die Sonnenbrille hielt er an einem Bügel zwischen den weißen Zähnen.

Dann ging er weiter und tauchte in den kühlen Schatten der Hotelhalle.

Jutta räkelte sich. Herberts Augen waren fest geschlossen, aber sie wusste, dass er nicht schlief.

»Mir ist es zu heiß hier draußen«, stöhnte sie. »Und außerdem habe ich Hunger.«

Herbert rührte sich nicht.

»Soll ich dir was zu essen vom Büfett holen?«, fragte sie. »Irgendwas Leichtes. Huhn vielleicht?«

»Lieber nicht«, sagte er, ohne die Augen zu öffnen. »Ich will nichts riskieren. Vielleicht heute Abend.«

Sie stand auf. »Ich gehe rein«, sagte sie. »Was essen, und dann mal sehen . . .« Sie sah auf sein Gesicht mit den geschlossenen Augen hinab. Seine Lippen bewegten sich.

»Kommst du wieder?«, fragte er.

»Natürlich. Wenn es nicht mehr so heiß ist.«

In der Tür zur Halle sah sie sich noch einmal um. Herbert lag reglos unter dem Sonnenschirm.

Zwei Minuten später schlüpfte sie in Probeks Zimmer.

Er lehnte am Rahmen der Balkontür. Eine Zigarette qualmte zwischen seinen Lippen. Die Daumen hatte er in den Gürtel seiner Jeans gehakt. Er hatte das T-Shirt bereits ausgezogen.

Sie drückte die Tür ins Schloss und blieb stehen.

»Ich kann nicht lange«, sagte sie mit rauer Stimme. Er stand reglos da. Der Rauch hüllte sein Gesicht ein.

»Du brauchst es nicht wegen mir zu tun«, sagte er. Die Zigarette wippte zwischen seinen Lippen.

Das Blut stieg in ihre Ohren, und dann begann ihr Herz zu hämmern. Sie tastete nach dem Türgriff.

Probek beobachtete sie durch die Rauchschleier, während er die Zigarette ausdrückte.

»Komm her«, sagte er.

Sie ließ den Türgriff wieder los. Langsam ging sie auf ihn zu. Ohne sie aus den Augen zu lassen, streifte er die Jeans und den Slip ab. Sie starrte sein Glied an, das sich aufrichtete.

Er zog sie an sich, hob den Saum ihres Strandkleides und schob einen Daumen unter den dünnen Riemen des Tanga.

Sie schrie unterdrückt auf, als sie ihn in sich spürte und seine Fingernägel ihre Haut aufrissen. Sie klammerte sich an ihm fest, aber sie leistete seinen Händen, die ihre Hüften hin und her schoben, Widerstand. Als sie merkte, dass ihre langsamen Bewegungen ihn quälten, verbiss sie sich in seiner Unterlippe und stellte ihre Bewegungen für einen Augenblick gänzlich ein. Als es ihm dann doch kam, quoll ein rauer Schrei aus seiner Kehle.

Sie zog sich zurück und ließ den Saum des Hängers wieder herabfallen. Er hatte einen glasigen Ausdruck in den Augen. Rückwärts ging sie zur Tür. Bevor sie hinausschlüpfte, lächelte sie. Zufrieden und rätselhaft.

Sein Liegestuhl auf der Terrasse war leer.

Sie blieb mitten auf dem Weg stehen, dann wandte sie den Kopf und sah an der Fassade nach oben. Die Jalousien vor nahezu allen Fenstern waren herabgelassen.

Sie kehrte um und fuhr mit dem Lift nach oben.

Herbert hatte geduscht und sich ein Badelaken um die Hüften geschlungen.

»Ich habe dich überall gesucht«, sagte er. »Wo warst du?«

»Ich habe mir was zu essen geholt und bin rumgegangen. Spionierst du mir nach?«

»Müsste ich das?«

»Mach dich nicht lächerlich«, sagte sie und wollte an ihm vorbei ins Bad. Sie glaubte, immer noch Probeks heiße Hände auf ihrer Haut zu spüren.

