Impress
Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

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Asuka Lionera

Gladiator’s Love. Vom Feuer gezeichnet

**Zwischen uns brennt ein Feuer**

Tag für Tag muss Aeryn als Gladiatorin in der Arena kämpfen und die Gunst der Zuschauer gewinnen. Denn nur so kann sie als versklavte Vantyr, deren Feuermagie versiegelt wurde, in der Fremde überleben. Was ihr bleibt, ist ihr lodernder Stolz und ihr unbändiger Wunsch nach Freiheit. Um nie wieder einen blutigen Kampf bestreiten zu müssen, fasst Aeryn schließlich einen schier unmöglichen Plan, bereit, sogar ihr eigenes Leben zu opfern. Aber ausgerechnet Cato, der Leibwächter eines Arenabetreibers des Landes, bringt ihr zielstrebiges Herz ins Stolpern.

WOHIN SOLL ES GEHEN?

Buch lesen

Vorbemerkung

Vita

Danksagung

© rini

Asuka Lionera wurde 1987 in einer thüringischen Kleinstadt geboren und begann als Jugendliche nicht nur Fan-Fiction zu ihren Lieblingsserien zu schreiben, sondern entwickelte auch kleine RPG-Spiele für den PC. Ihre Leidenschaft machte sie nach ein paar Umwegen zu ihrem Beruf und ist heute eine erfolgreiche Autorin, die mit ihrem Mann und ihren vierbeinigen Kindern in einem kleinen Dorf in Hessen wohnt, das mehr Kühe als Einwohner hat.

VORBEMERKUNG

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Asuka Lionera und das Impress-Team

Für all jene, deren Seele zu warm für diese kalte Welt ist.

A E R Y N

»Dachtest du wirklich, du könntest mich besiegen?«, tönt Marcellus, mein heutiger Gegner, bevor er neben mir ausspuckt. »Ich habe schon ganz andere als dich auseinandergenommen. Dich werde ich ebenfalls zerquetschen!«

Ich war unachtsam. Anders kann ich mir nicht erklären, wie es ihm gelungen ist, mich zu überrumpeln.

Heute ist kein guter Tag. Das habe ich schon gemerkt, als ich den ersten Schritt in die Arena gesetzt habe. Das Blut in meinen Adern kribbelt und brennt. Das wird böse enden, wenn ich diesen Kampf nicht so schnell wie möglich hinter mich bringe. Doch offenbar habe ich meinen heutigen Gegner unterschätzt.

Ich springe zurück auf die Füße. »Versuchs doch«, zische ich, als ich einem weiteren seiner Schwerthiebe ausweiche.

Unbarmherzig brennt die Mittagssonne des etureischen Reiches auf mich herab. Jeder meiner Atemzüge ist erfüllt von Staub und Hitze, doch ich ringe nach Luft, ganz gleich wie sehr es in meinem Hals kratzt.

Mit dem linken Arm halte ich den hölzernen Schild vor mich, der etwa halb so groß ist wie ich, um einen Angriff meines Gegners zu parieren. Ich fühle den Aufprall seines Schwerts gegen meinen Schild bis hinauf in die Schulter, aber ich weiche keinen Schritt zurück.

Zurückzuweichen bedeutet Schwäche. Schwäche bedeutet Tod.

Und ich werde weder heute noch morgen oder übermorgen in dieser verdammten Arena sterben.

Die Finger meiner rechten Hand umklammern den rauen Schwertgriff so fest, dass es beinahe wehtut. So gut es geht, versuche ich das heiße Blubbern in meinen Adern zu ignorieren. Es ist ausgeprägter als gewöhnlich, doch ich darf nicht zulassen, dass es die Oberhand gewinnt.

Erneut lässt mein Gegner einen Schwerthieb auf meinen Schild niedergehen. Die Menge um uns herum stöhnt gelangweilt und erschrocken gleichermaßen auf. Ich kann nie sagen, ob sie sich darüber freut, dass mir nichts geschehen ist, oder danach lechzt, mich blutüberströmt im Staub der Arena liegen zu sehen.

Als Marcellus den Arm für eine weitere Attacke hebt, lasse ich den Schild sinken, tauche unter seinem schlecht ausgeführten Hieb hindurch und mache einen Schritt zur Seite. Nun habe ich alle Zeit der Welt, seine ungeschützte Flanke anzugreifen.

