Dr. med. Mirriam Prieß

Die Kraft des Dialogs

Gelingende Beziehungen mit dem Dialogprinzip – privat, beruflich, zu mir selbst

Impressum

1. Auflage 2021
© 2021 by Südwest Verlag, einem Unternehmen
der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München

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Projektleitung: Andrei-Sorin Teusianu
Redaktion: Martin Stiefenhofer
Korrektorat: Clemens Sorgenfrey
Herstellung: Timo Wenda
Satz/DTP: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-26872-5
V001

Inhalt

Vorwort

1. Kapitel: Leben ist gelingende Beziehung!

Gelingt Beziehung, gelingt Leben!

Wie wir in Beziehung stehen

Vertrauen

Je gestörter das Vertrauen, umso gestörter die Beziehung

Sich beim anderen zu Hause fühlen

Für eine gelingende Beziehung – der Dialog

Das Dialogdreieck

1. Dialogaspekt – das Gleichgewicht zwischen Ich, Du und Wir

Wir

Ich, Ich und noch mal Ich!

Immer nur Du und Wir

2. Dialogaspekt – Funktionalität verhindert Begegnung

3. Dialogaspekt – das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen

Die Schwierigkeit zu nehmen

Das Leben in Extremen

Das Gleichgewicht in schlechten Zeiten

Das Gegenteil von Begegnung – Symbiose

4. Dialogaspekt – gelingende Beziehung beginnt mit der Beziehung zu mir selbst

Ein freies und eigenes Ich

2. Kapitel : Der äußere Dialog – die fünf Voraussetzungen

Beziehung und verkörperte Atmosphäre

Interesse (oder: Wenn das Einfache das Schwierigste ist)

Nur echtes Interesse verbindet

Offenheit

Offenheit zeigt innere Stärke und Selbstbewusstsein

Wie erkenne ich, dass das Gegenüber nicht offen ist?

»Wer redet, ist weg vom Fenster!«

Durch Offenheit zurück ins Leben

Empathie

Ich fühle, was du fühlst

Mitgefühl

Erst einfühlen, dann mitfühlen!

Grenzverletzungen und Manipulation – wenn Empathie destruktiv wird

Ich suche meine Identität in dir

»Ihre linke Seite tut weh? Sie haben ein Mutterproblem!«

Augenhöhe und Respekt

Falsche Augenhöhe statt echtem Dialog

Augenhöhe in Unternehmen

Augenhöhe dem Leben gegenüber

Entscheidungen auf Augenhöhe treffen

Ein Leben auf Augenhöhe – eine Illusion?

Augenhöhe in dem, was wir tun – die richtige Zielsetzung

Fehlerkultur in Unternehmen

Die richtige Nähe und die richtige Distanz – ein Ausdruck von Augenhöhe und Respekt

Begegnung braucht Grenzen

Grenzen respektieren und aussprechen

Dialog und Social Media

Augenhöhe in Hierarchien – auf Augenhöhe dem System gegenüber

Hierarchieversagen wegen fehlender Augenhöhe

Wie fehlende Augenhöhe in der Führung Erde verbrennt

Der Alltag in Unternehmen

Wertschätzung und Liebe

Wahre Liebe?

Falsche Liebe und falsche Wertschätzung

Liebe kennt Grenzen!

Der Blickwinkel der Liebe

Jede Heilung ist in der Liebe begründet und findet durch sie statt

3. Kapitel: Der innere Dialog

Ich selbst bin die Antwort

Der innere Dialog

Sei du selbst!

Der inneren Bestimmung folgen? Ich bin ein Lügner!

Die Frage nach dem Echten

Was ist Illusion und was Substanz?

