STEPHEN & LUCY
HAWKING

DAS UNIVERSUM

Was unsere Welt zusammenhält

Antworten auf die großen Fragen
der Menschheit

Aus dem Englischen von
Stephan Matthiesen

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Copyright © Lucy Hawking, 2020

Detaillierte Copyright-Hinweise als Teil der Danksagung

Layout, Grafik und Illustrationen von Jan Bielicki

Copyright © für die deutsche Ausgabe 2020

cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel

»Unlocking the Universe« bei Puffin Books Penguin Random House, Children’s

Penguin Random House UK, London

Aus dem Englischen von Stephan Matthiesen und Irene Rumler

Umschlagfertigstellung: Geviert, Grafik &Typografie

CK · Herstellung: AJ

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-27295-1
V002

www.cbj-verlag.de

Denke daran, zu den Sternen emporzublicken,
statt hinunter zu deinen Füßen.

Stephen Hawking

Inhalt

Einführung

Teil 1: Am Anfang

Die Entstehung des Universums

Eine Reise durch das Universum

Gleichförmigkeit des Raums

Eine Theorie von Allem

Der Urknall

Die Ausdehnung des Universums

Kam das Leben vom Mars?

Wie begann das Leben?

Die Geschichte des Lebens

Genetik

Teil 2: Unsere Erde

Die Erde: Woraus besteht sie?

Wie lang ist ein »Tag« auf der Erde?

Die bewohnbare Zone

Die Ozeane der Erde

Vulkane auf der Erde, im Sonnensystem und anderswo

Woraus besteht die Erde?

Teilchenkollisionen

Unbestimmtheit und Schrödingers Katze

M-Theorie: Elf Dimensionen!

Die Bausteine des Lebens

Flach-Erdlinge, Mondlandungs-Leugner und Impfgegner

Teil 3: Erforschung des Universums

Weltraumsprünge

Der Nachthimmel

Unser Mond

Licht und Sterne

Das Sonnensystem

Merkur

Venus

Mars

Jupiter

Saturn

Uranus

Neptun

Pluto

Kleinere Objekte

Exoplaneten

Alpha Centauri

55 Cancri

Die Andromedagalaxie

Satelliten im Weltraum

Das Multiversum

Teil 4: Über die Dunkelheit

Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Universums

Dunkle Materie und dunkle Energie

Schwarze Löcher

Singularitäten

Im Dunkeln

Schwarze Löcher

Teil 5: Leben im Weltraum

Warum fliegen wir in den Weltraum?

Leben auf dem Mars?

Wie man Marsraketen baut

Wie wäre das Leben auf dem Mars?

Menschen im Weltraum

Der »Übersichtseffekt«

Die Drake-Gleichung

Schwerelosigkeitsflüge

Roboter im Weltraum

Kometen

Das Licht und wie es durch den Weltraum reist

Kontakt mit Außerirdischen

Wie sich Schall im Weltraum ausbreitet

Ist da draußen jemand?

Teil 6: Zeitreisen …

Wurmlöcher und Zeitreisen

Raum, Zeit und Relativität

Zeitreisen und das Rätsel der bewegten Uhren

Teil 7: … in die Zukunft

Mein Roboter, deine Roboter

Roboterethik

Künstliche Intelligenz

Über die Ethik der KI

Was ist ein Computer?

Die universelle Turingmaschine

Was können Computer nicht?

Quantencomputer

3-D-Drucker

Fahrerlose Autos

Gefahren für unseren Planeten

Die Zukunft der Ernährung

Die Zukunft der Politik … bist du!

Städte der Zukunft

Das Internet: Privatsphäre, Identität und Information

Der Klimawandel

Bildteil

Glossar

Danksagung und Quellen-Verzeichnis

Die Autoren

Einführung

Mein ganzes Leben lang hatte ich das außerordentliche Privileg, einige der größten und erfindungsreichsten Wissenschaftler, Freunde und Kollegen meines Vaters Stephen kennenzulernen, mich mit ihnen zu unterhalten und ihnen Fragen zu stellen. Mein Vater war ein erstaunlicher Wissenschaftler, dem klar war, wie wichtig es ist, so über seine Arbeit zu sprechen, dass ihn möglichst viele Menschen verstanden. Er fand, jeder habe das Recht zu wissen, was Wissenschaftler tun und was ihre Arbeit bedeutet. So schien es mir schon als Schülerin ganz normal, Fragen zu stellen. Manchmal waren die Antworten überraschend, regten zum Nachdenken an oder machten mich sogar wütend. Aber ich erhielt Antworten von Menschen, die wussten, wovon sie sprachen. Und wenn ich ihnen zuhörte oder noch mehr Fragen stellte, hatte ich das Gefühl, ich könnte meine Hände ausstrecken und die Großartigkeit des Universums berühren.

Als ich älter wurde, erkannte ich, wie ungewöhnlich dieses Privileg war, das mir als Kind zuteilgeworden war. Deshalb ist es mir wichtig, dieses Glück, das ich im Leben hatte, den Umgang mit diesen faszinierenden, originellen, kreativen, brillanten und lustigen Menschen, in meine Bücher mit einzubringen. Die Abenteuer des Jungen George, beginnend mit dem wunderbaren Essay meines Vaters in unserem ersten gemeinsamen Buch »Der geheime Schlüssel zum Universum«, werden durch die Stimmen der vielfältigen und fabelhaften Wissenschaftler und Experten bereichert und illustriert, die für junge Leser ihre Forschung und ihr Leben beschrieben haben.

Natürlich haben wir dank des Internets heute viel mehr Informationen, die leichter zugänglich sind als in meiner Kindheit. Aber was bedeutet das alles? Und woher weißt du, dass das, was du im Internet liest, wahr ist? Mein Vater und ich erkannten bei unserer gemeinsamen Arbeit, dass wir mit der Hilfe unserer »Familie« von Experten Informationen in Wissen verwandeln konnten. »Das Universum – Was unsere Welt zusammenhält« vereint alle die wunderbaren Essays und Informationskästen, die wir in der George-Reihe gesammelt haben, in einem Buch – ergänzt durch einige weitere spannende Themen, die wir schon seit Langem ergänzen wollten, wie etwa Genetik, das Multiversum und einen neuen Artikel über schwarze Löcher.