Noch vor wenigen Stunden rumorte ein ungutes Gefühl in meinen Eingeweiden, als ich auf die Tafel blickte, an der die heutigen Kampf-Paare angekündigt wurden. Marcellus ist ein Koloss von einem Mann und fast doppelt so breit wie ich. Er ist ein Etureer, der jedoch unehrenhaft aus dem Heer entlassen wurde und seitdem sein Glück als Gladiator versucht. Bisher hat er sich außergewöhnlich gut geschlagen; ich habe einige seiner Kämpfe gesehen. Mehrmals durchschlug er die Schilde seiner Kontrahenten oder überrollte sie schlicht mit seiner Größe und Kraft.

Doch all diese Muskeln und die Körpergröße haben einen Preis: Seine Angriffe mögen so kraftvoll sein, dass mir beinahe die Schulter birst, aber Marcellus benötigt mehr Zeit, um seine Muskelberge zu bewegen. Zeit, die ich nutzen kann, ihm auszuweichen und anzugreifen, wenn seine Deckung unten ist.

Mir gelingt ein Schwertstreich unterhalb seiner Rippen, der ihn vor Schmerzen aufheulen und die Menge um uns herum vor perfider Freude jubeln lässt.

Ich liebe ihr Jubeln genauso sehr, wie ich es verabscheue.

Es vibriert in mir, bringt mein Blut dazu, noch schneller zu pulsieren. Schneller und immer schneller, bis ich das Gefühl habe, nicht mehr Herr über meinen Körper zu sein. Bis ich nur noch handele, statt nachzudenken.

Die Kämpfe, in denen das passiert, sind die schlimmsten, denn sie versetzen mich in einen Rausch, bis ich mich selbst nicht mehr erkenne, und sie enden immer in einem Blutbad.

Ich stehe kurz davor, mich ein weiteres Mal diesem Rausch hinzugeben. Etwas lockt mich. Etwas, was schon viel zu lange in mir eingesperrt ist. Es lodert in mir, wie ein nie versiegendes Feuer.

Und es ist genauso zerstörerisch.

Als ich erneut das Schwert hebe, um einen weiteren Hieb auszuführen, rammt Marcellus mir mit voller Wucht seinen Schild gegen die linke Seite. Ich werde zurückgeschleudert. Als ich hart im Staub der Arena lande, wird mir sämtliche Luft aus den Lungen gepresst. Unzählige Steinchen kratzen über meine Haut, die zum größten Teil unbedeckt ist.

Meine Seite pulsiert vor Schmerzen, doch ich rappele mich so weit auf, dass ich zu meinem Schild kriechen kann. Er liegt einige Meter entfernt, aber zum Glück habe ich das Schwert nicht losgelassen.

Ein Schatten fällt auf mich, und bevor ich reagieren kann, tritt mir Marcellus in den Bauch. Ich gebe ein Röcheln von mir, ehe ich wieder zurück in den Staub falle.

Obwohl jede Bewegung wehtut, zwinge ich mich zurück auf die Füße, um keinen erneuten Treffer zu erleiden – schneller diesmal, sodass sein erneuter Angriff ins Leere läuft.

Marcellus keucht vor Anstrengung und der ganze Schweiß auf seinem Gesicht und der Brust rührt garantiert nicht von der glühenden Hitze. Ich muss ihm nur noch ein paarmal ausweichen, bis er erschöpft zu Boden sinken wird. Diese Taktik hat sich schon bei vielen Gegnern seines Kalibers bewährt, auch bei denen, die von Kopf bis Fuß gepanzert waren.

Seinen nächsten Hieb pariere ich und bin überrascht über die Kraft, die er noch hat. Schnell stelle ich einen Fuß zurück, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während er die Klinge gegen meine drückt und sein Gesicht nur ein Stück von meinem entfernt ist.

»Es wird mir Ehre einbringen, eine Vantyr besiegt zu haben«, knurrt Marcellus.

»Träum weiter!«, grolle ich und stoße ihn zurück.

Ich habe kaum genug Zeit, einen anderen Stand zu wählen, da geht er wieder auf mich los.

Ich komme nicht umhin, ihn für sein Durchhaltevermögen zu bewundern. In der Vergangenheit wurde ich Gegnern zugeteilt, die bereits nach einer Minute ihre Waffe von sich geworfen haben, weil sie nicht gegen mich antreten wollten.

Doch Marcellus lässt mehrmals sein Schwert auf mich niedersausen und ich habe Mühe, seine Angriffe weiter zu parieren. Ich weiche ihnen aus, lasse mich zurücktreiben und sehe Siegesgewissheit in seinem Blick aufglimmen.

Freu dich nicht zu früh, raune ich in Gedanken.

