Buch
Rebecca Bloomwood, die Finanzexpertin mit dem chronisch überzogenen Konto, ist zu beneiden. Sie liebt ihren Job beim Frühstücksfernsehen, und auch ihr Privatleben ist perfekt, seit sie mit dem attraktiven und höchst erfolgreichen Luke Brandon von der gleichnamigen PR-Agentur zusammen ist. Doch der schöne Schein trügt: Rebecca steckt nach einigen Schnäppchenkäufen mal wieder in finanziellen Schwierigkeiten. Und eigentlich könnte es auch mit Luke besser laufen. Die gemeinsamen Stunden sind knapp bemessen, denn was für Rebecca das Shoppen ist, ist für Luke eben die Arbeit. Als ihr auch noch das Gerücht zu Ohren kommt, Luke wolle eine Filiale seines Unternehmens in New York etablieren, ist das Maß voll. Aber Luke bittet Becky, ihn nach Amerika zu begleiten. Er hat sogar schon vorgefühlt, und etliche Fernsehsender scheinen interessiert, ihr einen Job als TV-Finanzberaterin anzubieten. Während Becky in New York ganz in ihrem Element ist, hat Luke allerdings schon bald Schwierigkeiten, seine Pläne zu verwirklichen.
Auch ihre Beziehung gerät in eine schwere Krise, und plötzlich steht Rebeccas Leben völlig Kopf …
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finden Sie am Ende des Buches.
Sophie Kinsella
Shopaholic
in New York
Roman
Aus dem Englischen
von Marieke Heimburger
Die englische Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Shopaholic Abroad« bei Black Swan, London
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Taschenbuchausgabe September 2021
Deutsche Erstveröffentlichung März 2003
Copyright © der Originalausgabe 2001 by Sophie Kinsella
Copyright © dieser Ausgabe 2021
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: FAVORITBÜRO, München
Umschlagmotiv: Frau: © Maryia Naidzionysheva/Shutterstock,
Wolken: © Binly/Shutterstock, NY Silhouette: © Antikwar/Shutterstock
MR · Herstellung: kw
Satz: Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN: 978-3-641-28314-8
V002
www.goldmann-verlag.de
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Für Gemma,
die schon immer wusste,
wie wichtig ein Denny-und-George-Tuch
für eine Frau ist.
Endwich Bank
ZWEIGSTELLE FULHAM
3 Fulham Road
London SW6 9JH
Miss Rebecca Bloomwood
Flat 2
4 Burney Rd.
London SW6 8FD
18. Juli 2000
Sehr geehrte Miss Bloomwood,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 15. Juli. Es freut mich zu hören, dass Sie nun seit fast fünf Jahren Kundin der Endwich Bank sind.
Leider bieten wir weder einen »Fünfjahresbonus« noch einen »Tabula rasa«-Schuldenerlass für Überziehungskunden an. Ich stimme Ihnen aber durchaus zu, dass es sich hierbei um gute Ideen handelt.
Ich bin bereit, Ihren Dispo-Rahmen um zusätzliche £ 500,– auf insgesamt £ 4.000,– zu erweitern, möchte Sie aber in naher Zukunft um ein Gespräch bitten, bei dem wir Ihren anhaltenden Überziehungsbedarf erörtern können.
Mit freundlichen Grüßen
Endwich Bank
Zweigstelle Fulham
Derek Smeath
Zweigstellenleiter
ENDWICH – WIR SIND FÜR SIE DA
Endwich Bank
ZWEIGSTELLE FULHAM
3 Fulham Road
London SW6 9JH
Miss Rebecca Bloomwood
Flat 2
4 Burney Rd.
London SW6 8FD
24. Juli 2000
Sehr geehrte Miss Bloomwood,
es freut mich, dass mein Schreiben vom 18. Juli Ihnen behilflich war.
Nichtsdestoweniger wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich in Ihrer Fernsehsendung nicht länger als »der süße Smeathie« und »der beste Bankmanager der Welt« bezeichnen würden.
Ich persönlich freue mich selbstverständlich über Ihre Worte. Meine Vorgesetzten jedoch sind etwas besorgt über das Bild, das auf diese Weise von der Endwich Bank in der Öffentlichkeit evoziert wird, und haben mich daher gebeten, Ihnen in dieser Angelegenheit zu schreiben.