Zurück zu mir selbst – der innere Dialog

Interesse

Offenheit

Empathie

Augenhöhe und Respekt

Augenhöhe als Grundlage für therapeutische Beziehung und Heilung

Wertschätzung und Liebe

Im Dialog mit unseren Gefühlen

Im Dialog mit unseren Gedanken

Die innere Atmosphäre verändern

Projektive Identifizierung

Ein Alltagsphänomen in Beziehungen

4. Kapitel: Innere Realitäten

Warum Beziehung scheitert

Wie sich Beziehungsmuster entwickeln

Der Weg zur gesunden Beziehung

So entsteht das Ich des Kindes

Schwangerschaft

Geburt und die ersten Lebensjahre

Fähig zum Du und zum Wir

Von Beginn an die richtige Nähe und Distanz

Das Gleichgewicht zwischen Ich, Du und Wir

Fehlende Begegnung führt zur Egozentrik

Innere Realitäten – falsche Beziehungswahrheiten

Der Dialog gelingt – auf der richtigen Beziehungsebene

Wie unterscheide ich neurotische und wesentliche Beziehungsebene?

Wie finde ich mein wahres Selbst?

5. Kapitel: Kränkung und Verletzung heilen mit dem Dialogprinzip

Gelingende Beziehung erfordert die Bereitschaft zu vergeben

Drei notwendige Schritte

Heilung durch Begegnung

Schlusswort: Im Dialog mit dem Leben

Anhang

Auflösung

Begriffserklärungen

Bitte nehmen Sie ein Blatt Papier und machen Sie eine Bestandsaufnahme Ihrer Beziehungen. Erstellen Sie eine Liste der Menschen, mit denen Sie in einer für Sie wichtigen Beziehung stehen, geschäftlich oder privat. Wenn Sie damit fertig sind, legen Sie das Blatt zur Seite und beginnen mit diesem Buch.

Vorwort

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum einige Menschen scheinbar mühelos glücklich sind und andere Menschen trotz großer Anstrengung in ihrem Leben nicht weiterkommen? Warum überwinden manche die tiefste Krise und gehen aus ihr gestärkt hervor, während andere über ihren Verletzungen resignieren, an ihren Kränkungen verbittern oder nach einem Burnout nicht in das Leben zurückfinden? Was macht psychische Widerstandskraft aus – und ist es möglich, diese auch noch im Erwachsenenalter zu entwickeln?

Als ich damals meine Arbeit mit Burnout-Betroffenen begonnen habe, wusste ich nicht, wohin mich das führen würde. Ich wusste nicht, dass sie der erste Schritt für eine eigene Therapierichtung sein würde, und ich ahnte damals noch nicht, welche Antworten sich im Laufe der Zeit daraus ergeben würden. Das einzige, was mir damals, als ich noch in einer Klinik arbeitete, deutlich wurde, war, dass mehr hinter der Erkrankung Burnout stecken muss als die reine Überlastung durch Stress. Es musste mehr dahinter stecken, dass sich eine immer größere Zahl von Menschen erschöpften und die psychosomatischen Symptome und Erkrankungen rapide anstiegen. Die Behandlungsmöglichkeiten, die ich damals lernte, erlebte ich als einen guten Ansatz, aber alles bewegte sich immer in einem in sich geschlossenen System von Störung. Ich lernte, Krankheiten zu erkennen und Menschen mithilfe verschiedener Diagnosen einzuteilen, die sich nach Krankheitssymptomen gliederten – aber ich lernte nicht, was Gesundheit eigentlich ausmacht. Ich lernte, welche unterschiedlichen psychischen und psychosomatischen Störungen es gibt und welche Therapiemöglichkeiten dafür angewandt wurden – aber ich bewegte mich die ganze Zeit im System der Störung. Irgendwann fragte ich mich, ob es überhaupt möglich ist zu heilen, wenn man innerhalb des Systems der Störung bleibt. Ist Heilung möglich, solange ich in Störungsbildern und Krankheitsdiagnosen denke?

Wie kann ich Menschen helfen, gesund zu werden, wenn ich nur in Krankheit unterrichtet werde? Wenn ich Krankheit verstehe, aber kein Bild von dem vermittelt bekomme, was Gesundheit ausmacht?

Die Therapieergebnisse waren mäßig – sicherlich wurden bei den meisten Patienten die Symptome weniger, aber hatte das mit Heilung zu tun? Ich hatte das Gefühl, dass die Oberfläche zwar beruhigt und die Symptome gemildert waren, nicht aber wirklich an der Ursache gearbeitet wurde.

Doch was war die Ursache?

