Vertraute Qualen
Frische Wunden
Der 16-jährige Leon kommt von einer Party nicht nach Hause. Ist er weggelaufen? Oder ist ihm etwas zugestoßen? Die Würzburger Oberkommissarin Victoria Stahl ist schockiert – denn der vermisste Junge ist der Freund ihrer Tochter. Als wenige Tage später ein weiterer Schüler aus derselben Schule verschwindet und verstörende Fotos auftauchen, wird den Kommissaren Victoria Stahl und Daniel Freund klar, dass sie es mit einem Triebtäter und Mörder zu tun haben – und er arbeitet offenbar nicht allein ...
Kirsten Nähle unterhielt schon als Kind ihre Familie mit eigenen Geschichten. Später begann sie, diese als Kurzgeschichten aufzuschreiben. »Der Rosenkavalier« hat es auf die Shortlist (Top 5) des lit.Love Schreibwettbewerbs 2018 geschafft. Ob als Journalistin oder PR-Redakteurin, ob in Köln, Basel oder Würzburg ‒ die Autorin hat stets auch beruflich geschrieben. Seit 2011 wohnt Kirsten Nähle in ihrer Wahlheimat Würzburg, die sie zu einer Kriminalroman-Trilogie inspiriert hat.
Vertraute Qualen
Kriminalroman
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat: Eileen Sprenger
Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven von © 3quarks/iStock/Getty Images Plus
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7517-1673-4
www.be-thrilled.de
www.lesejury.de
Nacht von Samstag, 2. Dezember auf Sonntag, 3. Dezember 2017
Der Ärger mit seinem Vater war vorprogrammiert. Leon hatte zu viel getrunken, und die Klamotten stanken fürchterlich. Dabei hatte er nur einmal an Kais Zigarette gezogen. Aber fünf Stunden Passivrauchen reichten aus, um den Geruch eines Penners zu verströmen. So konnte er sich unmöglich zu Hause blicken lassen. Hierbleiben kam aber auch nicht infrage.
Noch ein Wodka Red Bull, und ich kotze.
Dabei schmeckte das Zeug nicht einmal. Aber alle tranken es, selbst die Mädels. Einige vertrugen sogar richtig viel, was sie beim Trinkspiel Flippy Cup unter Beweis stellten.
Die Hälfte der Leute hier hatte er noch nie gesehen. Kai hatte bestimmt in den Netzwerken mit seiner Party geprahlt und auch Unbekannte angezogen.
Ich muss dringend pissen.
Irgendjemand blockierte das Gäste-WC. Bestimmt schon eine Viertelstunde lang.
»Mach mal schneller!« Er pochte gegen die WC-Tür. Seine Zunge fühlte sich schwer an.
»Besetzt!«, lallte eine weibliche Stimme. »Geh ins Bad.«
Hatte er schon versucht. Vergeblich, denn im Badezimmer hatte sich ein Pärchen aus der Parallelklasse eingeschlossen, wahrscheinlich um das zu tun, was Chris und Steffi oben im Schlafzimmer trieben.
Ich muss raus. An die Luft. Alles dreht sich.
Er schnappte sich seine Jacke und drängelte sich an den Tanzenden und Knutschenden vorbei bis zur Haustür. Der Druck auf seiner Blase war kaum auszuhalten. Draußen torkelte er ums Eck in den Garten, öffnete seine Jeans und erleichterte sich auf dem Rasen. Er stützte sich an der Hauswand ab, um den Schwindel in den Griff zu bekommen, und atmete ein paar Mal tief durch.
Bloß nicht übergeben. Rasch zog er sich wieder an. Sein Schniedel fühlte sich an, als entwickelte er gleich Frostbeulen. Die Uhr auf dem Smartphone verriet ihm, dass sein letzter Bus vor zehn Minuten gefahren war.
Shit! Er wohnte am anderen Ende der Stadt. Zu Fuß benötigte er eine Stunde bis nach Hause. In seinem Zustand eher länger. Geld für ein Taxi hatte er nicht dabei.
Er grub die Fäuste in die Jackentasche und schwankte los. Die Hauptstraße entlang. Frankfurter Straße ist das, oder?
Fünfzehn Minuten später fühlten sich die Zehen fast taub an. Die Ohren schmerzten vor Kälte. Warum habe ich keine Mütze eingesteckt? Trotz frischer Luft war ihm immer noch übel, und er befürchtete, sich jeden Moment am Straßenrand zu übergeben.
Wo bin ich hier eigentlich? Leon sah sich um. Er hatte Mühe, sich zu orientieren. Er stand vor einem kleinen Antiquariat, das er wiedererkannte.
Ich glaube, Marie wohnt nur ein paar Straßen weiter. Der Gedanke an sie zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht und erwärmte seine Körpermitte. Seit Anfang September waren sie zusammen. Sein kleiner Bruder zog ihn immer damit auf, dass er super verknallt in Marie sei.
Ob sie noch wach ist? Er zog sein Smartphone aus der Jackentasche hervor, ignorierte den eisigen Wind, der nach seiner Hand haschte, und wählte die erste Nummer unter den Favoriten.
Vielleicht kann ich bei ihr pennen.
Nach dreimal Läuten antwortete die Mailbox.
»Shit!« Warum habe ich mich nur breitschlagen lassen, auf diese Party zu gehen?
Auf der Suche nach Maries Festnetznummer scrollte er durch sein Adressbuch. Die Namen und Ziffern verschwammen vor seinen Augen.
Bin so müde. Soll ich einfach klingeln? Allerdings war er unsicher, ob er in dem Zustand das richtige Haus fand.
Er fuhr zusammen, da neben ihm ein Auto hielt. Er hatte den Motor gar nicht gehört. Das Fenster auf der Beifahrerseite fuhr herunter. »Soll ich dich mitnehmen, mein Junge?«, fragte eine ihm bekannte Stimme. Leon warf einen vorsichtigen Blick ins Wageninnere. Der Mann lächelte. »Ach, du bist es, Leon. Komm schon, steig ein, du holst dir ja den Tod da draußen.«
Was macht denn der Typ hier? »Ist nicht Ihre Richtung, glaub ich.« Doch sehnte er sich nach der Wärme, die die Autoheizung versprach.
»Das macht nichts. Ich möchte, dass du sicher nach Hause kommst.« Der Fahrer beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür.
Was, wenn ich mich in dem Wagen übergebe?
»Du hast doch nicht etwa Angst vor mir, oder?«
Quatsch! Wieso überlegte er überhaupt? Jeder andere in seinem Zustand und bei der Kälte wäre längst eingestiegen.
Er schwang sich auf den Sitz. Sofort erfasste ihn wieder Schwindel. »Danke.« Er nannte seine Adresse.
»Ich danke dir, mein Junge«, antwortete der Fahrer.
Merkwürdige Antwort, dachte Leon noch, bevor ihn die wohlige Wärme im Inneren des Wagens umhüllte und er einnickte.
Der Mittag danach. Sonntag, 3. Dezember 2017
Der Schnee, der über Nacht gefallen war, bedeckte die Grabsteine auf dem Waldfriedhof mit einer sanften Haube. Die Wintersonne fand ihren Weg durch die Laubbäume und blendete einige der Trauergäste am Grab ihrer Mutter. Nicht nur deshalb war sie froh über die Sonnenbrille, die zudem ihre Traurigkeit und die Spuren der kurzen Nächte verbarg.