Unsere neuen Autoren beschäftigen sich zudem mit der Ethik der künstlichen Intelligenz und dem Problem der Wissenschaftsleugnung. Unsere allerjüngste Autorin wagt sich an das Thema Klimawandel und an die Frage, wie man sich als Teenager in einer sich erwärmenden Welt fühlt.

Es scheint sehr lange her zu sein, seit mein Vater und ich zuerst die Idee hatten, darüber zu schreiben, wie es einem Jungen ergehen würde, der in ein schwarzes Loch fällt. Dieses erste Buch wurde von einer Frage inspiriert, die meinem Vater auf einer Geburtstagsfeier gestellt wurde. Mit dieser Frage begann für uns eine Mission, ein Buch als Antwort zu schreiben – und jetzt, bei unserem siebten und letzten Buch, kann ich wohl ehrlich sagen: Wenn man eine Frage stellt, weiß man nie, was dabei herauskommt. In »Der geheime Schlüssel zum Universum« schreibt Annies Vater, der Wissenschaftler Eric, ein Kinderbuch mit dem Titel »Benutzerhandbuch für das Universum«. Und das ist genau das, was dieses Buch ist.

Es ist eine Freude und ein Privileg, mit dir auf diese Reise zu gehen. Wenn du bereits andere Bücher von uns gelesen hast, vielen Dank! Und wenn nicht – spring ins Raumschiff und bereite dich auf den Start vor. Viel Glück auf all unseren kosmischen Abenteuern, und denke daran: Flieg nicht zu nahe an ein schwarzes Loch heran …

Teil 1
Am Anfang

Die Entstehung des Universums

Professor STEPHEN HAWKING
Gründer und ehemaliger Direktor des Instituts für Theoretische Kosmologie, Universität Cambridge

Es gibt viele verschiedene Geschichten, die erzählen, wie die Welt entstanden ist. Das Volk der Bushongo in Zentralafrika beispielsweise glaubt, dass es am Anfang nur Dunkelheit, Wasser und den mächtigen Gott Bumba gab. Eines Tages hatte Bumba Bauchweh und erbrach daraufhin die Sonne. Die Sonne trocknete einen Teil des Wassers aus, sodass Land entstand. Bumba, der noch immer Bauchweh hatte, erbrach den Mond, die Sterne und dann ein paar Tiere – den Leoparden, das Krokodil, die Schildkröte und schließlich den Menschen.

Andere Völker haben andere Geschichten. Schon früh versuchten die Menschen, Antworten auf die großen Fragen zu finden:

Die ersten wissenschaftlichen Belege für eine Antwort auf diese Fragen fand man vor etwa 80 Jahren, als man entdeckte, dass sich andere Galaxien von unserer wegbewegen. Das Universum dehnt sich aus und die Galaxien entfernen sich voneinander. Das bedeutet, dass sie in der Vergangenheit näher beisammen waren. Vor fast 14 Milliarden Jahren befand sich das Universum in einem extrem heißen und dichten Zustand, den wir als Urknall bezeichnen.

Kurz nachdem das Universum mit dem Urknall begonnen hatte, dehnte es sich zunächst immer rascher aus. Diese Phase bezeichnet man als Inflation, weil die immer schnellere Expansion mit den fortwährend steigenden Preisen in den Geschäften vergleichbar ist. Doch die Inflation zu Beginn des Universums verlief viel rasanter als jede Preissteigerung. Verdoppeln sich die Preise innerhalb eines Jahres, sprechen wir bereits von einer starken Inflation. Doch das Universum hat sich innerhalb eines winzigen Sekundenbruchteils viele Male verdoppelt.

Durch die Inflation wurde das Universum sehr groß und gleichförmig. Aber es war nicht völlig gleichförmig, sondern hier und da gab es winzige Abweichungen. Diese Abweichungen führten zu winzigen Temperaturunterschieden. Sehen können wir sie heute noch in der sogenannten kosmischen Hintergrundstrahlung, die vor allem aus Mikrowellen besteht. Die Abweichungen bewirkten, dass sich einige Regionen etwas weniger schnell ausdehnten als andere. Irgendwann dehnten sich die langsameren Regionen sogar gar nicht weiter aus, sondern kollabierten und bildeten Galaxien und Sterne. Daher verdanken wir den winzigen Abweichungen unsere Existenz: Wäre das Universum in seiner frühen Phase völlig glatt gewesen, gäbe es keine Galaxien oder Sterne, und folglich hätte kein Leben entstehen können. (Übersetzt von Irene Rumler)

Der Urknall

Der Urknall ist eine Theorie – eine Idee oder, genauer gesagt, ein ganzes Ideengebäude – darüber, wie das Universum seinen Anfang nahm. Die Wissenschaft sucht nach Belegen dafür, dass diese Ideen korrekt sind. Die meisten Wissenschaftler halten die Urknall-Theorie für richtig.

Eine Reise durch das Universum

Professor BERNARD CARR
Fakultät für Physik und Astronomie, Queen-Mary-Universität, London

Wir begeben uns jetzt auf eine Reise durchs Universum. Bevor wir aufbrechen, müssen wir klären, was wir unter »Reise« und »Universum« verstehen. Wörtlich bedeutet das Wort Universum »alles, was existiert«. Doch man kann die Geschichte der Astronomie als eine Folge von Schritten betrachten, bei denen das Universum von Mal zu Mal größer zu werden schien und sich die Bedeutung von »alles« veränderte.

Heutzutage vertreten die meisten Kosmologen die Theorie vom Urknall, der zufolge das Universum vor etwa 14 Milliarden Jahren in einem extrem dichten und heißen Anfangszustand entstanden ist. Daher können wir maximal so weit sehen, wie das Licht seit dem Urknall gekommen sein kann. Das definiert die Größe des beobachtbaren Universums.