Mit den besten Grüßen,
Endwich Bank
Zweigstelle Fulham
Derek Smeath
Zweigstellenleiter
ENDWICH – WIR SIND FÜR SIE DA
Endwich Bank
ZWEIGSTELLE FULHAM
3 Fulham Road
London SW6 9JH
Miss Rebecca Bloomwood
Flat 2
4 Burney Rd.
London SW6 8FD
21. August 2000
Sehr geehrte Miss Bloomwood,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 18. August.
Es tut mir leid, dass es Ihnen so schwer fällt, sich in das Korsett Ihres neuen Dispo-Rahmens zu zwängen. Ich verstehe durchaus, dass ein Sommerschlussverkauf bei Pied à Terre nicht jede Woche stattfindet, und ich kann Ihren Kreditrahmen gern um £ 63,50 erweitern, wenn das denn, wie Sie schreiben, »das einzige Problem« wäre.
Ich möchte Ihnen aber dennoch empfehlen, mich in der Zweigstelle aufzusuchen, damit wir Ihre finanzielle Situation ausführlich diskutieren können. Meine Assistentin Erica Parnell arrangiert gern einen Gesprächstermin für Sie.
Mit freundlichen Grüßen
Endwich Bank
Zweigstelle Fulham
Derek Smeath
Zweigstellenleiter
ENDWICH – WIR SIND FÜR SIE DA
Okay. Keine Panik. Keine Panik. Das ist alles nur eine Frage der Organisation, des Ruhebewahrens und Entscheidens, was genau ich mitnehmen muss. Und dann alles fein säuberlich in den Koffer packen. Ich meine, das kann doch so schwer nicht sein, oder?
Ich trete einen Schritt zurück von dem Chaos auf meinem Bett, schließe die Augen und hoffe, dass meine Klamotten sich wie von Zauberhand zu lauter ordentlich zusammengelegten Stapeln organisieren, wenn ich es mir nur innig genug wünsche. Wie in diesen Zeitschriftenartikeln übers Kofferpacken, in denen einem immer vorgemacht wird, wie man den ganzen Urlaub mit einem einzigen, billigen Sarong auskommt, den man in sechs verschiedene Outfits verwandeln kann. (Was übrigens die totale Bauernfängerei ist, wie ich finde. Gut, okay, der Sarong kostet vielleicht nur zehn Pfund, aber die Sachen, mit denen er kombiniert wird, kosten schließlich auch noch mehrere Hundert – und das soll man nicht merken?)
Aber als ich die Augen wieder aufmache, ist das Chaos immer noch da. Es scheint sogar größer geworden zu sein – als wären heimlich noch mehr Klamotten aus den Schubladen auf mein Bett gehüpft, während ich die Augen geschlossen hatte. Wo ich auch hinsehe, überall in meinem Zimmer sind riesengroße, chaotische Haufen … Zeug. Schuhe, Stiefel, T-Shirts, Zeitschriften … ein Geschenkkorb vom Body Shop, der im Angebot war … ein Italienisch-Schnellkurs mit Kassette, den ich jetzt endlich anfangen muss … so ein Gesichtssauna-Dings … Und auf meinem Frisiertisch thront stolz meine gestrige Errungenschaft von einem dieser Wohltätigkeitsbasare: eine Fechtmaske und ein Degen. Haben zusammen nur vierzig Pfund gekostet!
Ich nehme den Degen in die Hand und mache damit einen kleinen Ausfallschritt auf mein Spiegelbild zu. Das war wirklich ein unglaublicher Zufall, weil ich nämlich schon seit Jahren Fechten lernen will. Seit ich diesen Artikel darüber in der Daily World gelesen habe. Wussten Sie, dass Fechter von allen Sportlern die schönsten Beine haben? Und wenn man richtig gut ist, kann man als Stuntdouble beim Film landen und einen Haufen Geld verdienen! Ich habe mir deshalb fest vorgenommen, irgendwo in der Nähe Fechtunterricht zu nehmen und so schnell wie möglich richtig gut zu werden. Dürfte kein Problem sein für mich.