Die vier Sargträger ließen die schwarze Kiste langsam in die Erde hinab. Victoria drückte Maries Hand. Ihre Tochter stand zwischen ihr und Tom, der beschützend den Arm um sie gelegt hatte. Sein Blick war auf den Sarg gerichtet, und er knabberte an der Unterlippe.
Victoria war froh über Toms Anwesenheit, obwohl sie getrennt lebten und sie wegen seiner dreimonatigen Affäre die Scheidung eingereicht hatte. Auch wenn sie als Oberkommissarin bei der Würzburger Kripo damals viel gearbeitet hatte, war das ihrer Meinung nach keine Entschuldigung, es mit seiner Assistentin zu treiben. Die ganze Woche über hatte Tom bei den Beerdigungsvorbereitungen geholfen und im Gegensatz zu ihr einen klaren Kopf bewahrt. Auf Maries Wunsch hin hatte er auf dem Sofa in ihrer Wohnung übernachtet. Normalerweise hätte Victoria sich dagegen gesträubt. Doch Marie, die im Sommer ein paar Wochen bei ihrem Vater gewohnt hatte und nun wieder bei ihr lebte, litt schon genug unter dem Tod ihrer Oma. Da wollte sie ihr den Gefallen nicht abschlagen.
Nur noch heute Nacht, dann ist er wieder in seinen eigenen vier Wänden.
Der Tod war für ihre Mutter eine Erleichterung gewesen. Sie hatte zuletzt nur noch in der Vergangenheit gelebt und war stark geschwächt gewesen, auch von den Medikamenten, die man ihr im Pflegeheim verabreicht hatte. Nach der Diagnose Alzheimer vor mehr als zweieinhalb Jahren war es langsam, aber stetig mit ihr bergab gegangen. Geistig und körperlich. Nur selten erkannte sie zuletzt ihre zwei Töchter, die Schwiegersöhne oder die Enkelkinder. So war ihr Herzstillstand vor wenigen Tagen zwar nicht überraschend gewesen, aber auf den Tod der Eltern war man trotzdem nie vorbereitet. Auch nicht mit siebenunddreißig Jahren.
Wenigstens ist sie friedlich im Schlaf gestorben.
Ihre Schwester Marta nahm sie, Marie und Tom in den Arm, bevor sie ihrem Mann Tobias und den beiden Söhnen in das Friedhofscafé folgte. Hier warteten ein deftiger Leichenschmaus sowie Kaffee und Kuchen auf die kleine Trauergemeinschaft. Nur der enge Familienkreis und die Freundinnen ihrer Mutter waren eingeladen.
»Marie, kannst du das Handy jetzt bitte wegstecken? Wir möchten essen.« Ihre Tochter hing eindeutig zu viel am Smartphone.
»Es ist total komisch, dass er nicht gekommen ist«, erwiderte die Fünfzehnjährige. »Er hat mir versprochen, dass er zur Trauerfeier da ist.« Marie nahm das Handy vom Ohr und legte auf. »Ich erreiche ihn nicht, und auf meine Nachrichten hat er auch nicht reagiert.«
»Schatz, vielleicht hat er es sich anders überlegt. Beerdigungen sind für viele Menschen nicht so leicht. Er meldet sich bestimmt später.« Sie verschwieg, dass auch ihr das Verhalten des Jungen merkwürdig vorkam. Auf Leon war in der Regel Verlass. Sie kannte ihn zwar erst seit zwei Monaten, aber er schien ihr ein vernünftiger und ehrlicher Kerl zu sein. Sie war erleichtert, dass Maries Wahl nach ihrer ersten Liebe zu einem acht Jahre älteren Mann nun auf einen Jungen an ihrer Schule gefallen war. Leon war fast sechzehn und somit nur ein Jahr älter als ihre Tochter.
»Ich erreiche auch Kai nicht«, maulte Marie.
Victoria brauchte einen Moment, um den Namen zuzuordnen.
Ach ja richtig, Kai. Leons Freund.
»Leon war gestern auf seiner ... hat sich gestern mit ihm getroffen«, setzte Marie zur Erklärung nach. »Vielleicht hat er bei ihm übernachtet.«
»Hast du es bei Leons Eltern versucht?« Tom mischte sich ins Gespräch. »Ich finde es schon komisch, dass er sich nicht meldet. Er ist doch sonst so zuverlässig.«
»Noch nicht. Die sind sonntags um die Uhrzeit sowieso Tennis spielen.« Marie stocherte lustlos in ihrem Gemüse herum. »Was ich nicht verstehe, ist, dass Leon mich heute Nacht um Viertel vor eins angerufen, aber keine Nachricht hinterlassen hat. Hoffentlich ist ihm nichts passiert.«
Victoria legte die Hand auf die ihrer Tochter. »Wir fahren gleich nach dem Kaffee bei Leon vorbei, wenn du möchtest. Okay?«
Marie zog die Schultern hoch. »Okay.« Ihr Handy vibrierte, und sie zog es hervor.
Victoria seufzte. Wie sich die Jugend vom Smartphone kontrollieren ließ.
»Leon hat geschrieben«, rief Marie und zog dann die Stirn in Falten.
»Was ist los?«, fragte Tom.
»Das glaube ich jetzt einfach nicht. Spinnt der?!« Marie sprang auf. In ihren Augen blitzten die ersten Tränen. Sie führte das Handy zum Ohr, verschwand auf die Toilette und ließ eine verdutzte Trauergemeinde am Tisch zurück.
Montag, 4. Dezember 2017
Victorias Anruf kam überraschend. Sie hielten während ihrer Abwesenheit vom Dienst zwar Kontakt, doch eher sporadisch. Zu Beginn ihrer Auszeit war seine ehemalige Partnerin, Victoria Stahl, einmal zum Abendessen bei ihm und Susanne vorbeigekommen. Auch zu einem Glas Wein hatten sie sich schon getroffen. In den beiden letzten Monaten aber war der Kontakt abgeflaut. Das lag nicht nur an Victorias Mutter, um die sie sich viel gekümmert hatte und die vor ein paar Tagen verstorben war. Er musste sich an die eigene Nase fassen. In letzter Zeit hatte er sich sehr auf die Arbeit konzentriert. Wenn er mal ausging, dann mit seiner Verlobten Susanne oder mit Benedikt Strobl, seinem neuen Partner. Daniel verstand sich richtig gut mit ihm, und so trafen sie sich ab und zu auf ein Feierabendbier, ohne Victoria mit einzuladen. Es war eben etwas anderes, so unter Männern. Fast so wie früher mit seinen Kumpels in Köln.
