»Allberry trifft mit seiner provokanten Frage den Nerv unserer Zeit. Seine Antwort: Gott ist an unserem Wohlergehen interessiert. Und nur innerhalb der Ehe zwischen Mann und Frau dient Sex diesem Zweck. Alte Weisheit wird hier neu verpackt!«

Prof. Dr. Joel White, Professor für Neues Testament an der »Freien Theologischen Hochschule« in Gießen

SAM ALLBERRY

INTERESSIERT ES GOTT, MIT WEM ICH SCHLAFE?

WAS DIE BIBEL ÜBER SEX SAGT

Aus dem amerikanischen Englisch von Brita Becker

SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

Für Logan Gates und Ben Dyson:
Danke für eure treue Freundschaft

INHALT

Über den Autor

Einführung

Warum ist es von Bedeutung, mit wem wir schlafen?

Was ist eine junge Frau wert?

Wozu dient Sex?

Sex wirklich nur in der Ehe?

Warum war die christliche Sexualethik damals so umstritten?

Warum ist die christliche Sexualethik heute so umstritten?

Was ist, wenn ich wirklich alles falsch gemacht habe?

Brauche ich sexuelle Erfüllung, um wirklich ich selbst zu sein?

Ist Liebe nicht genug?

Was ist Gott wirklich wichtig? – Die größere Geschichte

Was ist Gott wirklich wichtig? – Die bessere Geschichte

Danksagung

Anmerkungen

ÜBER DEN AUTOR

Sam Allberry ist Pastor und hält weltweit Vorträge zu den Themen Sexualität und Identität, worüber er auch erfolgreich Bücher veröffentlicht hat. Er studierte Theologie an der »Wycliffe Hall« in Oxford, wurde von der englischen Kirche ordiniert und diente in ihrem Leitungsgremium, der Generalsynode. Heute ist er in der »Immanuel Church« in Nashville, USA beheimatet.

EINFÜHRUNG

Es war wahrscheinlich das skurrilste Erlebnis meines Lebens. Ich unterrichtete gerade Englisch in Zentralthailand und war eingeladen worden, an einem regionalen Ausbildungstag für Englischlehrer an Gymnasien teilzunehmen. Als »Muttersprachler« sollte ich bei der englischen Aussprache und Konversation helfen. Das dachte ich jedenfalls.

Das erste Indiz dafür, dass es nicht so laufen würde, wie ich erwartet hatte, war, dass ich gleich am Morgen auf die Bühne gebeten wurde. Nachdem ich vorgestellt worden war, sollte der Tag mit dem Lied, das als Thema des Tages ausgewählt worden war, eröffnet werden. Oder besser gesagt, ihr heutiger englischsprachiger Gast würde es tun.

Die schlechte Nachricht: Ich kann nicht singen, nicht vor Publikum; die gute Nachricht: Das Lied war auf Englisch. Die nächste schlechte Nachricht war das Karaoke-Programm, das sie benutzten. Es war befremdlich: Ich befand mich an einem Samstagmorgen in einem völlig unbekannten Land, hatte in letzter Minute zugesagt, zu kommen, um meinen thailändischen Gastgebern einen Gefallen zu tun, und nun war ich im Begriff, vor mehreren hundert Lehrern ein Solo zu singen.

Das Lied war I Just Called To Say I Love You von Stevie Wonder – zugegebenermaßen ein großartiger Song, aber nicht unbedingt das, was man zuallererst mit dem Unterrichten der Sprache Shakespeares in Verbindung bringt. Ich befand mich schon weit außerhalb meiner Komfortzone, aber das Schlimmste sollte noch kommen. Das Hintergrundvideo auf der Karaoke-Leinwand war ziemlich anzüglich – eine Prozession von sich windenden Körpern in verschiedenen Zuständen der Entkleidung. Irgendwie musste ich den Worten folgen und dabei die unangemessenen Bilder im Hintergrund ignorieren. Versuch mal, dabei nicht dunkelrot anzulaufen.

Was ich damit sagen will, ist dies. Man kommt um das Thema Sex nicht herum. Wenn es selbst an einem so harmlosen Ort auftaucht wie an jenem Morgen in Thailand, gibt es wenig Hoffnung, sich in allen anderen Lebensbereichen davor zu drücken. Und ich bin ganz ehrlich: Abgesehen davon, dass ich meine Karaoke-Erfahrung von jenem Morgen nicht wiederholen möchte, ist das Schreiben eines Buches über Sex in diesem Moment für mich mindestens ebenso skurril. Aber es lässt sich nicht vermeiden, weil es so ein bedeutendes Thema ist.