Herbert stellte sich ihr in den Weg. »Ich war am Büfett.«

»Na und? Ich hatte dir angeboten, dir was mitzubringen.«

»Ich wollte nichts essen. Ich suchte dich.«

»Ich war an der Klippe, habe überlegt, ob ich zum Strand runterklettern sollte.« Sie strich ihr Haar zurück. Herbert starrte ihre Lippen an. Waren sie geschwollen? »Warum hast du mich gesucht?«

Er streckte die Hände nach ihr aus. »Deshalb.«

Sie wich etwas zurück. »Wenn es wieder so gut geht, können wir auch zum Strand gehen. Oder in die Stadt fahren. Der Bus fährt in zwanzig Minuten.«

»Wir haben noch nicht gevögelt, seit wir hier sind«, sagte er. »Du hast doch nicht die Tage?«

»Lass mich erst duschen«, sagte sie.

»Ich mag dich so . . .«

Sie schob ihn zur Seite und ging ins Bad. Nachdrücklich schloss sie die Tür, legte jedoch den Riegel nicht vor. Mit angehaltenem Atem wartete sie. Als Herbert keine Anstalten machte, ihr nachzukommen, streifte sie das Kleid ab und untersuchte die Spuren von Probeks Händen, bevor sie die Dusche aufdrehte und kaltes Wasser auf ihre Haut prasseln ließ.

Als sie ins Zimmer zurückkehrte, hielt sie eins der großen Badetücher vor ihren Körper und tat so, als ob sie sich noch abtrocknete.

Herbert lag auf dem Bett und starrte sie an. Sie schlüpfte neben ihn und ließ sich von ihm umarmen.

»Deine Haut ist so kalt«, flüsterte er und wollte sie auf den Bauch drehen.

Sie klammerte sich an ihm fest und schlang ihre Beine um seine Hüften. »Komm«, flüsterte sie in sein Ohr. »Komm! Ich halte es nicht mehr aus!«

Es war sehr schnell vorbei. Sie hatte ihn kaum gespürt. Er grinste sie an.

»Das war gut, was?«

»Ja.«

Er streichelte sie mechanisch, wie er es immer hinterher tat. Dabei entdeckte er den großen, jetzt blauen Fleck an ihrer linken Brust, und dann sah er den langen Striemen an ihrem Bauch und einen Kratzer an der Hüfte.

»Wo hast du das denn her?«, fragte er.

»Ich bin von der Klippe gerutscht«, antwortete sie.

Er wollte sie jetzt genauer untersuchen und beugte sich über den Kratzer. Darunter waren auch die inzwischen blutunterlaufenen Fingerabdrücke zu sehen.

»Was fällt dir ein!«, sagte sie scharf und zerrte die Decke über sich. »Lass mich jetzt in Ruhe. Ich will etwas schlafen.«

Sie wälzte sich auf die Seite. Sie schlief fast augenblicklich ein, obwohl sie wusste, dass Herbert Verdacht geschöpft hatte.

»Man sieht dich ja gar nicht mehr!«

Er stand hinter ihr, als sie noch einmal ans Büfett gegangen war, um etwas von dem Fischsalat nachzunehmen. Sie drehte sich nicht um. Herbert saß am Fenster, und sie wusste, dass er sie beobachtete.

Er berührte sie mit der Hüfte. Sie wich aus, blieb aber am Käsetablett noch einmal stehen.

»Gib ihm von den in Öl gebackenen Auberginen«, schlug Probek vor. »Dann bekommt er wieder Durchfall.«

Sie schnitt ein Stück Schafskäse ab. »Wir fliegen übermorgen zurück«, sagte sie. Die vierzehn Tage waren fast vorüber. Die letzten zehn hatte sie sich nur gelangweilt. Herbert hatte sie keinen Schritt allein gehen lassen. Er war sogar mit zum Strand gegangen und hatte Sonnenbrand und Quallenverbrennungen ertragen.