»Hey, Vickie, schön, von dir zu hören. Wie geht es dir?«
»Hi, Daniel. Eigentlich gut, danke. Leider rufe ich dienstlich an.« Wie immer geradeheraus zur Sache. »Ein Realschüler wird seit dem Wochenende vermisst. Euch müsste die Vermisstenanzeige der Eltern schon vorliegen. Leon Gruber.«
»Sorry, ich hatte keinen Dienst. Ich muss mich erst erkundigen.«
»Kein Problem. Ich wollte dich um etwas bitten.« Victoria zögerte. »Könntest du Haller mitteilen, dass ich früher als geplant in den Dienst zurückkomme? Genauer gesagt heute.«
Er stutzte. Victoria hatte nach ihrem ersten gemeinsamen Fall um die Auszeit gebeten, um mehr Zeit für Mutter und Tochter zu haben. Erst im Februar stand ihre Rückkehr an. »Warum sagst du es ihm nicht selbst?«
»Du weißt doch, wie nahe wir uns stehen.« Victorias Unterton triefte vor Sarkasmus. »Du als Leiter der Mordkommission hast doch einen Stein bei ihm im Brett.«
Daniel lächelte. Tatsächlich genoss er das Vertrauen des Chefs. Nicht nur bei der Lösung von Mord, sondern auch bei anderen Kriminalfällen. Letzte Woche war seinem Team in Zusammenarbeit mit der Polizei Unterfranken und der Kripo Schweinfurt ein Schlag gegen einen Drogenring gelungen. Sie hatten kiloweise Betäubungsmittel sichergestellt und dreizehn Tatverdächtige festgenommen.
Die Erfolgssträhne war auch auf die wöchentlichen Besuche bei einem Psychologen zurückzuführen. Dieser half ihm, seine Panikattacken weiterhin im Griff zu behalten. Anfangs hatte er sich geweigert, Hilfe in Anspruch zu nehmen, aus Angst, sein Chef oder die Kollegen erführen davon. Doch seine Verlobte hatte ihm Mut zugesprochen. Bislang wussten nur Susanne und Victoria von dem Problem und der Ursache.
»In Ordnung, ich rede mit ihm. Kommst du wegen des Vermisstenfalls zurück?«
»Ja. Leon ist Maries Freund. Ich möchte bei der Suche nach ihm helfen. Marie hat gestern am frühen Nachmittag eine WhatsApp von ihm erhalten, in der er mit ihr Schluss macht und sagt, dass er es zu Hause nicht mehr aushält. Dass er abhaut. Das passt nicht zu ihm.«
»Wann haben die Eltern ihn für vermisst erklärt?«
»Das muss gestern Abend gewesen sein. Wir sind am späten Nachmittag zu ihnen nach Hause gefahren, um ihnen die WhatsApp zu zeigen. Sie sind aus allen Wolken gefallen, da sie dachten, Leon wäre noch mit uns auf der Beerdigung.«
Ach ja, die Beerdigung. »Mein Beileid noch, Vickie. Das war bestimmt nicht leicht für euch.« Gleichzeitig dachte er an den Jungen und daran, dass jedes Jahr mehr als Hunderttausend Kinder und Jugendliche in Deutschland als vermisst gemeldet wurden. Die meisten waren Ausreißer, die Gott sei Dank nach wenigen Stunden wieder wohlbehalten auftauchten. »Ich schaue gleich mal im System nach, was wir zu Leon erfasst haben, und spreche mit den Kollegen und dem Chef.«
»Gut. Noch was: Leons Handy ist ausgeschaltet. Eine Ortung wird uns also nicht weiterhelfen. Aber vielleicht können wir mithilfe der Providerdaten seinen letzten Standort ermitteln.«
Hierzu brauchten sie eine richterliche Genehmigung, was aber aufgrund einer möglichen Gefährdung des Jungen unproblematisch sein dürfte. »Möglicherweise ist er doch nur ausgerissen und möchte mit niemandem sprechen.«
»Ich kenne den Jungen, Daniel. Selbst wenn er Ärger mit seinen Eltern gehabt haben sollte, würde er Marie sowas nicht antun. Bestimmt ist ihm was passiert.«
Er war nervös wegen der anstehenden Matheprüfung. Schrieb er eine Eins, würde ihn das seinem Ziel, nach dem Realschulabschluss aufs Gymnasium zu wechseln, ein ganzes Stück näher bringen. Seine anderen Noten waren alle gut oder sehr gut. Nur Mathe lag ihm nicht so, aber auf das Fach kam es jetzt an. Er hatte unheimlich viel dafür gelernt. Mehr als sonst. Auf jeden Fall mehr als seine Mitschüler, von denen die meisten auf dieser blöden Party gewesen waren. Anschließend bestimmt im Saufkoma.
Kai hatte ihn natürlich nicht eingeladen. Sie luden ihn nie zu sowas ein. Für sie bin ich einfach nicht cool genug. Und selbst wenn, seine Eltern erlaubten ihm sowieso nicht, auf Partys zu gehen. »Da wird nur gesoffen, geraucht und Unzucht getrieben«, behauptete sein Vater immer.
Es half auch nicht, wenn er seinen Eltern versprach, nichts zu trinken und nur ein bisschen mit den Mitschülern zu quatschen. »Ein paar von denen sind echt nett. Ich möchte mit ihnen befreundet sein.«
»Du hast Freunde hier. Anständige und fleißige. Keine verkommenen Typen wie diese Städter.«
Mit Freunden meinte sein Vater Jan, der wie er Messdiener in ihrer Heimatgemeinde Waldbrunn, westlich von Würzburg, war. Jan war ganz in Ordnung, aber er besuchte eine andere Realschule. Außerdem war er ein wenig spießig. Und ziemlich gläubig. Deshalb mag mein Vater ihn auch so gern.
Samuel war nur in der katholischen Kirchengemeinde, weil die Eltern es von ihm erwarteten. Das Singen im Chor gab ihm nichts. Lieber würde ich Basketball spielen wie ein paar Jungs aus meiner Klasse. Mal zu einer Party gehen oder einfach nur mit Leuten abhängen. Mit Klassenkameraden über Mädchen reden. Und über Sex. Bei Jan traute er sich nicht, diese Themen anzusprechen. Der wurde bestimmt schon rot, wenn er eine Frau im Bikini sah. Ihre einzige Gemeinsamkeit war, dass sie beide Jungfrau waren. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass Jan schon Sex hatte.
Samuel hätte schon gern eine Freundin. Schließlich war er sechzehn. Da sammelten die meisten nun mal Erfahrungen mit Mädchen. Knutschen, Petting, manche sogar das volle Programm. Wenigstens behaupteten sie das, wenn sie nach dem Sportunterricht in der Umkleide mit ihren Eroberungen prahlten. Letztens hatte einer erzählt, ein Mädel hätte ihm einen geblasen. Samuel konnte da nicht mitreden, begnügte sich mit Pornos aus dem Internet. Heimlich, versteht sich. Hoffentlich checkt Mama nie meinen Rechner.
Nicht im Traum fiele es seinen Eltern ein, dass ihr Sohn sich für Mädchen und Sex interessierte. Für sie gab es nur den Hof, die Tiere und den Glauben.
Ob es Gott überhaupt gibt? Falls ja, dann hatte er seine schützende Hand bislang nur über andere gehalten.
»Hey, du Schwuchtel, bleib stehen.«
Er fuhr zusammen. Diese Stimme!
