Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Der alleinerziehende Vater Scott Dixon war wirklich nicht auf der Suche nach einem feurigen One-Night-Stand. Aber als er auf einem Junggesellenabschied die faszinierende Roothaarige mit den unglaublich grünen Augen trifft, kann er nicht widerstehen. Am nächsten Morgen ist sie dann spurlos verschwunden, was Scott mit einem angeknacksten Ego zurücklässt. Doch kurz darauf trifft er sie schon wieder. Allerdings ganz anders als gedacht…. Die frisch geschiedene und alleinerziehende Eva Marchand fängt neu an. In einer Gegend, weit entfernt von ihrem gewalttätigen Ex-Mann, der ihr und ihren beiden Söhnen das Leben zur Hölle gemacht hat. Sie hätte allerdings nie damit gerechnet, dass ihr neuer Nachbar der unvergessliche One-Night-Stand vom letzten Monat sein würde. Und bald schon wird Eva von ihrer Vergangenheit eingeholt, denn Scotts neuer VIP-Kunde ist ausgerechnet ihr Ex-Mann, der fest entschlossen ist, ihnen allen das Leben zur Hölle zu machen …

Willkommen in Seattle, der Heimat der »Single Dads of Seattle«! Zehn attraktive alleinerziehende Väter, die jeden Samstagabend Poker spielen, sich gegenseitig helfen und zuhören, ihre Kinder über alles lieben und vor allem eines hoffen: eines Tages wieder die große Liebe zu finden. Dies ist Scotts Geschichte.

Alle Titel der Reihe »Single Dads of Seattle« können unabhängig voneinander gelesen werden.

Über Whitley Cox

Whitley Cox ist an der kanadischen Westküste geboren und aufgewachsen. Sie studierte Psychologie und unterrichtete zeitweise in Indonesien, bevor sie in ihre Heimat zurückkehrte. Heute ist sie mit ihrer Highschool-Liebe verheiratet und Mutter von zwei Töchtern.

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Whitley Cox

Neighbors with the Single Dad – Scott

Übersetzt von Michelle Landau aus dem amerikanischen Englisch

For Tricia.

My old neighbor who I miss every day.

Sorry we moved.

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Epilog

Impressum

Kapitel 1

Strömender Regen und heftige Windböen fegten an diesem kalten Märzabend durch Seattle. Doch zum Glück tranken Frauen in der angesagten Ludo Lounge heute zum halben Preis, und draußen vor den Fenstern der Bar hätte auch eine Zombie-Apokalypse stattfinden können, ohne dass jemand etwas davon mitbekommen hätte.

Die Außenwelt existierte hier nicht.

Im Laufe der letzten Stunde war die Musik in der Lounge von sanfter Jazzmusik in laute Tanzmusik übergegangen, und Scott Dixon spürte den Bass tief in seiner Brust. Die Cocktailstunde war vorbei – jetzt war es Zeit zu tanzen.

Was für viele auch bedeutete, dass es Zeit war, sich einen One-Night-Stand für die heutige Nacht zu suchen.

Nicht jedoch für Scott. Deswegen war er nicht hier, zumindest nicht heute Abend.

Seit er die Firma gewechselt hatte, sah er Donovan Smythe nur noch sehr selten. Doch vor ein paar Wochen hatte Donovan angerufen, aufgeregt von seiner Hochzeit erzählt und darauf bestanden, dass Scott zu seinem Junggesellenabschied kam. Scott, als mittleres Kind daran gewöhnt, es immer allen recht zu machen, hatte zugesagt.

Nun bereute er es.

Es gab einen Grund, wieso er und Donovan nicht mehr viel miteinander zu tun hatten.

Donovan konnte ein ziemlich aufgeblasener Idiot sein, und seine Freunde waren ganz genauso. Der ganze Trupp bestand aus unausstehlichen Arschlöchern, die Kellnerinnen blöd anmachten und die ganze Zeit nur davon redeten, dass sie später noch in einen Stripclub wollten, um die Tänzerinnen mit Vierteldollar-Münzen zu bewerfen.

Genervt bestellte sich Scott an der Bar einen Drink, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken an die Theke, beobachtete die peinlichen Typen am Partytisch. Er verzog das Gesicht, als einer der Männer laut rülpste, was die anderen mit begeistertem Jubel quittierten.

Der Barkeeper konnte sich mit Scotts Bestellung ruhig Zeit lassen. Er hatte es nicht eilig, zu diesen Affen zurückzukehren.

»Ihr Drink ist fertig«, sagte der Barkeeper hinter ihm.

Gerade als Scott sich zu ihm umdrehen wollte, rammte ihn ein Güterzug – oder etwas ähnlich Schweres – heftig in die Seite.

»Hey, pass doch …« Die scharfen Worte blieben ihm vor Überraschung im Hals stecken, als er sah, wie die Frau, die ihn angerempelt hatte, auf hohen Absätzen um die Bartheke stolperte und auf die Toiletten zuhastete.

»Tut mir leid«, rief sie über die Schulter zurück und hob eine Hand. Ihr rotes Haar wehte hinter ihr her, als sie um die Ecke verschwand.

Er bedankte sich beim Barkeeper für seinen Drink, blieb aber, wo er war. Die Jungs hatten einen Muff Diver für Donovan bestellt – einen Cocktail, der von einer hohen Sahnehaube bedeckt war, die man erst aufessen musste, um an den Alkohol zu kommen –, und der Mann der Stunde war soeben mit dem Gesicht voran in die fluffige Masse gedrückt worden.

Neandertaler.

Scott nahm einen Schluck von seinem Whiskey und stützte sich mit einem Ellbogen auf der Bartheke ab. Es gab noch einen weiteren Grund, wieso er hierblieb: Er wollte noch einen Blick auf den rasenden Wirbelwind mit den feuerroten Haaren erhaschen, bevor er zu den anderen zurückkehrte.

Es dauerte nicht lang – vielleicht dreißig Sekunden –, bis die Rothaarige wieder auftauchte, das Gesicht vor Schmerz verzerrt. Der Blick ihrer grünen Augen huschte verzweifelt durch die Bar.

Er ging auf sie zu. »Ist alles in Ordnung?«

Sie sah ihn an, zog die Mundwinkel runter und schüttelte den Kopf. »Ich muss aufs Klo, und die Schlange vor den Damentoiletten ist zehn Meilen lang. Das schaffe ich nie.«

Scott legte ihr eine Hand auf die Schulter und schob sie sanft aus dem Weg, dann warf er einen Blick den schwarz gestrichenen Flur hinunter, der zu den Toiletten führte. Während vor der Tür der Damentoilette mindestens fünfzehn Frauen anstanden, herrschte vor dem Herrenklo gähnende Leere.

Er nahm ihre Hand. »Mir nach.« Mit schnellem Schritt zog er sie den Flur entlang und bog zur Herrentoilette ab, drückte mit einer Hand die schwere Tür auf und wollte sie mit der anderen hineinschieben.