»Ich melde mich bei dir zu Hause«, sagte Probek, der an ihr vorbeilangte und nach einem Stück Camembert angelte. Er wandte den Kopf und sah sie an. »Ich weiß, wo du wohnst. Ich habe mich erkundigt. Auf bald.«

Als er sich abwandte, pfiff er vor sich hin.

Kapitel 2

»Zieh dich an!«, sagte er.

Er zog seine Hose hoch und klappte den Koffer auf, der seine Ausrüstung enthielt. Er stellte das Walkie-Talkie, den kompakten Multifrequenz-Empfänger mit integriertem Scanner und den Feldstecher auf den kleinen Tisch neben dem Fenster. Dann holte er das Telefon vom Nachttisch. Das Kabel reichte gerade bis zum Fenster. Als Probek ein frisches Hemd aus dem Koffer nahm, erkannte sie den Umriss der großen Pistole, die in ein Handtuch gewickelt war.

Jutta wusste, dass die Pistole nicht die einzige Waffe war, die Probek bei sich hatte. Das zerlegte Präzisionsschützengewehr befand sich vermutlich ganz unten im Koffer.

Sie sah durch die Gardine nach unten. Die Sonne zeichnete eine breite Bahn auf das alte Kopfsteinpflaster. An den Parkuhren standen jetzt die ersten Fahrzeuge. Der dicke Bäcker stellte die Tür zu seinem Café auf, damit die Putzfrau die Stufe wischen konnte. Die großen Scheiben der Bankfiliale schimmerten schwarz und blind.

Sie wandte sich um und sah Probek zu, der die Batterien des Funkgerätes überprüfte.

»Was hättest du getan, wenn du mich nicht rumgekriegt hättest!«, fragte sie.

Er hob gleichmütig die Schultern. »Es gab nur die zwei Möglichkeiten«, sagte er. »Mitmachen oder nicht.«

Er sah sie nicht an. Sein Gesicht war flach und starr, die Lippen straff. Die Augen verrieten etwas von der ungeheuren Anspannung, unter der er stand.

Sie strich über ihre nackte Haut. Sie fröstelte plötzlich. Rasch zog sie sich an. Er achtete nicht auf sie. Alles war besprochen. Es konnte nur klappen oder schiefgehen.

»Mach's gut«, sagte sie, bevor sie die Tür öffnete.

Er stand vorm Fenster und wandte ihr den Rücken zu. Er verdrehte den Kopf und sah sie über die Schulter hinweg an. Seine Augen schienen tiefer als gewöhnlich in den Höhlen zu liegen. Vielleicht sah es auch nur so aus, überlegte sie, weil die Sonne schräg über sein Gesicht fiel und die knochigen Vorsprünge des Jochbeins Schatten über die Augen warfen.

»Ich rufe dich an, sowie er aus dem Haus geht«, sagte sie.

Er nickte. »Du schaffst es«, sagte er.

Das City-Hotel am Herzogplatz war erst vor drei Jahren auf dem Grundstück eines alten Kinos und eines vierstöckigen Mietshauses entstanden. Es war ein modernes Hotel von internationalem Zuschnitt. Eigene Pendelbusse verkehrten zwischen dem Hotel und dem Flughafen. In der Halle herrschte deshalb ein ständiges Kommen und Gehen. Schon am frühen Morgen türmte sich das Gepäck der Reisenden vor den Lifts und in den Ausgängen.

Kein Mensch achtete auf Jutta Ehser, als sie aus dem Aufzug trat. Die Halle war großzügig geschnitten und im Winkel angelegt. Ein Ausgang ging auf den Herzogplatz hinaus, ein anderer auf die Bundesstraße, die an der Altstadt vorbeiführte. In dem Haltestreifen warteten immer einige Taxis.