Schon wieder hatte er ihm aufgelauert. Dabei hatte Samuel ihn gar nicht an der Bushaltestelle gesehen und gehofft, er mache heute blau, um sich vor den Klausuren zu drücken.
Samuel drehte sich um. Sie waren zu dritt. Wie meistens. Mittlerweile hatte er Spitznamen für sie. Die er natürlich für sich behielt. Den Anführer nannte er Big Boss, weil er die beiden anderen stets rumkommandierte. Dann war da noch Gorilla, der regelmäßig in der Muckibude pumpte. Der Dritte im Bunde hieß wegen seiner dünnen O-Beine für ihn nur Storch.
Samuel schluckte. Er merkte, wie ihm die Knie zitterten. Trotzdem rannte er los. Mit wackligen Beinen. Nach ein paar Metern riss ihn einer an der Kapuzenjacke nach hinten. Samuel stolperte rückwärts und schrie auf. Big Boss, Gorilla und Storch lachten. Dann schubsten sie ihn runter vom Hauptweg, hinter ein paar Bäume und Büsche des Ringparks, der an das Schulgelände grenzte. Sich zu wehren brachte nichts, obwohl er größer als sie war. Gegen drei auf einmal hatte er keine Chance. Außerdem meinten seine Eltern immer, sich zu schlagen sei primitiv und unchristlich. Man solle stets den Dialog suchen. Die haben ja keine Ahnung, wie das ist.
»Kohle her. Los, mach schon.« Big Boss gab wie immer den Ton an. Gorilla und Storch schirmten ihn und Samuel ab. Sie beobachteten den Weg, falls jemand vorbeikam. Die meisten Schüler schauten aber ohnehin weg, da sie entweder Schiss vor den dreien hatten oder zu ihnen aufsahen.
Samuel kramte das Portemonnaie aus dem Rucksack und überreichte es dem Big Boss.
»Da ist ja kaum was drinnen.« Der Anführer zog den einzigen Schein heraus, warf den Geldbeutel in den Schnee und spuckte Samuel ins Gesicht. »Kein Wunder, dass du so mager bist! Wirst wohl kurzgehalten zu Hause. Bei euch kriegen nur die Schweine was zu fressen, was?!«
Kühe. Wir sind Milchbauern, keine Schweinewirte. Sie waren so dumm.
Gorilla und Storch lachten dreckig. Ihre Lache verfolgte ihn seit über einem Jahr noch nachts im Schlaf.
Samuel wischte sich die Spucke von Wange und Nase. Er ekelte sich und war froh, dass er Handschuhe trug. »Ich kann euch morgen mehr bringen.« Hauptsache, sie ließen ihn in Ruhe.
»Auf jeden Fall! Und damit du dich auch ja daran erinnerst, machen wir ein kleines Video.«
»Nein, bitte nicht«, flehte er. Die drei drohten immer damit, die Aufnahmen in der Schule herumzuzeigen oder ins Internet hochzuladen, falls er das Geld nicht pünktlich lieferte. Ihnen fielen immer neue Gemeinheiten ein, die sie filmen konnten.
»Ich bringe euch das Geld. Versprochen.« Die Angst fraß sich wie eine Bohrmaschine in seine Magengrube.
»Knie dich hin.« Big Boss trat ihm zwischen die Beine.
Ein scharfer Schmerz schoss durch Samuels Unterleib. Er jaulte und sackte zusammen. Säure kroch seine Speiseröhre hinauf. Er rollte sich in die Embryonalstellung, hielt die Hände schützend vor die Weichteile und kniff die Augen zusammen, um die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten.
»Du scheiß Schwuchtel!«
Samuel öffnete vorsichtig die Lider. Sie hatten einen Kreis um ihn herum gebildet. Voller Verachtung sahen sie auf ihn hinab. Warum? Was hatte er ihnen getan, dass sie ihn so sehr hassten?
Big Boss zog sich die Hosen herunter und wies seine Begleiter an, es ihm gleichzutun. Samuel schloss die Augen und versuchte, den Atem anzuhalten.
»Du stehst doch auf Pimmel, oder? Oder besorgst du es lieber den Schweinen auf eurem Hof?« Wieder diese verdammte, dreckige Lache von Gorilla und Storch.
Wie gern hätte er ihnen allen in die Eier getreten. Damit sie spürten, wie er sich fühlte. Der Schmerz im Unterleib machte ihn halb wahnsinnig. Er schloss die Augen.
Plötzlich spritzte es auf sein Gesicht und seine Haare. Samuel presste die Lippen zusammen, damit nichts von dem Urin im Mund landete. Beim ersten Mal hatten sie ihn nämlich überrascht und er hatte tagelang geglaubt, den Geschmack von Pisse auf der Zunge zu spüren. Einer von ihnen nahm das Ganze hier wahrscheinlich mit dem Smartphone auf.
Der Strahl stoppte.
»Nächstes Mal kack ich dir in dein hässliches Gesicht!«, zischte Big Boss. Samuel vernahm das Ratschen von Reißverschlüssen. »Kommt, wir gehen. Vergiss die Kohle morgen nicht, Schwuchtel!«
Langsam öffnete Samuel die Augen und sah seinen Peinigern hinterher. Du bist die Schwuchtel.
Er kniete sich hin und griff nach dem Geldbeutel, der neben ihm im Schnee lag. Das Kunstleder stank nach Urin.
Die Realschule lag zentral in der Nähe der Würzburger Residenz. Benedikt Strobl bugsierte den Dienstwagen in eine Parklücke zwischen die Lehrerkarossen. Daniel hatte die Rektorin am frühen Morgen angerufen und um ein Gespräch gebeten.
»Mit Leons Eltern und ein paar Nachbarn habe ich gestern Abend noch gesprochen«, erstattete sein Partner Bericht. »Auch mit seinem Freund und Klassenkameraden Kai Schimmer. Er hat so ausgesehen, als wäre er gerade erst aufgestanden. Und das Haus erst ... Da ist eine Party ziemlich aus dem Ruder gelaufen, würde ich vermuten. Aber er hat noch etwas Zeit aufzuräumen. Die Eltern des Jungen sind in der Karibik und kommen erst morgen zurück.«
»Konnte er dir sagen, wie lange Leon auf der Party war?«
Benedikt verneinte. »Er war zu betrunken. So wie wohl die meisten seiner Gäste. Ich sage dir, mir bereitet jetzt schon Bauchschmerzen, dass Luise einmal in die Pubertät kommt und unser Haus auf den Kopf stellt.«
Daniel lachte. Er war Benedikts achtjähriger Tochter nie begegnet, doch sein Partner unterhielt ihn regelmäßig mit witzigen Geschichten und Fotos. Ein wenig beneidete Daniel ihn um sein Familienleben. Er selbst hatte noch keine Kinder, obwohl er schon dreißig war. Seine Verlobte bekam er momentan auch nur selten zu Gesicht.