Seit einigen Jahren arbeite ich für eine Wohltätigkeitsorganisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die drängendsten Fragen der Menschen über den christlichen Glauben zu beantworten. Andere Bücher aus dieser Reihe vermitteln einen genaueren Eindruck davon, um welche Fragen es dabei geht. Aber es ist nun mal so: Für die meisten Menschen ist die wichtigste Frage immer, was Christen über Sex denken.

Es ist nicht schwer zu verstehen, warum. Wir wissen, dass unsere Sexualität und die Beziehungen, die wir eingehen, ein äußerst wichtiger Teil unseres Lebens sind. Und das bleibt nicht ohne Folgen. Ich bin mir bewusst, dass bei jedem von uns starke Emotionen ins Spiel kommen, wenn wir über Sex in unserem Leben und in unserer Gesellschaft sprechen, darüber nachdenken und darauf reagieren. Unsere Erinnerungen – gute und schlechte – prägen unser Denken und Verhalten. Einige von uns werden immer noch von schmerzhaften Erinnerungen verfolgt. Einige von uns sind rastlos und suchen nach einer Form tieferer Befriedigung, als wir sie derzeit in unserem Sexualleben erfahren. Andere sind verwirrt angesichts unterschiedlicher Erlebnisse in diesem Bereich. Und wieder andere von uns sind mit ihrem Sexualleben vollkommen zufrieden und fragen sich, was der ganze Wirbel soll.

Das bedeutet, dass es dir vielleicht schwerfällt, dieses Buch zu lesen. Ob du nun Christ bist oder nicht, vielleicht empfindest du manchmal sogar Ekel oder willst das Buch durchs Zimmer schleudern. Denn das, was ich dir hier vorstelle, steht eventuell in tiefem Widerspruch zu deinen eigenen Ansichten und Erfahrungen.

Aber statt der Versuchung nachzugeben, dieses Buch in die nächste Ecke zu werfen, bitte ich dich, meine Worte sorgfältig und weitgehend objektiv zu überdenken. Ich schreibe dies als jemand, der ledig ist und erwartet, dies auch in Zukunft zu bleiben. Als Christ bedeutet das, dass ich mich dem Zölibat verschrieben habe. Ich will keinen Sex haben, außer ich bin mit der Person verheiratet. Dieser Punkt ist mir sehr wichtig und ich will versuchen, dir klarzumachen, wieso er für jeden von uns von Bedeutung ist.

Wenn es um Sex geht, sehen sich Christen mit großen Herausforderungen konfrontiert. Die sexuelle Freiheit gilt als eines der größten Güter der westlichen Gesellschaft. Gerade in den letzten zehn Jahren hat sich vieles verändert. Noch vor fünfzehn Jahren hätte man bibeltreue Christen wie mich als altmodisch abgestempelt, weil sie an dem traditionellen christlichen Verständnis festhalten, dass Sex ausschließlich in die Ehe gehört.

Aber heutzutage werden wir zunehmend als eine Gefahr für die Gesellschaft eingestuft. Als so bedeutsam gilt die Meinung über Sex in unserer Gesellschaft. Schlafen zu können, mit wem wir wollen, wird als oberstes Menschenrecht angesehen. Alles, was unsere Wahl in diesem Bereich einschränkt, wird als existenzielle Bedrohung empfunden.

Die christliche Auffassung, dass Sex einem ganz bestimmten Rahmen vorbehalten ist, wird immer mehr zu einem Vergehen statt zu einer bloßen Kuriosität. »Interessiert es Gott, mit wem ich schlafe?« ist somit weniger eine Frage als vielmehr ein eigenständiges Gegenargument. Eines, das keiner Antwort bedarf.

Und doch gibt es eine Antwort. Christen glauben weiterhin an das, was die Bibel über Sex sagt. Diese Überzeugung verschwindet nicht, sosehr sie heute auch verspottet wird. Und es ist eine Überzeugung, für die es zwingende Gründe gibt. Ich möchte, dass du diese Gründe verstehst und dann selbst entscheidest, wie du damit umgehen möchtest.