Was verstehen wir überhaupt unter »Reise«? Zunächst müssen wir unterscheiden, ob wir durch das Universum schauen oder reisen. Schauen ist das, was Astronomen tun, und wie wir sehen werden, gehört dazu das Zurückschauen in der Zeit. Reisen ist das, was Astronauten machen, also den Weltraum durchqueren. Und auch eine andere Art von Reise gehört dazu. Denn während wir an den Rand des beobachtbaren Universums reisen, zeichnen wir eigentlich die Geschichte des menschlichen Denkens in Bezug auf das Ausmaß des Universums nach. Wir wollen uns jetzt nacheinander mit diesen drei Reisen beschäftigen.

Die Zeitreise in die Vergangenheit

Astronomen erhalten Informationen von elektromagnetischen Wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit (299792 Kilometer pro Sekunde) fortpflanzen. Das ist sehr schnell, aber trotzdem endlich, und deshalb messen Astronomen Entfernungen oft als die Strecke, die Licht in einer gegebenen Zeit zurücklegt. Das Licht von der Sonne braucht mehrere Minuten, um zur Erde zu gelangen, das vom nächsten Stern braucht bereits Jahre, das von der nächsten großen Galaxie (Andromeda) mehrere Millionen Jahre und das von den fernsten Galaxien viele Milliarden Jahre.

Je größer also die Entfernung ist, über die man schaut, desto weiter blickt man in die Vergangenheit zurück. Betrachten wir etwa eine 10 Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie, sehen wir sie so, wie sie vor 10 Milliarden Jahren war. Damit ist eine Reise durch das Universum nicht nur eine Reise durch den Weltraum, sondern auch eine Reise zurück in der Zeit – bis zurück zum Urknall.

Tatsächlich können wir nicht ganz bis zum Urknall zurückschauen. Am Anfang war das Universum so heiß, dass es mit einem undurchsichtigen Nebel aus Teilchen gefüllt war. Als sich das Universum ausdehnte, kühlte es ab, und etwa 400000 Jahre nach dem Urknall lichtete sich der Nebel. Dennoch können wir mithilfe unserer Theorien darüber spekulieren, wie das Universum vor dieser Zeit ausgesehen hat. Da die Dichte und die Temperatur zunehmen, je weiter wir in der Zeit zurückgehen, hängen die Einzelheiten unserer Spekulationen von den Theorien über die hochenergetische Welt der kleinsten Teilchen ab, doch inzwischen haben wir eine ziemlich genaue Vorstellung von der Geschichte des Universums.

Man würde erwarten, dass unsere Zeitreise in die Vergangenheit beim Urknall endet. Doch aus der Physik des Urknalls lernen wir auch, wie andere Universen entstehen könnten. So glauben einige Wissenschaftler, dass das Universum Zyklen von Ausdehnung und anschließendem Kollaps durchläuft, sodass wir eine Kette zeitlich aufeinanderfolgender Universen erhalten. Andere glauben, dass unser Universum nur eine von vielen »Blasen« innerhalb eines weit größeren Kosmos ist. Beides sind Beispiele für sogenannte »Multiversums«-Modelle.

Die Reise durch den Weltraum

Ganz konkret durchs Universum zu reisen, ist eine sehr viel größere Herausforderung, weil dafür ungeheuer viel Zeit nötig ist. Einsteins spezieller Relativitätstheorie (1905) zufolge, kann sich kein Raumfahrzeug schneller fortbewegen als das Licht. Es würde also mindestens 100000 Jahre brauchen, um unser Milchstraßensystem, und 10 Milliarden Jahre, um das Universum zu durchqueren – zumindest nach den Maßstäben derer, die auf der Erde bleiben. Doch die spezielle Relativitätstheorie zeigt auch, dass die Zeit für Beobachter in Bewegung langsamer vergeht, sodass die Reise aus Sicht der Astronauten selbst sehr viel schneller verlaufen könnte. Könnte man mit Lichtgeschwindigkeit reisen, würde sogar überhaupt keine Zeit vergehen!

Kein Raumschiff kann so schnell fliegen wie das Licht, aber bei konstanter Beschleunigung kann man dieser Obergrenze sehr nahe kommen. Die erlebte Zeit wäre dann sehr viel kürzer als die Zeit auf der Erde. Würde man mit derselben Beschleunigung reisen, mit der ein Körper auf der Erde infolge der Schwerkraft fällt, wäre die Reise durch die Milchstraße nur etwa 30 Jahre lang. Man könnte also innerhalb der eigenen Lebenszeit zur Erde zurückkehren, während bis dahin längst alle Freunde gestorben wären. Könnte man die Geschwindigkeit über unsere Galaxie hinaus 100 Jahre lang beschleunigen, würde man bis an den Rand des Universums gelangen!

Einsteins allgemeine Relativitätstheorie (1915) eröffnet vielleicht sogar noch exotischere Möglichkeiten. So könnten Astronauten eines Tages vielleicht sogar Wurmlöcher nutzen oder Warp-Antriebe, die den Raum verzerren – wie in Raumschiff Enterprise und anderen Science-Fiction-Serien, um diese Reisen noch schneller zurückzulegen und heimzukehren, ohne Freunde verloren zu haben. Doch all das ist reine Spekulation.

Die Reise durch die Geschichte des menschlichen Denkens

Für die alten Griechen war die Erde der Mittelpunkt des Universums, und relativ nah gab es die Planeten, die Sonne und die Sterne. Dieses geozentrische (geos = Erde) Weltbild wurde im 16. Jahrhundert durch das heliozentrische (helios – Sonne) ersetzt, als Kopernikus nachwies, dass sich die Erde und andere Planeten um die Sonne bewegen. Später erkannte Galilei, dass die Milchstraße, die man nur als Lichtband kannte, aus zahlreichen Sternen wie der Sonne besteht. Durch diese Entdeckung verringerte sich nicht nur der Stellenwert der Sonne, auch die Größe des bekannten Universums nahm enorm zu.