Sie liefen den leeren Schulflur entlang. Die Schüler saßen bereits im Unterricht. Das Gemurmel hinter den geschlossenen bunten Türen, die metallenen Garderoben und der quietschende Gummiboden unter den Sohlen erinnerten Daniel an die eigene Schulzeit. In der Grundschule war es anfangs schwierig gewesen. Als einziges dunkelhäutiges Kind in seiner Klasse war er zwar nie angefeindet, aber von den anderen Schülern – und auch von ein paar Lehrern – neugierig beäugt worden. Spätestens im Gymnasium hatte er sich dann Respekt verschafft. Dabei hatte nicht nur das Kickboxen geholfen, sondern auch, dass er seine Klassenkameraden die Hausaufgaben hatte abschreiben lassen.
»Das Büro der Rektorin ist im ersten Stock.« Benedikt stieg die Treppen am Ende des Flurs hinauf und grinste. »Ich war auch mal hier an der Schule. Die Kids können von Glück reden, dass Rektor Schmidt nicht mehr da ist. Vor dem Alten hatten wir alle Schiss. Wer einmal zu spät kam, den hatte er jahrelang auf dem Kieker.«
Daniel klopfte an die Tür, die umgehend von einer schlanken Dame in dunkelblauem Strickkleid geöffnet wurde. »Kriminaloberkommissar Daniel Freund. Das ist mein Kollege Oberkommissar Benedikt Strobl.« Sie zeigten ihre Ausweise.
»Helena Sutter.« Die Rektorin bat sie, auf zwei Holzstühlen Platz zu nehmen, die garantiert auch in jedem der Klassenzimmer standen. »Gibt es etwas Neues zu Leon Gruber?«
»Leider nicht«, sagte Daniel. »Wir würden daher gern mit Leons Lehrern und seiner Klasse sprechen. Vielleicht weiß irgendjemand etwas, das uns hilft, ihn zu finden.«
Die Rektorin nickte. »Ich verstehe. Allerdings stehen für die zehnten Klassen heute wichtige Klausuren an. Die können wir nicht verschieben. Dass Leon verschwunden ist, wird die Schüler sicherlich aufwühlen.«
»Wir müssen trotzdem mit ihnen sprechen«, drängte Benedikt. »Die ersten Stunden und Tage nach dem Verschwinden einer Person sind entscheidend.«
Frau Sutter strich sich eine dunkle Strähne hinters Ohr und nickte. »Ich verstehe. Dann muss es wohl sein.« Sie seufzte. »Das Ganze ist schrecklich. Die Eltern tun mir leid. Ich hoffe, Leon ist nur fortgelaufen und es ist ihm nichts passiert.«
»Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass Leon von zu Hause weg wollte? Ärger mit den Eltern oder mit Mitschülern?« Daniel wäre am liebsten aufgestanden. Der Stuhl war zu klein für ihn und daher unbequem.
»Leon? Nein. Soweit ich weiß, ist er sehr beliebt und hat viele Freunde. Seine Noten sind auch gut. Den Abschluss wird er schaffen. Was sein Elternhaus angeht ... dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen. Vielleicht weiß unser Vertrauenslehrer da mehr.«
»Dann möchten wir gern auch mit ihm sprechen.«
»Er hat heute erst ab Mittag Unterricht, aber ich gebe Ihnen später gern Namen und Adresse.« Helena Sutter kam hinter ihrem Schreibtisch hervor. »Ich führe Sie dann zu Leons Klasse.«
Die Schüler der 10b beschäftigten sich mit der Literatur des 20. Jahrhunderts. Daniel las die Namen Robert Musil und Thomas Mann auf der Tafel. Neben dem Lehrerpult stand ein Junge, den sie offenbar mitten im Referat unterbrachen.
Die Rektorin entschuldigte sich und wechselte flüsternd ein paar Worte mit dem Klassenlehrer, der daraufhin den Referierenden bat, sich erst einmal wieder zu setzen. Er selbst blieb vor dem Pult stehen. Er wirkte nachdenklich.
»Bitte entschuldigt die Unterbrechung.« Frau Sutter wandte sich an die Klasse. »Aber es ist äußerst wichtig. Die beiden Herren sind von der Kriminalpolizei. Euer Mitschüler Leon Gruber wird seit Samstagnacht vermisst. Wenn jemand von euch weiß, wo er sich aufhält, bitte ich euch, das der Polizei mitzuteilen.« Sie wartete einen Moment auf Reaktionen, und als keine folgten, sah sie zu Daniel und Benedikt rüber, unentschlossen, ob und was sie noch sagen sollte. Einige der rund zwanzig Schüler im Raum wisperten Unverständliches oder rutschten auf ihren Stühlen herum. Andere starrten ihn und Benedikt schockiert an.
»Danke.« Daniel stellte sich und seinen Partner kurz namentlich vor. »Wir können leider nicht ausschließen, dass Leon in Schwierigkeiten steckt oder ihm etwas passiert ist. Daher ist jeder Hinweis von euch wichtig, selbst wenn er euch unbedeutend erscheint.« Er legte eine Visitenkarte auf das Lehrerpult. »Ich lasse meine Kontaktdaten bei eurem Klassenlehrer und bei Frau Sutter. Ihr könnt jederzeit anrufen.« Daniel schritt zur Tafel, schnappte sich ein Stück Kreide und schrieb eine Telefonnummer an die Tafel. »Oder ihr meldet euch bei unserer anonymen Hotline.«
Die meisten Schüler hatten den Kopf gesenkt und mieden es, ihn anzusehen.
»Irgendjemand weiß doch bestimmt etwas.« Der Klassenlehrer schaltete sich ein. »Kai, ihr seid doch befreundet. Hast du was von ihm gehört?«
Der Dunkelhaarige in der zweiten Reihe, auf den sich alle Blicke richteten, zuckte zusammen. »Nein! Das habe ich der Polizei gestern Abend schon gesagt. Und auch, dass sie lieber mit Marie sprechen sollen. Mit der hängt er die ganze Zeit rum.«
Victorias Tochter war in der neunten Klasse, erinnerte Daniel sich. Daher war sie nicht im Raum.
»Das machen wir«, sagte Daniel. »Ich danke euch fürs Zuhören.« Er wandte sich an den Klassenlehrer. »Könnten wir nach der Stunde mit Ihnen sprechen?«
»Selbstverständlich. Wir wollen schließlich alle, dass Sie Leon finden.«
Daniel und Benedikt verabschiedeten sich und folgten der Rektorin aus dem Raum.
»Sie können gern im Lehrerzimmer auf Herrn Eck warten«, bot sie ihnen an, nachdem Daniel die Tür geschlossen hatte.
»Gern. Wann stehen denn die Klausuren an?«
»Jetzt gleich im Anschluss, nach der Pause. Mathe und Chemie.«
Die 10b ist nicht zu beneiden, dachte Daniel. Trotzdem hoffte er für Leon, dass er die Prüfungen nachschreiben konnte. Aber vielleicht ist Schule für den Jungen im Moment das geringste Problem.
Dass sie Leon suchten, sprach sich in der Pause wie ein Lauffeuer auf dem Schulhof rum. Sie spürte die neugierigen Blicke, doch keiner redete mit ihr. Nicht einmal ihre Freundinnen. Wahrscheinlich wussten sie nicht, was sie sagen sollten. Melli, ihre beste Freundin, war krankgeschrieben. Sie klagte über Bauchschmerzen, vermutlich ein »Symptom« des heute anstehenden Englischtests.