Und dann – jetzt kommen wir zum geheimen Teil meines Plans –, wenn ich erst mal mein goldenes Abzeichen oder was auch immer habe, werde ich an Catherine Zeta Jones schreiben. Die braucht doch bestimmt ein Stuntdouble, oder? Also, warum nicht mich? Ich glaube sogar, dass ihr eine Britin am liebsten wäre. Vielleicht ruft sie mich dann an und sagt mir, dass sie mich schon so oft im Fernsehen gesehen hat und mich schon immer mal kennenlernen wollte! O Gott, ja! Wäre das nicht klasse? Wir würden uns wahrscheinlich supergut verstehen und herausfinden, dass wir den gleichen Humor haben und alles. Und dann würde ich mal eben rüberfliegen, um sie auf ihrem Luxusanwesen zu besuchen, und bei der Gelegenheit auch Michael Douglas kennenlernen und mit ihrem Baby spielen. Wir werden so entspannt miteinander umgehen wie uralte Freunde, irgendeine Zeitschrift wird ein Feature über die besten Freunde weltbekannter Berühmtheiten machen und uns vorstellen, und vielleicht werde ich dann sogar gefragt, ob ich …
»Hi, Bex!« Die schöne Vorstellung von Michael, Catherine und mir ist wie ausgeknipst, und ich befinde ich mich wieder im Hier und Jetzt. Meine Mitbewohnerin Suze schlendert in ihrem uralten Schlafanzug mit Paisley-Muster in mein Zimmer. »Was machst du da?«, fragt sie neugierig.
»Nichts!«, sage ich und lege hastig den Degen zurück. »Ich … Du weißt schon. Trainiere.«
»Ah, ja«, sagt sie wenig überzeugt. »Und – kommst du weiter mit Packen?« Sie schlendert zum Kaminsims hinüber, nimmt einen Lippenstift, begutachtet seine Farbe und trägt ihn dann auf. Das macht Suze immer, wenn sie in meinem Zimmer ist – schlendert herum, nimmt Sachen in die Hand, begutachtet sie und legt sie wieder hin. Sie sagt, sie findet es so spannend bei mir, weil sie nie weiß, was sie dieses Mal finden wird, fast wie in einem Trödelladen. Ich glaube nicht, dass sie das böse meint.
»Ja, sicher«, sage ich. »Ich versuche mich gerade zu entscheiden, welchen Koffer ich nehmen soll.«
»Oooh«, sagt Suze und dreht sich mit halb pink geschminkten Lippen zu mir um. »Wie wär’s mit dem kleinen cremefarbenen? Oder mit der roten Reisetasche?«
»Ich dachte eigentlich eher an diesen«, sage ich und zerre meinen neuen, giftgrünen Hartschalenkoffer unter dem Bett hervor. Den habe ich letztes Wochenende gekauft. Er ist ein Traum.
»Wow!« Suzes Augen weiten sich. »Bex! Der ist toll! Wo hast du den her?«
»Fenwicks«, sage ich mit einem breiten Grinsen. »Klasse, oder?«
»Das ist der coolste Koffer, den ich je gesehen habe!« Suze lässt die Hand bewundernd über seine Oberfläche gleiten. »Also – wie viele Koffer hast du jetzt insgesamt?« Sie sieht zu meinem Kleiderschrank, auf dem sich ein brauner Lederkoffer, ein Lack-Schrankkoffer und drei Kosmetikkoffer drängen.
»Ach, weißt du«, sage ich mit einem Achselzucken. »So viele man eben braucht.«
Ich glaube, ich habe in letzter Zeit ziemlich viele Koffer gekauft. Aber die Sache ist die, dass ich Ewigkeiten gar keinen Koffer hatte, sondern nur eine olle, zerschlissene Leinentasche. Und dann hatte ich vor ein paar Monaten mitten in Harrods eine Offenbarung – so ähnlich wie Paulus auf dem Weg nach Mandalay (War doch Mandalay, oder?): Koffer! Na ja, und seitdem habe ich so einiges nachgeholt.
Aber abgesehen davon weiß schließlich jedes Kind, dass gute Koffer eine echte Investition sind.
»Ich wollte mir gerade eine Tasse Tee machen«, sagt Suze. »Möchtest du auch eine?«
»Au, ja, danke!«
»Und ein KitKat?« Suze grinst.