Doch sie blieb ruckartig stehen und riss die smaragdgrünen Augen auf. »Das ist doch das Männerklo!« Ihre Stimme war gesenkt, kaum mehr als ein Zischen.

Scott zuckte mit den Schultern. »Na und?«

Sie zögerte, doch ihre Verzweiflung gewann schnell die Überhand, und mit einem schnellen Blick zurück in den Gang und zu der langen Reihe Frauen nickte sie schließlich und trat ein.

»Hallo?«, rief Scott in den Toilettenraum. »Ist hier jemand drin?«

Zum Glück kam keine Antwort.

Seine hübsche Begleiterin atmete auf, und ihre schmalen Schultern entspannten sich sichtlich, als sie an ihm vorbeieilte.

»Sie erledigen jetzt einfach Ihr dringendes Geschäft, und ich warte draußen und passe auf.« Bevor sie noch etwas sagen konnte, war er auch schon wieder hinaus auf den Gang getreten.

Er hatte seinen Whiskey noch immer in der Hand, also lehnte er sich an den Türrahmen, nippte an dem Glas und wartete darauf, dass sie wieder herauskam.

Keine drei Minuten später hörte er hinter sich ein Räuspern und spürte ein leichtes Tippen auf der Schulter, das ihm verriet, dass sie fertig war. Er gab die Tür frei und bedeutete ihr, vorauszugehen, nicht nur, weil er ein Gentleman war, sondern auch, weil er ihren Hintern begutachten wollte.

Diese Frau war echt heiß!

Groß und schlank, mit schönen Kurven, langen Beinen und … Ja! Einem umwerfenden Hintern. Der wurde von ihrer engen schwarzen Hose und den goldenen, sexy Riemchensandalen noch betont. Er schloss rasch zu ihr auf, sodass er direkt hinter ihr ging. Er wollte nicht aufdringlich werden oder so, nur kurz überprüfen, ob sie in diesen hochhackigen Sandalen größer war als er.

Puh.

Nicht ganz.

Scott war knapp 1,90, und dieses bildhübsche Wesen reichte ihm bis zur Stirn. Er war zwar kein Größist (gab’s das Wort überhaupt?), aber er bevorzugte es, wenn er größer war als die Frau, mit der er ausging.

Wow, jetzt gehst du also schon mit ihr aus? Du weißt nicht mal, wie sie heißt. Mach mal halblang, Speedy. Nur weil du seit … ’ner ganzen Weile, belassen wir es einfach dabei … niemanden mehr flachgelegt hast, heißt das noch lange nicht, dass du gleich mit der ersten hübschen Frau, die dir über den Weg läuft, Geschirr aussuchen musst.

Er schüttelte sich innerlich und trat zurück, ließ die Frau ein paar Schritte vorgehen. Sie verließen den Korridor und kehrten in den Barbereich zurück. In den wenigen Minuten, die sie weg gewesen waren, hatte sich der Laden ordentlich gefüllt. Die Leute stapelten sich regelrecht, überall laute Stimmen, Lachen und irgendeine Art Hip-Hop-Musik. Er verstand kein Wort des dröhnend lauten Texts.

Mann, er fühlte sich alt.

Er konnte immer noch das laute, betrunkene Lachen aus der Ecke hören, in der die Mitglieder der Junggesellenparty saßen. Und sie waren auch schwer zu übersehen.

Sein Blick war noch voller Widerwillen auf den Partytisch gerichtet, als ihn erneut etwas rammte, diesmal jedoch in die Brust, und es handelte sich auch nicht um einen Güterzug, sondern um eine sinnliche, grünäugige Schönheit.

»Danke«, sagte sie und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Sie sind ein echter Lebensretter.«

Er grinste sie an. »Kein Thema. Freut mich, dass ich helfen konnte.«

Sie streckte ihm die Hand hin. »Eva.«

Er umfasste ihre Finger, genoss es, ihre Hand in seiner zu spüren. »Scott.« Ihr Händedruck war fest, die Hand selbst jedoch weich und feminin. Ihre Nägel waren dezent lackiert, und sie trug keinen Ehering.

»Darf ich dich zum Dank auf einen Drink einladen, Scott?« Sie ließ seine Hand los und zog ihre Clutch unter dem Arm hervor. Ihre Augen funkelten, als sie die Lippen zu einem verschmitzten Lächeln verzog. »Das ist das Mindeste, was ich tun kann.« Ihr Blick huschte nach rechts, und sie verzog das Gesicht, als eine Gruppe Frauen in grellpinken Schärpen und potthässlichen Perücken schrill kreischte und lachte. »Außerdem bin ich nicht besonders scharf darauf, zurück zu dem Junggesellinnenabschied zu gehen, mit dem ich hier bin. Ich bin also für alles zu haben, was mich von denen fernhält.«

Ohne seine Antwort abzuwarten, bahnte sie sich einen Weg durch die Menschenmenge vor der Bar, legte ihre Brüste auf die Theke und beugte sich vor.

Wie ein Hund, der einen saftigen Knochen entdeckt hat, eilte der muskulöse Barkeeper innerhalb von Sekunden auf sie zu und ignorierte dafür einige Gäste, die schon länger warteten. »Was kann ich für dich tun?«, fragte er, beugte sich über die Bar und ließ seinen Blick von Evas Gesicht zu dem goldenen Herzanhänger wandern, der zwischen den Wölbungen ihrer Brüste eingeklemmt war.

Scott hätte genau dasselbe getan, wäre er an der Stelle des Barkeepers gewesen – es war unmöglich, dieser Verlockung zu widerstehen.

War ihr bewusst, was sie da tat?

Es musste so sein. Sie kam ihm nicht wie ein Flittchen vor, sondern eher wie eine Frau, die wusste, wie sie bekam, was sie wollte.

Und es war nichts Verwerfliches daran, sich das zunutze zu machen, was einem der liebe Gott gegeben hatte. Scott machte es mit seinem strahlenden Lächeln nicht anders und hatte es schon unzählige Male eingesetzt, um eine Kellnerin oder Barista zu bezirzen, ihm Gratis-Pommes zu seinem Burger oder einen extra Shot Espresso in seinem Kaffee zu spendieren.

»Einen Tequila, bitte. Añejo oder Extra Añejo auf Eis, wenn’s geht.« Der Barkeeper nickte. Scott war Eva stumm zur Bar gefolgt und stand nun neben ihr. »Was möchtest du?«, fragte sie ihn.

»Whiskey.«

Sie nickte. »Und einen Whiskey für meinen Helden.« Sie warf Scott einen weiteren verschmitzten Blick zu und grinste – auf die sexy Art.

Was hatte sie vor?

Ein paar Augenblicke später bekamen sie ihre Drinks, und Eva führte Scott wie einen Hund mit Knochen zu einer kleinen gepolsterten Bank etwas abseits von der Masse.

