Für meine Eltern, Karin und Joachim Grzeskowitz

Wir übernehmen Verantwortung! Ökologisch und sozial!

Verzicht auf Plastik: kein Einschweißen der Bücher in Folie

Nachhaltige Produktion: Verwendung von Papier aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern, PEFC-zertifiziert

Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland: Herstellung und Druck in Deutschland

ILJA GRZESKOWITZ

Erfolgreich selbstständig als Solopreneur

Selbstbestimmt und profitabel zum digitalen Business

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-097-1

ISBN epub: 978-3-96740-174-5

Lektorat: Dr. Michael Madel, Ruppichteroth

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Autorenfoto: Rose Bainbridge | www.rosebainbridgephotography.com

Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de

© 2022 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2022 erschienenen Buchtitel "Erfolgreich als Solopreneur - Selbstbestimmt und profitabel zum digitalen Business" von Ilja Grzeskowitz ©2022 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

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Inhalt

Intro: Be the Change

Teil 1: SOLOPRENEUR FUNDAMENTALS

1. Die persönliche Unabhängigkeitserklärung

Selbstbestimmung ist die neue Sicherheit

Zukunftsmodell Solopreneurship

Die sieben Säulen des Solopreneur Mindsets

2. Erfolgreich gründen

Die perfekte Geschäftsidee

Das profitable Geschäftsmodell

Der Bierdeckel-Businessplan

3. Turtles … all the way down

Boote verbrennen oder auf Herrn Kaiser hören?

Das persönliche Erfolgsteam

Solopreneur Essentials

Teil 2: DER SOLOPRENEUR CANVAS

4. Eine klare Businessstrategie

Die Solopreneur Roadmap

Die Status-quo-Analyse

Der Solopreneur Canvas

Die »Bedienungsanleitung« für den Solopreneur Canvas

5. Personal Branding

Erfolgreiche Positionierung

Der Markenleuchtturm

Ihre einzigartige Personenmarke

6. Eine klare Zielgruppe

Zum Kundenflüsterer werden

Der Traumkunden-Avatar

Ein Angebot, das Ihre Kunden lieben werden

7. Sweetspot-Marketing

Der Dreiklang der Sichtbarkeit

Content-Marketing als Akquise-Tool

Das Business der Beziehungen

Teil 3: NACHHALTIG ERFOLGREICH ALS SOLOPRENEUR

8. Selbstbestimmt, ortsunabhängig und profitabel

Das papierlose Büro

Digitize your Business

9. Leads, Kunden und Umsätze auf Autopilot

Ihr nachhaltiges Onlinebusiness

Automatisiertes Einkommen mit digitalen Produkten

10. Die Angst vor dem Offensichtlichen

Die ersten zwölf Monate als Solopreneurin

Die »Mach es einfach«-Mentalität

Die wichtigste Lektion von allen

Einen hab ich noch …

Solopreneur-Literatur

Über den Autor und Danksagung

Anmerkungen

Intro: Be the Change

Aber ich bin auch nur der Typ

Den sie hier nicht kennen

Und wenn sie wüssten, wer ich bin

Würden sie mich DJ Abrissbirne nennen

Ich hol’ hier nur die Tänzerinnen vom Tanzen ab

Um im vorgewärmten Auto zu ruhen

Um über die Runden zu kommen, muss jeder etwas tun

Thees Uhlmann, »Ich bin der Fahrer, der die Frauen

nach Hip-Hop-Videodrehs nach Hause fährt«

Es gibt Momente im Leben, die vergisst man einfach nicht. Weil man von einer Gefühlswelle überrollt wird, die so intensiv ist, dass man sich auch Jahrzehnte danach noch daran erinnert. Je nachdem, wann Sie geboren sind, stehen die Chancen gut, dass Sie noch exakt wissen, was Sie am Tag der Mondlandung, dem Fall der Berliner Mauer oder auch 9/11 gemacht haben. Gleiches gilt für die Geburt der eigenen Kinder, den Tod geliebter Menschen oder bei Golfern für den Schlag, mit dem sie zum ersten Mal ein Hole-in-one gespielt haben – ein Moment, auf den ich übrigens immer noch warte.

Exakt solch eine intensive Emotion erlebte ich vor ziemlich genau 13 Jahren. Als frischgebackener Selbstständiger kam ich nach einem langen Tag erschöpft, aber glücklich nach Hause. Es war ein besonderer Moment, denn ich hatte mein erstes eigenes Geld im Leben verdient. Natürlich hatte ich schon als Schüler, Student und später Young Professional von diversen Arbeitgebern regelmäßig ein monatliches Gehalt überwiesen bekommen (und zwar unabhängig von meiner tatsächlichen Leistung), aber dass ein Kunde bereit war, für meine Expertise zu zahlen (und zwar sowohl gern als auch freiwillig, weil meine Dienstleistung für ihn ein Problem löste und ihm einen Zuwachs an Nutzen und Wert brachte), das war eine Premiere für mich. Und ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre. Während ich vor meiner Haustür den Schlüssel aus meinem Rucksack kramte, ließ ich den Tag vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Obwohl ich fast 14 Stunden auf den Beinen war, hart gearbeitet und wenig Pausen gemacht hatte, war ich innerlich von einem Gefühl ausgefüllt, das ich in der Form nicht kannte: einer nie dagewesenen tiefen Erfüllung. Denn nicht nur hatte die Arbeit so viel Spaß gemacht, dass sie wie im Fluge verging, es kam mir auch überhaupt nicht wie Arbeit vor. Ganz im Gegenteil, ich war in meinem Element, sprühte vor Kreativität und sorgte mit meinem Wirken dafür, dass mein Kunde am Ende des Tages sehr zufrieden war. Und aus dem Nichts überkam mich ein Gedanke, der mich auch heute noch mit Dankbarkeit erfüllt: »Wow, und dafür bekomme ich auch noch Geld!«

Auch wenn es sich sehr esoterisch anhört, so kam diese Erkenntnis doch einer Art Erleuchtung gleich. Denn ich begriff, dass sich mein Leben um 180 Grad gedreht hatte. Die jahrelange Abhängigkeit von den äußeren Umständen, meinen Arbeitgebern und meinen direkten und indirekten Vorgesetzten war Geschichte. Ich war tatsächlich in der Lage, mich und meine Familie eigenständig zu ernähren. Mit meinem Wissen, meiner Erfahrung und mit Tätigkeiten, die ich liebte und in denen ich richtig gut war. Und noch etwas spürte ich: dass der Beruf des Solopreneurs für mich die Berufung war, nach der ich so viele Jahre erfolglos gesucht hatte. Dass ich meinem Leben endlich einen Sinn gegeben hatte, der mich von nun an mit Motivation, Energie und Durchhaltevermögen versorgen sollte.