»Unbedingt auch ein KitKat.«
Vor Kurzem hatten wir einen Freund von Suze zu Be-such, er hat auf dem Sofa geschlafen – und als er wieder abzischte, hat er uns diese Riesenkiste mit hundert KitKats dagelassen. Ich finde das wirklich ein prima Dankeschön, aber natürlich hat es zur Folge, dass wir den ganzen Tag nur KitKats essen. Aber wie Suze gestern Abend so treffend bemerkte: Je schneller wir sie aufessen, desto schneller sind sie weg. Es ist also gewissermaßen das Gesündeste, sich mit so vielen wie möglich vollzustopfen.
Suze verlässt mein Zimmer, und ich wende mich meinem Koffer zu. Gut. Konzentration. Packen. Kann doch nicht lange dauern. Ich brauche nur eine elementare, auf ein Minimum beschränkte Kollektion für ein Wochenende in Somerset. Ich habe sogar schon eine Liste gemacht, um mir die Auswahl zu erleichtern.
Jeans: zwei Stück. Kein Problem. Eine verwaschene und eine weniger verwaschene.
T-Shirts:
Ach, ich glaube doch besser drei Jeans. Ich muss unbedingt die neuen von Diesel mitnehmen, die sind so cool, wenn auch ein kleines bisschen eng. Die kann ich ja einfach ein paar Stunden abends anziehen oder so.
T-Shirts:
Ach, und die bestickten Fransenshorts von Oasis, die habe ich nämlich noch nie angehabt. Aber die zählen nicht wirklich als Jeans, weil das ja Shorts sind. Und außerdem nehmen Jeans kaum Platz weg, oder?
Okay, das wären dann wohl genug Jeans. Und ich kann ja jederzeit noch eine dazupacken, wenn es sein muss.
T-Shirts: diverse. Mal sehen. Ein einfaches weißes natürlich. Und ein graues. Ein schwarzes bauchfreies, ein schwarzes Unterhemd (Calvin Klein), noch ein schwarzes Unterhemd (Warehouse, sieht aber eigentlich besser aus), einmal pink ohne Ärmel, einmal pink mit Glitzer, einmal pink …
Mitten in meiner Umbettungsaktion zusammengelegter T-Shirts (vom Schrank in den Koffer) halte ich inne. Das ist doch doof. Woher soll ich denn im Vorhinein wissen, welche T-Shirts ich am Wochenende anziehen möchte? Der Witz an T-Shirts ist doch, dass man sich morgens eins aussucht, das zur aktuellen Stimmung passt – genauso wie Kristalle oder Aromatherapieöle. Stellen Sie sich vor, ich wache morgens auf, meine Stimmung verlangt nach meinem »Elvis is Groovy«-T-Shirt und ich habe es nicht dabei!
Wissen Sie was, ich glaube, ich nehme einfach alle mit. Ich meine, so ein paar T-Shirts nehmen ja nun wirklich kaum Platz weg, oder? Das merke ich doch gar nicht, dass ich die dabeihabe.
Ich stapel sie alle in meinen Koffer und lege noch ein paar Bustiers drauf.
Hervorragend. Das mit meiner Liste funktioniert echt prima. Also, was steht da als Nächstes?
Zehn Minuten später kommt Suze mit zwei Tassen Tee und drei KitKats zum Teilen wieder. (Wir sind uns einig, dass zwei einfach nicht reichen.)
»Da«, sagt sie – und sieht mich dann etwas genauer an. »Bex? Geht’s dir gut?«
»Ja, ja«, sage ich mit hochrotem Kopf. »Ich versuche nur gerade, das Gilet etwas kleiner zu falten.«
Ich habe zwar schon eine Jeansjacke und eine Lederjacke eingepackt, aber wer will sich schon auf das englische Septemberwetter verlassen? Ich meine, im Moment ist es zwar heiß und die Sonne scheint, aber morgen könnte es schon wieder schneien. Und was, wenn Luke und ich eine richtig zünftige Wanderung machen wollen? Außerdem habe ich dieses tolle patagonische Gilet jetzt schon so lange und es noch kein einziges Mal angehabt. Ich versuche wieder, es schön klein zusammenzulegen, aber es rutscht mir aus der Hand und gleitet auf den Boden. Oh Gott, das hier erinnert mich erbarmungslos an das Zeltlager mit den Brownies und meine verzweifelten Versuche, den Schlafsack zurück in seinen Packsack zu stopfen.
»Wie lange bist du noch mal weg?«, fragt Suze.