Jutta stieg in das vorderste Taxi. Der Fahrer warf ihr nur einen flüchtigen Blick zu.

»Zum Bahnhof«, sagte sie.

Vom Bahnhof aus fuhr sie mit der U-Bahn zum Oberfelder Tor, wo sie ihren Wagen abgestellt hatte. Bis zu dem Reihenhaus in der Uhlenbergstraße, das Herbert von einer Tante geerbt hatte, war es jetzt nur noch ein kurzes Stück Fahrt gegen den einsetzenden Berufsverkehr.

Probek hatte alle Einzelheiten mit ihr besprochen und jedes Detail immer und immer wieder durchgekaut. Er war vorsichtig und gründlich. Eigenschaften, die sie in ihrem Entschluss bestätigt hatten, sich an seinem Vorhaben zu beteiligen.

Eine Bank auszurauben. Nicht irgendeine. Herberts Bank.

Ihre Arme zitterten plötzlich. Sie stemmte sie gegen das Lenkrad. Für eine Umkehr war es jetzt zu spät. Sie musste ihrem eigenen Plan folgen, wenn sie frei sein wollte.

Sie stellte ihren Escort vor dem Haus ab, stieg aus und ging hinein. Es war kurz nach halb acht.

Herbert kam aus der Küche. Er hatte schon gefrühstückt.

»Du bist früh dran«, sagte sie.

Er sah sie mit diesem eigenartigen Ausdruck in den Augen an, der eine Mischung aus Hass, hündischer Ergebenheit und maßlosem Zorn darstellte. Sie wusste, dass er einer offenen Auseinandersetzung ausweichen würde wie meistens. Die Zeit der offenen Wutanfälle, bei denen physische Gewalt in der Luft gelegen hatte, war ohnehin längst vorbei.

»Ist noch Kaffee da?«, fragte sie.

»Den musst du dir schon selbst machen«, sagte er, und kalt fügte er hinzu: »Ich an deiner Stelle würde erst ein paar Stunden schlafen. Vielleicht siehst du dann etwas besser aus.« Er nahm sein Jackett von der Garderobe und zog es an. »Ich muss jetzt gehen.«

Sie sah auf die Uhr und runzelte die Stirn. An jedem anderen Tag hätte sie keinen Gedanken daran verschwendet, wenn Herbert eine halbe Stunde früher aus dem Haus gegangen wäre, obwohl er ein Pedant war, ein Gewohnheitsmensch, für den jede Abweichung von der Routine mehr oder weniger eine Katastrophe darstellte.

Heute war alles anders. Heute kam es darauf an, dass er zur üblichen Zeit an seinem üblichen Platz war. Nicht zu spät, aber auch nicht zu früh.

Laut fiel die Haustür ins Schloss. Augenblicke später hörte sie seinen Wagen aus der Garage rollen. Vor zwei Jahren hatte er einen gebrauchten Mercedes gekauft, den sie allerdings nicht fahren durfte. Das war der Grund, weshalb sie einen eigenen Wagen zur Verfügung hatte. Aber was hieß das schon! Er rechnete ihr jeden Pfennig vor, den der Escort kostete, und in regelmäßigen Abständen kontrollierte er den Kilometerstand. Um den Verbrauch zu berechnen, behauptete er.

Er überwachte sie. Sie kannte seine Schnüffler-Mentalität, und sie verabscheute sie.

Zuerst hatte er sie knappgehalten, weil er hoffte, sie würde bald wieder arbeiten, um finanziell unabhängig zu sein. Sie hatte als Kontoristin bei einer Versicherung gearbeitet, den Job aber aufgegeben, als sie schwanger wurde. Nach der Fehlgeburt hatte sie sich mit immer neuen Vorwänden davor gedrückt, eine neue Stelle zu suchen. Später, als Herberts kleinliche Art unerträglich wurde, war es dann zu spät gewesen. Computer hatten Einzug in die Büros gehalten, und sie traute es sich nicht zu, umzulernen. Wahrscheinlich scheute sie die Konkurrenz der jungen Mädchen, die wie selbstverständlich mit den Terminals umgingen.