An dieser Stelle darf ich Sie herzlich begrüßen. Und gestatten Sie mir einen kurzen, aber wichtigen Hinweis: Seit meinem letzten Buch im Jahr 2018 hat sich bezüglich genderkonformer Sprache eine Menge getan, was ich für wichtig und richtig halte. Um mir das Schreiben und Ihnen das Lesen durch die Verwendung von Gendersternchen, Doppelpunkten oder sonstigen Abkürzungen aber nicht unnötig kompliziert zu machen, versuche ich, so gut es geht, zwischen der männlichen und weiblichen Form hin- und herzuswitchen. Ich bin mir sicher, dass mir das nicht immer perfekt gelingen wird, aber seien Sie bitte versichert, dass ich immer alle Geschlechter gleichzeitig anspreche, insbesondere auch diejenigen Menschen, die sich keinem konkreten Geschlecht zugeordnet fühlen.

Unterstützung auf Ihrer Reise in die Selbstständigkeit

Doch zurück zum Thema. Ich vermute, dass Sie ebenfalls davon träumen, Ihren alten Job an den sprichwörtlichen Nagel zu hängen, um sich selbstständig zu machen. Möglicherweise haben Sie auch bereits gegründet und wollen Ihr Unternehmen von Anfang an auf ein solides Fundament stellen. Oder Sie sind schon seit ein paar Jahren am Markt, aber nach wie vor fällt es Ihnen schwer, dauerhaft erfolgreich zu sein. An welcher Stelle Ihrer Solopreneur Journey Sie auch stehen, es ist mir eine große Ehre und Freude, Sie auf Ihrem individuellen Weg ein wenig unterstützen zu dürfen und Sie mit allen notwendigen Strategien, Methoden und Tools zu versorgen, die Sie benötigen, um Ihren Traum nachhaltig zu leben. Und ich habe diese Formulierung sehr bewusst gewählt, denn auch wenn es niemals ohne harte Arbeit, schlaflose Nächte und natürlich auch Rückschläge geht, so ist die Unternehmensform des Solopreneurships eben exakt das: ein Traumjob, der mehrere Faktoren miteinander vereinbart, und zwar ein selbstbestimmtes Leben, flexible und ortsunabhängige Arbeitsgestaltung und die sehr realistische Chance auf ein überdurchschnittliches Einkommen bis hin zur finanziellen Freiheit.

Das klingt Ihnen zu schön, um wahr zu sein? Ist es aber nicht. Zumindest nicht, wenn man weiß, wie es geht. Doch bevor wir uns die notwendigen Schritte detailliert anschauen, möchte ich Sie gern einladen, mich noch einmal in meine Vergangenheit zu begleiten. Denn obwohl sinnhaftes Wirken, eine tiefe Zufriedenheit und eine Menge Spaß an der Arbeit auch heute noch vollkommen selbstverständlich für mich sind, war das nicht immer so. Ganz im Gegenteil. Den Großteil meines Lebens ging ich den »normalen« (weil von allen akzeptierten, in der Schule und von meinen Eltern gelehrten) Weg der breiten Masse. Mangels fehlender Ideen studierte ich nach dem Abitur BWL mit dem Schwerpunkt Marketing und fing direkt danach als damals jüngster Geschäftsführer Deutschlands beim Warenhauskonzern Karstadt an. Ich war gerade 27 Jahre alt, vollkommen unerfahren und auch ziemlich schüchtern. Für meine Einarbeitung war ein alter Haudegen namens Werner Zeller zuständig. Und da er ahnte, wie grün ich hinter den Ohren noch war, machte er gleich zu Beginn eine klare Ansage: »Aha. Diplom-Kaufmann. Wissen Sie, dass Sie an der Uni waren, interessiert aber keinen. Vergessen Sie am besten alles, was Sie dort gelernt haben. In der Praxis sind andere Dinge gefragt!« Heute weiß ich, wie recht er mit dieser Aussage hatte, aber damals war ich einfach nur eingeschüchtert. Und tatsächlich, ein halbes Jahr später hatten mich meine Unikenntnisse keinen Zentimeter weitergebracht, mein Gefühlszustand ließ sich ziemlich gut in einem Wort zusammenfassen: Frustration. Meine Kollegen aus dem Traineeprogramm wurden alle recht schnell befördert und in spannende Filialen versetzt. Nur ich wurde permanent hingehalten, und so hatte ich Angst davor, dass man mir eine winzige, kurz vor der Schließung stehende Filiale in Duisburg-Walsum in Aussicht stellen würde.

Dann passierte das Folgende: Der Geschäftsführer meiner absoluten Traumfiliale ging in Rente und die Stelle war neu zu besetzen. Also nahm ich meinen Mut zusammen und stürmte ins Büro meines zuständigen Verkaufsdirektors: »Chef, nichts auf der Welt ist mir so wichtig wie diese Versetzung. Wir müssen reden!« Sie können sich gar nicht vorstellen, wie häufig ich diese Worte vorher geprobt hatte. Denn zur damaligen Zeit war die Position des Direktors noch etwas ganz Besonderes. In ganz Deutschland gab es nur vier davon, und jeder von ihnen genoss einen gottähnlichen Status. Ich ging jede mögliche Formulierung durch, bis ich mich für die vermeintlich perfekte Variante entschieden hatte. Und ich war stolz und zugleich erleichtert, als mein Direktor tatsächlich zu reden anfing. Allerdings war die von mir angedachte Konversation eher ein Monolog, der auch nur eine Minute dauerte. Erst druckste er ein wenig herum und dann sagte er: »Grzeskowitz, ich weiß, dass Sie die Filiale gern leiten würden, aber erstens sind Sie noch nicht so weit und zweitens haben wir da wesentlich Bessere. Ich sehe Sie eher in Duisburg-Walsum.«

Das wars. Unterhaltung beendet. Ich werde wahrscheinlich nie vergessen, wie bedröppelt ich aus dem Büro geschlichen bin. Ich war so weit, dass ich damals meine Mutter angerufen habe, um mich bei ihr auszuheulen. Meine kleine Pity Party endete mit dem Satz: »Ich glaube, ich schmeiße alles hin!« Worauf sie in ihrer unvergleichlich einfühlsamen Art antwortete: »Mein Sohn, du kannst natürlich machen, was du willst. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich vor über 25 Jahren einen Jungen erzogen habe, der bei der ersten Schwierigkeit gleich aufgibt.« Rums. Das saß. Denn ihre Worte hatten mich bei der Ehre gepackt und mir den entscheidenden Impuls gegeben, weiterzumachen. Es allen zu zeigen, was in mir steckt.