Endlich hat er mich so weit zurückgetrieben, dass ich an meinem verlorenen Schild angelangt bin. Seinen nächsten Hieb pariere ich und stoße ihn mit aller Kraft zur Seite, sodass Marcellus beinahe das Gleichgewicht verliert. Ich nutze die Sekunden, die er benötigt, um wieder einen sicheren Halt im heißen Arenasand zu finden, indem ich meinen Schild aufhebe und ihn um meinen linken Unterarm schnalle.

Die Siegessicherheit verschwindet aus seinem Blick und macht nackter Angst Platz, als ich ihn meinerseits zurücktreibe und ihm immer wieder kleinere, aber nicht minder schmerzhafte Schnitte an Armen, Händen und jedem Körperteil zufüge, den meine Klinge erreicht. Nach wenigen Minuten blutet Marcellus aus unzähligen Wunden, die zwar nicht bedrohlich sind, ihn aber, gemeinsam mit der Schnittwunde an der Seite, in seinen Bewegungen einschränken.

Nach einem weiteren Angriff zieht er seinen Schild zu langsam hoch, sodass ich ihm meinen gegen das Gesicht rammen kann. Vor Schmerzen aufheulend lässt er das Schwert fallen und presst die freie Hand gegen die Nase, aus der eine wahre Blutfontäne schießt.

Das Jubeln der Menge ist ohrenbetäubend, ehe es zu einem Singsang wird. Sie rufen meinen Namen, wieder und wieder.

»Aeryn! Aeryn! Aeryn!«

Ihre ekstatischen Rufe befeuern das Brennen in meinen Adern nur noch weiter, bis ich es kaum noch aushalte – ein fast vergessenes Gefühl längst vergangener Tage. Ich dränge es zurück, denn wenn ich mich ihm hingebe, werde nur ich lebend diese Arena verlassen. Und den Kampf habe ich auch so gewonnen.

Die Kämpfe von uns Gladiatoren dienen fast immer nur der Unterhaltung. Die Menge liebt es, wenn Blut fließt, aber zu Todesfällen kommt es selten. Meistens sind sie eigener Dummheit geschuldet. Oder der anwesende Senator ist der Meinung, dass Köpfe rollen sollen.

Das kam innerhalb der letzten fünf Jahre, die ich in der Arena kämpfen musste, bereits öfter vor. In Marcellus’ Sinn hoffe ich, dass sein Herr genügend Gold bezahlt hat, um den heute anwesenden Senator milde zu stimmen. Zeigt er am Ende unseres Kampfes mit dem Daumen nach unten, bleibt mir jedoch nichts anderes übrig, als Marcellus zu töten.

Flüchtig werfe ich einen Blick auf die Empore in den Zuschauerrängen, die mit einem bunten Baldachin überspannt ist. Von hier aus sehen diese feisten Politiker zwar alle gleich für mich aus, aber ich versuche trotzdem in der Miene des heutigen Senators zu erkennen, wie er sich entscheiden wird.

Mit einem Schwertstreich gegen sein Bein bringe ich Marcellus nun dazu, in die Knie zu sinken. Ich kicke seine Waffe außerhalb seiner Reichweite und setze ihm meine Klinge an den Hals, ehe ich wieder zu den Zuschauerrängen aufschaue.

Ich hoffe wirklich, dass der Senator Milde walten lässt. Es ist mir zuwider, andere Gladiatoren zu töten. Mir genügt es, sie im Staub vor mir knien zu sehen.

Der Senator streckt den Arm aus und belässt ihn für einen theatralischen Moment in dieser Geste, bis auch der letzte jubelnde Zuschauer verstummt und gespannt auf die Entscheidung des Staatsmannes harrt. Ich wünschte, er würde sich verdammt noch mal beeilen, damit ich mir endlich den Staub, das Blut und die roten Schlieren abwaschen kann, die meine Haut bei jedem Kampf zieren müssen. Und damit ich aus dieser verdammten Sonne herauskomme.

Mit jeder Sekunde des Wartens ebbt das brennende Gefühl in meinen Adern etwas mehr ab, verschwindet aber nicht gänzlich. Tage wie diese, an denen das Brodeln meiner einstigen Kraft nicht ganz versiegen will, machen mich rastlos. Aber aus Erfahrung weiß ich, dass das Gefühl verschwindet, sobald ich die Arena hinter mir lassen kann.

Was hoffentlich bald ist.

Als ich schon drauf und dran bin, die Entscheidung für den Senator zu fällen, zeigt er mit dem Daumen nach oben und ich lasse von Marcellus ab.