Im 18. Jahrhundert setzte sich schließlich die moderne Vorstellung von der Milchstraße als Sternenscheibe – als Galaxie – durch, die von der Schwerkraft zusammengehalten wird. Allerdings nahmen die meisten Astronomen nach wie vor an, dass die Milchstraße das gesamte Universum ausmacht, und diese galaktozentrische (unsere Galaxis = Milchstraße) Sicht hielt sich weit bis ins 20. Jahrhundert. 1924 dann maß Edwin Hubble die Entfernung zu der uns nächsten Galaxie (der Andromedagalaxie). Sie musste weit außerhalb der Milchstraße liegen! Und wieder veränderte sich die Größe des bekannten Universums!

In wenigen Jahren maß Hubble Daten von mehreren Dutzend nahen Galaxien und fand, dass sie sich im Mittel mit einer Geschwindigkeit von uns wegbewegen, die proportional zu ihrer Entfernung von uns ist. Am einfachsten lässt sich das erklären, wenn man sich vorstellt, dass sich der Weltraum ausdehnt – expandiert – wie die Oberfläche eines Luftballons, auf den die Galaxien aufgemalt sind und den man aufbläst. Den Zusammenhang zwischen Entfernung und Fluchtgeschwindigkeit nennt man Hubble-Parameter, und heute weiß man, dass diese Beziehung für Entfernungen von zig Milliarden Lichtjahren gilt, also Regionen mit Hunderten Milliarden Galaxien. Wieder eine gewaltige Veränderung der Größenordnung!

Aus kosmozentrischer Sicht ist dies die letzte Veränderung der Größe des Universums, die sich direkt aus der Beobachtung ergibt. Weil sich das Weltall ausdehnt, rücken die Galaxien immer näher zusammen, wenn man die Entwicklung in der Zeit zurückverfolgt, und verschmelzen irgendwann. Dabei nimmt die Dichte ständig zu – bis zurück zum Urknall vor 14 Milliarden Jahren, und weiter als bis zu der Entfernung, die das Licht seit damals zurückgelegt hat, können wir auch nicht sehen. In letzter Zeit gibt es jedoch interessante Erkenntnisse: Obwohl man erwarten würde, dass sich die kosmische Expansion wegen der Schwerkraft verlangsamt, zeigen moderne Beobachtungen, dass sie sich in Wirklichkeit beschleunigt. In einigen der Erklärungsmodelle ist unser beobachtbares Universum Teil einer viel größeren »Blase«. Und diese Blase könnte eine von vielen sein! (Übersetzt von Irene Rumler)

Wie geht es weiter?

Der Endpunkt unserer drei Reisen – der ersten zurück durch die Zeit, der zweiten durch den Weltraum und der dritten durch die Geschichte des menschlichen Denkens – ist also derselbe: jene nicht beobachtbaren Universen, die man nur mithilfe von Theorien erblicken und nur in Gedanken aufsuchen kann!

Albert Einstein
(1879–1955)

Albert Einstein, ein Physiker und Mathematiker, wurde in Deutschland geboren, aber seine Familie zog nach Italien und dann in die Schweiz um. Er zeigte schon jung ein naturwissenschaftliches Interesse: Mit fünf Jahren faszinierte ihn, dass die Nadel bei einem Kompass immer in die gleiche Richtung zeigt. Mit zwölf Jahren brachte er sich selbst Algebra und Geometrie bei.

1905, als er 26 war, veröffentlichte er drei wissenschaftliche Artikel. Einer, mit dem Titel »Zur Elektrodynamik bewegter Körper«, ist besser als spezielle Relativitätstheorie bekannt. Zehn Jahre später stellte er 1915 die allgemeine Relativitätstheorie vor.

Einstein war Jude, und im Dezember 1932, einen Monat bevor Adolf Hitler Reichskanzler wurde, gab Einstein seine deutsche Staatsbürgerschaft auf. Er zog in die USA, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Er war Pazifist und wandte sich gegen die Entwicklung und den Einsatz der Atombombe. Er wollte Frieden zwischen allen Nationen und eine Weltregierung.

Albert Einstein erhielt 1921 den Nobelpreis für Physik. Vielen gilt er als der größte mathematische Physiker aller Zeiten.

Einsteins Theorien

Die spezielle Relativitätstheorie

Alles im Universum bewegt sich. Die Relativität beschreibt die Verbindung zwischen Raum, Zeit und Bewegung. In der speziellen Relativitätstheorie setzte Einstein voraus, dass die Lichtgeschwindigkeit für jeden Beobachter gleich ist, ganz egal, wie schnell sich die Lichtquelle bewegt. Außerdem sind die Gesetze der Physik für alle Beobachter gleich, wenn sie sich gleichförmig bewegen. Diese Theorie führt zu einigen interessanten Ergebnissen, darunter die Tatsache, dass Energie und Masse austauschbar sind und dass sich nichts schneller als das Licht bewegen kann. Aus der Theorie ergibt sich auch Einsteins berühmte Formel

Die allgemeine Relativitätstheorie

Die allgemeine Relativitätstheorie behandelt die Schwerkraft. Einstein meinte, dass Materie im Weltraum den Raum um sich herum verzerrt: Sie krümmt ihn. Die Krümmung ist das, was wir als Schwerkraft wahrnehmen, aber die gewöhnliche Form der Geometrie funktioniert nur für flache Räume und beschreibt keine gekrümmten Räume. Die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt, wie die Schwerkraft auch die Zeit, nicht nur den Raum, beeinflusst.

Gleichförmigkeit des Raums

Um die allgemeine Relativitätstheorie auf das gesamte Universum anzuwenden, setzen wir gewöhnlich einige Grundannahmen voraus:

Dies führt zu folgendem Konzept eines Universums:

Astronomische Beobachtungen – das, was wir durch Fernrohre am Boden und im Weltraum sehen – stützen dieses Bild.

Doch das Universum kann nicht vollkommen räumlich gleichförmig sein, denn dann könnten Strukturen wie Galaxien, Sterne, Sonnensysteme, Planeten oder Menschen gar nicht existieren. Ein Muster winziger Wellen ist nötig, um zu erklären, wie die ersten Flecken von Gas und dunkler Materie zu kollabieren beginnen konnten, damit nach den Gesetzen der Physik später daraus Sterne und Planeten entstehen konnten.