»Du hättest mich nicht einladen müssen«, sagte er und nahm einen Schluck von seinem neuen Whiskey.

Sie nippte an ihrem Tequila und hob die Schultern. »Wie gesagt, ich suche nur nach einer Ausrede, um nicht zurück zu diesen betrunkenen, heiratsverrückten Frauen mit ihren bescheuerten Krönchen, Blumenketten und Schärpen zu müssen.« Sie verdrehte die Augen. »Zum Glück bin ich keine Brautjungfer.«

»Woher kennst du die Braut denn?«

Sie zuckte wieder mit den Schultern. »Wir sind schon seit der Kosmetikschule befreundet.«

»Kosmetikschule?«

Sie nickte. »Ja, ich bin Friseurin und Kosmetikerin.«

Tja, das erklärte wohl, wieso sie die personifizierte Perfektion war. Diese Frau wusste, wie sie sich pflegen und zurechtmachen musste. Aber Scott hätte Geld darauf verwettet, dass sie auch ohne jeden Hauch Make-up umwerfend aussah.

»Was machst du denn beruflich?«

»Ich bin im Marketing.«

Sie nickte wieder und begann dann, ihren Kopf im Takt der Musik zu bewegen.

Ihr Gespräch geriet ins Stocken, unangenehmes Schweigen breitete sich aus.

Er kannte diese Frau nicht gut genug, um sie zu mögen, aber er fand sie heiß, und alles, was er bis jetzt über sie erfahren hatte, gefiel ihm. Jetzt musste er nur noch herausfinden, wie er sie dazu bringen konnte, ihre Party sausen zu lassen und mit ihm die Straße runter eine Pizza essen zu gehen oder so. Sein Magen knurrte beim bloßen Gedanken an Guy’s Pies. Die beste Pizza in der ganzen Stadt.

Er nahm noch einen Schluck von seinem Drink und räusperte sich. »Also, äh … was hältst du denn von meiner Frisur, wo du doch Friseurin bist und so? Ist sie vollkommen abscheulich?« Er verzog das Gesicht.

Hatte er das wirklich gesagt? War das nicht, als würde man einen Fremden, der zufällig Arzt war, fragen, ob er sich mal diesen seltsamen Leberfleck auf der Schulter ansehen könnte? Er hatte ja sogar Ärzte in seinem Freundeskreis, aber die hatte er noch nie um medizinischen Rat gebeten. Allerdings hatte er sich schon öfter juristischen Rat bei seinem Bruder geholt. Wenn man schon einen Anwalt in der Familie hatte, musste man das doch auch ausnutzen.

Es dauerte einen Moment, bis sie lächelte, doch dann war es verdammt sexy. Sie hob die Hand und fuhr mit den Fingern wieder und wieder durch seine Haare, bis er schließlich die Augen schloss, weil es sich so gut anfühlte.

Wenn sie jetzt auch noch anfing, ihre Nägel einzusetzen und sanft über seine Kopfhaut zu kratzen, konnte er nicht garantieren, dass sein Bein nicht anfangen würde, unkontrolliert in die Luft zu treten und zu zittern wie bei einem Hund.

»Du hast tolle Haare«, sagte sie schließlich, und er schlug die Augen wieder auf. Ihr Blick war warm und forschend, ihr Lächeln süß. »Es ist dicht und weich. Dein Haaransatz ist auch super.« Sie zog an den seitlichen Strähnen.

»Ach ja? Und was würdest du damit anstellen, wenn ich dir freie Hand lassen würde?«

Sie hob leicht die Augenbrauen. »Vollkommen freie Hand?«

Er nickte. »Ja.«

Sie biss sich auf die Unterlippe und fuhr wieder mit den Fingern durch sein Haar. Dann stellte sie ihr Glas ab und nahm auch ihre zweite Hand zu Hilfe, drehte ihren Oberkörper dabei so, dass sie einander zugewandt waren. Sie beugte seinen Kopf vor, sodass er gezwungen war, in ihren Ausschnitt zu schauen. Er wusste, dass er die Augen schließen sollte, aber das ging einfach nicht. Es war, wie direkt in eine Sonnenfinsternis zu schauen – so verdammt schön, konnte ihm aber auch ganz schöne Probleme einbringen.

»Ich glaube, ich würde gar nicht viel machen«, sagte sie. »Die Seiten vielleicht etwas kürzer und im Nacken ein bisschen ordentlicher ausrasieren, aber dein Friseur macht einen ziemlich guten Job.«

»Ich gehe immer zu einem dreiundachtzigjährigen Barbier unten bei Beechers Cheese. Der Typ braucht fast eine Stunde, um meine Haare zu schneiden, aber er macht das echt gut.«

Sie lachte leise, und oh, was das für ein Lachen war. Tief und kehlig und verdammt sexy. Sie hatte noch immer nicht aufgehört, mit ihren Fingern durch seine Haare zu fahren. »Schon ein bisschen Silber hier an den Schläfen, was?«

Er nickte. »Ja, langsam kommt es durch.«

Ihre Berührungen waren kräftig, aber sanft. Selbstsicher und neugierig. »Aber noch nicht viel. Lass mich raten, die Männer in deiner Familie haben im Alter alle ihre Haare behalten, sind aber dafür schon früh grau geworden?«

Er nickte wieder, fasziniert von dieser Frau und der Magie ihrer Finger. Er war Pudding in ihren Händen. Sie könnte ihn den ganzen Abend lang so kraulen, und er läge ihr glücklich und zufrieden wie ein Labrador zu Füßen. »Ähm, ja. Mein Dad hat mit vierzig schon graue Haare bekommen und mein Großvater auch. Mein Dad hat noch ein paar dunkle Strähnen, aber beide Großväter haben inzwischen nur noch Lametta auf dem Kopf.«

Sie lachte wieder ihr raues Lachen. »Das Bild gefällt mir. Du bist süß.« Sie hatte noch immer die Hände in seinen Haaren vergraben.

Er hoffte, sie würde sie niemals zurückziehen.

»Und du bist wunderschön.«

Leider löste sie ihre Finger schließlich doch aus seinen Haaren und sah ihn durch lange dunkle Wimpern von unten herauf an, den Kopf leicht gesenkt, um ihr verlegenes Lächeln zu verbergen. »Danke.« Sie hob den Kopf wieder und sah ihn an. »Darf ich ganz ehrlich sein?«

Du bist eine Prostituierte, und das alles war nur ein ausgefeilter Plan, um mich zu ködern?

»Klar.«

Sie holte tief Luft, was ihr umwerfendes Dekolleté nur noch mehr zur Geltung brachte. Ihre smaragdgrüne Seidenbluse spannte sich über den Brüsten und brachte die Knöpfe gefährlich nah an ihre Grenzen. Scott bemühte sich, so gut es ging, nicht allzu offensichtlich zu starren.