Das Jubeln der Menge erfüllt die Arena und ich gebe mich, als badete ich darin, als es über mich brandet. Es hat mich viele Monate gekostet, den Zuschauern das vorzuspielen, was sie sehen wollen: eine siegreiche Gladiatorin, die sich für die Unterstützung aus den sicheren Rängen bedankt.

Durch meine Kämpfe und vor allem meine Siege habe ich mich zum Liebling des Volkes entwickelt. Eines Volkes, das ich mit jeder Faser meines Herzens verabscheue. Und doch bin ich abhängig von seiner Gunst und seinen Launen.

Marcellus nutzt den Augenblick, um besiegt aus der Arena zu schleichen. In ein paar Wochen wird das Los wieder auf uns beide fallen und wir werden uns erneut gegenüberstehen, denn heute haben wir der Menge einen guten Kampf geboten. Ich glaube jedoch nicht daran, dass der Ausgang des zukünftigen Kampfes ein anderer sein wird als heute. Ich hatte ausreichend Zeit, um seine Angriffsabläufe zu studieren.

Huldvoll verbeuge ich mich zu allen Seiten. Der Applaus und die Rufe meines Namens werden nicht leiser, dennoch bleibe ich nicht stehen, sondern eile auf einen der zahlreichen Ausgänge zu.

Als ich die Gänge unterhalb der Zuschauerränge betrete, schließt sich ein Gatter hinter mir und sogleich werde ich von zwei muskulösen Männern umringt, während ein dritter die Spitze seines Speers auf mich richtet, damit ich nicht auf dumme Gedanken komme. Ohne Widerstand reiche ich den Männern Schild und Schwert. Erst danach wird mir erlaubt weiterzugehen, wobei sich stets mindestens einer der Wärter hinter mir hält.

Ich kenne den Weg durch die verwinkelten Gänge. Die Zuschauer sehen nur die Wege, die zu den Rängen und wieder ins Freie führen, aber das Arenagelände hat viel mehr zu bieten. Neben Waffenräumen gibt es eine Vielzahl weiterer Zimmer: Baderäume, Zimmer für private Unterhaltungen und natürlich Zellen. Als eine der kostbarsten Gladiatorinnen, über die mein Herr und Arenabetreiber Graecus verfügt, muss ich mein Dasein zum Glück nicht in einer dieser Zellen fristen, bis mein Herr gedenkt, mich nach Hause zu holen.

Aus den noch tiefer gelegenen Ebenen dringt das wütende Brüllen gefangener Raubtiere empor. Ich bin froh, dass ich noch nie gegen eine dieser ausgehungerten Bestien antreten musste, denn sie wären ein zäherer Gegner als Marcellus.

Als hinter mir ein träges Klatschen ertönt, bleiben ich und mein stummer Bewacher stehen. Ich wende mich zu meinem Herrn um und neige den Kopf, wie er es von mir erwartet.

»Siegreich wie immer«, raunt er, während er näher kommt.

Graecus ist ein älterer Mann, schätzungsweise Ende fünfzig, von untersetzter Statur und mit einem unübersehbaren Bauchansatz. Als er vor mir steht, muss ich den Blick senken, um ihm in die Augen sehen zu können, da er mir nur bis zur Nase reicht. Wie immer ist er gewandet in erlesene Kleidung, die mit Goldfäden durchwirkt ist. Graecus liebt es, seinen Wohlstand nach außen hin zu zeigen und damit die Tatsache zu überspielen, dass ihm ein hochrangiger Posten in der Politik verwehrt blieb. Stattdessen betreibt er die größte und profitabelste Arena der Hauptstadt. Täglich finden Kämpfe in ihr statt, größere wie kleinere, die zu jeder Tageszeit gut besucht sind, denn die Etureer lieben diese blutige Zerstreuung mehr als alles andere.

Graecus’ Blick wandert über mich und bleibt eine Spur zu lange an der entblößten Haut auf meinem Bauch und den Beinen hängen. Ich begrüße es, dass ich nicht in eine komplett geschlossene Lederkluft gesteckt werde, die mich in meinen Bewegungsabläufen behindert. Deshalb habe ich mich nie gegen den dunkelbraunen Lendenschurz, die hohen Stiefel und das tief ausgeschnittene und knapp unter der Brust endende Lederoberteil gewehrt. Vor jedem Kampf bemalen Sklavinnen meine bloße Haut mit unterschiedlichen Mustern in roter Farbe. Heute winden sich die Schlieren in Wirbeln um meine Beine, den Bauch, die Arme und den Hals hinauf. Doch sie sind nichts als eine billige Nachahmung der echten Verzierungen, die sich auf meiner Haut abzeichnen, sobald ich die Kontrolle über das Brennen in meinen Adern verliere. Die aufgemalten Zeichen sollen das verdeutlichen, was ich bin: eine Vantyr. Oder um es mit den Worten der Etureer zu sagen: eine gefährliche Barbarin, der ihre magische Gabe mit allen Mitteln genommen werden musste.