Für Juttas Scheu vor der Computertechnik hatte Herbert kein Verständnis. Seit die Bank ihn auf verschiedene Lehrgänge geschickt hatte, hatte er sich zum Elektronikfreak entwickelt. In seinem Arbeitszimmer oben im Haus stand ein moderner Personalcomputer, und im Bastelkeller häuften sich elektronische Bauteile, aus denen er immer neues Spielzeug zusammenbastelte. Weckvorrichtungen und Alarmanlagen, Steuerungen für das Garagentor oder die Zentralheizung, und eine drahtlose Wechselsprechanlage, die kein Zimmer im Haus ausließ. Seit er von ihrer Affäre mit Probek wusste, hatte sich seine Bastelwut zur Besessenheit gesteigert. Jede freie Minute verbrachte er entweder vor dem Bildschirm des Computers oder an der Werkbank im Keller.

Er wich ihr aus, weil er die Konkurrenz ihres Liebhabers fürchtete.

Jutta rief das City-Hotel an und ließ sich mit Zimmer 411 verbinden.

Probek meldete sich mit einem neutralen »Hallo.«

»Hallo«, sagte sie. »Ich bin allein.«

Wenn er sich wunderte, dass Herbert heute früher gegangen war, ließ er es sich nicht anmerken.

»Schön«, sagte er.

»Warte!«, rief sie schnell, weil sie wusste, dass er aufgelegt hätte.

»Ja?«, fragte er. Seine Stimme klang glatt und unbewegt.

»Ach, nichts«, sagte sie. »Es ist alles in Ordnung.«

»Bestimmt?«, fragte er.

»Natürlich«, sagte sie und legte auf.

Was hatte sie eigentlich von Probek erwartet, von ihrer Affäre mit ihm erhofft? Leidenschaft und Liebe? Beides ließ sich ihrer Erfahrung nach nicht verbinden. Leidenschaft oder Liebe. Liebe bedeutete Geborgenheit, wenn sie erwidert wurde. Leidenschaft fragte nicht nach Treue oder Beständigkeit. Leidenschaft war etwas für den Augenblick, sie verlangte allerdings Wiederholung, eine Steigerung der Dosis. Leidenschaft kann süchtig machen.

Die beiden Begegnungen mit Probek auf Ibiza hatten das Feuer so eben angezündet. Jutta hatte geglaubt, es würde von selbst erlöschen, weil Probek sich nicht meldete. Nach vier Wochen war sie überzeugt, dass er sie vergessen hatte.

Aber an einem Mittwochmorgen Anfang September drängte er sich erneut in ihr Leben. Er rief nicht an, er kam gleich selbst.

Herbert war eben abgefahren, als es an der Tür klingelte. Sie hatte sich entschlossen, das Haus bis zum Mittag auf Hochglanz zu bringen, weil sie am Freitag Gäste erwarteten. Herbert hatte zwei Kollegen, Leiter anderer Filialen der Spar- und Kreditbank mit ihren Frauen, zum Essen eingeladen. Sie trug ein Kopftuch und eine Schürze und kam sich entsetzlich hausbacken vor, als er ihr so unverhofft gegenüberstand.

»Hallo«, sagte er und ließ die weißen Zähne im gebräunten Gesicht blitzen. Sein Haar war ausgebleicht. Er hatte einen Fuß auf die Eingangsstufe gestellt und stützte einen Arm auf den Oberschenkel. Seine grauen Augen musterten sie herausfordernd.

»Da bin ich.«

Sie brachte zunächst kein Wort heraus. Mit einer unsicheren Bewegung streifte sie das Kopftuch ab und schüttelte ihr Haar auf.