Leon ist auf keinen Fall weggelaufen. Sein Vater war streng, ja, vor allem, was die Schulnoten betraf. Aber ihr Freund brachte meistens gute Noten nach Hause und hätte auch die heutigen Prüfungen locker geschafft.
Außerdem hatten sie beschlossen, nach der Klausurphase zum ersten Mal miteinander zu schlafen. Am Samstag, zu Leons sechzehntem Geburtstag. Beide waren sie noch Jungfrau, und daher entsprechend aufgeregt. Im positiven Sinne.
Niemals hat Leon mit mir Schluss gemacht.
Ihr Magen verkrampfte sich. Ihrem Freund war etwas passiert. Oder jemand hatte ihm was angetan. Viele beneideten ihn um sein Aussehen, seine Freunde und – so ehrlich musste sie sein – auch um sie.
Sie entdeckte Kai auf einer der Bänke auf dem Schulhof. Er saß auf der Lehne, mit den Schuhen auf der Sitzfläche und einer Zigarette in der Hand, was die Pausenaufsicht gar nicht gern sah. Herr Eck war heute an der Reihe, aber sie sah ihn nirgends.
»Kriege ich auch eine?« Sie nahm neben ihm Platz. Kai streckte ihr das Zigarettenpäckchen entgegen, und sie zog eine heraus. Ihrer Mutter hatte sie erzählt, dass sie nicht mehr rauchte, aber die musste ja nicht alles wissen. Sie paffte nur. Gelegentlich. Leon verabscheute nämlich Zigaretten. Für ihn würde sie das Rauchen schon noch aufgeben. »Was lief da am Samstag auf deiner Party?«
Kai verdrehte die Augen. »Du jetzt auch noch? Was soll schon gelaufen sein? Es war ne Party, Mann. Hast echt was verpasst.«
»Normalerweise verschwindet aber keiner einfach so nach einer Party.« Marie blies ihm den Rauch ins Gesicht. Sie hatte nie kapiert, warum Leon mit Kai abhing. Wobei das in letzter Zeit stark nachgelassen hatte. Möglicherweise war sie nicht ganz unschuldig daran. Sie hatte Leon gegenüber ein paar Mal fallen lassen, dass Kai ihrer Meinung nach ein Angeber war. Große Klappe, nichts dahinter.
Seine Partys allerdings waren legendär. Wer dazugehören wollte, durfte dort nicht fehlen. Mit Leon war sie mal auf einer gewesen, vor ein paar Wochen, und da hatte sie sich zum ersten Mal abgeschossen. Seitdem schwor sie sich, keinen Tropfen Alkohol mehr anzurühren. Die Beerdigung ihrer Oma war ihr daher als Ausrede, Leon diesmal nicht zu begleiten, recht gekommen.
»Du weißt besser als ich, dass er Stress mit seinem Alten hatte.« Kai wippte mit dem rechten Bein und betrachtete seine schwarzen Chucks.
»Nicht mehr als sonst auch. Deswegen haut er nicht ab.«
Kai zuckte mit den Schultern. »Er hat genauso gebechert wie alle. Vielleicht hatte er Schiss, nach Hause zu gehen.« Der Schulgong verkündete das Ende der Pause. »Muss los.« Kai drückte die Zigarette aus und schnippte den Stummel auf den Boden. »Hab ne scheiß Matheklausur.« Er erhob sich und lief Richtung Schulgebäude. Nach ein paar Schritten drehte er sich noch mal zu ihr um. »Leon taucht schon wieder auf, okay?«
Sie schluckte die aufkommenden Tränen hinunter. Dafür, dass Kai schon so lange mit Leon befreundet war, schien er wenig besorgt zu sein. War sie die Einzige, die glaubte, dass Leon etwas passiert war? Dass man nach ihm suchen musste? Wenigstens glaubten ihre Eltern ihr. Ihre Mutter war wegen Leon sogar früher in den Dienst zurückgekehrt. Hoffentlich unternimmt die Kripo schnell was. Sonst werde ich selbst etwas tun. Nur was? Wo sollte sie ansetzen?
Das einzig Positive an Leons Verschwinden, wenn man das überhaupt so sagen konnte, war, dass ihr Vater nun noch ein paar Tage länger als geplant bei ihnen übernachten würde. So war es nur eine Frage der Zeit, bis ihre Eltern wieder zusammenkamen. Denn dass sie sich noch liebten, stand außer Frage.
Sie hatte wenig Lust auf Unterricht. Zeitverschwendung. Ich muss helfen, meinen Freund zu finden. Wie sollte sie sich auch auf den Unterricht konzentrieren?
»Hey, Marie.« Ein Junge hielt ihr die Tür auf, und sie betrat den Schulflur. »Die Kripo war vorhin bei uns im Unterricht. Echt krass, das mit Leon. Tut mir voll leid.«
Erst jetzt erinnerte sie sich an den Namen des Jungen. Samuel. Er ging in Leons Klasse, war aber keiner seiner Freunde.
Sie zwang sich zu einem Lächeln, was ihr nicht so richtig gelingen wollte. »Nett, dass du das sagst.«
Samuel war ein komischer Kauz. Ein langer Lulatsch. Die Jeans schlackerte um die dünnen Beinchen, und man hatte immer Angst, dass er jeden Moment stolperte.
»Ich sehe ihn nie auf Partys oder mit Leuten abhängen«, hatte Leon ihr einmal erzählt. »Ich glaube, er lernt nur. Außerdem ist er superreligiös. Er singt in der Kirche oder so.«
»Wenn du reden magst, ich bin für dich da.« Samuel fuhr sich durch die braunen Locken, die nass waren und trotzdem nicht frisch gewaschen wirkten. Außerdem roch er komisch.
Unwillkürlich rümpfte sie die Nase. Warum sollte sie mit ihm darüber reden? Sie kannte ihn kaum. Oder wusste er etwas? »Warst du am Samstag auf Kais Party?«
Er senkte den Kopf, der rot anlief. »Nee. Hab für die Prüfungen gelernt.«
Abends auch noch? Kein Wunder, dass du als Streber giltst.
»Ist Leon abgehauen?«
»Sicher nicht.«
Samuel zögerte. »Ich denke, Leon war vielleicht doch ganz in Ordnung.«
Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Was soll das denn heißen?
Marie murmelte ein »Bis dann« und verschwand im Klassenzimmer. Spooky, der Typ, dachte sie. Warum hatte er von Leon in der Vergangenheitsform gesprochen?
Ohne den dichten, gepflegten Bart hätte der Klassenlehrer selbst als Schüler durchgehen können. Oliver Eck war um die dreißig. Mit den dunkelblauen Augen und blonden Haaren erinnerte er Daniel an einen Hollywood-Schauspieler, dessen Name ihm gerade nicht einfiel. Jeder Schritt des Lehrers wirkte einstudiert, als sei er es gewohnt, dass die Blicke an ihm hafteten.