»Geh und ruh dich aus«, sagt Graecus, nachdem er mit seiner Bestandsaufnahme fertig ist und an mir vorbeigeht. »Du hast es dir verdient. Dein Sieg hat mich ein ganzes Stück reicher gemacht, obwohl ich immer noch nicht verstehe, wie Leute so dumm sein können, gegen dich zu wetten.«

Er gibt mir einen Klaps auf den Hintern, für den ich ihm instinktiv den Kopf von den Schultern getrennt hätte, wenn sie mir das Schwert nicht abgenommen hätten. Nun kann ich nichts anderes tun, als aufgebracht zu ihm herumzuwirbeln.

»Brauchst du sonst noch etwas?«, will er wissen, ohne sich vor meinem zweifellos wütenden Blick zu fürchten.

»Heute nicht«, sage ich.

Graecus nickt. »Wenn du deine Meinung änderst, brauchst du es nur auszusprechen.« Er kneift mir in die Wange. »Für mein bestes Pferd im Stall ist mir nichts zu teuer.«

Ich rucke den Kopf zur Seite und befreie mich so von seiner Berührung. Der Kerl neben mir spannt sich an, als erwarte er, dass ich auf Graecus losgehe. Ich hätte nicht wenig Lust dazu, aber noch weniger steht mir der Sinn danach, eine Hand zu verlieren. Das würde meine Siegeschancen bei den nächsten Kämpfen deutlich schmälern.

A E R Y N

Nachdem ich ein ausgiebiges Bad genommen und zwei Sklavinnen mir die Überbleibsel meines Kampfes vom Leib geschrubbt haben, schlüpfe ich in ein einfaches Leinenhemd und eine lederne Hose. Dann mache ich mich auf die Suche nach einem von Graecus’ besonderen Sklaven, die wir hinter seinem Rücken Handlanger nennen, damit er mich ins Stadthaus zurückbringt. Ich will endlich dieses Kribbeln in meinen Adern loswerden, aber das gelingt mir nur, wenn ich die Arena gänzlich verlasse.

Auf meinem Weg durch die Arenagänge begegne ich einigen anderen Gladiatoren, die entweder zu einem der Räume oder der Arena selbst eskortiert werden. Die meisten von ihnen kenne ich und nicke ihnen zu. Hier in der Hauptstadt des etureischen Reiches treten nur die Besten der Besten an und überleben in der Regel, weil ihre Herren alles daransetzen, ihre teuren Investitionen zu behalten. Deshalb sehen wir hier selten neue Gesichter.

Ich entdecke einen von Graecus’ Handlangern in der Nähe des Arenaeingangs. Weiter als bis hier darf ich ohne Begleitung nicht gehen, wie mir eine der Wachen klarmacht, die mir sogleich den Weg versperrt.

Ich seufze und deute mit einer Kopfbewegung auf den Handlanger, der in ein Gespräch mit einem mir unbekannten Mann vertieft ist. Für ihn habe ich nur einen flüchtigen Blick übrig; ich sehe ihn sowieso nur von hinten. Nachdem die Anspannung des Kampfes von mir abgefallen ist, möchte ich nur ins Stadthaus, etwas essen und schlafen. Ich reibe mir über die Arme, in der Hoffnung, das Kribbeln darin etwas dämpfen zu können.

»Ich will mit dem da reden«, sage ich ungeduldig zu der Wache und deute mit einer Kopfbewegung auf die beiden Männer am Ausgang.

Endlich wird auch Graecus’ Sklave auf mich aufmerksam. »Da ist sie«, sagt er an den fremden Mann gewandt.

Sofort dreht dieser sich zu mir um.

Ich habe das Gefühl, als würde das Prickeln in meinen Adern für einen kurzen Augenblick aufhören, nur um anschließend stärker als zuvor über mich herzufallen. Doch es gelingt mir, es wieder niederzukämpfen, bis es kaum mehr als ein sachtes Flackern ist.