Doch er war schwach. Es war unmöglich, nicht hinzusehen.

»Das hier ist mein erster Abend ohne die Kinder, seit …« Sie schüttelte den Kopf und stieß frustriert die Luft aus. »O Gott, seit wer weiß wie lange. Seit einer ganz schönen Weile. Ich habe letzten Monat erst die Papiere meiner sehr hässlichen, sehr aufwühlenden und sehr schmerzhaften Scheidung unterschrieben, und meine Kinder sind gerade bei meiner Schwester und deren vierzehnjähriger Tochter. Heute ist der erste Abend, an dem meine Kinder zugelassen haben, dass ich sie allein lasse. Wir haben es schon ein paarmal versucht, aber mein Kleinster – Kellen, er ist fünf – gerät immer ganz außer sich, wenn ich gehe. Doch ich habe wirklich mal einen Abend für mich gebraucht … dringend. In ein paar Wochen ziehen wir bei meiner Schwester wieder aus, weil ich mir endlich ein eigenes Haus kaufen konnte, nachdem die Scheidung durch war.« Ihr Blick wurde traurig. »Das alles hat meine Jungs sehr mitgenommen.« Eine Spur Argwohn mischte sich in ihren traurigen Blick, während sie Scotts Reaktion abwartete.

Er nickte einfach nur und hoffte, dass sein kleines Lächeln und seine Augen es schafften, sein Verständnis und Mitgefühl auszudrücken. Es gab keinen Grund für Angst vor seiner Reaktion auf ihre Ehrlichkeit. Er hatte Ähnliches durchgemacht und wusste, wie schwer eine Scheidung für alle Beteiligten war – vor allem für die Kinder. Er zögerte kurz, traute sich dann aber doch, eine Hand auf ihren Arm zu legen. »Ich habe ebenfalls eine unschöne Scheidung hinter mir. Ich habe auch einen Sohn, und ich verstehe dich vollkommen. Es ist schwer für die Kinder. Es ist für alle schwer.«

Wenn sie dachte, dass ihr Geständnis ihn abturnte, könnte sie nicht weiter entfernt von der Wirklichkeit sein. Wenn überhaupt, dann machte ihre Ehrlichkeit, ihre Offenheit sie nur noch interessanter. Sie hatte Wunden und Narben, genauso wie er. Sie war ein Mensch.

Hitze flammte in ihren Augen auf, und sie rutschte näher zu ihm. »Ich habe ein Zimmer im Hotel nebenan«, sagte sie mit gesenkter Stimme, und das erste Mal zeigte sich echte Nervosität in ihrer Miene. Ihre Stimme bebte leicht, und sie schluckte schwer. »Würdest du … mich gern dorthin begleiten?«

***

Eva hatte nicht vorgehabt, jemanden auf ihr Hotelzimmer einzuladen. Sie wollte einfach nur eine Nacht ganz für sich. Eine Nacht, in der kein Heizofen in Form eines kleinen Jungen in Marvel-Unterhosen um zwei Uhr morgens in ihr Bett kroch und eine Stunde später noch einer.

Sie wollte eine Nacht, in der sie das ganze Bett für sich allein hatte. Eine Nacht, in der sie weder Kissen noch Matratze noch Decke mit irgendjemandem teilen musste. Sie wollte eine Nacht, in der sie nicht Mom, Mama oder Mommy war, sondern einfach nur Eva Fletcher – nein, Moment, Eva Marchand. Sie würde auf gar keinen Fall den Nachnamen dieses Arschlochs behalten, auch wenn er leider noch an ihren Söhnen klebte. Sie würde den Rest ihres Lebens damit verbringen, dafür zu sorgen, dass ihre Söhne nicht so wurden wie ihr Vater.

Nicht mal ansatzweise.

Kellen und Lucas Fletcher würden zu respektvollen, lieben und sensiblen Männern heranwachsen, die Frauen als ebenbürtiges Gegenüber behandelten und sie weder emotional noch psychisch missbrauchten oder manipulierten. Kellen und Lucas würden gute Männer werden.

Aber für heute Nacht überließ sie diese zukünftigen guten Männer gern ihrer Schwester Celeste. Heute wollte sie sich keine Gedanken um irgendjemandes Bedürfnisse, Sorgen oder Wünsche machen, abgesehen von ihrev eigenen.

Nur. Für. Eine. Nacht.

Schon seit dem Moment, als sie im Partyraum des Hotels zum Junggesellinnenabschied gestoßen war, plante sie ihren Abgang. Plante ihre Flucht in den Luxus ihres flauschigen Bademantels und des Zimmerservice.

Am Anfang war die Party noch ganz lustig gewesen. Eine Vertreterin von Kinky at Home Romance Partys hatte die neuesten Sexspielzeuge vorgeführt und ein Spiel angeleitet, bei dem man die Geschmacksrichtung von Gleitgel erraten musste. Aber nach einer Weile, als der Champagner und die Jellyshots rumgereicht wurden, waren die anderen Frauen Eva zunehmend auf die Nerven gegangen. Respektable Frauen, Mütter, Ehefrauen und Unternehmerinnen hatten sich zusehends in kreischende Tussis verwandelt.

Nein, danke.

Sie musste diesem quietschenden, kichernden Junggesellinnenabschied so schnell wie möglich entkommen.

Aber auch die ausgefeiltesten Pläne entwickelten sich manchmal anders als gedacht – und nicht immer zum Schlechten. Jetzt wollte sie nicht mehr allein in ihrem Zimmer sein. Zumindest nicht ganz allein.

Und dieser Scott war heiß. Extrem heiß. Groß, dunkel und zum Niederknien sexy. Dieser Bart … Yummy. Dicht, dunkel und kurz geschnitten. Ganz zu schweigen von den tiefgründigen dunkelbraunen Augen, den langen Wimpern und der etwas schiefen Nase, die ihn nur noch attraktiver machte. Denn sie zeigte, dass er nicht perfekt war. Eva selbst war alles andere als perfekt, sie wollte also wirklich keinen perfekten Mann. Nicht, dass mehr daraus werden würde als eine gemeinsame Nacht, aber es war trotzdem schön zu wissen, dass er Makel hatte. Das machte ihm zum perfekten Kandidaten, um ihren Scheidungskummer zu verdrängen. Um ihre Durststrecke zu beenden und ihrem Vibrator eine längst überfällige Ruhepause zu gönnen.