Gott ist es wichtig, mit wem wir schlafen, weil wir Menschen ihm so wichtig sind. Es interessiert ihn, weil Sex seine Idee war, nicht unsere. Das Thema liegt ihm am Herzen, weil sexueller Missbrauch tiefe Verletzungen und Schäden verursachen kann. Er sorgt sich um uns, weil wir in seinen Augen Aufmerksamkeit verdienen und für ihn wertvoll sind. Diese Aufmerksamkeit zeigt sich nicht nur darin, dass er uns rät, wie wir mit Sex umgehen sollen, sondern auch darin, dass er uns Vergebung und Heilung zukommen lässt, wenn wir es vermasselt haben.

WARUM IST ES VON BEDEUTUNG, MIT WEM WIR SCHLAFEN?

Es kommt nicht oft vor, dass sich aus einem einzelnen Tweet eine ganze Bewegung entwickelt. Ende 2017 stand Hollywood kopf. Grund dafür: eine Reihe von Anschuldigungen gegen Harvey Weinstein, einen seiner berühmtesten Produzenten. Etliche Schauspielerinnen warfen ihm rücksichtsloses Verhalten vor. Der Fall erregte breite Aufmerksamkeit. Am 15. Oktober twitterte die Schauspielerin Alyssa Milano Folgendes:

Wenn Sie sexuell belästigt oder vergewaltigt worden sind, schreiben Sie »Me Too« als Antwort auf diesen Tweet.

Der Hashtag #Me Too verbreitete sich rasend schnell im Internet. Der ursprüngliche Tweet wurde gegen Mittag gepostet und bis zum Ende des Tages erschien der Satz Me Too über 200000-mal auf Twitter. Innerhalb eines Jahres wurde er 19 Millionen Mal verbreitet – mehr als 55000-mal pro Tag.1

Viele Prominente erzählten unter dem Hashtag ihre Geschichte, was seinen Bekanntheitsgrad weiter steigerte. Hollywood wurde von #Me Too förmlich überrollt. Andere Teile der Unterhaltungsindustrie folgten. Geschichten von Schikanen und Missbrauch verbreiteten sich schnell. Sie reichten über Politik und Medien bis hinein in Wissenschaft und Religion. Parallel dazu entstand auch der Hashtag #ChurchToo, unter dem Betroffene von Übergriffen in Kirchen oder durch Kirchenführer berichteten.

Obwohl Alyssa Milanos Tweet ein Startschuss zu sein schien, war sie nicht die Erste, die in diesem Zusammenhang den Ausdruck Me Too verwendete. Der wahre Ursprung des Hashtags lag schon zehn Jahre zurück. Die Aktivistin Tarana Burke suchte »nach einem einprägsamen Mittel, Empathie zu zeigen«. Das erläuterte sie in einem Interview in der Huffington Post: »Me Too ist ein so mächtiges Schlagwort. Jemand hat das zu mir gesagt und es veränderte den Verlauf meines Heilungsprozesses«, erzählte sie. Kurz nachdem der Tweet von Alyssa Milano in Umlauf gebracht wurde, schrieb Burke selbst: »Der Zweck der Arbeit, die wir in den letzten zehn Jahren mit der ›Me-Too-Bewegung‹ geleistet haben, besteht darin, Frauen – insbesondere jungen farbigen Frauen – zu zeigen, dass sie nicht allein sind.«2

Die weitverbreitete Verwendung des Hashtags hat diesen Effekt sicherlich bewirkt. Junge farbige Frauen mögen Burke besonders am Herzen gelegen haben, aber der Hashtag hat auch vielen anderen – Frauen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters sowie einigen Männern – die Möglichkeit gegeben, ihre Geschichten zu erzählen.

Eine Geschichte ist besonders erwähnenswert. Caitlin Flanagan schrieb in The Atlantic über ihre Zeit an der Highschool. Damals hatte ein junger Mann versucht, sie in seinem Auto auf einem leeren Strandparkplatz zu vergewaltigen. Nach einem Kampf ließ er schließlich von ihr ab und fuhr sie nach Hause. Sie hat nie darüber gesprochen und erklärt in dem Artikel, warum:

Ich habe es niemandem erzählt. Meiner Meinung nach war es kein Beispiel für männliche Aggression, die eingesetzt wurde, um einem Mädchen Sex zu entlocken. Es war ein Zeichen dafür, wie wenig begehrenswert ich war. Es war ein Beweis dafür, dass ich nicht das Mädchen war, mit dem man auf Partys ging oder das man kennenlernen wollte. Ich war das Mädchen, das man auf einen verlassenen Parkplatz mitnahm und versuchte, zum Sex zu zwingen. Es jemandem zu erzählen, hätte nicht offenbart, was er getan hat; es hätte vielmehr gezeigt, wie sehr ich diese Art von Behandlung verdient hatte.3