»Die Schürze wäre ganz hübsch«, sagte er, »wenn du sonst nichts anhättest.«

»Bist du schon lange zurück?«, fragte sie endlich.

»Ein paar Tage«, antwortete er unbestimmt. Er wandte den Kopf. »Wie sind die Nachbarn hier?«, fragte er. »Kriegen sie alles mit? Reden sie gern?«

Sie zog scharf die Luft ein. »Komm rein«, sagte sie hastig.

Sie roch sein herbes Gesichtswasser, als er sich an ihr vorbeischob.

»Geh da rein«, sagte sie und deutete auf die Tür zum Wohnzimmer. »Pass auf, fall nicht über den Staubsauger!«

Sie legte die Schürze ab und betrachtete sich kurz im Garderobenspiegel. Sie trug enge, alte Jeans, die ihre Hüften unvorteilhaft betonten. Vor kurzem hatte sie allerdings gelesen, dass ein breiter Hintern auf Männer sinnlich wirkte. Sie hatte es nicht für nötig gehalten, einen Büstenhalter anzuziehen. Unter der einfachen Leinenbluse zeichnete sich die feste Fülle deutlich ab, und ganz plötzlich schwollen die Warzen an.

Die Flamme loderte wieder auf.

Sie lagen auf der Couch im kleinen Gästezimmer. Die Sonne schien durch das Giebelfenster. Es war sehr heiß.

Jutta bewegte sich. Ihre Brüste schmerzten, doch der Schmerz machte ihr nichts aus. Sie hatte nur Angst, wieder blaue Flecken abbekommen zu haben.

»Ich möchte duschen«, sagte sie.

Probek legte seinen Arm über sie und presste seinen Oberschenkel über ihren Unterleib.

»Wofür?«

»Ich . . . rieche nach Schweiß.«

»Du riechst nach Frau.«

»Deshalb will ich duschen.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich mag das so.«

Unter seinem Gewicht konnte sie sich kaum rühren. Sein Glied schwoll wieder an. Sie half mit einer Hand nach. Sein heißer Atem strich an ihrem Hals entlang. Sie schrie, als er in sie hineinstieß und sich wild bewegte. Nebenan im Schlafzimmer - im ehelichen Schlafzimmer - läutete das Telefon. Sie hörte es schrill in ihrem Hirn. Sie wusste, dass Herbert am Apparat war. Er rief immer vom Büro aus an.

Sie warf sich dem Mann entgegen. Er umklammerte sie keuchend. Die Couch stieß gegen die Wand. Sie zuckte, als er endlich erschöpft über sie fiel. Das Telefon klingelte immer noch. Oder wieder. Es spielte keine Rolle.

Sie zog den Morgenmantel über, als sie hinunterging. Er folgte ihr in die Küche. Träge zog er an seiner Zigarette und sah ihr zu, wie sie Kaffee zubereitete. Er hatte nur seinen Slip angezogen. Es war der rote, den sie schon auf Ibiza gesehen hatte.

»Lass keine Asche fallen«, sagte sie. »Herbert raucht nicht.«

Probek schnippte die Asche ins Spülbecken. »Er passt nicht zu dir«, sagte er.

»Wer? Herbert? Woher willst du das wissen?«

»Ich habe euch beobachtet. Im Hotel.«

»Er ist nicht schlecht«, verteidigte sie ihn.

»Nicht schlecht ist nicht gut. Was ist so Besonderes an ihm?«

»Er ist in Ordnung«, sagte sie unwillig.

Er grinste. »Schon gut, schon gut! Du musst ja mit ihm leben.«

»Genau.« Sie stellte Tassen zurecht und holte die Milch aus dem Kühlschrank.

»Ich trinke ihn schwarz. Und ohne Zucker.«

Er setzte sich auf einen Stuhl und legte die Arme auf den Tisch. Sie waren dunkelbraun gebrannt und dicht mit hellen Haaren bedeckt.