»Eva …«, sagte er langsam, nachdem er sie einen Moment lang einfach nur angestarrt hatte, was ihr Höschen unglaublich feucht machte. »Das würde ich liebend gern. Aber ich will die Situation nicht ausnutzen …«

»Oh, das würdest du nicht. Wenn hier heute Abend jemand den anderen ausnutzt, dann bin ich das. Ich werde dich benutzen.«

Seine Augen wurden groß, und er zog die Brauen hoch. »Ist das so?«

Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte. »So ist es. Gib mir fünfzehn Minuten, um mich frisch zu machen, und komm dann zu Zimmer 301.« Sie wackelte mit den Augenbrauen. »Gegenüber gibt es einen Supermarkt … vielleicht eine Flasche Wein?«

Sein jungenhaftes Grinsen und eifriges Nicken brachten sie zum Lachen. Sie mochte diesen Typen. Er war sexy, witzig und schien nett zu sein. Eine frische Brise. Und nach den klaustrophobischen und erstickenden letzten Jahren ihrer Ehe hatte sie eine frische Brise dringend nötig.

Sie hatte sich außerdem geschworen, sich niemals wieder für einen Mann selbst aufzugeben. Todd hatte ihr Selbstbewusstsein beinahe gänzlich zerstört, und es waren jede Menge Therapie und Unterstützung von ihrer Schwester und ihren Eltern nötig gewesen, um es zurückzugewinnen.

Das erste Mal in ihrem Leben würde sie sich einfach nehmen, was sie wollte. Und was sie wollte, war Scott in ihrem Hotelzimmer – in ihrem Bett.

»Bis du ganz sicher?«, fragte er. Sein Blick wurde sanft, und er drückte ihren Arm, eine besorgte Falte auf der Stirn. »Ich will auch gern Zeit mit dir verbringen, aber ich hatte eher an eine Pizza oder so etwas gedacht.«

Ohhhh, Pizza.

Das klang gut.

»Zwanzig Minuten. Hol auch noch Pizza. Wein und Pizza.«

In seinen Augenwinkeln entstanden kleine, amüsierte Fältchen. »Du gefällst mir, Eva. Du sagst, was du willst. Keine Ratespielchen. Also gut. Wir sehen uns dann oben, Zimmer 301, in zwanzig Minuten, und ich bringe Pizza und Wein mit.«

»Zinfandel«, sagte sie.

Sein Grinsen wurde teuflisch. »Zinfandel. Dein Wunsch ist mir Befehl.«

Ihre Nippel richteten sich unter der Seidenbluse schmerzhaft hart auf. Bevor sie gleich hier mitten in der Bar über ihn herfallen konnte, stand sie auf. »Alles klar.« Sie strauchelte etwas auf den hohen Sandalen, die sie für heute Abend ausgesucht hatte. Sie brachten ihre Füße fast um, aber ihr Po sah damit einfach unglaublich aus. Manchmal musste man im Namen des Selbstbewusstseins eben Opfer bringen. Normalerweise trug sie Ballerinas oder Sneaker. »Ich gehe mich mal beim Junggesellinnenabschied entschuldigen. Musst du dich auch noch von irgendjemandem verabschieden?«

Er wandte den Kopf und warf einen Blick zu der Gruppe Männer hinten in der Bar, die gerade einstimmig »Schluck, schluck, schluck« grölten. Angewidert verzog er das Gesicht. »Nee.«

Eva lachte. »Okay. Dann in zwanzig Minuten?«

»Zwanzig Minuten.« Er erhob sich ebenfalls und küsste sie kurz auf die Wange. »Soll ich auch noch Kondome besorgen?«, fragte er direkt neben ihrem Ohr. Das warme Brummen seiner Stimme sandte ein Kribbeln durch ihren gesamten Körper, das sich schließlich zwischen ihren Beinen sammelte.

Kondome. Richtig!

Die hatte sie für ihre Nacht allein natürlich nicht mitgebracht. Aber jetzt war sie nicht mehr allein …

Sie schluckte, noch immer vollkommen überrascht davon, dass sie einen völlig Fremden zum Sex eingeladen hatte, und nickte dann. »Ähm, ja. Das ist vermutlich eine gute Idee.«

Er küsste sie wieder auf die Wange. »Okay, also Pizza, Zinfandel und Kondome. Wir sehen uns in einer halben Stunde.« Dann verließ er die Bar, sein Gang so unbekümmert, so großspurig, dass sie unwillkürlich lachen musste, während sie ihm nachsah. Nervosität, die gute Art, richtete die Härchen an ihren Armen auf, und die Schmetterlinge der Vorfreude begannen, wild in ihrem Bauch zu flattern.

Sie leerte ihr Glas Tequila und ging dann zu der Junggesellinnenparty hinüber, vorsichtig darauf bedacht, auf ihren hohen Schuhe nicht umzuknicken, und doch mit neuem Schwung. Eva war bereit, endlich wieder Spaß am Leben zu haben, und Scott war dafür genau der Richtige.

Kapitel 2

Wind und Regen hämmerten gegen die Fenster ihres Hotelzimmers, als sich Eva im Bad die Hände wusch und die Frau im Spiegel vor sich anstarrte. Sie erkannte sich kaum wieder.

Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren verschwunden – und das nicht nur, weil sie sehr gut darin war, Make-up aufzutragen –, auch ihre Wangen waren voller geworden, seit sie begonnen hatte, wieder volle Mahlzeiten zu essen, nachdem die Scheidung endlich vorüber war. Nachdem sie endlich ihre Freiheit zurückbekommen hatte.

Sie war auf kaum mehr als 50 Kilo abgemagert, bis sie den Mut gefunden hatte, die offizielle Trennung zu beantragen.

Gott, das war ein grauenhafter Moment in ihrem Leben gewesen. Absolut grauenhaft.

Sie und Todd waren fast zehn Jahre lang zusammen gewesen. Sie hatten zwei Kinder, ein gigantisches Haus in einem noblen Viertel der Stadt und waren Mitglieder in einem Country Club. Ihre Kinder gingen auf eine Privatschule. Von außen betrachtet war ihr Leben die pure Idylle.

Aber von innen betrachtet fühlte sich Eva wie in einem Gefängnis.

Todd hatte mit seinem Einkommen die Familie versorgt. Alles lief in seinem Namen. Er kümmerte sich um die Finanzen. Und als es in ihrer Ehe zu kriseln begann, hatte er ihr die finanziellen Verhältnisse wieder und wieder unter die Nase gerieben. Er hatte auch damit gedroht, ihr die Jungs wegzunehmen, hatte behauptet, dass Eva sie nie wiedersehen würde, wenn sie jemals versuchen sollte, ihn zu verlassen.

Und deswegen hatte es beinahe drei Jahre gedauert, bis sie den Mut zusammengekratzt hatte, es trotz seiner Drohungen zu tun. In dieser Zeit war sie quasi zu einem Skelett geworden, zu einem stummen Mäuschen – und zu einer Einsiedlerin, voller Angst davor, was ihre Freunde zu ihrer körperlichen Veränderung sagen würden. Aber ihr ging es einfach zu schlecht, um zu essen. Die Art, wie Todd sie kleinmachte, sie bevormundete, sie mobbte, machte sie krank. Sie hatte keinen Appetit. Nicht, solange ihre Eingeweide vor lauter Angst zu festen Knoten verschlungen waren. Angst vor seinem Zorn, seiner emotionalen Folter. All die Sorgen brachten sie fast um.