Weil das Gas und die dunkle Materie am Anfang fast gleichförmig verteilt waren und weil wir glauben, dass die physikalischen Gesetze überall gelten, erwarten wir, dass alle Galaxien auf ähnliche Weise entstanden sind. Wenn das so ist, dann sollten entfernte Galaxien ähnliche Arten von Sternen, Planeten und Asteroiden haben wie die, die wir in unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße, sehen.

Woher die anfänglichen Wellen kamen, verstehen wir noch nicht völlig. Nach der im Augenblick einleuchtendsten Theorie kommen sie von einem mikroskopisch kleinen Quantenzittern. Dieses wurde durch eine frühe, sehr schnelle Ausdehnungsphase enorm vergrößert, die man Inflation nennt und die schon einen winzigen Sekundenbruchteil nach dem Urknall stattfand.

Edwin Hubble
(1889–1953)

Edwin Hubble war ein US-amerikanischer Astronom. In der Schule war er ein Sportchampion und hatte in allen Fächern gute Noten, außer in der Rechtschreibung. Als Astronom arbeitete er in Kalifornien am Mount-Wilson-Observatorium. 1923 betrachtete er mit dem enormen 2,5-Meter-Hooker-Teleskop den Andromedanebel. Er entdeckte einen bestimmten Typen von Stern, die Cepheiden-Veränderlichen, anhand dessen er berechnete, dass der Andromedanebel 900000 Lichtjahre von der Erde entfernt sei. Das wäre innerhalb unserer Milchstraße nicht möglich, weil der Radius unserer Galaxie 52850 Lichtjahre beträgt – der Andromedanebel war also tatsächlich eine Andromedagalaxie. Damit hatte man zum ersten Mal eine andere Galaxie entdeckt und schloss daraus, dass das Universum aus vielen weiteren Galaxien besteht. Einige dieser Galaxien entdeckte Hubble später selbst. Er entwickelte auch ein System, Galaxien nach ihrer Form zu klassifizieren, und erkannte, dass sie sich umso schneller bewegen, je weiter sie von unserem Sonnensystem entfernt sind.

Inzwischen wurde berechnet, dass die Andromedagalaxie nicht 900000, sondern 2,5 Millionen Lichtjahre von uns entfernt sein muss. Dennoch war Hubbles Entdeckung bahnbrechend und bewies, dass Andromeda außerhalb unserer eigenen Galaxie liegt.

Eine Theorie von Allem

Im Laufe der Geschichte haben die Menschen stets versucht, die wunderbaren Dinge zu verstehen, die sie sahen, und sich gefragt:

Erst in den letzten Jahrhunderten haben wir wissenschaftliche Antworten gefunden.

Klassische Theorie

1687 veröffentlichte der große englische Mathematiker und Physiker Isaac Newton die Bewegungsgesetze, die beschreiben, wie Kräfte auf die Bewegung von Körpern wirken, und das Gravitationsgesetz, nach dem jeder Körper im Universum jeden anderen mit einer Kraft, der Schwerkraft oder Gravitation, anzieht. Das Gravitationsgesetz erklärt, warum wir nicht von der Erdoberfläche abheben, warum die Erde die Sonne umkreist und wie die Planeten und Sterne entstanden sind. Auf der Größenordnung der Planeten, Sterne und Galaxien ist die Schwerkraft der Baumeister, der die große Struktur des Universums bestimmt. Auf die newtonschen Gesetze greifen wir noch heute zurück, wenn wir Satelliten in die Erdumlaufbahn und Raumsonden zu anderen Planeten zu schicken. Aber neuere Theorien wie die einsteinschen Relativitätstheorien sind nötig, wenn es um Körper geht, die sehr schnell oder sehr massereich sind, und wiederum andere Theorien erklären das Verhalten von winzigen Dingen wie Atomen oder Elementarteilchen.

Die Bewegungsgesetze

  1. Jeder Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich geradlinig mit konstanter Geschwindigkeit, wenn keine äußere Kraft auf ihn wirkt.
  2. Die Impulsänderung eines Körpers ist ebenso groß wie die Stärke der äußeren Kraft und zeigt in die gleiche Richtung.
  3. Wenn ein Körper eine Kraft auf einen anderen Körper ausübt, dann übt der zweite Körper auch eine Kraft auf den ersten auf, die die gleiche Stärke, aber die entgegengesetzte Richtung hat.

Das Gravitationsgesetz

Jeder Körper im Universum zieht jeden anderen Körper mit einer Kraft an, die in Richtung der Verbindungslinie der beiden Körper zeigt und die proportional zum Produkt ihrer Massen und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstands ist.

Sir Isaac Newton
(1642–1727)

Isaac Newton war ein englischer Mathematiker und Physiker. Sein Vater starb, als er ein Kind war, und er wurde von seiner Großmutter erzogen. Als Schüler bastelte er Sonnenuhren und Wasseruhren. Nach einer berühmten Anekdote soll er im häuslichen Garten gesehen haben, wie ein Apfel zu Boden fiel, was ihn dazu anregte, die Gesetze der Schwerkraft auszuarbeiten. Er hatte wohl alle seine Gravitationsgesetze im Alter von 23 Jahren ausformuliert.

Newton entdeckte auch, dass man weißes Licht mit einem Prisma in Farben auftrennen kann. Er erfand eine neue Form von Teleskopen. Zwar war er den Wissenschaftlern und Mathematikern seiner Zeit gut bekannt, aber er veröffentlichte seine Arbeiten erst in relativ hohem Alter. Er war zweimal Parlamentsabgeordneter für die Universität Cambridge und wurde 1705 geadelt.