»Drei Tage.« Ich gebe es auf, das Gilet auf die Größe einer Streichholzschachtel zusammenquetschen zu wollen, und es entfaltet sich prompt wieder zu seiner ursprünglichen Form. Mit einem gewissen Unbehagen lasse ich mich aufs Bett sinken und trinke einen Schluck Tee. Ich verstehe einfach nicht, wie andere Leute mit so wenig Gepäck auskommen. Ständig sieht man diese Geschäftsleute mit einem winzigen, schuhkartongroßen Koffer und selbstgefälligem Gesichtsausdruck Flugzeuge besteigen. Wie machen die das? Haben die magische Schrumpfklamotten? Gibt es irgendeinen raffinierten Trick, wie man seine Sachen so faltet, dass sie in eine Streichholzschachtel passen?
»Nimm doch auch noch deine Reisetasche«, schlägt Suze vor.
»Meinst du?« Etwas verunsichert betrachte ich meinen überquellenden Koffer. Hm. Vielleicht brauche ich doch nicht unbedingt drei Paar Stiefel. Und auch keine Pelzstola.
Dann fällt mir plötzlich ein, dass Suze fast jedes Wochenende wegfährt und immer nur eine kleine, knautschige Tasche mitnimmt. »Suze, wie packst du denn? Hast du irgendein System?«
»Weiß nicht«, erwidert sie unbestimmt. »Ich mache wahrscheinlich immer noch das, was man uns damals bei Miss Burton beigebracht hat. Man überlegt sich ein Outfit pro Anlass und hält sich daran.« Sie zählt an ihren Fingern ab: »Zum Beispiel: Hinreise, Abendessen, am Pool sitzen, Tennis spielen …« Sie sieht zu mir auf. »Ach, ja, und jedes Kleidungsstück muss mindestens dreimal getragen werden.«
Mann, Suze ist echt genial. Was die alles weiß. Ihre Eltern haben sie mit achtzehn auf Miss Burtons Academy geschickt, das ist so eine Schickimicki-Schule in London, wo man unter anderem lernt, wie man sich mit einem Bischof unterhält und wie man mit einem Minirock aus einem Sportwagen steigt. Suze kann auch aus Hühnerdraht einen Hasen basteln.
Ich schnappe mir ein Blatt Papier und entwerfe schnell einen Plan. Das ist doch viel besser. Viel besser, als planlos Klamotten in den Koffer zu schmeißen. Dank dieser Methode werde ich keine überflüssigen Klamotten mitnehmen, sondern nur das absolute Minimum.
Outfit 1: |
Am Pool sitzen (Sonne scheint) |
Outfit 2: |
Am Pool sitzen (bewölkt) |
Outfit 3: |
Am Pool sitzen (Hintern sieht morgens fett aus) |
Outfit 4: |
Am Pool sitzen (eine andere hat den gleichen Badeanzug) |
Outfit 5: |
Im Flur klingelt das Telefon, aber ich sehe kaum auf. Ich höre Suze aufgeregt plappern –, und kurz darauf steht sie mit fröhlich gerötetem Gesicht wieder in meiner Tür
»Jetzt rate mal, was passiert ist!«, sagt sie. »Rate mal!«
»Was denn?«
»Bei Box Beautiful sind alle meine Rahmen ausverkauft! Sie haben gerade angerufen, um noch mehr zu bestellen!«
»Suze! Das ist ja Wahnsinn!«, begeistere ich mich.
»Ich weiß!« Sie rennt auf mich zu, wir fallen uns in die Arme und hopsen wild durch die Gegend, bis ihr auffällt, dass sie eine Zigarette in der Hand hat und kurz davor ist, meine Haare abzufackeln.
Wissen Sie, Suze hat nämlich erst vor ein paar Monaten damit angefangen, Rahmen zu basteln, und jetzt beliefert sie schon vier Läden in London damit, und die Rahmen sind der absolute Renner! Suze ist schon in allen möglichen Zeitschriften vorgestellt worden und alles. Was mich im Grunde gar nicht überrascht, denn ihre Rahmen sind einfach cool. Das neueste Modell ist violetter Tweed, und die Rahmen werden in glitzernden grauen Schachteln und in türkisfarbenem Seidenpapier geliefert (ich habe Suze übrigens dabei geholfen, die Farben auszusuchen). Sie verkauft so viele von den Rahmen, dass sie sie gar nicht mehr alle selbst produzieren kann. Sie schickt ihre Entwürfe an eine kleine Werkstatt in Kent und bekommt dann ein Paket mit fertigen Rahmen wieder.