Was steckte dahinter, dass immer mehr Menschen sich erschöpften, die psychosomatischen Erkrankungen zunahmen und auch immer mehr junge Leute betroffen wurden. Gab es eine Wurzel zu all dem? Einen Kern, auf den die unterschiedlichen Ausprägungen zurückzuführen wären?

Die Arbeit mit Burnout-Betroffenen führte mich zu diesem Ansatz. Als ich entdeckte, was tatsächlich hinter der Erschöpfung stand, begann meine Reise, die am Ende mit einem eigenen Therapiekonzept enden sollte. Ein Konzept, das nicht die Krankheit als Grundlage nimmt, sondern das, was gesundes Leben ausmacht. Ein Konzept, das in jeder Krankheit oder Störung einen an sich gesunden Ausdruck eines Menschen (oder eines Systems oder einer Situation) versteht, der aus dem wesentlichen Gleichgewicht geraten ist.

Ob Sie in einer privaten oder beruflichen Konfliktsituation sind, unter unterschiedlichen psychosomatischen Erschöpfungssymptomen leiden oder feststellen, dass Sie die Beziehung zu sich selbst oder den Bezug zu Ihrem Leben verloren haben – in diesem Buch geht es darum, zurück zu dem zu finden, was gesundes und erfolgreiches Leben ausmacht: Zur gelingenden und erfüllten Beziehung.

Jeder von uns kann diese erreichen, wenn er einige entscheidende Punkte beachtet, denn wir selbst haben es in der Hand, ob unsere Beziehungen gelingen.

1. Kapitel

Leben ist gelingende Beziehung!

Gelingt Beziehung, gelingt Leben!

Wenn Sie einmal innehalten und sich fragen, wann Sie in Ihrem Leben am glücklichsten waren, wann Sie das Gefühl hatten, »richtig gelebt« zu haben – was würden Sie antworten? Befragt man Menschen, was die größte Zufriedenheit verursacht, so ist die Antwort: »Wenn ich mich nicht verstellen muss und das leben kann, was mir entspricht.« – »Wenn ich so sein kann, wie ich bin, mein Umfeld mich annimmt, liebt und bestärkt.« – »Ich bin dann am glücklichsten, wenn meine Beziehungen erfüllt und glücklich sind.«

Beziehung ist ein aktiver Gestaltungsprozess von allen Beteiligten in jedem Moment.

Eine Harvard-Studie befragte Menschen, die am Ende ihres Lebens standen, was ihnen im Leben rückblickend am wichtigsten erschien. Die Antwort war: glückliche Beziehungen.

Leben ist Beziehung. Wir stehen ständig in Beziehung, beruflich wie privat, wir stehen in Beziehung zu unserer Umwelt, zu dem System, in dem wir uns befinden, und wir stehen in Beziehung zu dem Leben an sich, zu dem Leben, das wir führen. Wir stehen in Beziehung zu dem, was wir tun, und wir stehen in Beziehung zu uns selbst.

Gelingen unsere Beziehungen, gelingt unser Leben.

Wie wichtig gelingende Beziehung für unsere Gesundheit ist, erkannte ich während meiner klinischen Arbeit das erste Mal in aller Eindrücklichkeit. In der Schwerpunktarbeit mit Burnout-Patienten wurde mir relativ schnell deutlich, dass die damals noch allgemein verbreitete These »Burnout kommt durch zu viel Arbeit« nicht richtig war, sondern dass die tatsächliche Ursache der Erschöpfung anderswo lag. Jeder der Betroffenen berichtete davon, dass er sich entweder in konfliktreichen Beziehungen befand, keine sozialen Kontakte mehr besaß – und jeder hatte die Beziehung zu sich selbst verloren.

So berichtete eine Frau von einem jahrelangen Konflikt an ihrem Arbeitsplatz, wo sie vergeblich um Respekt und Anerkennung kämpfte. Ein Mann erschöpfte sich an einem nicht enden wollenden Kampf mit seiner Partnerin. Und eine junge Studentin verlor ihr inneres Gleichgewicht durch eine Mobbingsituation an der Uni. Alle beschrieben zusätzlich, dass sie kein Gefühl mehr für sich selbst besaßen, sich selbst entweder in aussichtslosen Kämpfen verloren oder aber nie wirklich eine Beziehung zu sich selbst gehabt hatten. »Ich habe nie viel von mir gehalten«, »Ich habe immer eine Rolle gespielt« oder »Ich war es nie wirklich wert, ich selbst zu sein« waren häufige Aussagen.