Die #Me-Too-Bewegung warf ein Schlaglicht auf die Häufigkeit sexueller Übergriffe. Man geht heute davon aus, dass zwischen 20 und 30 Prozent der amerikanischen Frauen im Laufe ihres Lebens schon einmal sexuell missbraucht wurden. Genaue Zahlen sind schwer zu bekommen. Denn es ist äußerst schwierig, diese Geschichten zu erzählen, aus vielen Gründen, wie Flanagans Geschichte unterstreicht. Aber viele trauten sich durch die Kampagne, zum ersten Mal offen über sexuelle Übergriffe zu sprechen. Dadurch gewinnen wir ein besseres Verständnis für die Häufigkeit dieser Brutalitäten. Auch Männer werden offener, sich über ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen und Belästigungen zu äußern. Einige von ihnen bekennen sich auch zu Fehlern in ihrem eigenen Verhalten gegenüber Frauen. Auf allen möglichen Ebenen – von Einzelpersonen bis hin zu Institutionen – scheint es, als würde die westliche Welt eine umfassende Neubewertung ihrer kollektiven sexuellen Werte erfahren.

Wenn #Me Too uns eines gezeigt hat, dann, dass unsere Sexualität von großer Bedeutung ist. Ihre Verletzung führt zu den tiefsten emotionalen und psychologischen Schäden, ganz abgesehen von möglichen körperlichen Narben. Caitlin Flanagans Geschichte spiegelt dies eindrucksvoll wider. Was dieser junge Mann versucht hatte, ihr anzutun, hat ihr etwas über sie selbst und ihren Wert vermittelt, Es bestärkte sie in einer negativen Annahme über sich selbst, die sie über viele Jahre begleitete.

Jesus über Missbrauch

Wir mögen uns an diesem Punkt fragen, was das alles mit dem Christentum zu tun hat. Wenn überhaupt, dann scheint das Christentum genauso sehr und vielleicht sogar noch mehr Teil des Problems zu sein wie jede andere Bewegung. Da immer mehr frühere und aktuelle Anschuldigungen nachgewiesen werden, ist es offensichtlich, dass auch viele christliche Institutionen Orte schrecklichen Missbrauchs waren. In jedem Zusammenhang wären diese Taten entsetzlich, aber der christliche Kontext macht sie umso verwerflicher. Es gilt als Fakt, dass sexuelle Übergriffe falsch sind. Keine Gruppe oder Religion hat ein Monopol auf diese Überzeugung. Aber Christen haben mehr Grund als andere, sich dessen bewusst zu sein.

Jesus von Nazareth, der Urheber des Christentums, war bekannt für seine Zugewandtheit gegenüber Ausgegrenzten, Ausgestoßenen und Schwachen. Von ihm wurde gesagt: »Er wird das geknickte Rohr nicht zerbrechen« (Matthäus 12,20). Jesus war von Natur aus sanft gegenüber den Verwundeten und Leidenden. Daher ist es besonders unangebracht, wenn diejenigen, die behaupten, ihm nachzufolgen, in diesem Punkt nicht seiner Lehre und seinem Beispiel folgen.

Aber man muss auch erwähnen, dass Jesus selbst Opfer unvorstellbaren Missbrauchs war. Wir müssen keine bibeltreuen Christen sein, um die grundlegenden Fakten darüber zu kennen, wie das Leben dieses Mannes endete. Die historischen Aufzeichnungen zeigen uns, dass er auf Befehl von Pontius Pilatus von den römischen Behörden öffentlich hingerichtet wurde.4 Wir wissen, dass er durch eine Kreuzigung starb. Und dass dieser Tod einen zermürbenden Prozess der Demütigung und Folter bedeutete. Die Berichte im Neuen Testament sind überraschend locker, was die blutigen Details betrifft, aber sie berichten uns, dass Jesus ausgezogen, ausgepeitscht, geschlagen und verspottet wurde. Er wurde sexuell entblößt, körperlich missbraucht und wiederholt verspottet. Seine eigenen Gefährten verrieten ihn, verleugneten ihn oder ließen ihn im Stich. Sein emotionales, psychisches und körperliches Leiden angesichts dessen lässt sich kaum bemessen. Und vieles von dem Berichteten geschah bereits, bevor er überhaupt die Stätte der Kreuzigung erreicht hatte.