Die Begeisterung des eigenständigen Entscheidens

Doch dazu musste ich radikal ehrlich zu mir sein. Denn ich musste mir eingestehen, dass mein Chef irgendwie recht hatte: Ich war wirklich noch nicht so weit. Und andere waren besser. Weil ich in meiner Abwartehaltung völlig vergessen hatte, selbst aktiv zu werden und mich weiterzuentwickeln. Doch zum Glück verwandelte sich meine gesamte Frustration in eine nie dagewesene Klarheit, voller Inbrunst schwor ich mir: »Das passiert mir nie wieder. Nie wieder in meinem ganzen Leben werde ich darauf warten, dass andere schon für meine Karriere, meine Ergebnisse und meine Zukunft sorgen werden. Schluss mit der Passivität! Ab heute kremple ich die Ärmel hoch und werde so gut, dass man mich nicht mehr ignorieren kann!«

Ob das sofort geklappt hat? Natürlich nicht. Aber der Samen war gesät und ich begann, aktiv etwas für meine Karriere als Warenhausgeschäftsführer zu tun. Zuerst aus purer Angst, doch noch nach Duisburg-Walsum versetzt zu werden. Aber im Laufe der Zeit bahnte sich mein Unternehmergeist immer mehr den Weg an die Oberfläche. Und obwohl diese Denkweise mit einer klassischen Konzernstruktur kaum vereinbar war, führten mein Engagement, meine Ideen und meine Einsatzbereitschaft dazu, dass ich in den folgenden Jahren zehn Standorte in ganz Deutschland geleitet habe, zum Schluss das prestigeträchtige Wertheim am Kurfürstendamm in Berlin. Ich verdiente ein sehr gutes Gehalt, fuhr einen schicken Audi A6 als Dienstwagen und alle Karrieretüren waren weit geöffnet und warteten nur darauf, von mir durchschritten zu werden. Also Ende gut, alles gut? Mitnichten. Denn obwohl Sie mich, von außen betrachtet, höchstwahrscheinlich als äußerst erfolgreich bezeichnet hätten, sah mein Innenleben vollkommen anders aus. Es war geprägt von Frustration, einer nagenden Unzufriedenheit und dem permanenten Gedanken, »dass das ja noch nicht alles gewesen sein konnte«.

Jetzt werden Sie einwenden: »Wie kann man denn bei so wunderbaren Rahmenbedingungen unzufrieden sein?« Und ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von möglichen Gründen aufzählen: die verstaubte Führungskultur des Unternehmens, die politischen Ränkespiele innerhalb eines Konzerns, der permanente Kostendruck aufgrund zahlreicher Krisen; Betriebsräte, die aus Prinzip jegliche konstruktive Zusammenarbeit ablehnten, oder auch die fehlende Zukunftsstrategie des permanent wechselnden Managements. Aber so sehr all diese Faktoren jeden einzelnen Mitarbeiter täglich beschäftigten, war der Hauptgrund doch ein ganz anderer. Damals konnte ich die Ursache nicht in Worte fassen. Dafür störten mich die Symptome im Laufe der Zeit immer mehr. Aufgrund meiner freien Versetzbarkeit wusste ich nie, wo ich in ein paar Jahren arbeiten würde. Mein Zukunft hing von den Launen anderer ab. Und die Entscheidungen der Unternehmensleitung wurden immer undurchsichtiger, sodass wir den Erfolg vor Ort oftmals nur durch Maßnahmen sicherstellen konnten, die an der offiziellen Regelung ein wenig vorbeigingen. Und unser täglicher Kampf um das Überleben des Standorts und die Arbeitsplätze meiner vielen Hundert Mitarbeiterinnen wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass die vom Vorstand entwickelten Strategien im Monatstakt über den Haufen geworfen wurden.

All diese Dinge hatten eine Gemeinsamkeit: Ich konnte nicht eigenständig entscheiden, sondern war von anderen Menschen abhängig. Wo, wie, mit wem und auf welche Art und Weise ich meine Arbeit verrichtete, hing immer von meinen Vorgesetzten, der Direktion oder dem Vorstand ab. Zusätzlich wurde auch mein innerer Drang nach Eigenständigkeit, kreativer Gestaltung und der Entfesselung meines damals noch auf Sparflamme gehaltenen Unternehmergeistes immer größer. Denn je länger ich als Warenhausgeschäftsführer tätig war, desto mehr reifte eine Erkenntnis in mir: Das Entwickeln von Konzepten für die Zukunft der Standorte, das Verkaufen auf der Fläche und der tägliche Kontakt mit den Kunden machte mir trotz aller Unzufriedenheit unglaublich viel Spaß. Nicht umsonst ist der stationäre Handel nach wie vor meine Lieblingsbranche, weswegen es mir das Herz bricht, wenn ich beobachte, wie sehr es bei vielen Unternehmen an einer klaren Strategie abseits des »Das böse Amazon ist schuld« mangelt. Was ich aber mit Leib und Seele liebte, was mein Herz mit Freude erfüllte und ein inneres Feuer entfachte, war etwas anderes.

Es war die Arbeit mit meinen Mitarbeitenden, das Durchführen von Schulungen, Trainings und Workshops, das Coaching von Führungskräften oder auch die Potenzialentwicklung von talentierten Verkäuferinnen.

Und instinktiv spürte ich: Genau das ist die Grundlage, auf der ich einmal ein eigenes Unternehmen aufbauen möchte. Getrieben von meiner Anfangseuphorie entwickelte ich einen Businessplan und hätte am liebsten sofort angefangen. Doch die Angst vor der massiven Veränderung war einfach zu groß, und so verschwand mein schöner Plan in der berühmten »Irgendwann traue ich mich«-Schublade, und ich arrangierte mich wieder mit den gewohnten wie ungeliebten Gegebenheiten im Warenhaus. Jedes Mal, wenn ich wieder einmal kurz davor war, mich endlich zu trauen, kam wie von Zauberhand eine weitere Beförderung, eine neue Dienstwagenkategorie, eine Gehaltserhöhung und dann sogar das Jobangebot, als Einrichtungshauschef zum schwedischen Möbelgiganten IKEA zu wechseln – welches ich übrigens aufgrund der mehr als genialen Konditionen ohne zu zögern annahm. Und ehe ich michs versah, lief ich plötzlich in blau-gelber Dienstkleidung herum und lernte die skandinavische Unternehmenskultur kennen, während mein Traum von der Selbstständigkeit wieder in den Hintergrund geriet.

Doch wie es mit Träumen so ist: Egal, wie sehr man versucht, sie zu unterdrücken, sie tauchen mit schöner Regelmäßigkeit wieder an der Oberfläche auf und säuseln uns zärtlich ins Ohr: »Mich gibt es noch, vergiss mich nicht.« Je mehr mein großer Traum sich seinen Weg an die Oberfläche bahnte, desto größer wurde meine Frustration über die Abhängigkeit von anderen Personen, externen Umständen und die damit verbundene Ungewissheit über meine eigene Zukunft. Ich konnte fast an nichts anderes mehr denken, als endlich mein eigenes Unternehmen zu gründen und mein Ding zu machen. Nicht das von Ingvar Kamprad, nicht das vom Karstadt-Vorstand und auch nicht das von irgendwem anders. Sondern mein Ding! Diese spezielle Kombination aus meinem Traum von der Zukunft und der Unzufriedenheit mit der Gegenwart führte schlussendlich zu dem Moment, der die Basis für mein Solopreneur Business legen sollte.