Wie wir in Beziehung stehen

Es gibt wohl niemanden, der, vielleicht nach einem kurzen Innehalten, verneinen würde, dass eine gelingende Beziehung zentral für unser Leben und unsere Gesundheit ist – genauso wie es wohl niemanden gibt, der sich dies nicht für sich selbst wünscht. Wir wollen glücklich sein, wir wollen erfüllte Beziehung und wir wollen auch erfolgreich sein in dem, was wir tun.

Doch so selbstverständlich es auf der einen Seite von jedem gewünscht wird, so schwierig scheint es zu sein, den Wunsch in die Realität umzusetzen. Mittlerweile wird mehr als jede zweite Ehe geschieden, der »Geschlechterkampf« bleibt virulent, die gesellschaftliche Spaltung wächst und die psychosomatischen Erkrankungen nehmen zu. Betroffen sind davon längst auch immer mehr junge Menschen. Kürzlich veröffentlichte die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) einen Bericht, dass sich die Depressionsrate bei den 7- bis 17-Jährigen verdoppelt habe und die Krankheitsfolgekosten um ein Vielfaches gestiegen seien. Mobbingvorfälle in Schulen sind keine Seltenheit mehr, Diskriminierungen ein Alltagsphänomen. Immer mehr Menschen beklagen, in ihrem Leben nur noch zu funktionieren, anstatt zu leben. Die Entfremdung von sich selbst, verbunden mit der Jagd nach dem unerfüllbaren Superlativ, führt zur wachsenden Erschöpfung. Stationäre und ambulante Therapieplätze sind überfüllt und meist mit langen Wartelisten verbunden.

Waren vor 15 Jahren Coaches in Unternehmen noch relativ ungewöhnlich, so investieren die Unternehmen mittlerweile jedes Jahr wie selbstverständlich hohe Beträge für Stressmanagement, Konfliktmoderationen, Teambuilding und Coachingmaßnahmen. Auch gesellschaftspolitisch verhärten sich die Fronten: Anstatt nach einem fundierten Miteinander zu suchen, gerät das Gegeneinander in den Vordergrund. Die Suche nach Verbündeten ist ebenso groß wie die Suche nach Sündenböcken.

Dies spiegelt sich auch auf der digitalen Ebene wider. Auf der Suche nach einem Wir wird das eigene Ich unbemerkt und selbstverständlich zum Maßstab. Es gibt wohl kaum einen anderen Ort, an dem so ungehemmt wie gnadenlos vernichtet und sich gleichzeitig nach Anerkennung und Bestätigung gesehnt werden kann. Immer häufiger wird die Sorge über die »Verrohung der Sprache« geäußert, die Sorge, in der Verschiedenheit nicht mehr zur Gemeinsamkeit zu finden – und in der Gleichheit die Individualität zu verlieren. Noch nie schien es so schwer wie heute, in all den vorhandenen Möglichkeiten zu einem gesunden und erfüllten Miteinander zu finden.

Doch was braucht es für gelingende Beziehung? Wodurch entsteht echte Solidarität? Was setzt ein erfülltes Miteinander voraus, wie zeichnet es sich aus?

Vertrauen

Befragt man Menschen nach dem Merkmal gelingender Beziehung, so ist eine der häufigsten Antworten: »Vertrauen!«

»Für mich ist ein Zeichen, dass meine Beziehungen gelingen, wenn ich dem anderen vertrauen kann«, sagte eine Frau. »Wenn ich darauf vertrauen kann, dass ich nicht belogen oder betrogen werde.«

»Wenn ich weiß, dass ich auf den anderen zählen kann«, so ein Mann.

»Wenn der andere es gut mit mir meint«, sagte eine Frau.