Er hatte sie nie geschlagen, doch die Narben, die seine Worte und seine Manipulationen auf ihrer Seele hinterlassen hatten, würden nie ganz verschwinden.

Vor etwas über einem Jahr, kurz vor den Frühjahrsferien der Kinder, die auch das lange Osterwochenende umfassten, hatte sie gepackt, ihre Sachen und die der Kinder, während Todd geschäftlich unterwegs war, und war bei ihrer Schwester Celeste und deren Tochter Sabrina eingezogen. Dann hatte sie eine einstweilige Verfügung gegen ihren Ehemann beantragt und ihm die Scheidungspapiere zustellen lassen.

Todd war außer sich gewesen.

Einstweilige Verfügung hin oder her – als er die Scheidungspapiere bekommen hatte, war er zu Celestes Haus gefahren, hatte an die Tür gehämmert und lautstark verlangt, dass Eva ihm die Kinder herausgab. Celeste und einige Nachbarn hatten die Polizei gerufen, und Todd war von drei Streifenwagen aus dem Viertel eskortiert worden.

Damit war es dann erst richtig hässlich geworden.

Das Jahr, das sie auf die endgültige Scheidung warten musste, war die reinste Folter gewesen.

Sie ließ nur zu, dass die Kinder ihren Vater sahen, weil das Gericht darauf bestand, auch wenn Kellen und Lucas sie jedes Mal anflehten, nicht mit ihrem Vater mitgehen zu müssen, wenn er sie abholen kam. Sie sagten, dass er sie links liegen ließ, wenn sie bei ihm waren. Aber jedes Mal, wenn sie das Todd gegenüber ansprach, sagte er nur, dass er sich die Kinder holen würde, wenn sie die Besuche nicht zuließ, und dann würde sie die Jungs nie wiedersehen. All die Sorgen hatten schließlich so sehr an ihr gezehrt, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert wurde, weil sie zu viel Gewicht verloren hatte.

Eva schüttelte sich bei dieser Erinnerung. Ja, dieses Jahr war wirklich die Hölle gewesen. Todd hatte nicht nur damit gedroht, ihr die Kinder wegzunehmen, sondern sie auch noch durch den Schlamm gezogen, bis sie Dreck in Ohren, Augen und Nase hatte. Er hatte ihren Gewichtsverlust gegen sie benutzt, hatte sie als psychisch labile Alkoholikerin dargestellt. Hatte behauptet, dass sie nichts aß, weil sie ihren täglichen Kalorienbedarf in flüssiger Form zu sich nahm. Doch ihre Anwältin, Richelle LaRue, war hervorragend und hatte Todd mit absolut nichts davonkommen lassen.

Eva hatte jetzt das volle Sorgerecht für Kellen und Luke, die Jungs verbrachten den Großteil ihrer Zeit bei ihr – nicht, dass Todd sich viel mit ihnen abgab, wenn er sie mal hatte –, und Todd zahlte nicht nur für sie Unterhalt, sondern auch für die Kinder.

Mit dem Geld, das ihr bei der Scheidung zugesprochen worden war, hatte sie sich ein kleines, bescheidenes Haus in einem schönen Teil der Stadt kaufen können, das sogar einen ausgebauten Keller hatte, in dem sie ihr Friseur- und Kosmetik-Studio einrichten wollte.

Vor dem ganzen Scheidungschaos hatte sie zwei Tage die Woche in einem Salon nahe der Schule ihrer beiden Jungs gearbeitet. Dort hatte sie sich hauptsächlich um die Frisuren reicher älterer Damen gekümmert, die dafür einmal die Woche in den Salon kamen.

Aber jetzt wollte sie ihr eigenes Mini-Imperium gründen. Der Raum im Souterrain war perfekt dafür. Viel natürliches Licht, ein Waschbecken, jede Menge Platz für Friseurstuhl, Haartrockner und eine Liege fürs Waxing und darüber hinaus noch die perfekte Ecke für ein kleines Fuß-Spa für Pediküren.

Sie hatte vor, Eva’s Hair & Aesthetics ein paar Wochen nach ihrem Umzug in das neue Haus zu eröffnen. Erst aber musste sie sich um die Werbung kümmern. Mündliche Weiterempfehlungen reichten nicht aus. Sie musste ihr neues Unternehmen in den sozialen Netzwerken bekannt machen, Flyer und Plakate verteilen. Das ganze Paket.

Sie tupfte sich mit einem Papiertuch das Gesicht ab und stieß bebend den Atem aus. »Du kannst das«, flüsterte sie. »Du kannst das.«

Ein Klopfen an der Tür ließ sie vor Schreck beinahe zusammenfahren.

Du kannst das.

Was hatte sie sich nur dabei gedacht, einen völlig Fremden in ihr Hotelzimmer einzuladen, um Sex mit ihm zu haben?

Sie hatte in ihrem gesamten Leben erst mit vier Männern geschlafen. Mit dem Typen, der sie in dem Sommer entjungfert hatte, als sie siebzehn geworden war; Gary, ihr Freund im letzten Jahr der Highschool; Rick, mit dem sie zusammengekommen war, nachdem Gary fürs Studium nach Boston gezogen war; und schließlich Todd. Nur dass sie und Todd schon seit fast fünf Jahren keinen Sex mehr gehabt hatten.

Und mit wem wollte sie diese Durststrecke jetzt beenden?

Mit einem unfassbar attraktiven Mann mit supersexy krummer Nase und einem Bart, den sie überall spüren …

»Eva?«

Mist! Richtig. Er stand immer noch draußen vor ihrer Zimmertür.

Sie war in Gedanken in dem Albtraum namens Todd versunken, während Scott, der attraktivste Mann, dem sie seit Langem begegnet war, geduldig darauf wartete, dass sie ihn hereinbat.

Sie stieß noch einmal den Atem aus, warf einen letzten Blick in den Spiegel und ging dann zur Tür.

Und da stand er, völlig entspannt an den Türrahmen gelehnt, und schaffte es irgendwie, eine Weinflasche, seinen Mantel und einen Pizzakarton zu balancieren und gleichzeitig den Daumen der anderen Hand in eine Gürtelschnalle zu haken, wodurch sein schwarzes Hemd sich über der Brust spannte, seine Muskeln betonte und ihr seine schiere Breitschultrigkeit demonstrierte, die ihr den Atem raubte.

Ihr war seine Größe natürlich schon in der Bar aufgefallen, aber dort war sie voller Pheromone, Tequila und Selbstvertrauen gewesen. Jetzt, als sie so direkt vor ihm stand, fühlte sie sich wieder wie eine kleine graue Maus, ein Gefühl, gegen das sie so lange angekämpft hatte.