Im Frühjahr 2008 stand ich (wie mehrmals in der Woche) auf der A24 zwischen Hamburg (wo ich arbeitete) und Berlin (wo ich lebte) im Stau und fühlte mich so deprimiert und niedergeschlagen wie selten. Ich kann Ihnen nicht sagen, woher sie kam, aber plötzlich überkam mich eine Eingebung, die mich zwei Dinge mit einer nie dagewesenen Klarheit verstehen ließ:

1.Niemand zwingt dich, dieses Leben zu führen und diesen Job zu machen. Du hast jederzeit die Wahl, dich für etwas anderes zu entscheiden.

2.Wenn du diese Entscheidung nicht triffst, dann wird es niemand tun.

Die Erkenntnis traf mich wie ein Donnerschlag. Und so kam es, dass ich am nächsten Rastplatz rechts ran fuhr, meinen Chef anrief und meinen Job als leitender Angestellter kündigte, um endlich – mit dreijähriger Verzögerung – meinen Businessplan aus der Schublade zu holen und noch einmal bei null zu beginnen. Ich hatte große Angst vor diesem Gespräch. Mein Hals war trocken, mein Herz pochte wie wild und meine Hände zitterten so sehr, dass ich fürchtete, mein Handy fallenzulassen. Aber zum Glück hatte mein Chef eine Menge Verständnis, und ich konnte endlich in die Selbstständigkeit starten. Ohne Kunden, ohne Netzwerk und nichts als einem riesigen Traum in meinem Kopf. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Kritik ich für meine Entscheidung einstecken musste, denn 99,9 Prozent meiner Freunde und Kollegen konnten sie nicht nachvollziehen. Mindestens einmal am Tag erinnerte mich einer von ihnen daran, was sie davon hielten: »Ilja, bei allem Verständnis, aber wie kannst du deine großartige Karriere für so eine verrückte Idee hinschmeißen? Wir sind uns einig, dass das ziemlich dumm ist, und prognostizieren dir, dass sich diese Schnapsidee rasch erledigt haben wird.«

Natürlich habe ich, so gut es ging, versucht, die Nörgler und Besserwisser zu ignorieren, aber der Start war in der Tat ziemlich hart. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Workshop vor genau drei Menschen in einer Jugendherberge in Berlin, von denen zwei Bekannte von mir waren, die ich eingeladen hatte, gratis teilzunehmen. Nachts konnte ich selten gut schlafen, weil ich mich darum sorgte, ob ich noch einen weiteren Monat finanziell überleben würde. Aber anstatt aufzugeben, hatte ich begonnen, den Wert »Selbstbestimmung« in den Mittelpunkt meines Wirkens zu stellen und die Worthülse mit Leben zu füllen. Und so kam es, dass ich neue Ideen, Konzepte und Angebote entwickelte und so hart arbeitete wie nie zuvor. Ich bin den Weg des Solopreneurs gegangen und habe mein Unternehmen Schritt für Schritt weiterentwickelt, welches seither jedes einzelne Jahr gewachsen ist.

Heute habe ich ein großartiges Team an meiner Seite, halte Vorträge auf der ganzen Welt und habe zwölf Bücher veröffentlicht, die in Dutzende Sprachen übersetzt und sich hunderttausendfach verkauft haben. Fast drei Viertel aller Dax-Konzerne, unzählige mittelständische Unternehmen sowie viele internationale Marken gehören zu meinen Kunden, und im März 2019 haben wir unser zehnjähriges Jubiläum gefeiert.

Nutzen Sie meine Expertise und meine Erfahrungen

Möglicherweise denken Sie gerade: »Okay, Ilja, das ist ja alles ziemlich interessant, aber was hat das mit meinem Business, meiner Zukunft und meinen Träumen zu tun?« Lassen Sie mich daher betonen, dass ich Ihnen den Einblick in meine Transformation vom Angestellten zum Solopreneur nicht gegeben habe, um anzugeben oder mich in den Mittelpunkt zu stellen. Ganz im Gegenteil. Alle meine Bücher haben ein großes Ziel: meine Leserschaft mit einem Füllhorn an Inspiration, Ideen und Impulsen zu versorgen, damit sie für sich einen maximalen Mehrwert mitnehmen können. Und doch habe ich mich entschieden, zu Beginn etwas ausführlicher von mir und meinem Weg in die Selbstständigkeit zu erzählen. Warum? Weil wir in Zeiten leben, in denen Menschen, die sich der immer mehr um sich greifenden »Fake it till you make it«-Mentalität verschrieben haben, präsent sind wie nie zuvor. Wenn ich mir mein E-Mail-Postfach oder meinen LinkedIn-Feed anschaue, dann fühlt sich vermeintlich jeder, der mal ein Wochenendseminar besucht oder die ersten vorsichtigen Schritte als selbstständiger Unternehmer gemacht hat, dazu berufen, Unternehmercoachings, High-Ticket-Programme oder Solopreneur Mentorings anzubieten. Ohne fachliche Expertise, ohne nachweisbare Ergebnisse und ohne jegliche Erfahrung.

Das Hauptziel meiner persönlichen Story ist also, Sie zu inspirieren und gleichsam Vertrauen aufzubauen. Ich mache den Job als Solopreneur jetzt seit über dreizehn Jahren und habe alle Höhen und Tiefen erlebt, die man mitnehmen kann. An welchem Punkt Ihrer Solopreneur-Karriere Sie aktuell auch stehen mögen, ich bin (metaphorisch) in Ihren Mokassins gelaufen, ich kenne Ihre Sorgen und Nöte, und ich weiß, welche Probleme Sie nachts nicht schlafen lassen. Die Tipps, Strategien und Ideen aus diesem Buch sind daher kein theoretisches Gewäsch, sondern die Essenz meiner eigenen Learnings und Erfahrungen. Was auch immer ich Ihnen empfehle, ich habe es selbst ausprobiert und die entsprechenden Schlüsse daraus gezogen.