»Hast du schon mal daran gedacht, ihn zu verlassen?«, erkundigte er sich, als sie den Kaffee einschenkte.

»Dran gedacht — ja. Aber ich werde es nicht tun«, erklärte sie mit Nachdruck.

»Nein? Warum nicht?«

»Könntest du mir die Sicherheit bieten, die er mir bietet?«

»Ich?« Probek lachte. »Himmel, nein!«

»Dann kennst du die Antwort«, sagte sie.

Sie schien ihm zu gefallen, denn er lächelte jetzt.

Kapitel 3

Probek setzte den Feldstecher an die Augen, als das schlanke, blonde Mädchen aus der Antoniusstraße kam. Probek lächelte wie ein Mann, der sich über das pünktliche Erscheinen seines Mädchens freute.

Probek kannte die Daten aller Angestellten der Spar- und Kreditbank vom Herzogplatz. Das blonde Mädchen hieß Gudrun Kaymer. Sie war weder verlobt noch verheiratet, lebte bei ihren Eltern und arbeitete als Kundenberaterin in der Bankfiliale.

Gudrun Kaymer oder Josef Feldhaus, einer der drei Kassierer, kamen stets als erste an. Feldhaus besaß einen Schlüssel zu der Eingangstür, die tief zurückgezogen fast an der Ecke des Gebäudes lag. Durch die Tür gelangte man in einen Flur, an dem die besonders gesicherte Tür in die Schalterhalle der Filiale lag.

Eine Treppe führte zu den Wohnungen in den fünf Etagen über der Bank.

Probek hatte die Örtlichkeiten genau erkundet. Er hatte sogar erwogen, die kleine Apartmentwohnung im dritten Stock über der Bank zu mieten, als sie im vergangenen November frei wurde, sich dann aber doch dagegen entschieden. Die Position über der Bank brachte keine Vorteile. Das Hotel war für seine Zwecke geeigneter. Von hier aus konnte er sehen, was vor der Bank vorging. Und er konnte durch die Halle des Hotels zur Bundesstraße hin verschwinden. Und zurückkehren, wenn es sich als notwendig erweisen sollte.

Gudrun Kaymer winkte der älteren Verkäuferin im Café zu, als sie an der offenen Tür vorbeiging. Dann blieb sie im Hauseingang der Bank stehen.

Probek stellte den Feldstecher genau auf ihr Gesicht ein. Die Gardine vorm Fenster behinderte die Sicht kaum.

Das Mädchen sah sich um. Probek konnte genau ihre hellblauen, leuchtenden Augen erkennen. Die geschwungenen Lippen öffneten sich zu einem schnellen Lächeln, als sie Feldhaus erblickte, der aus der anderen Richtung herankam. Feldhaus stellte seinen Wagen in einem Parkhaus an der Bundesstraße ab.

Mit seinen 52 Jahren war Josef Feldhaus der älteste Angestellte der Filiale am Herzogplatz. Er kleidete sich jugendlich, doch sein dicker Bauch und der runde Schädel mit dem grauen Haarkranz und der kahlen Stelle in der Mitte machte alle Bemühungen, jünger zu wirken, zunichte.

Er begrüßte Gudrun Kaymer mit Handschlag, bevor er umständlich die Tür aufschloss und der jungen Kollegin den Vor tritt ließ.

Als die Aluminiumtür wieder ins Schloss fiel, setzte Probek das Glas ab und sah auf die Uhr. Es war fünf Minuten nach acht.

Er trank einen Schluck von dem kalt gewordenen Kaffee und zündete dann eine Zigarette an.