Quantentheorie

Die klassischen Theorien erklären große Dinge wie Galaxien, Sterne oder auch Bakterien. Aber sie können nicht erklären, wie Atome funktionieren. Eigentlich dürften Atome klassisch gar nicht existieren! Im frühen 20. Jahrhundert erkannten Physiker, dass sie eine völlig neue Theorie brauchten, um sehr kleine Dinge wie Atome oder deren Bestandteile, zum Beispiel Elektronen, zu verstehen. Dies versucht die Quantentheorie. Die Version, die unser heutiges Wissen der Elementarteilchen und Grundkräfte zusammenfasst, heißt Standardmodell. Es umfasst Quarks und Leptonen (die Teilchen, aus denen die Materie besteht), Kraft- oder Austauschteilchen (die Kräfte vermitteln, nämlich Gluonen, Photonen, W- und Z-Bosonen) sowie das Higgs-Boson (das nötig ist, um die Masse von anderen Teilchen zu erklären). Viele Wissenschaftler halten das Standardmodell für zu kompliziert und hätten gerne ein einfacheres.

Und was ist mit der dunklen Materie, die Astronomen entdeckt haben? Und mit der Schwerkraft? Das Austauschteilchen der Schwerkraft heißt Graviton, aber es ins Standardmodell einzufügen, ist schwierig, weil die Gravitation ganz anders als die anderen Kräfte ist – sie verändert die Form der Raumzeit.

Eine Theorie, die alle Kräfte und alle Teilchen erklärt – eine »Theorie von Allem« oder »Weltformel«, könnte ganz anders aussehen als alles bisher Bekannte, denn sie müsste nicht nur die Schwerkraft, sondern auch die Raumzeit erklären. Doch wenn es sie gibt, sollte sie das physikalische Funktionieren des gesamten Universums erklären, auch schwarze Löcher, den Urknall und die ferne Zukunft des Kosmos. Eine spektakuläre Errungenschaft.

Dunkle Materie

Dunkle Materie ist eine Idee. Das Universum verhält sich auf eine Weise, die nicht durch die Menge an Materie erklärt werden kann, die wir sehen. Eine Galaxie müsste etwa zehnmal so viel Masse haben wie die, die wir sehen können, um ihr Verhalten zu erklären. Wissenschaftler wissen nicht, was dort noch vorhanden sein könnte – sie sehen ja nichts –, und nennen die fehlende Masse daher dunkle Materie. Das könnten Elementarteilchen sein oder kleine, sehr schwache Sterne oder schwarze Löcher. Einige Wissenschaftler denken, dass die dunkle Materie heiß ist, andere halten sie für kalt. Die Diskussionen und die Forschungen gehen weiter.

Max Planck
(1858–1947)

Max Planck war ein deutscher mathematischer Physiker. Er hätte auch Musiker werden können, denn er konnte gut singen und sowohl Klavier als auch Orgel und Cello spielen. Aber er wollte lieber Wissenschaftler werden. Ihn interessierte die Thermodynamik: wie Körper Wärme aufnehmen (absorbieren) und abgeben (emittieren). In seiner Quantentheorie, die er im Jahr 1900 veröffentlichte, schlug Planck vor, dass Energie nur in kleinen Paketen absorbiert und abgegeben wird, die man Quanten nennt. 1905 regte Plancks Arbeit Albert Einstein dazu an, eine ähnliche Theorie über das Licht zu entwickeln. Max Planck erhielt 1918 den Nobelpreis für Physik.

Der Urknall

Stell dir vor, du sitzt im Universum zu dieser sehr frühen Zeit (selbstverständlich kannst du nicht außerhalb des Universums sitzen). Du müsstest sehr widerstandsfähig sein, denn die Temperatur und der Druck in dieser Urknallsuppe sind unglaublich hoch. Damals war sämtliche Materie, die wir heute um uns sehen, auf eine Region zusammengepresst, die kleiner als ein Atom war.

Es ist ein winziger Sekundenbruchteil nach dem Urknall, und alles sieht in jede Richtung ziemlich gleich aus. Es gibt keinen Feuerball, der sich ausbreitet, vielmehr gibt es nur einen heißen Klumpen von Materie, der den gesamten Raum ausfüllt.

Was ist diese Materie? Wir wissen das nicht so genau – es könnten Typen von Teilchen sein, die wir heute nicht mehr sehen, es könnten auch »Strings« (winzige Schleifen von fadenartigen Strukturen) sein, aber es ist gewiss »exotische« Materie, auf deren Beobachtung wir heute nicht mehr hoffen dürfen, nicht einmal in den größten Teilchenbeschleunigern.

Beim Urknall dehnt sich dieser Klumpen sehr heißer exotischer Materie aus, weil der Raum, den er ausfüllt, größer wird. Die Materie strömt in alle Richtungen von dir weg und der Klumpen wird weniger dicht. Je weiter ein Materiebereich von dir entfernt ist, desto mehr expandierender Raum liegt zwischen dir und ihm, und desto schneller bewegt sich dieser Bereich von dir weg.

Die am weitesten entfernte Materie bewegt sich sogar schneller als in Lichtgeschwindigkeit von dir weg!

Eine Menge komplizierter Veränderungen laufen nun sehr schnell ab – alle in der ersten Sekunde nach dem Urknall. Durch die Ausdehnung des winzigen Universums kühlt sich die heiße exotische Teilchensuppe ab. Dadurch kommt es zu plötzlichen Veränderungen, so ähnlich, wie wenn Wasser beim Abkühlen zu Eis wird.

Das frühe Universum ist immer noch viel kleiner als ein Atom. Eine dieser Zustandsänderungen erzeugt eine gewaltige Beschleunigung der Ausdehnung: die Inflation. Die Größe des Universums verdoppelt sich und verdoppelt sich dann noch einmal und noch einmal, bis es sich insgesamt 90-mal jeweils verdoppelt hat und von subatomaren auf mit dem menschlichen Auge wahrnehmbare Größenordnungen angewachsen ist. Wie beim Spannen eines Bettlakens glättet diese enorme Dehnung alle größeren Beulen in der Materieverteilung, sodass das Universum, das wir am Ende sehen, sehr glatt ist und in alle Richtungen praktisch gleich aussieht.

Andererseits werden mikroskopische Unebenheiten ebenfalls gedehnt und werden viel größer; sie lösen später die Bildung von Sternen und Galaxien aus.