Doch noch ein anderer Punkt ist mir wichtig. Im Gegensatz zu vielen anderen erfolgreichen Menschen komme ich nicht aus einem reichen Elternhaus, habe kein Vermögen geerbt und konnte es mir auch nicht in einem gemachten Nest gemütlich machen. Ganz im Gegenteil, zu Beginn meiner Selbstständigkeit kannte mich niemand, meine Marke war de facto nicht existent und ich musste mir jedes noch so kleine Erfolgserlebnis hart erarbeiten. Und all das in einer Lebensphase, in der ich gerade ein Haus gebaut hatte und meine erste Tochter vier Jahr alt war. Auf dem Weg in die Selbstständigkeit habe ich viele Fehler gemacht, oft gezweifelt und immer dazugelernt. Warum also sollen Sie nicht von meinen Erfahrungen profitieren! Meine wichtigsten Erkenntnisse habe ich für Sie in diesem Buch komprimiert aufbereitet, damit Sie diese Fehler nicht machen müssen und sich somit unnötige Umwege sparen können. Ich möchte Sie inspirieren und ermutigen, sich eine selbstbestimmte, digitale und insbesondere profitable Zukunft aufzubauen. Denn es gibt wohl kein schöneres Gefühl, als am Ende eines intensiven Tages voller Dankbarkeit zu sich selbst zu sagen: »Wow, und dafür bekomme ich auch noch Geld!«

Haben Sie ein wenig Lust bekommen, mit Ihrem Solopreneur Business so richtig durchzustarten? Dann lassen Sie uns am besten direkt loslegen.

Der rote Faden dieses Buches wird das Thema »Selbstbestimmung« sein. Um diesen Wert herum werden wir alle Modelle, Strategien und Umsetzungspläne aufbauen.

Wenn Sie es aus irgendeinem Grund bevorzugen sollten, dass andere Menschen über Ihre Zeit, Ihre Ziele und Ihre Zukunft bestimmen, dann bin ich Ihnen überhaupt nicht böse. Schenken Sie das Buch einfach einem Menschen, der lieber gestaltet als verwaltet, denn ich kann Ihnen fast schon versprechen, dass Sie mit den Ideen der kommenden Kapitel nicht viel Freude haben werden. Denn Selbstbestimmung führt zwar zu einem nie dagewesenen Grad an persönlicher Freiheit, tiefer Zufriedenheit und der Gewissheit, den Launen des Schicksals niemals hoffnungslos ausgeliefert zu sein, hat jedoch wie alles im Leben seinen Preis: Ohne Verantwortung, mutige Entscheidungen und eine Menge Gegenwind von anderen Menschen geht es einfach nicht.

Die drei Hauptphasen der Solopreneur Journey

Sie haben keine Lust auf Beamtendenken, lieben Selbstbestimmung genauso sehr wie ich und können es kaum abwarten, das Leben bei den Hörnern zu packen? Dann möchte ich Sie von Herzen im Team willkommen heißen und Ihnen gleichzeitig einen Überblick geben, was Sie auf unserem gemeinsamen Weg erwartet. Damit Sie den Inhalten bestmöglich folgen können, habe ich das Buch in drei Teile aufgeteilt, die sich inhaltlich an den drei Hauptphasen der Solopreneur Journey orientieren.

In Teil 1 – den Solopreneur Fundamentals – kümmern wir uns um die entscheidenden Grundlagen der Selbstständigkeit und legen die Basis für alles, was danach folgt. Im Rahmen einer persönlichen Unabhängigkeitserklärung schauen wir uns die Besonderheiten und Vorzüge des Geschäftsmodells Salespreneurship an, diskutieren mögliche Geschäftsideen und betrachten das notwendige Unternehmer-Mindset. Zusätzlich zu all den praktischen Tipps, Ideen und Impulsen rund um die Gründungsphase erfahren Sie, warum die Selbstständigkeit als Solopreneur der wohl sicherste Job der Zukunft sein wird, wie Sie Ihren persönlichen Bierdeckel-Businessplan entwickeln und ein virtuelles Team von Spezialisten aufbauen, sodass Sie ausreichend Zeit für die Themen und Tätigkeiten haben, für die Sie tief in Ihrem Herzen brennen.

In Teil 2 – dem Solopreneur Canvas – erhalten Sie ein bewährtes Framework an die Hand, welches Sie ganz einfach Ihren Bedürfnissen, Zielen und Ihrer Ausgangslage anpassen können. Wir widmen uns der für Sie passenden Businessstrategie und beantworten die Fragen, welche Struktur zu Ihrem Unternehmen passt und wie Sie dessen langfristigen Erfolg nicht dem Zufall überlassen. Darauf aufbauend erfahren Sie alles Wichtige zum Thema Positionierung, warum die klare Definition Ihrer Zielgruppe essenziell ist und wie eine nachhaltige Marketingstrategie aufgebaut ist. Das Ziel ist dabei sehr klar definiert: ein nachhaltig profitables Unternehmen aufzubauen und Ihre Marke so zu schärfen, dass Sie zur Nummer 1 in den Köpfen Ihrer Wunschkunden werden, die nicht nur gern bei Ihnen kaufen, sondern Sie auch voller Überzeugung weiterempfehlen.

In Teil 3 – Nachhaltig erfolgreich als Solopreneur – geht es um die konkrete und konsistente Umsetzung. Wir kümmern uns um den Aufbau Ihrer Onlinepräsenz (papierloses Büro, Website, Social Media, E-Mail-Liste etc.) und darum, wie Sie automatisierte Prozesse etablieren, damit Sie selbstbestimmt und ortsunabhängig arbeiten können. Weiterhin erfahren Sie, wie Sie digitale Produkte und Dienstleistungen nicht nur kreieren, sondern auch erfolgreich vermarkten. Abschließend wartet eine umfassende Sammlung von Tools, Apps und Ressourcen auf Sie, die Ihnen den Auf- und Ausbau Ihres Unternehmens wesentlich einfacher machen. Wir lassen keinen Stein auf dem anderen, denn so wichtig die Themen Leidenschaft und Herzblut auch sind, am Ende ist es mein großes Ziel, dass Sie so schnell wie möglich erste Umsätze generieren und von Ihrem Solopreneur Business leben können.

Abgerundet wird jedes Kapitel mit einer Case Study bereits erfolgreicher Solopreneure, die aus unterschiedlichen Bereichen kommen und in einem kurzen Interview Einblicke in ihr Geschäftsmodell geben und ihre Erfolgsgeheimnisse verraten. All das erfolgt mit einem großen Ziel: Ihnen noch mehr Inspiration zu geben und Ihnen zu zeigen, dass die Ideen aus diesem Buch keine graue Theorie sind, sondern jeden einzelnen Tag von selbstbestimmten Menschen in der realen Welt umgesetzt und gelebt werden. Wollen wir also loslegen? Wunderbar. Ich freue mich auf unsere gemeinsame Reise. Den Weg zur Selbstbestimmung. Den Weg zum tollsten und erfüllendsten Beruf, den es gibt. Den Weg des Solopreneurs.