Nun bin ich mir sicher, dass ich den Mann noch nie gesehen habe, denn dieses Gesicht hätte ich nicht vergessen. Ich habe tagtäglich mit grobschlächtigen Muskelbergen und abgearbeiteten Sklaven zu tun. Des Nachts lasse ich mir Männer kommen, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Ich habe den Kopf vor unzähligen Senatoren und Würdenträgern geneigt, die mir zu meinen Siegen gratulieren und meine Gönner, meine patrons, werden wollten. Doch keinem Einzigen von ihnen – egal, ob jung oder alt, adelig oder Sklave – wohnte eine solch raue Schönheit inne wie dem Mann vor mir.

Bisher habe ich nicht daran geglaubt, dass es diese raue Schönheit bei Männern überhaupt gibt. Die Männer und Frauen der Vantyr, meines Volkes, verfügen über sie, aber bei einem Fremden habe ich sie noch nie gesehen.

Sein Gesicht ist scharf geschnitten, verliert dadurch aber nicht seine jugendliche Frische. Anders als die meisten Etureer ist seine Haut nicht dunkel gebräunt oder ledrig von der ständig scheinenden Sonne. Wenn ich darauf wetten müsste, würde ich sagen, dass er ein Senator oder Politiker ist. Jemand, der nicht oft nach draußen kommt. Dagegen spricht jedoch die Soldatenmontur, die er trägt und die seinen athletischen, groß gewachsenen Körper betont.

Am meisten jedoch fesselt mich die Farbe seiner Augen, die ich sogar aus mehreren Metern Entfernung erkennen kann. Sie sind von einem solch intensiven Blau, wie ich es nur von den Wellen meiner Heimat kenne. Sofort durchzuckt mich ein Stich in der Brust, gefolgt von einem Gefühl, das ich über Jahre erfolgreich verdrängt habe: Heimweh. Gemeinsam mit dem Prickeln unter meiner Haut vernebelt es mir beinahe die Sinne.

Die Wache gibt den Weg frei, sodass ich ein paar Schritte auf den Handlanger und den Fremden zu machen kann. Als ich mich ihm nähere und ihn dabei nicht aus den Augen lasse, blinzelt er mehrmals und fährt sich eine Spur verlegen durch sein dunkles Haar. Hier innerhalb der schlecht beleuchteten Arenagemäuer wirkt es rabenschwarz, aber ich könnte mir vorstellen, dass es in der Sonne dunkelbraun leuchtet.

Eine zarte Röte überzieht seine bartfreien Wangen, während er mich nahezu mit Blicken verschlingt, ehe er schnell woanders hinsieht. Ich schmunzele über sein Verhalten und kann nicht leugnen, dass es mir gefällt. Diese leichte Schüchternheit ist eine erfrischende Abwechslung zu der grobschlächtigen Härte und Gefühlskälte, mit der ich es sonst zu tun habe.

Ich wende mich an den Handlanger, dessen Namen ich nicht kenne. Graecus’ persönliche Speichellecker wechseln derart schnell, dass ich es schon lange aufgegeben habe, auf dem neuesten Stand zu bleiben. »Ich bin fertig für heute. Bring mich ins Stadthaus.«

Er nickt knapp, ehe er auf den jungen Mann neben sich deutet. »Während ich die Kutsche vorfahren lasse, kannst du dich mit ihm unterhalten.« Er eilt davon, bevor ich etwas erwidern kann.

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben, als meine Aufmerksamkeit wieder auf dem Fremden liegt. Er schaut mich an, ohne einen Muskel zu rühren. Seine meerfarbenen Augen sind weit aufgerissen, als könnte er nicht glauben, dass ich hier bin.

»Und wer bist du?«, frage ich.

Er öffnet den Mund, doch kein Ton kommt heraus. Die Röte auf seinen Wangen nimmt zu.

Ich neige den Kopf. »Bist du stumm?«

»N-Nein, nur … ein wenig aufgeregt«, stammelt er.

Dann kneift er die Augen zu und atmet tief durch. Als er sie wieder öffnet, sind sie klarer als zuvor und erinnern mich erneut schmerzlich an meine Heimat. Ich verschränke hastig die Arme, als könnte ich das wehmütige Gefühl zusammen mit dem Kribbeln dadurch in mir einsperren.

»Verzeiht. Ich bin noch völlig gefangen von Eurem Kampf und kann nicht glauben, Euch tatsächlich gegenüberzustehen. Mein Name ist Cato, Mylady.«

Schnell halte ich mir eine Hand vor den Mund, um nicht laut loszuprusten. »Sehe ich für dich aus wie eine Lady?«

Mit der freien Hand deute ich auf meinen Aufzug. Auch wenn ich meine Kampfkluft und die roten Schlieren mittlerweile los bin, muss ich mit der Hose und dem offenen Haar alles andere als ladyhaft auf ihn wirken.