Die Inflation endet abrupt und setzt eine große Menge Energie frei, die eine Flut neuer Teilchen erzeugt. Die exotische Materie ist verschwunden und durch Teilchen ersetzt, die uns heute noch vertraut sind, darunter Quarks (die Bausteine der Protonen und Neutronen, auch wenn es für deren Entstehung noch zu heiß ist), Antiquarks, Gluonen (die zwischen Quarks und Antiquarks ausgetauscht werden), Photonen (die Teilchen, aus denen das Licht besteht), Elektronen und andere Teilchen, die die Physiker gut kennen. Es könnte auch Teilchen der dunklen Materie geben, aber auch wenn wir denken, dass sie entstehen müssen, verstehen wir bisher noch nicht, was sie sind.

Wohin ist die exotische Materie verschwunden? Ein Teil wurde während der Inflation in ferne Regionen des Universums weggeschleudert, die wir vermutlich niemals sehen werden, und ein anderer Teil zerfiel in weniger exotische Teilchen, als die Temperatur sank. All die Materie um uns herum ist nun viel weniger heiß und dicht als zuvor, wenn auch immer noch viel heißer und dichter als heute (selbst im Inneren von Sternen). Das Universum ist mit einem heißen, leuchtenden Nebel (einem Plasma) angefüllt, der vor allem aus Quarks, Antiquarks und Gluonen besteht.

Die Expansion des Universums geht weiter (aber weniger schnell als in der Inflationsphase), und irgendwann sinkt die Temperatur so weit, dass sich Quarks und Antiquarks in Zweier- oder Dreiergruppen aneinander binden können und auf diese Weise Protonen, Neutronen und andere Teilchen bilden, sogenannte Hadronen. Man sieht immer noch kaum etwas in dem leuchtenden, nebligen Plasma, als das Universum eine Sekunde alt ist.

Wenn zwei Atome mit verschiedenen Zahlen von Elektronen miteinander reagieren, können sie Elektronen austauschen und bilden dabei eine sogenannte Ionenverbindung; sie werden dabei geladen – eines positiv, das andere negativ.

In den nächsten paar Sekunden kommt es zum Feuerwerk, weil der Großteil der Materie und Antimaterie sich gegenseitig vernichtet und dabei Unmengen neuer Photonen entstehen. Der Nebel besteht jetzt vor allem aus Protonen, Neutronen, Elektronen, dunkler Materie und (hauptsächlich) Photonen. Die geladenen Protonen und Elektronen verhindern, dass die Photonen weit reisen können, sodass die Sichtweite in diesem expandierenden und abkühlenden Nebel immer noch sehr gering ist.

Antimaterie

Antimaterie besteht aus Teilchen, die den Teilchen der normalen Materie ähneln, aber bei denen viele Eigenschaften, unter anderem ihre elektrische Ladung, entgegengesetzt sind. Wenn gewöhnliche Materie und Antimaterie aufeinandertreffen, dann zerstören sie sich gegenseitig.

Als das Universum ein paar Minuten alt ist, bilden die übrig gebliebenen Protonen und Neutronen Atomkerne, vor allem solche, die später zu Wasserstoff und Helium werden. Sie sind noch geladen, sodass man durch den Nebel nicht hindurchsehen kann. In diesem Augenblick ähnelt die neblige Materie dem, was man heute im Inneren von Sternen findet, aber natürlich füllt sie das gesamte Universum aus.

Nach der hektischen Aktivität in den ersten Minuten seiner Existenz bleibt das Universum die nächsten paar Hunderttausend Jahre ziemlich gleich, dehnt sich aber weiter aus und kühlt weiter ab, sodass der heiße Nebel immer dünner wird. Zugleich wird er weniger hell und rötlicher, denn durch die Expansion des Raums wird auch die Wellenlänge des Lichts gedehnt.

Dann, nach 380000 Jahren, als der Teil des Universums, den wir später von der Erde aus sehen können, auf einige Millionen Lichtjahre Durchmesser angewachsen ist, lichtet sich der Nebel endlich – Elektronen werden von den Wasserstoff- und Heliumkernen eingefangen, sodass vollständige Atome entstehen. Da sich die elektrischen Ladungen der Elektronen und der Atomkerne aufheben, sind sämtliche Atome ungeladen, und die Photonen können sich ungehindert ausbreiten – das Universum wird transparent.

Was siehst du nun nach dieser langen Wartezeit im Nebel? Nur ein sich abschwächendes rotes Glühen in alle Richtungen, das immer rötlicher und schwächer wird, weil die Ausdehnung des Raums auch die Wellenlänge der Photonen dehnt. Schließlich wird das Licht so weit gedehnt, dass es ganz unsichtbar wird, und überall ist Dunkelheit – wir sind in das kosmische finstere Zeitalter eingetreten.

Die Photonen des letzten Glühens sind seither immer weiter durch das Universum gewandert und wurden dabei immer weiter ins Rote verschoben – heute kann man sie noch als sogenannte kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung nachweisen, die immer noch aus allen Richtungen auf der Erde eintreffen.

Das finstere Zeitalter dauert ein paar Hundert Millionen Jahre an und in dieser Zeit gibt es tatsächlich nichts zu sehen. Das Universum ist immer noch mit Materie angefüllt, aber fast alles ist dunkle Materie. Außerdem gibt es Wasserstoff- und Heliumgas, aber nichts davon erzeugt neues Licht. In der Dunkelheit gibt es jedoch stille Veränderungen.

Die mikroskopisch kleinen Wellen, die durch die Inflation vergrößert wurden, führten dazu, dass einige Regionen etwas mehr Masse enthalten als andere. Dies erhöht die Schwerkraft in diesen Regionen, was weitere Masse anzieht; die dunkle Materie, das Wasserstoffgas und das Heliumgas, die bereits dort vorhanden sind, werden zusammengezogen. Über Jahrmillionen sammeln sich durch die stärkere Gravitation dichtere Flecken von dunkler Materie und Gas an. Sie wachsen langsam, indem sie immer mehr Materie anziehen. Zu einem schnelleren Wachstum kommt es, wenn sie mit anderen ähnlichen Verdichtungen zusammenstoßen und verschmelzen. Wenn die Gasatome in diese Verdichtungen fallen, werden sie schneller, und das Gas erhitzt sich dadurch immer weiter. Von Zeit zu Zeit wird das Gas so heiß, dass der Kollaps gestoppt wird, es sei denn, das Gas kann sich durch die Emission von Photonen abkühlen oder wird durch die Kollision mit einer anderen Gaswolke weiter komprimiert.