Herzlichst, Ihr Ilja Grzeskowitz

PS: Sämtliche in diesem Buch verwendeten Grafiken können Sie sich zusätzlich hochauflösend herunterladen. Sie finden die Downloadübersicht gemeinsam mit allen erwähnten Links und Ressourcen sowie exklusivem Bonusmaterial unter www.solopreneur-club.de/buch-ressourcen.

TEIL 1

SOLOPRENEUR FUNDAMENTALS

1. Die persönliche Unabhängigkeitserklärung

Push back the square

Now that you need her, and you throw

Well, there you go

’Cause back in school

We are the leaders of all

Deftones, »Pink Maggit«

Liebe Leserinnen und Leser, glauben Sie an Zufälle? Meine spontane Antwort lautet definitiv »Ja«. Aber von Zeit zu Zeit kommen mir gewisse Zweifel an dieser Überzeugung, denn manche Dinge im Leben passieren genau in Momenten, die besser nicht passen könnten. Vor einigen Monaten stand ich vor einer schwierigen unternehmerischen Entscheidung. Obwohl ich alle möglichen Szenarien bestmöglich durchdacht hatte, drückte ich mich vor dem notwendigen Schritt, so gut es ging. Kein Wunder, denn das Risiko war groß, und obwohl ich rational genau wusste, dass Unsicherheit ein vollkommen normaler Faktor bei harten Entscheidungen ist, lähmte diese mich so sehr, dass ich erstarrte wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.

Und es wäre wahrscheinlich noch länger so weitergegangen, wenn mir nicht der eben beschriebene Zufall zu Hilfe gekommen wäre. Bei der Recherche für ein YouTube-Video stolperte ich über einen Blogbeitrag zum Thema Stoizismus, in dem zur Visualisierung des Textes eine Münze abgebildet war1. Ich weiß nicht mehr genau, was mich daran so faszinierte, aber wie selbstverständlich zoomte ich heran, damit ich die Gravur besser lesen konnte. Und auf eine fast schon magische Weise fokussierten meine Augen die beiden Worte, die mich umgehend in ihren Bann zogen: Memento mori.

Dieser lateinische Satz lässt sich wohl am besten mit »Sei dir der Sterblichkeit bewusst« übersetzen.2 Und wie es oft im Leben ist, triggerte der Hinweis auf die Endlichkeit des Lebens die Erinnerung an eine Erfahrung, die ich bereits in meinem Buch »Mach es einfach! Warum wir keine Erlaubnis brauchen, um unser Leben zu verändern« geteilt habe.3 Die Geschichte ereignete sich an einem normalen Dienstag im Jahr 1994, als ich gerade meinen Zivildienst in einer integrativen Einrichtung am Universitätsklinikum der Hansestadt Lübeck absolvierte. Neben ambulanten Kindern mit Lern- und Entwicklungsschwierigkeiten betreuten wir Patienten der unterschiedlichsten Pädiatriestationen, um für sie den Krankenhausalltag ein wenig abwechslungsreicher zu gestalten. Eines dieser Kinder hatte ich besonders ins Herz geschlossen. Tommy war ein neunjähriger Junge, der wegen eines Hirntumors auf der Kinderkrebsstation lag. Er hatte schon mehrere Operationen klaglos über sich ergehen lassen und infolgedessen keine Haare mehr auf dem Kopf. Stattdessen zogen sich zwei riesige Narben über seinen kahlen Schädel, äußere Spuren des verzweifelten Kampfes der Ärzte gegen die grausame Krankheit. Doch der Krebs hatte sich bereits so weit in seinem kleinen Körper ausgebreitet, dass Tommy diesen Kampf schlichtweg nicht gewinnen konnte.

Er hätte jeden Grund der Welt gehabt, niedergeschmettert und frustriert zu sein, doch das Gegenteil war der Fall. Trotz der erschütternden Diagnose war dieser tapfere Junge das fröhlichste Kind der gesamten Einrichtung. Mit einer ansteckenden Leidenschaft schnitzte er sich kleine Holzschwerter an der Werkbank, puzzelte vor sich hin oder übte so lange auf der Gitarre, bis er endlich House of the Rising Sun spielen konnte. Und wenn er dann irgendwann zu erschöpft war, war es für ihn das Größte überhaupt, wenn ich ihm aus den Comics von Asterix und Obelix vorlas.

Tommys unbändige Lebensfreude faszinierte mich. Er war stets gut gelaunt, lachte viel und steckte die anderen Kinder mit seiner Positivität an. Doch gleichzeitig verschlechterte sich sein körperlicher Zustand rapide, und die Abstände, in denen ich Tommy nicht mehr sah, wurden immer größer. Aber an besagtem Dienstag saß er wieder einmal auf meinem Schoß und ich las ihm Asterix in Spanien vor. Alles war eigentlich wie immer, doch auf einmal sagte Tommy fast schon beiläufig einen Satz zu mir, der sich tief bei mir eingebrannt hat: »Ilja, ich weiß, dass ich bald sterben werde. Aber ich habe keine Angst, weil der liebe Gott auf mich aufpasst. Ich finds übrigens super, dass du mir immer so viel vorliest. Die Pfleger auf der Station haben nie Lust dazu. Als Dankeschön schnitze ich dir morgen an der Werkbank einen Talisman.«

Obwohl mir die Tränen mit voller Wucht in die Augen schossen, versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen. Mit brüchiger Stimme antwortete ich: »Cool, da freue ich mich drauf.« Weil von Tommy keine Reaktion kam, las ich ganz normal weiter, bis wir uns kurz darauf wie üblich mit einer Geste verabschiedeten, die heute landläufig als Fist Bump bekannt ist. Den versprochenen Talisman habe ich nie bekommen, denn wenige Tage später ist Tommy gestorben. Mit meinen 19 Jahren hatte ich damals lange an diesem Verlust zu knabbern. Aber auf einer anderen, viel tieferen Ebene begriff ich instinktiv, dass mir dieser kleine, tapfere Knirps trotz der tragischen Umstände eine ganz besondere Lektion erteilt hatte. Aus dieser Erfahrung habe ich mehr über Selbstbestimmung gelernt als in allen Büchern, Seminaren und Vorträgen in den vielen Jahren danach zusammen. Mit seiner positiven Grundhaltung und seinem unbändigen Lebensmut hatte Tommy mir demonstriert, dass ein einzelner Mensch einen riesigen Unterschied machen kann, auch wenn sämtliche Umstände gegen ihn zu sprechen scheinen. Von ihm habe ich gelernt, dass ein kleiner Junge ein Vorbild sein kann, das uns vormacht, wie es geht, das Leben bei den Hörnern zu packen und nachhaltig zu verändern. Gerade weil er wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, kostete er jeden einzelnen Moment aus und lebte mit einer Intensität, die auf alle Kinder und Erwachsene in seiner Umgebung ansteckend wirkte.