Er blinzelt mehrmals. »Nun … Ja.«

»Dann bist du der Erste, der das so sieht.« Ich bin mir nicht sicher, ob ich über seine Antwort geschmeichelt sein oder den Kopf schütteln soll. »Also, was kann ich für dich tun?«

Sofort wird er wieder nervös. »Ich … Wisst Ihr, ich bin ein großer Bewunderer Eurer Kämpfe und bleibe stets so lange in der Hauptstadt, bis ich mindestens einen miterleben durfte.«

Ah, er ist einer von denen. Seine Sorte kenne ich zur Genüge. Männer, die mich leicht bekleidet in der Arena sehen und anschließend denken, mich besitzen zu können. Und sei es nur für eine Nacht.

Dabei vergessen sie, dass ich ihnen mit Leichtigkeit das Genick brechen könnte, wenn mir der Sinn danach steht.

»Seit ich Euch vor gut drei Jahren zum ersten Mal habe kämpfen sehen, war es mein Traum, einmal ein paar Worte mit Euch zu wechseln.«

Ich stutze. »Worte … wechseln?«, wiederhole ich stockend. »Das … ist alles?«

Der junge Mann runzelt die Stirn. »Natürlich.«

Ich neige den Kopf und schaue ihn an, während ich krampfhaft versuche, schlau aus ihm zu werden. Ich bin sonst sehr gut darin, mein Gegenüber einzuschätzen. Eine Fähigkeit, die mir bereits mehrmals das Leben gerettet hat. Doch bei ihm komme ich mit all meiner Erfahrung nicht weiter. Er ist groß und kräftig, aber nicht derart muskulös wie die meisten Gladiatoren. Laut seiner Kleidung ist er ein Soldat oder hat einen Posten im Militär inne. Auf seinem Brustpanzer prangt das silberne Relief eines Wolfs. Ich habe schon viel über die verschiedenen Einheiten der Armee gehört, ebenso über ihre Ausschweifungen. Der junge Mann vor mir passt jedoch nicht in das Bild, das ich über die Jahre hinweg von den Mitgliedern der Armee erhalten habe. Seine geschliffenen Umgangsformen – sogar einer Unfreien wie mir gegenüber – und sein zurückhaltendes, schüchternes Verhalten lassen ihn jünger auf mich wirken, als er eigentlich sein müsste. Wenn er einer Einheit angehört, ist er mindestens zwanzig Jahre alt.

Mein Blick gleitet über sein Gesicht, die wie zu einer stummen Frage leicht geöffneten Lippen, die gerade Nase bis hin zu den Augen, deren Farbe mich völlig gefangen nimmt. Aus der Nähe erkenne ich, dass das tiefe Blau mit helleren, türkisfarbenen Sprenkeln durchzogen ist.

Irgendetwas an ihm zieht mich völlig in seinen Bann. Doch nicht nur ich reagiere auf diesen Mann. Auch meine Magie, die nun, da ich ihm gegenüberstehe, stärker brennt als während des Kampfes in der Arena, scheint durch seine Nähe angefacht zu werden. Sie fühlt sich allerdings nicht so zerstörerisch an. Wenn sie nicht versiegelt wäre, würde ich die gesamte Arena in Schutt und Asche legen können. Stattdessen peitscht sie während meiner Kämpfe oft heiß durch meine Adern, besonders wenn ich einem fähigen Gladiator gegenüberstehe, als suche sie verzweifelt nach einer Möglichkeit, um hervorbrechen zu können. Aber nun blubbert sie fast sanft durch meine Adern und macht mich dadurch rastlos. So kenne ich sie nicht. Normalerweise ist meine Magie beinahe wie ein eigenständiges und vor allem störrisches Wesen, das mir die Zusammenarbeit verweigert. Zum ersten Mal nehme ich sie anders wahr, und ich kann nicht leugnen, dass mir das gefällt. Diese Ruhe. Diese Sanftheit. Beides scheint auf mich überzuspringen und sich in meinem Inneren einzunisten. Das Blubbern meines Feuers wird sacht und pulsiert im Gleichklang zu meinem Herzschlag – nicht mehr entgegengesetzt.

Soll diese Änderung nur von diesem Mann ausgelöst worden sein?