Wenn es weit genug kollabiert, zerfällt das Gas in kugelförmige Klumpen, die so dicht sind, dass die Hitze nicht mehr abstrahlen kann. Schließlich wird ein Punkt erreicht, an dem die Wasserstoffkerne in den Gasklumpen so heiß und so dicht zusammengedrückt sind, dass sie zu Heliumkernen fusionieren (d. h. miteinander verschmelzen) und dabei Kernenergie freisetzen. Du sitzt in einem dieser kollabierenden Klumpen aus dunkler Materie und Gas (denn dies ist die Stelle, an der später die Galaxie der Erde sein wird) und wirst davon überrascht, dass die Dunkelheit durchbrochen wird, wenn die ersten dieser Klumpen um dich herum in helles Licht ausbrechen. Die ersten Sterne sind geboren und das finstere Zeitalter ist vorüber.

Die ersten Sterne verbrennen ihren Wasserstoff schnell, und in ihrem letzten Stadium fusionieren sie alle Kerne, die noch vorhanden sind, zu schwereren Kernen als Helium: Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und all die anderen schwereren Atomsorten entstehen, die sich heute überall um uns herum (und in uns) befinden. Diese Atome, die »Asche« der ersten Sterne, werden in gewaltigen Explosionen in nahe Gaswolken zerstreut und von der zweiten Sterngeneration aufgenommen. Dieser Prozess setzt sich fort: Neue Sterne entstehen aus den sich ansammelnden Gas- und Staubwolken, sie vergehen wieder und erzeugen dabei mehr Asche. Bei der Entstehung jüngerer Sterne bildet sich die vertraute Spiralform unserer Galaxie – der Milchstraße. Das Gleiche passiert in ähnlichen Klumpen aus dunkler Materie und Gas im ganzen sichtbaren Universum.

Die Sonne

Neun Milliarden Jahre sind seit dem Urknall vergangen, und nun nimmt ein junger Stern, umgeben von Planeten, Gestalt an und entzündet sich. Der Stern und die Planeten sind aus dem Wasserstoff- und Heliumgas und der Asche toter Sterne entstanden.

Weitere 4,5 Milliarden Jahre später könnte der dritte Planet dieses Sterns immer noch der einzige Ort im Universum sein, auf dem Menschen bequem leben können. Einer dieser Menschen bist du. Du wirst Sterne, Wolken aus Gas und Staub, Galaxien und die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung überall am Himmel sehen – aber nicht die dunkle Materie, also den Großteil dessen, was da draußen liegt. Du wirst auch nichts von den Regionen sehen, die so weit entfernt sind, dass selbst die Photonen der Hintergrundstrahlung noch nicht zu uns gelangt sind. Es könnte sogar Teile im Universum geben, von denen das Licht niemals unseren Planeten erreicht.

Die Ausdehnung des Universums

Der Astronom Edwin Hubble studierte mit dem 2,5-Meter-Teleskop auf dem Mount Wilson in Kalifornien den Nachthimmel. Er fand, dass einige der Nebel – verschwommene, leuchtende Flecken am Himmel – tatsächlich Galaxien wie unsere Milchstraße sind. Sie sind von unterschiedlicher Größe, aber jede enthält Milliarden und Abermilliarden von Sternen. Darüber hinaus entdeckte Hubble eine erstaunliche Tatsache: Andere Galaxien scheinen sich von uns zu entfernen, und je weiter sie entfernt sind, desto schneller ist ihre scheinbare Geschwindigkeit. Plötzlich wurde das von Menschen wahrnehmbare Universum viel, viel größer.

Das Universum expandiert immer noch: Die Entfernungen zwischen Galaxien nehmen mit der Zeit zu. Stell dir das Universum als die Oberfläche eines Ballons vor, mit Punkten darauf, die Galaxien darstellen. Wenn man den Ballon aufbläst, dann entfernen sich die Punkte bzw. Galaxien voneinander, und je weiter entfernt sie liegen, desto schneller nimmt der Abstand zwischen ihnen zu.

Rotverschiebung

Sehr heiße Objekte wie Sterne erzeugen sichtbares Licht, aber da sich das Universum ständig ausdehnt, bewegen sich diese fernen Sterne und ihre Heimatgalaxien von der Erde weg. Dabei wird auch das Licht selbst gedehnt, und je weiter es durch den Weltraum läuft, desto stärker wird es gedehnt. Diese Dehnung lässt das Licht rötlicher aussehen – diesen Effekt nennt man kosmologische Rotverschiebung.

Die frühe Atmosphäre

✦ Die Erdatmosphäre war nicht immer so wie heute. Wenn wir 3,5 Milliarden Jahre zurückreisen könnten in die Zeit, als die Erde etwa 1 Milliarde Jahre alt war, dann könnten wir dort nicht atmen.

✦ Die Atmosphäre der Erde vor 3,5 Milliarden Jahren enthielt keinen Sauerstoff. Die genaue Zusammensetzung ist nicht bekannt, doch sie bestand wohl vor allem aus Stickstoff, Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan. Was wir aber wissen, ist, dass in dieser Periode enorme Vulkanausbrüche stattfanden, die Wasserstoff, Kohlendioxid, Ammoniak und Schwefelwasserstoff in die Atmosphäre freisetzten. Schwefelwasserstoff stinkt wie faule Eier und ist giftig, wenn man große Mengen einatmet.

✦ Heute besteht unsere Atmosphäre aus etwa 78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff und 0,93 % Argon. Die übrigen 0,07 % sind vor allem Kohlendioxid (0,04 %) und eine Mischung aus Neon, Helium, Methan, Krypton und Wasserstoff.