Und auch wenn Tommy natürlich viel zu früh verstorben ist, bin ich heute immer noch dankbar dafür, dass ich durch ihn eine wichtige Lektion lernen durfte. Ich schwor mir damals, dass ich mein Leben voll und ganz auskosten würde. Ich nahm mir vor, erfolgreich zu werden, Karriere zu machen und all das zu erleben, was Tommy verwehrt geblieben war. Ich hatte zwar keine Vorstellung, was ich dafür tun musste, aber im Nachhinein weiß ich, dass es einer dieser Wendepunkte war, die für den Verlauf meines weiteren Lebens entscheidend waren. Noch heute zehre ich von dieser Begegnung.

Immer, wenn ich mich mal wieder über irgendeine unwichtige Kleinigkeit aufregen will, erinnere ich mich daran, wie dankbar wir sein sollten, dass wir gesund sind und einen weiteren Tag die Gelegenheit haben, die Welt ein kleines Stückchen besser zu verlassen, als wir sie vorgefunden haben.

Und schon schließt sich der Kreis zu der Münze mit der Mementomori-Gravur. Denn ist es nicht häufig die Realisation, dass unser Leben endlich ist, die uns dazu bewegt, den Status quo zu hinterfragen und einen radikalen Kurswechsel vorzunehmen? Machen Sie gern die Probe aufs Exempel: Wie viele Menschen kennen Sie, die zwar theoretisch genau wissen, was sie wollen, aber so sehr Angst vor den notwendigen Entscheidungen haben, dass sie ihre Träume den Erwartungen ihres Umfelds untergeordnet haben? Die sich immer wieder mit einem gepflegten »Irgendwann traue ich mich« beruhigt haben. Die zu lange auf den perfekten Moment gewartet haben, bis sie eines Tages feststellen mussten, dass ihre Träume still und leise gestorben sind.

Um nicht in die gleiche Falle zu tappen, habe ich mir mittlerweile ein Medaillon gekauft, auf dem »Memento mori« eingraviert ist. Es soll mich daran erinnern, dass unsere Zeit hier auf Erden begrenzt ist und manchmal schneller vorbei sein kann, als wir denken. Wir sollten sie daher so intensiv wie möglich auskosten und selbstbestimmt unsere Träume leben. Wir sollten arbeiten, lieben und leben, als wenn es in jeder Sekunde nichts Wichtigeres geben würde. Doch was tut die breite Masse? Die Menschen lassen ihre Ansprüche (oder wie in meinem Fall Businesspläne) in einer Schublade versauern, haben einen Job, der sie frustriert, und fahren jeden Tag in ein graues Großraumbüro, das sie hassen. Natürlich, irgendwann will man das schon noch ändern, aber aktuell passt es leider schlecht in den vollen Terminkalender. Und so wartet man auf den richtigen Moment. Tage. Monate. Manchmal ganze Jahre. Doch die Hoffnung auf ein mögliches Irgendwann ist leider sehr trügerisch, denn häufig wird daraus ein Niemals.

Ich möchte Sie daher gleich zu Beginn des Buchs zu etwas anstiften. Und zwar zu Ihrer persönlichen Unabhängigkeitserklärung. Der bewussten und nachhaltigen Entscheidung, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und all die Träume aus der Schublade zu holen, die dort seit Langem ihr Dasein fristen. Ein Leben zu führen, in dem Sie keine Trennung mehr zwischen Work und Life vornehmen müssen, weil Sie in jeder einzelnen Sekunde Ihre Persönlichkeit ausleben können. Ein Leben zu führen, in dem Sie abends nach Hause kommen und sich fast schon kindisch darüber freuen, dass Sie für die Dinge, die Ihnen Freude und Spaß bereiten, auch noch (sehr gut) bezahlt werden.

Ein selbstständiges Leben. Ein selbstbestimmtes Leben. Und den dazu am besten passenden Beruf zu wählen: den des Solopreneurs.

Ein altes Sprichwort besagt: Der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Der zweitbeste ist heute. Das gilt auch für Ihre Selbstständigkeit. Treffen Sie heute die Entscheidung, Ihr eigenes Unternehmen zu gründen und den Weg des Solopreneurs zu gehen. Ich bin dabei gern Ihr Reisebegleiter, Wegweiser und Mutmacher in einer Person. Nur die Entscheidung an sich kann ich Ihnen nicht abnehmen, die müssen Sie selbst treffen. Etwas anderes kann ich Ihnen dagegen mit einer hundertprozentigen Sicherheit versprechen: Wenn Sie heute den ersten Schritt machen, dann werden Sie in zwölf Monaten sehr dankbar sein, dass Sie ihn getan haben.

Und wenn Ihnen auf dem Weg die ersten Zweifel kommen (und sie werden kommen, das gehört zum Leben ganz einfach dazu), dann würde es mein Herz mit Freude erfüllen, wenn Sie einen kurzen Gedanken für meinen Freund Tommy übrighaben und die Sorgen durch die tiefe Dankbarkeit ersetzen, dass Sie einen weiteren Tag die Gelegenheit haben, als Solopreneurin eine riesige Delle ins Universum zu hauen.

Memento mori. Lassen Sie uns gemeinsam Geschichte schreiben. Ihre Geschichte. Ihre Erfolgsgeschichte als Solopreneur.

Selbstbestimmung ist die neue Sicherheit

Meiner Erfahrung nach lassen sich Menschen in zwei Kategorien einteilen: Sie sind entweder »Team Meer« oder »Team Berge«. Wie ist es bei Ihnen, haben Sie sich die Frage auch schon einmal gestellt, ob Ihr Herz sich auf dem Gipfel eines majestätischen Berges oder am endlosen Strand eines rauen Ozeans am wohlsten fühlt? Ich selbst muss bei der Beantwortung nicht eine Sekunde zögern. Ich bin »Team Meer«. Möglicherweise liegt es daran, dass ich schon als Kind wie einst Tony Buddenbrook auf den Steinen in meiner Heimatstadt Travemünde (ein Stadtteil der Hansestadt Lübeck) gesessen4 und beeindruckt von der Weite des Horizonts von fernen Ländern und Reisen auf dem Schiff geträumt habe. Auch wenn ich die atemberaubende Landschaft der Berge liebe, fühle ich mich nirgendwo so frei wie am Meer. Stundenlang könnte ich auf die brechenden Wellen blicken, während der einzigartig salzige Geruch in meine Nase und das Kreischen der Möwen in meine Ohren dringt. Und jedes Mal, wenn ich mich irgendwo auf dieser Welt an einem Ozean befinde, muss ich unweigerlich an das wahrscheinlich bekannteste Zitat5 des Kampfkünstlers und Schauspieler Bruce Lee denken, das in meiner Übersetzung lautet: »Leere deinen Geist, sei formlos, gestaltlos – wie Wasser. Wenn du Wasser in eine Tasse füllst, dann wird es die Tasse. Wenn du Wasser in eine Flasche füllst, wird es die Flasche. Wenn du es in eine Teekanne füllst, wird es die Teekanne. Wasser kann fließen oder zerstören. Sei wie Wasser, mein Freund.«

Natürlich war diese Metapher vor allem auf die Anwendung im Kampfsport gemünzt. Wenn man dem Gegner nicht mit einer starren Strategie begegnet, sondern sich flexibel anpassen kann, dann sind die Erfolgsaussichten wesentlich höher. Und Perfektion ist dann erreicht, wenn man wie Wasser ist. Denn dieses Element lässt sich einfach nicht greifen. Gleichzeitig ist es in der Lage, sich seinen Weg durch undurchdringbares Terrain zu bahnen und scheinbar übermächtige Gegner zu besiegen.