Vielleicht hat er auch diese Wirkung auf mich, weil er so anders ist als die Männer, mit denen ich tagein, tagaus zu tun habe. Einem wie ihm bin ich nicht begegnet, seit man mich in dieses von der Göttin verlassene Land geschleppt hat. Vielmehr erinnert er mich an die Männer meiner Heimat. Auch ihnen wohnte stets eine Sanftheit inne, die das ungezähmte Wesen von uns Vantyr-Frauen besänftigen konnte. So wie auch meine Magie gerade besänftigt ist.

Ganz im Gegensatz zu mir.

Ich habe Graecus’ unterschwelliges Angebot, mir einen Mann für die Nacht zu bringen, nur abgelehnt, weil ich wusste, welche Art von Mann er wieder angeschleppt hätte: einen, dem es nur darum gegangen wäre, bei der gefährlich-schönen Gladiatorin zu liegen, und der sich nur um seine eigenen Bedürfnisse gekümmert hätte. Doch nun bereue ich es fast, abgelehnt zu haben. Selbst wenn der von Graecus ausgewählte Mann nicht all meine Bedürfnisse befriedigt hätte, hätte er mir vielleicht trotzdem diese Rastlosigkeit nehmen können, die ich verspüre, seit sich der Fremde zu mir umgedreht hat.

Ich neige den Kopf, während ich den Mann vor mir immer noch betrachte. Wäre es bei ihm genauso? Würde er sich nur nehmen, statt auch mir etwas zu geben? Oder würde er seine Schüchternheit und Sanftheit auch im Bett nicht ablegen?

Ein Teil von mir, der schon lange nicht mehr das bekommen hat, wonach er sich sehnt, würde es gern herausfinden.

Ohne groß darüber nachzudenken, hebe ich die Hand und lege sie ihm an die Wange. Meine Bewegungen sind langsam, um den Wachen um uns herum keinen Grund zum Eingreifen zu geben. Der junge Mann rührt sich nicht. Ich wäre nicht verwundert, wenn er aufgehört hätte zu atmen. Sanft, aber mit Nachdruck ziehe ich seinen Kopf zu mir herunter, der willig meinem Wunsch folgt, und stelle mich auf die Zehenspitzen. Nur kurz streife ich mit den Lippen über seine, doch es reicht aus, um ihm ein leises, fast gequältes Stöhnen zu entlocken. Als ich mich zurückziehe, lecke ich mir mit der Zunge über die Lippen. Er schmeckt süß, als hätte er vor Kurzem eine Frucht gegessen, während in meinem Mund noch die staubige Trockenheit der Arena herrscht. Ich bin drauf und dran, den Kuss zu wiederholen, fester diesmal, um noch mehr dieses süßen Geschmackes einzufangen, doch ehe ich das Vorhaben in die Tat umsetzen kann, kommt Graecus’ Handlanger zurück.

»Die Kutsche ist bereit«, teilt er mir mit.

Widerwillig lasse ich die Hand von der Wange des jungen Mannes mit dem Wolfsrelief auf dem Brustpanzer gleiten. Er hat die Augen weit aufgerissen. Seine Wangen sind nun tiefrot und sein Mund, den ich eben noch geküsst habe, öffnet und schließt sich, ohne dass ein Ton herauskommt.

Ich lächele ihn an. »Ich freue mich, wenn du mich auch bei einem meiner nächsten Kämpfe anfeuerst, junger Wolf.«

Damit lasse ich ihn stehen und folge dem Handlanger hinaus.

Im ersten Moment muss ich gegen die gleißende Helligkeit des Nachmittags anblinzeln. Zwar wollte ich so schnell wie möglich ins Stadthaus, weil mich dort eine warme Mahlzeit und ein weiches Bett erwarten, aber jetzt würde ich mich am liebsten umdrehen und zurück in die Arena gehen. Nur um zu sehen, ob auf seinem Gesicht noch immer ein solch verwirrter und überrumpelter Ausdruck prangt wie eben. Auch das bin ich nicht gewohnt. Meistens lauert in den Mienen der Männer blanke Gier und Geringschätzung, wenn sie mich betrachten.

Als Gladiatorin lebe ich gefährlich und könnte bereits morgen einem Gegner unterliegen und tot sein. Ich habe schon vor Jahren gelernt, dass es klüger ist, mir schnell das zu nehmen, was ich will und haben kann, denn schon einen Augenblick später könnte alles vorbei sein. Deshalb schiebe ich nichts auf, sondern lebe mein Leben, das durch Fesseln begrenzt ist, in vollen Zügen.

Den schüchternen Wolf zu küssen, muss rein gar nichts bedeuten. Es war ein plötzliches Verlangen und ich hatte keinen Grund, es zu unterdrücken.

Wahrscheinlich werde ich ihn sowieso nie wiedersehen.