Das ist der Mann, dem Christen folgen und den sie anbeten. Er lehrt uns, dass Christen eine angeborene Sensibilität gegenüber Opfern haben sollten. Da Jesus selbst einige der intensivsten Formen von Verfolgung und Ablehnung verkörperte und erlebte, ist ein Bewusstsein für Schmerz und Brutalität im Christentum eingebrannt. Christen sollten die letzten Menschen auf der Erde sein, die gleichgültig gegenüber Missbrauch sind, geschweige denn, ihn in irgendeiner Weise zu ermöglichen oder zu verüben. Dies bekräftigt auch Jesu eigene Lehre über die menschliche Sexualität.

Jesus über Sex

Einer der bekanntesten Abschnitte der Lehre Jesu ist die Bergpredigt. Viele ihrer Aussagen sind in der westlichen Kultur etabliert. Vielleicht bist du damit vertrauter, als du dachtest. Jesus berührt die Frage der Sexualethik schon früh in dieser Predigt:

»Ihr habt gehört, dass es im Gesetz von Mose heißt: ›Du sollst nicht die Ehe brechen.‹ Ich aber sage: Wer eine Frau auch nur mit einem Blick voller Begierde ansieht, hat im Herzen schon mit ihr die Ehe gebrochen.«
Matthäus 5,27-28

Jesus weiß, dass seine Zuhörer die Zehn Gebote aus dem Alten Testament kennen – und damit auch das siebte Gebot gegen Ehebruch, das er zitiert. Ehebruch ist jeglicher Geschlechtsverkehr zwischen einer verheirateten Person und jemandem, der nicht ihr Ehepartner ist. Jesus wiederholt dieses Gebot und fügt seine eigene Auffassung hinzu. Seine Worte stehen nicht im Gegensatz zum Inhalt des Gebotes, sondern geben einen neuen Einblick in dessen Umsetzung.

Täusch dich nicht: Was Jesus hier sagt, ist revolutionär, sowohl für die Zeit, in der er lebte, als auch für uns heute.

Überlegen wir einmal, wie seine ersten Zuhörer damals diese Worte gehört haben. Jesus war ein Jude aus dem ersten Jahrhundert, der zu einer Zuhörerschaft von Juden sprach. Auf den Zehn Geboten fußte all ihr ethisches Denken und Handeln. Sie wurden als Zusammenfassung des gesamten göttlichen Gesetzes betrachtet. Sie sind auch heute noch ein bedeutender kultureller Einfluss und bilden die Grundlage für die moralische Ordnung.

Jesus zitiert das siebte Gebot gegen Ehebruch. Dieses war der Eckpfeiler der allgemein gültigen Sexualethik der damaligen Zeit. Stellen wir uns einen jüdischen Mann vor, der Jesus zuhört. Vielleicht war er viele Jahre lang treu verheiratet und stolz darauf, wie er sich verhalten hatte. Vielleicht war er einer der Ersten, der Ehebruch immer dann missbilligte, wenn er davon hörte. Vielleicht wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, sich in eine Situation zu begeben, in der er am Ende mit einer anderen Frau körperlich intim werden könnte. Seine Hände hatten nie eine andere Frau als seine Frau berührt. Er war typisch für viele, er hatte sich diesem Gebot verschrieben und war überzeugt, dass er ihm voll und ganz gehorchte.

Als Jesus also den ersten Teil seiner Lehre ausspricht (»Ihr habt gehört, dass es im Gesetz von Mose heißt: ›Du sollst nicht die Ehe brechen.‹«), hätten solche Männer begeistert zugestimmt. »Ja, das haben wir immer gehört«, hätten sie gedacht. »Das ist es, worauf wir immer geachtet haben.« Sie mögen andere Aspekte der Lehre Jesu als herausfordernd oder hinterfragend empfunden haben, aber in diesem Punkt konnten sie sich sicher sein, dass sie seine volle Zustimmung finden würden.