Während der letzten Monate musste ich fast täglich an Bruce Lee und seine Metapher vom Wasser denken. Denn nicht erst seit der Coronakrise hat sich die Welt massiv verändert. Der Alltag vieler Menschen ist von einer nagenden Zukunftsangst geprägt, Prioritäten haben sich verschoben, und die große Masse der Bevölkerung teilt das immer intensiver werdende Gefühl, den Launen des Schicksals hoffnungslos ausgeliefert zu sein. Und wie das bei einschneidenden Veränderungen nun mal der Fall ist, versuchen wir diese Unsicherheit dadurch zu überwinden, dass wir uns an gewohnten Dingen festklammern, den Alltag an Routinen ausrichten und möglichst wenig Risiken eingehen. So absurd es klingen mag, aber je unsicherer die externen Umstände sind, desto wichtiger wird das Gefühl innerer Sicherheit für uns.

Doch wo gibt es diese Sicherheit heute überhaupt noch? Als Beamtin in der Verwaltung? Natürlich, man bekommt bis zum Lebensende jeden Monat pünktlich sein Gehalt aufs Konto überwiesen. Aber zu welchem Preis, wenn die Tage von mangelnder Kreativität, Eintönigkeit und dem oftmals sinnlosen Abarbeiten von Formularen geprägt sind? Auch die vermeintlich sichere Karriere in einem großen Unternehmen existiert nur noch in der Theorie. Durch die Transformation von der Industrie- zur Wissensgesellschaft werden Millionen von Jobs in der Zukunft wegfallen, in so gut wie allen Branchen werden immer mehr Stellen massiv abgebaut, und dann hat die Coronakrise auch noch die Insolvenzwelle so richtig beschleunigt. Und selbst wenn es gelingt, als Angestellter in einer zukunftsorientierten Branche Karriere zu machen, sind die organisatorischen Zwänge, der Stress durch zunehmenden Leistungsdruck und die kaum vorhandene Work-Life-Balance die Hauptgründe, dass sich immer mehr Menschen die Frage stellen: »Soll es das jetzt gewesen sein? Soll ich für die nächsten 30 Jahre jeden Tag in das graue Großraumbüro fahren, um einen Job zu machen, der mich nicht erfüllt, oft frustriert und schon lange keinen Spaß mehr macht?«

Glauben Sie mir, ich kenne diese Gedanken nur zu gut, denn sie gingen mir früher in einer Art Dauerschleife durch den Kopf. Und ich wäre wahrscheinlich in der negativen Spirale aus Hoffnungslosigkeit und Frustration ertrunken, hätte ich damals nicht die Biografie eines meiner Jugendidole als Hörbuch im Auto gehört. Ich spreche von John Michael Osbourne, dem Sänger der legendären Hardrock-Band Black Sabbath, den Sie möglicherweise nur unter seinem Rufnamen Ozzy kennen.6 Er wuchs in den 1950er-Jahren in ärmlichen Verhältnissen in Birmingham auf und beschloss als Teenager, eine Facharbeiterausbildung zu absolvieren. Und zwar zum Autohupenstimmer. Klingt nicht besonders sexy, oder? Ozzy begründete den Schritt wie folgt: »Damals dachten die, du nimmst das bisschen Bildung mit, das du ergattern kannst. Dann lernst du einen Beruf und bekommst eine Scheißarbeit, auf die du gehörig stolz bist, obwohl es eine Scheißarbeit ist. Und diese Scheißarbeit machst du dann für den Rest deines Lebens. Diese Scheißarbeit bedeutet dir einfach alles.«

So kam es, dass sich der spätere Weltstar in die Kunst des Autohupenstimmens einweisen ließ. Wenn Sie jetzt denken: »Kunst? Das klingt eher nach einer sehr stupiden Tätigkeit«, dann haben Sie vollkommen recht. Denn der Tagesablauf des jungen Ozzy sah wie folgt aus. Er saß am Fließband und griff sich eine Hupe. Stimmte diese mit dem Schraubendreher. Testete den Klang. Darauf folgte die nächste Hupe. Der gleiche Handgriff mit dem Schraubendreher. Wieder stimmen und den Klang testen. Dann die nächste Hupe. Und die nächste. Wieder und immer wieder. Greifen. Stimmen. Testen. Den ganzen Tag lang. Die Arbeit war so frustrierend, laut und eintönig, dass er fürchtete, wahnsinnig zu werden. Also fragte er den Kollegen neben sich, einen älteren Herrn mit Halbglatze und riesigen Augenringen: »Sag mal, Jimmy, wie lange bist du eigentlich schon hier?« Worauf dieser antwortete: »29 Jahre und sieben Monate. Und weißt du, was das Beste daran ist? In fünf Monaten bin ich genau 30 Jahre hier. Dann werde ich pensioniert und bekomme vom Betrieb meine goldene Uhr.«

Dem späteren Multimillionär ging in diesem Moment folgender Gedanke durch den Kopf: »Lieber sollen die Russen eine Bombe auf die Fabrik werfen, bevor ich 30 Jahre in diesem Raum verbringen muss.« Und er sagte: »Hör zu, Jimmy, wenn du unbedingt eine goldene Uhr haben willst, dann hättest du beim Juwelier in der Fußgängerzone eine klauen sollen. Selbst wenn sie dich erwischt hätten, hättest du höchstens ein Zehntel der Zeit abgesessen, die du in diesem Loch hier zugebracht hast. Und das wäre zweifellos die bessere Wahl gewesen.« Dann verließ er wortlos seinen Arbeitsplatz und traf die Entscheidung, die Frustration gegen ein selbstbestimmtes Leben einzutauschen. Das zu tun, was ihn wirklich erfüllte und wovon er seit Jahren träumte. Und dieser Traum war die Musik.

Gemeinsam mit seinen Jugendfreunden Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward gründete er die Band Black Sabbath und prägte die Musikgeschichte mit Hits wie Iron Man, Paranoid oder War Pigs