»Setzen wir uns dort hinten ans Fenster, dort sind wir ungestört.« Herr Eck deutete auf eine Sitzecke im hinteren Teil des Lehrerzimmers, etwas abseits von dem Konferenztisch, der jetzt in der Pause bis auf den letzten Platz belegt war. Dann schenkte er sich sowie den beiden Kommissaren jeweils eine Tasse Kaffee ein. »Wie kann ich Ihnen helfen, Leon zu finden?«
Die Rektorin hatte ihnen berichtet, dass Oliver Eck Deutsch und Englisch unterrichtete. Wenn sie Glück hatten, erzählte er ihnen etwas, das sie bei der Bestimmung von Leons Aufenthaltsort weiterbrachte. Wobei das selten der Fall war. Wahrscheinlicher war, dass der Junge selbst zurück nach Hause kam oder die Vermisstensuche im Netz die Polizei auf seine Spur führte. Hauptsache, ich kann den Fall schnell aufklären und den Eltern mitteilen, dass ihr Sohn wohlauf ist.
»Ist Ihnen in letzter Zeit etwas an Leon aufgefallen?«, fragte Daniel. Benedikt setzte sich in einen der dunklen Ledersessel. Daniel blieb am Fenster stehen und sah auf den Schulhof hinunter, auf den immer mehr Schüler strömten. »Hat er sich anders verhalten als sonst? Gab es Streit mit Mitschülern?«
Der Klassenlehrer seufzte und strich sich durch den Bart. »Tut mir leid, mir ist nichts aufgefallen. Er war eigentlich wie immer. Aufmerksam im Unterricht, fleißig, nett zu den anderen Schülern.« Er lächelte gönnerhaft. »Ich glaube, seit ein paar Monaten hat er auch eine Freundin, und selbst das hatte keine negativen Auswirkungen auf seine Noten.«
»Er ist mit Kai befreundet«, fuhr Daniel fort. »Wissen Sie, mit wem Leon sonst Zeit verbrachte?«
Herr Eck zog die Augenbrauen hoch. »Da können Ihnen die Eltern sicher mehr zu sagen. Oder seine Freundin.«
Daniel nickte. Leons Mutter hatte den Kollegen nur Kai und Marie genannt. Sein Vater schien sich nicht sonderlich für die Freunde seines Sohnes zu interessieren. Laut Benedikt hatte er allerdings bei der Vermisstenanzeige keinen Hehl daraus gemacht, was er von Kai hielt. Von schlechtem Einfluss auf den Sohn war die Rede gewesen, von Rauchen und Saufen. Leons Mutter hatte angegeben, dass beide Jungen seit dem Kindergarten befreundet waren, sich Kai in den letzten Jahren jedoch stark verändert habe. Ihr Leon hingegen sei derselbe anständige Junge geblieben.
Der Klassenlehrer räusperte sich. »Vielleicht sollten Sie sich auch einmal mit Martin Wolf unterhalten.«
»Ist das einer der Lehrer?«
»Ja. Er unterrichtet Sport und Bio. Außerdem ist er der Vertrauenslehrer.«
»Frau Sutter hat uns bereits empfohlen, mit ihm zu sprechen«, räumte Benedikt ein. »Vielleicht hat Leon ihm etwas anvertraut, das uns weiterhilft.«
»Bestimmt«, pflichtete Herr Eck ihm bei. »Leon war sehr oft in seinem Büro. Und dann immer sehr lange. Das war schon recht auffällig.«
Verdattert begrüßte Victoria die blonde Frau, die in ihrem Büro saß. »Oh, hallo. Victoria Stahl. Ich suche Daniel Freund. Sitzt er nicht mehr hier?«
»Kathrin Schuster, Anwärterin im ersten Lehrjahr.« Die junge Frau erhob sich vom Stuhl und gab ihr die Hand. »Hab schon viel von Ihnen gehört. Daniel sitzt bei Benedikt im Büro.« Sie errötete leicht.
Bei Benedikt. Seinem Partner. Natürlich. »Du kannst mich duzen.« Victoria warf einen Blick auf ihren Schreibtisch und stellte erleichtert fest, dass er im gleichen Zustand war, wie sie ihn verlassen hatte. Kathrin hatte sich auf Daniels Platz breitgemacht. Auf seinem ehemaligen Platz. »Ich werde dann mal rüber zu den Kollegen ...« Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter.
Hoffentlich hat Daniel schon mit dem Chef über mich gesprochen.
»Daniel und Benedikt sind zur Balthasar-Neumann-Realschule gefahren.«
»Ich nehme an, wegen Leon Gruber?«
Jetzt war es die Kollegin, die überrascht war. »Genau. Daniel leitet die Soko in dem Vermisstenfall. Woher wissen Sie, äh, weißt du davon? Du bist doch derzeit gar nicht im Dienst.«
»Doch. Ab heute wieder. Ich hoffe, ich kann euch bei der Suche nach Leon unterstützen.«
»Das wird Daniel freuen.« Die Anwärterin presste die Lippen aufeinander. Komisch. Kommen Daniel und sie nicht miteinander klar?
»Das hoffe ich doch sehr.« Victoria dachte kurz nach. »Bist du Teil der Soko?«
Kathrin nickte.
»Was hat man bisher veranlasst?«
Kathrin schielte vorsichtig zur Tür hinaus in den Flur. Vermutlich war sie unentschlossen, wie viel sie einer Außenstehenden zu dem Fall verraten durfte.
Streng genommen nichts, dachte Victoria. Ich gehöre zwar zu euch, bin aber offiziell noch nicht wieder im Dienst. Sie mahnte sich zu Geduld, denn sie wollte nicht bei der ersten Begegnung gleich einen negativen Eindruck hinterlassen. Ihr Ruf, sich nicht immer an die Regeln zu halten, eilte ihr vermutlich ohnehin schon voraus. »Alles gut, keine Sorge. Ich rede mal mit dem Chef. Ich gehe davon aus, Daniel hatte noch keine Zeit, Haller von meinen Rückkehrplänen zu erzählen?«
Kathrin zuckte mit den Schultern.
»Frau Oberkommissarin Stahl? Was machen Sie denn hier?«
Erschrocken drehte Victoria sich um. Rolf Haller, Erster Kriminalhauptkommissar und Abteilungschef, stand in der Tür.
Das beantwortet meine Frage, ob er Bescheid weiß.
Sie bemühte sich um ein Lächeln. »Herr Haller. Zu Ihnen wollte ich gerade. Hätten Sie einen Moment Zeit für mich?«
Ihr Chef runzelte die Stirn, nickte aber. »Gleich. In meinem Büro. Frau Schuster, gibt es etwas Neues im Fall Leon Gruber?«
»Die Diensthundeführer sind seit dem frühen Morgen im Einsatz. Bisher leider ohne Erfolg.« Das war die übliche Vorgehensweise. Die Kollegen suchten Leon mithilfe von Personenspürhunden, beginnend mit dem zuletzt bekannten Aufenthaltsort. Hierfür nutzten sie Kleidungsstücke des Jungen.
»Ist die Mitteilung an die Medien raus?«
»Ja. Habe ich soeben veranlasst. Auch ist unser Aufruf in den sozialen Netzwerken schon live. Hoffen wir mal, Leons Foto wird fleißig geteilt.«
Haller schien zufrieden. »In Ordnung. Ich bin sicher, wir finden Leon Gruber. Wenn er nicht sowieso von alleine nach Hause kommt, wovon ich eher ausgehe.«
»Leon ist kein Ausreißer«, mischte sich Victoria ein. »Ich denke, ihm ist etwas zugestoßen.«
Haller grummelte. »Und warum sind Sie da so sicher?« Er mochte es nicht, wenn man ihm widersprach.