Aber dann kommt der zweite Teil von dem, was Jesus sagt: »Ich aber sage: Wer eine Frau auch nur mit einem Blick voller Begierde ansieht, hat im Herzen schon mit ihr die Ehe gebrochen.«

Denk einmal darüber nach! Jesus widerspricht dem nicht, wie die Menschen das Gebot bisher verstanden haben; aber er erweitert dessen Bedeutung. Sie hatten angenommen, es ginge nur um körperlichen Ehebruch. Aber es gibt nicht nur körperlichen Ehebruch. Jesus sagt, dass Ehebruch bereits im Herzen stattfinden kann, auch wenn er nie im Bett stattfindet. Er kann durch Hinsehen begangen werden, nicht nur durch Berührung: Wer eine Frau auch nur mit einem Blick voller Begierde ansieht, hat im Herzen schon mit ihr die Ehe gebrochen. Es geht nicht nur darum, was man mit seinen Genitalien macht, sondern was man mit seinen Augen und seinem Verstand macht. Darum, wie man einen anderen Menschen ansieht und über ihn denkt.

Jesus geht es um die Absicht. Es geht ihm nicht darum, dass die Menschen sich gegenseitig bemerken, sondern dass sie andere mit begehrlicher Absicht ansehen – und zwar ganz bewusst. Es ist der Unterschied zwischen der Wahrnehmung, dass jemand attraktiv ist, und dem Wunsch, ihn auf irgendeine Weise haben zu wollen. Das, sagt Jesus, ist es, worauf das Gebot gegen Ehebruch hinausläuft. Wir werden später noch einmal auf die Bedeutung dieser Frage zurückkommen.

Das Opfer

Aber während sich Jesus in erster Linie auf die Person konzentriert, die einen Blick riskiert, lohnt es sich, darüber nachzudenken, was dies für die Person bedeutet, die angesehen wird.

Jesus beschreibt uns ein Szenario, in dem ein Mann eine Frau begehrlich ansieht. Was er hier lehrt, trifft natürlich auf uns alle zu, aber vielleicht müssen es besonders Männer hören. Schließlich wird die überwältigende Mehrheit der sexuellen Übergriffe nicht gegen Männer, sondern gegen Frauen begangen. Jesus sagt, dass der Mann, der eine Frau begehrlich ansieht, das Gebot gegen den Ehebruch bereits genauso klar gebrochen hat, als habe er körperlich mit ihr geschlafen.

Aber denk mal kurz darüber nach, was Jesus damit auch über die Frau sagt: Sie soll nicht begehrlich angesehen werden. Jesus stellt mit diesen Worten heraus, dass ihre Sexualität kostbar und wertvoll ist: dass sie eine sexuelle Integrität besitzt, die für sie von Bedeutung ist und von allen geehrt werden sollte. Er macht deutlich, dass diese sexuelle Integrität so kostbar ist, dass sie nicht verletzt werden darf, auch nicht in den privaten Gedanken eines anderen. Selbst wenn die Frau nie davon erführe, würde sie durch die sinnlichen Gedanken des Mannes an sie verletzt.

Wir neigen zu der Auffassung, dass das Gedankengut eines Menschen seine eigene Sache ist und dass das, worüber er alleine für sich nachdenkt, nichts mit anderen sonst zu tun hat. Deshalb möchten wir Jesus an dieser Stelle widersprechen, weil er es wagt, die Vorgänge in unserem Kopf zu reglementieren. Aber bevor wir das tun, müssen wir verstehen, warum Jesus dies sagt. Wir sollten einen Zaun immer erst dann niederreißen, wenn wir wissen, warum er überhaupt einmal dort aufgebaut wurde.5 Jesus zeigt uns hier auf, dass unsere Sexualität weitaus kostbarer ist, als uns vielleicht bewusst ist, und dass seine Lehre sie im Grunde schützt.

Nicht nur Jesus

Die Lehre Jesu spiegelt etwas wider, das wir in der ganzen Bibel wahrnehmen können: Wie wir einander in sexueller Hinsicht behandeln, ist Gott sehr wichtig.

Einer der größten Helden Israels war König David. Er vereinte das Königreich, besiegte viele Feinde und war ein begabter Dichter und Musiker. Aber die Bibel beschönigt ihre Helden nie. Sie zeichnet sie mit all ihren Mängeln und Fehlern. Und im Falle Davids führten seine Fehler zu einem unrühmlichen Vorfall mit einer Frau namens Batseba.

Wir werden in diesem Buch noch ein paarmal auf diese Episode zurückkommen, denn David ist ein Paradebeispiel dafür, was aus solchen Fehlern werden kann, und auch dafür, wie wir selbst im Falle schrecklicher Fehler Heilung und Vergebung bei Gott finden können.

David rief eine seiner Untertanen, Batseba – eine verheiratete Frau