Seit einem halben Jahr stieg er in unregelmäßigen Abständen im City-Hotel ab. Er blieb jeweils drei oder vier Tage. Sein Frühstück bestellte er aufs Zimmer. 7 Uhr 30, vermerkte er auf dem Bestellzettel, den er abends außen am Türgriff befestigte. Wenn der Etagenkellner klopfte und Probek ihm das Tablett abnahm, hängte er das Bitte-nicht-stören-Schild hinaus. Immer hielt er sich bis zum Mittag im Zimmer auf. Im Verlauf des Vormittags führte er mehrere Telefongespräche, damit einige Einheiten unten auf dem Zähler registriert wurden. Er war ein Vertreter, der seine Geschäfte vom Hotel aus einleitete, eine Tarnung, die auch einer etwas genaueren Nachprüfung standhalten würde.

Auch heute war er keinen Millimeter von dieser Routine abgewichen.

Bisher nicht, wie er einschränkend feststellte. Denn heute würde alles anders sein. Auf diesen Tag hatte er lange hingearbeitet. Mehr als ein Jahr lang.

Ruhig rauchte er die Zigarette zu Ende. Als er sie ausdrückte, gerieten Otten und Lipmann, zwei weitere Bankangestellte, in sein Blickfeld.

Genau nach Plan, stellte Probek fest. Es war 8 Uhr 11. Er nahm das Handfunkgerät auf und drückte die Sprechtaste.

»Seid ihr startbereit?«, fragte er.

Keinen Namen, nicht einmal Codebezeichnungen wie »Hier Apollo, Merkur bitte melden«. Jeder überflüssige Firlefanz konnte zu Pannen führen. Die drei Männer im Wagen wussten, wer sprach, auch wenn sie seinen Namen nicht kannten. Es genügte, dass er sie kannte und alles über sie wusste. Er war der Boss.

»Startbereit.«

Die Stimme klang blechern und schwach, weil der Sprecher in einem geschlossenen Fahrzeug saß. Nachher, wenn er erst mal in der Bank war, würde die Verständigung besser sein. Sie hatten es getestet.

»Los dann«, sagte Probek.

Er sah nach links, wo ein blauer Rekord von der Keplerstraße her in den Herzogplatz einbog. Undeutlich konnte er die Umrisse der Insassen ausmachen. Junghein und Britz saßen vorn, Hilmer hinten.

Ruhig lenkte Junghein den Wagen um den halben Platz herum. Otten und Lipmann, die beiden Bankangestellten, blieben kurz stehen, um dem Fahrer Gelegenheit zu geben, ihn in die Lücke vor einer Parkuhr zu setzen. Probek hatte fest damit gerechnet, dass die Männer eine freie Parkuhr vorfanden. Er hatte nicht erlebt, dass einmal vor neun Uhr alle Plätze belegt gewesen wären.

»Position erreicht«, meldete Hilmer, der während der Anfahrt das Walkie-Talkie bediente.

Jetzt reichte er es Junghein, so hatten sie es besprochen.

Otten und Lipmann überquerten die Straße und steuerten den Nebeneingang zur Bank an.

Probek hob das Fernglas an die Augen. Otten drückte den Klingelknopf. Britz und Hilmer erreichten den Eingang. Lipmann, ein jüngerer Mann mit offenem Gesicht und arglosen Augen hinter dicken Brillengläsern, nickte dem vierschrötigen Britz freundlich zu.

Die Tür sprang auf. Britz und Hilmer betraten hinter den Bankangestellten das Haus. Für Probek unhörbar fiel die Tür ins Schloss.

Jungheins Stimme klirrte aus dem Lautsprecher des Handfunkgerätes.

»Wir sind drin!«

»Verstanden«, bestätigte Probek.

Weder Junghein noch die anderen beiden wussten, wo er, Probek, während des Überfalls steckte.

Probek schaltete das Multifrequenzgerät ein. Der eingebaute Lautsprecher gab den Funkverkehr der Polizei fast störungsfrei wieder.

». . . Erna für Erna 17, kommen.«

»Erna 17.«

»Fahren Sie Kalkhof 44 an, ein Mieter meldet Wohnungseinbruch. — Erna 9, können Sie einen Unfall an der Uhlandstraße aufnehmen?«