»Ich dachte schon, du bist vielleicht eingeschlafen«, sagte er und schenkte ihr dieses unfassbar strahlende Lächeln, das durch ein Grübchen auf der linken Seite, schöne Lippen, diese sexy, leicht schiefe Nase und natürlich seinen Bart noch unwiderstehlicher wurde. O Gott, dieser Bart …

Sie schluckte und zog die Tür weiter auf, damit er eintreten konnte. »Nein, ich bin nicht eingeschlafen, ich habe nur, ähm …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende, weil der Pizzaduft sämtliche Gedanken aus ihrem Gehirn vertrieb.

»Ich war mir nicht sicher, welche Pizza du magst«, sagte er, trat ins Zimmer und ging zu dem kleinen Esstisch am Fenster hinüber. »Ich wusste nicht, ob du Traditionalistin bist, also ein Margherita-Fan, oder ob du es lieber wild magst, mit geräuchertem Lachs, Kapern und Frischkäse.«

Eva musste unwillkürlich das Gesicht verzogen haben, denn er lachte. »Kein Fan der wilden Seite?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nicht auf meiner Pizza. Gern ein bisschen Hühnchen und Artischocken, aber Frischkäse und Fisch lasse ich lieber auf meinem Bagel. Manche Dinge sollte man einfach nicht mischen.« Sie zog die Nase kraus.

Er öffnete den Pizzakarton. »Das passt. Ich habe zwei separate Hälften bestellt. Eine Margherita und eine mit Salami, Würstchen, Speck und Pilzen.«

Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. »Das klingt köstlich.«

»Ich habe einen Zinfandel mit Drehverschluss genommen, weil ich nicht wusste, ob du hier einen Korkenzieher hast«, sagte er, nahm die zwei Tassen, die neben der Kaffeemaschine standen, und goss ihnen beiden einen großzügigen Schluck Rotwein ein.

Eva war gar nicht klar gewesen, wie hungrig sie war, bis er in ihr Zimmer gekommen war und all diese himmlischen Düfte mitgebracht hatte. Oregano. Knoblauch. Tomatensauce. Käse. Basilikum. Salami. Gab es irgendwas auf dieser Welt, das noch besser roch?

»Bitte schön.« Er reichte ihr eine Tasse voller Wein, und in dem Moment drang sein Duft in ihre Nase. Männlich, stark, frisch und ganz dezent zitronig.

Okay, na gut, vielleicht war Pizzaduft nur der zweitbeste Duft der Welt, denn der Mann vor ihr roch ebenfalls verdammt köstlich.

Sie nahm die Tasse entgegen und bedankte sich.

Er hob seine eigene Tasse. »Auf …« Er zog die Nase kraus und sah hoch in eine Ecke des Zimmers. »Auf …«

Sie lächelte. Er war süß, wenn er verwirrt war. »Auf Helden ohne Capes. Du hast mich davor gerettet …«

Mir in die Hose zu machen.

»… in eine echt peinliche Situation zu kommen«, beendete sie den Satz und stieß mit ihm an.

»Auf Helden ohne Capes«, wiederholte er feierlich und nahm einen Schluck Wein, während er sie über den Rand seiner Tasse hinweg musterte. Die hellen Sprenkel in seinen braunen Augen funkelten spitzbübisch. Klar, Scott war ein netter Kerl, aber sein selbstsicheres Lächeln, seine entspannte Körperhaltung und die Art, wie er ganz leicht die Augen zusammenkniff, wenn er sie ansah, verrieten ihr, dass er eine verdorbene Seite hatte. Und zwar nicht unbedingt auf die schlechte Art verdorben.

»Also, sollen wir anfangen?«, fragte er und stellte seine Tasse auf dem Tisch ab.

Tja, das war direkt.

Kein Vorspiel, keine Verführung, nichts. Einfach gleich zur Sache. Rein und raus. Wums, bums und danke schön.

Sie verschluckte sich an ihrem Wein und fing an zu husten. Ihre Augen wurden immer größer, und mit einem Mal schien es ihr durchaus möglich, dass sie hier im Hotelzimmer in der Gegenwart eines sexy Unbekannten ersticken würde. »Wie bitte?«, stieß sie keuchend hervor.

Scott klopfte ihr auf den Rücken. »Ich habe gefragt, ob du anfangen willst.«

Schnell nahm sie noch einen Schluck Wein und sah mit tränenden Augen zu ihm auf. »Ähm … Ich habe noch nie … das hier ist, ähm …«

»Ich meine mit der Pizza«, sagte er, und sein warmes Lachen legte sich über sie wie eine Samtdecke. Er schüttelte den Kopf. »Ich bin kein kompletter Arsch. Außerdem war das alles deine Idee, falls du das vergessen hast. Ich wollte nur mit dir Pizza essen gehen. Wenn du also die ganze Nacht auf dem Bett sitzen, Filme schauen, Wein trinken und Pizza essen willst, ist das okay für mich.« Er nahm eine Serviette vom Tisch, griff nach einem Stück Salamipizza und reichte ihr beides. »Meine Mutter hat mich zu einem Gentleman erzogen. Nein heißt Nein. Du, wunderschöne Eva, hast hier das Sagen.«

Du, wunderschöne Eva, hast hier das Sagen.

Hatte sie schon jemals Worte gehört, die so sexy waren?

Nein, hatte sie definitiv nicht.

Sie hatte auch noch nie irgendwo das Sagen gehabt – Macht gehabt.

Und Scott hatte ihr das alles gerade auf einem Silbertablett serviert.

Sie schwankte leicht und streckte die Hand aus, um sich an der Rückenlehne eines Stuhls festzuhalten. War sie schon trunken von dieser neuen Macht? Ging das so schnell?

Er trat dicht an sie heran und hob mit einer Hand ihr Kinn an. Sie öffnete die Lippen. »Ich will dich wirklich einfach nur kennenlernen, Eva. Egal, welchen Teil von dir.«

***

Scott konnte nicht von sich behaupten, dass sich ihm eine Frau schon einmal wortwörtlich an den Hals geworfen hatte. Natürlich, im übertragenen Sinn hatten das schon einige Frauen getan, aber Eva warf sich tatsächlich in seine Arme, presste ihre Lippen auf seine und schob ihre Zunge in seinen Mund.

Wow!

Er wurde einfach nicht schlau aus dieser Frau. Im einen Moment war sie total lässig, troff nur so vor sexy Selbstvertrauen und lud ihn auf ihr Hotelzimmer ein, behauptete, dass sie diejenige war, die ihn ausnutzte. Im nächsten Moment war sie supernervös und erstickte fast an ihrem Wein. Nur um dann sofort wieder eine 180-Grad-Wende zu machen, in seine Arme zu springen und ihn zu küssen.

Sie verwirrte ihn total, machte ihn aber auch unglaublich neugierig.

Das gefiel ihm.

Sie gefiel ihm.