Vertrauen ist das Fundament für eine gelingende Beziehung und ein Indikator dafür, wie gesund und stabil die Beziehung ist. Je tiefer ich vertraue, umso tiefer ist die Verbindung und umso wohler und geborgener kann ich mich bei dem anderen fühlen. Gleichzeitig ermöglicht das Vertrauen durch ein selbstverständliches Miteinander eine Ebene des gemeinsamen Schaffens und Gestaltens, es bereitet den Boden für Freiheit und Individualität.

So wie das Vertrauen zu einem anderen Menschen die Grundlage für die Beziehung bietet, gilt dies auch für die Beziehung zu mir selbst. Je mehr Selbstvertrauen ich habe, umso gelassener, offener und kreativer kann ich dem Leben und den Menschen begegnen. Das Vertrauen zu mir selbst ist mein innerer Ruhepol und ein entscheidender Teil, aus dem heraus ich mein Leben gestalte.

Je gestörter das Vertrauen, umso gestörter die Beziehung

Während der Grad des Vertrauens kennzeichnend für eine gute Beziehung ist, so ist der Grad des Misstrauens das Kennzeichen für eine gestörte Beziehung. Je größer das Misstrauen, umso gestörter ist das Miteinander – egal, ob es sich dabei um das Miteinander mit »mir selbst«, mit meinem/r Partner/in oder um das berufliche Miteinander handelt.

Wenn Einzelpersonen, Paare oder auch Teams in die Beratung kommen, dann ist bei jedem der Betroffenen das Vertrauen gestört und in vielen Fällen auch zerstört. Man hat das Vertrauen in sich selbst, in seine Fähigkeiten, ins Leben verloren. Man misstraut dem Partner oder dem Kollegen oder seinem Chef. Nicht das »Gute« und Konstruktive wird vermutet, sondern das Gegenteil. Dies geht manchmal so weit, dass die Betroffenen wie gelähmt sind in ihrem Miteinander oder es gar kein Miteinander mehr gibt. Entweder wird kalt geschwiegen oder um jede Kleinigkeit diskutiert und gestritten. Ein gemeinsames Voran gibt es nicht mehr.

Im Bereich der Politik kennen wir das »Misstrauensvotum« als klassisches Instrument in einer Krise, entweder um eine Koalition zu beenden oder aber um alle Beteiligten aufzufordern, die eigene Haltung für ein Wir zu überdenken.

Fehlt das Vertrauen, ist es gebrochen oder gar zerstört, gibt es keine Grundlage für ein Wir. Der Vertrauensverlust ist das Ende einer jeden gelingenden Beziehung und es erfordert viel Arbeit aller Beteiligten, es wiederherzustellen – oder überhaupt, und das ist nicht selten, Vertrauen erstmals zu entwickeln.

Sich beim anderen zu Hause fühlen

Ein weiteres zentrales Gefühl für gelingende Beziehung ist, sich »bei dem anderen zu Hause und beheimatet zu fühlen«.

Wenn Paare in die Beratung kommen, dann fehlt genau dieses Gefühl des Sich-zu-Hause-Fühlens, die Partnerschaft ist zu einem leeren und funktionalen Nebeneinanderher geworden oder aber beide beklagen eine wachsende Entfremdung. In Beratungen von Teams oder auch Einzelpersonen ist ebenfalls das Gefühl der Entfremdung, der Bezugslosigkeit oder des Widerstands gegenüber der Führungskraft oder auch dem System ein zentrales Symptom für die gestörte Beziehung.

Fühle ich mich also in einer Beziehung »fremd« und »leer«, »heimatlos« oder auch »rastlos« und habe das Gefühl des »Nicht Ankommens«, dann ist das ein Indiz dafür, dass die Beziehung, die ich führe, warum auch immer gestört ist. Die Störung kann hierbei sowohl in mir, in dem anderen oder in dem Wir begründet liegen.

Jede Beziehung, die wir führen, verlangt eine aktive Gestaltung und Zutun durch uns selbst. Vertrauen oder das Gefühl des Zuhauseseins – beides »fällt nicht von Himmel«. Damit beides entstehen und wachsen kann und unsere Beziehungen gelingen, brauchen wir den Dialog.