Sie zögerte. Auf keinen Fall erwähnen, wie nahe ich Leon stehe. Denn dann würde Haller sie vielleicht nicht in dem Fall ermitteln lassen.
»Ich kenne die Eltern. Leon geht auf dieselbe Schule wie meine Tochter.«
»Die Eltern bestreiten immer, dass ihre Kinder weggelaufen sind«, behauptete ihr Chef. »Wer gibt schon gern zu, dass es zu Hause Probleme gibt?«
Die Anwärterin sah scheinbar unbeteiligt zu Boden. Doch es war nicht zu übersehen, dass sie die Diskussion mit regem Interesse verfolgte.
Victoria nahm einen tiefen Atemzug. »Ich wäre gern Teil der Soko und möchte daher zurück in den Dienst.«
Haller blieb der Mund offen stehen. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.
»Bitte. Lassen Sie mich helfen, Leon zu finden.«
»Sind Sie überhaupt schon wieder dienstfähig? Der letzte Fall hat Ihnen ja ganz schön zugesetzt.«
Victoria schluckte. »Ich bin absolut bereit für den Dienst. Das hat der Arzt heute früh bestätigt. Die vier Monate Pause haben mir gutgetan.« In Wahrheit hatte sie in der letzten Nacht kaum geschlafen, nachdem Marie sie gebeten hatte, Leon zu finden. Klar, der Dienst fehlte ihr, der Nervenkitzel der Ermittlungen. Trotzdem klopfte ihr Herz auch jetzt nicht vor Aufgeregtheit, sondern vor Nervosität. Wie vor ihrem allerersten Einsatz. Vermutlich, weil sie in der Vergangenheit ihre Grenzen kennengelernt hatte und fürchtete, der Job könnte sie erneut derart mitnehmen. Hinzu kam ihre Sorge um Leon. Sie befürchtete das Schlimmste. Falls Leon nicht mehr lebte, welche Auswirkungen hatte das auf Marie?
Während der Auszeit waren sie sich wieder nähergekommen. Zwei weitere Monate Mutter-Tochter-Zeit hätten bestimmt geholfen, das gewachsene Vertrauen zwischen ihnen zu festigen.
»Von mir aus. Sprechen Sie aber noch mit der Personalabteilung, damit die Bescheid weiß.«
Victoria nickte erleichtert.
»Eines ist Ihnen hoffentlich klar.« Haller zwang sie, ihm fest in die Augen zu sehen. »Oberkommissar Freund leitet die Soko, nicht Sie. Außerdem bleiben Strobl und er vorerst Partner. Sie arbeiten mit Frau Schuster zusammen.«
Die junge Blondine sah sie an. Wieder oder immer noch leicht errötet.
Victoria hatte nie Verantwortung für jemanden in der Ausbildung übernommen, obwohl sie vor einem Jahr die Fortbildung zur Tutorin absolviert hatte. Sie rang sich zu einem Lächeln durch. »Klar. Kein Problem«, presste sie hervor. Sie war überrascht, wie wenig es sie störte, dass Daniel die Soko leitete. Allerdings merkte sie, wie eifersüchtig sie auf einmal auf seinen neuen Partner war.
Der Leiter der Personalabteilung freute sich über ihre frühzeitige Rückkehr in den Dienst. »Schön, dass Sie wieder fit sind. Die körperliche und geistige Gesundheit unserer Mitarbeiter ist uns enorm wichtig. Wie Sie wissen, können Sie auch regelmäßig für ein paar Monate aussetzen. Einige Kollegen haben positive Erfahrungen mit einem Sabbatical ...«
Victoria stimmte seinem Monolog hin und wieder zu, um den Anschein zu wahren, dass sie ihm zuhörte. Dabei saß sie auf heißen Kohlen. Sie musste Leon finden.
»Natürlich können Sie bei Bedarf jederzeit Hilfe von einem unserer Psychotherapeuten in Anspruch nehmen«, schloss der Personalleiter seine Ausführungen.
Victoria bedankte sich. Kaum war sie aus der Tür, rief sie Daniel an. Er ging sofort ran.
»Ich bin zurück im Team«, informierte sie ihn.
»In Ordnung.« Pause. »Das freut mich. Wirklich.«
Was habe ich erwartet? Jubelstürme?
Sie räusperte sich. »Ich bin auch Teil deiner Soko.« Damit stellte sie klar, dass sie keinerlei Anspruch auf die Leitung der Ermittlungen hegte.
»Super.« Daniel klang erleichtert. »Wir können jede Hilfe gebrauchen.« Er bat sie, noch mal mit Leons Eltern und Marie zu sprechen. »Benedikt und ich sind unterwegs zum Vertrauenslehrer. Leon hat wohl öfter mit ihm gesprochen.«
»Mach ich. Ich nehme Kathrin Schuster mit. Sie ist jetzt meine Partnerin.« Gern hätte Victoria ihm gegenübergestanden, um die Reaktion von seinem Gesicht abzulesen. So hörte sie nur sein »Geht klar«. Anscheinend kam er bestens mit Benedikt aus. Sie spürte einen Stich in der Brust. Wie idiotisch, schalt sie sich sofort. Schließlich arbeiteten sie alle zusammen.
»Vickie, ich bin mir nicht mehr sicher, ob Leon wirklich ausgerissen ist. Zumindest geben unsere bisherigen Gespräche keinen Hinweis darauf. Er war ein guter Schüler und sehr beliebt. Wenn der Vertrauenslehrer uns nichts über Probleme in den eigenen vier Wänden erzählt, müssen wir davon ausgehen, dass ihm was passiert ist.«
»Das denke ich ja die ganze Zeit. Und selbst wenn er davongelaufen ist, kann ihm etwas zugestoßen sein. Ich kümmere mich um einen richterlichen Beschluss, um die Verbindungs- und Geodaten von seinem Handyprovider anzufordern.«
Daniel stimmte ihr zu. »Bis gleich. Und Vickie?«
»Ja?«
»Du musst es Benedikt ja nicht gleich auf die Nase binden, aber ich wäre sehr gern wieder dein Partner.«
Victoria glühte.
Bei seinen letzten Worten im Gespräch mit Victoria hatte er sichergestellt, dass sein Partner nicht mithörte. Benedikt wartete bereits im Wagen auf ihn.
Daniel hatte nicht gelogen. Der letzte gemeinsame Fall hatte Victoria und ihn für immer zusammengeschweißt. Trotzdem wollte er seinen neuen Partner und Freund nicht verletzen.
Er stieg zu Benedikt in den Wagen und schnallte sich an. »Victoria und Kathrin sprechen noch mal mit Marie und mit den Eltern des Vermissten.«
»Dann ist Victoria zurück im Team?« Benedikt klang erfreut.
Daniel nickte. »Ich hoffe nur, sie hat genug Abstand zum Fall. Ich wette, Haller hat keine Ahnung davon, dass Leon der Freund ihrer Tochter ist.«