Er schlang die Arme um sie, öffnete die Lippen und übernahm die Kontrolle über ihren Kuss, ließ seine Zunge in ihren heißen, feuchten Mund gleiten und kostete alles, was sie zu bieten hatte. Der süße Zinfandel schmeckte auf ihrer Zunge sogar noch besser.

Ein kleines Stöhnen drang aus ihrer Kehle, und sie presste ihre Brust gegen seine, während er ein Bein zwischen ihre Knie schob, damit sie nicht das Gleichgewicht verloren.

Sie schaffte es irgendwie, die Tasse auf den Tisch zu stellen und sogar ihr Stück Pizza abzulegen, ohne den Kuss zu unterbrechen, dann bewegte sie sich langsam rückwärts aufs Bett zu, wobei sie ihre jetzt freien Hände über seine Brust wandern ließ und begann, sein Hemd aufzuknöpfen.

Aber irgendwas ließ seinen Nacken kribbeln. Eine Warnung? Rote Flaggen? Alarmglocken? Er löste sich aus dem Kuss, auch wenn sein anderer Kopf vehement protestierte.

»Lass uns erst etwas essen. Ein Glas Wein trinken und uns vielleicht ein bisschen unterhalten«, sagte er sanft, ließ sie los, sodass sie auf dem Bett zum Sitzen kam, und zog sich dann zum Tisch zurück, um ihren Wein und ihre Pizza zu holen. »Du gibst mir da ein paar ziemlich widersprüchliche Signale, und ich will nur sichergehen, dass du weißt, was du willst.«

Mit ihren großen, wunderschönen grünen Augen sah sie vollkommen irritiert zu ihm auf, und ihre geschwollenen Lippen formten ein perfektes kleines O. Er musste ein Stöhnen unterdrücken, so unglaublich verführerisch sah sie in diesem Moment aus. Er wollte nichts lieber, als ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammenzuraffen und dieses kleine O über seine inzwischen pochende Erektion zu ziehen.

Aber seine Mutter hatte eben einen Gentleman großgezogen. Er hatte eine kleine Schwester. Und selbst wenn dem nicht so wäre – es war ganz offenkundig, dass Eva sich der ganzen Sache nicht mehr so sicher war wie noch vor einer halben Stunde, als sie ihn unten in der Bar auf ihr Zimmer eingeladen hatte. Er musste ihr etwas mehr Zeit geben, um alles zu durchdenken. Außerdem wollte er sie besser kennenlernen. Auch wenn er nichts gegen einen One-Night-Stand ohne Verpflichtungen, Erwartungen und manchmal sogar ohne Namen einzuwenden hatte, verriet ihm das Kribbeln in seinem Nacken, dass Eva nicht zu den Frauen gehörte, die so etwas durchzogen, ohne weiter drüber nachzudenken.

»W-willst du etwa einen Rückzieher machen?«, fragte sie, als sie Wein und Pizza entgegennahm. »H-hab ich was falsch gemacht?« Das leichte Zittern in ihrer Stimme weckte sofort das Bedürfnis in ihm, sie in seine Arme zu ziehen und festzuhalten, ihr all die Unsicherheit oder den Schmerz zu nehmen, der da offensichtlich in ihr schlummerte.

Stattdessen streifte er seine Schuhe ab, nahm sich seine eigene Tasse Wein und ein Stück Pizza und setzte sich aufs Bett, den Rücken gegen das Kopfteil gelehnt. »Du hast absolut nichts falsch gemacht, wunderschöne Eva. Ich will nur, dass wir uns erst ein bisschen besser kennenlernen. Zusammen was trinken. Was essen. Uns unterhalten.«

Ihr sexy Hals bewegte sich, als sie, noch immer auf der Bettkante sitzend und unter den Tisch starrend, schwer schluckte. »Haben wir das nicht schon unten in der Bar gemacht? Das Trinken und Unterhalten?« Sie blinzelte langsam und drehte dann den Kopf, um ihn anzusehen. »Was erwartest du denn von mir?«

Scott war gerade dabei, in sein Stück Pizza zu beißen, doch jetzt legte er es wieder auf die Serviette und dann beides auf den Nachttisch und kam hoch auf die Knie, nahm ihr die Tasse aus der Hand und stellte sie ebenfalls ab. Dann nahm er ihre Hand in seine. »Eva, ich erwarte überhaupt nichts von dir. Ich will nur sicher sein, dass du morgen früh nichts bereust. Ich kenne dich kaum, aber das, was ich bisher kennengelernt habe, gefällt mir sehr. Nur hatte ich schon genug One-Night-Stands, um zu wissen, dass die Frauen dabei normalerweise nicht so zwiegespalten sind, wie du es zu sein scheinst. Ich will dich einfach nur kennenlernen, das ist alles.« Er zog sanft an ihrer Hand. »Komm, setz dich zu mir. Lass uns Pizza essen und ein bisschen reden. Mein Sohn ist heute Nacht bei seiner Mutter, und morgen ist Sonntag, ich muss also nicht pünktlich zu Hause sein.« Er zwinkerte ihr zu, in der Hoffnung, ihre Nervosität etwas zu lindern.

Sie schien sich zu ein wenig zu entspannen und nickte, schlüpfte aus ihren Schuhen und krabbelte dann neben ihm aufs Bett. Er reichte ihr ihre Tasse, und sie nahm einen Schluck Wein.

Bevor er nach seinem eigenen Wein griff, schnappte er sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher an, zappte durch die Kanäle, bis er die Wiederholung einer alten Folge von The Office fand. Er warf ihr einen fragenden Blick zu, wartete auf ihr Ja oder Nein.

Sie nickte und schenkte ihm ein kleines Lächeln.

Dann machte er sich endlich über sein Stück Pizza her. »Also, dann erzähl mir doch mal, was dich so bewegt, Eva –«

»Einfach nur Eva«, sagte sie kauend.

Er nickte, und seine Mundwinkel zuckten. »Dann erzähl mir doch, was einfach nur Eva so bewegt.«

Kapitel 3

Dankbar dafür, endlich etwas in den Magen zu bekommen, und auch für die Gesellschaft, war Eva nun deutlich entspannter als noch vor einer Stunde. Scott war süß, lieb, interessant und unglaublich witzig. Der Mann brachte sie fast ununterbrochen zum Lachen, während sie sich zusammen auf dem Bett fläzten, sich mit Pizza vollstopften und eine Folge The Office nach der nächsten schauten. Als sie schließlich aufstand – dank des Weins auf ziemlich wackligen Beinen –, hatte sie vor lauter Lachen Tränen in den Augen.

Todd hatte sie nie so zum Lachen gebracht. Er hatte ihr zwar oft Tränen in die Augen getrieben. Aber es waren nie Lachtränen gewesen.

Mit Scott war alles erfrischend leicht, und sie wollte nicht, dass es jemals aufhörte.

»Was ist dein Ex für ein Typ?«, fragte Scott, als sie mit zwei Gläsern Wasser zurück aufs Bett stieg. Sie reichte ihm eines davon.