»Und, bist du jetzt fertig? Weißt du, was du mitnehmen musst?«, fragt sie und zieht an ihrer Zigarette.
»Ja«, sage ich und wedele mit dem Blatt Papier vor ihrer Nase herum. »Ich habe alles ganz genau ausgearbeitet. Bis zum letzten Paar Socken.«
»Super!«
»Und ich muss nur eine einzige Sache einkaufen«, füge ich so unbefangen wie möglich hinzu. »Und das ist ein Paar lila Sandalen.«
»Lila Sandalen?«
»Hmmm.« Ich sehe sie unschuldig an. »Ja. Die brauche ich. Nichts Besonderes, weißt du, nur so ein kleines, billiges Paar, das ich zu verschiedenen Outfits anziehen kann …«
»Ah ja.« Suze runzelt die Stirn. »Bex … Hattest du nicht letzte Woche irgendetwas von einem Paar lila Sandalen erzählt? So richtig teure von LK Bennett?«
»Wirklich?« Ich merke, wie ich erröte. »Ich … Keine Ahnung. Vielleicht. Aber egal …«
»Bex.« Suze sieht mich ausgesprochen misstrauisch an. »Sag mir die Wahrheit. Brauchst du wirklich ein Paar lila Sandalen? Oder willst du sie einfach nur haben?«
»Nein!«, wehre ich mich. »Ich brauche sie! Wirklich! Guck doch mal.«
Ich hole meinen Plan heraus, entfalte ihn und zeige ihn Suze. Ich muss schon sagen, dass ich ganz schön stolz darauf bin. Auf dem Papier ist ein ziemlich kompliziertes Flussdiagramm mit tausend Kästchen und Pfeilen und roten Sternchen zu sehen.
»Wow!«, sagt Suze. »Wo hast du das denn gelernt?«
»An der Uni«, sage ich bescheiden. Ich habe mal ein Seminar für Betriebswirtschaft und Buchführung belegt, und ich finde es wirklich erstaunlich, wie oft man das gebrauchen kann.
»Was bedeutet dieser Kasten hier?« Sie tippt mit dem Zeigefinger auf das Diagramm.
»Das ist …« Ich kneife die Augen zusammen und versuche, mich zu erinnern. »Ich glaube, das ist, wenn wir in ein richtig schickes Restaurant gehen und ich mein Whistles-Kleid schon am Abend vorher anhatte.«
»Und der hier?«
»Das ist für den Fall, dass wir klettern gehen. Und der hier …« – ich zeige auf einen leeren Kasten – »… ist der Beweis dafür, dass ich ein Paar lila Sandalen brauche. Wenn ich keine lila Sandalen habe, ist nicht nur das Outfit hier nicht komplett, sondern auch das hier … und dann funktioniert der ganze Plan nicht. Und dann kann ich genauso gut zu Hause bleiben.«
Suze schweigt einen Moment, während sie mein Diagramm sorgfältig überprüft und ich mir nicht nur auf die Lippe beiße, sondern für alle Fälle auch noch die Finger hinterm Rücken kreuze.
Ich weiß, das hier mag Ihnen etwas ungewöhnlich vorkommen. Ich weiß, dass der Großteil der Bevölkerung nicht jede einzelne Anschaffung mit seiner Mitbewohnerin erörtern muss. In unserem Fall ist es aber so, dass ich Suze vor einiger Zeit die Erlaubnis gegeben habe, meine Ausgaben ein bisschen zu überwachen. Sie wissen schon. Ein Auge auf meine Einkaufstüten zu haben.
Nicht dass Sie das jetzt missverstehen. Ich habe kein Einkaufsproblem, ich bin kein Shopaholic oder so. Es ist nur so, dass ich vor ein paar Monaten ein … nun ja … ein klitzekleines Geldproblem hatte. Wirklich nichts Dramatisches, nur ein kurzzeitiges Tief. Ebbe in der Kasse – Sie kennen das ja. Und nach der Ebbe kommt die Flut, also gar kein Grund, sich aufzuregen. Aber Suze ist total ausgeflippt deswegen und hat gesagt, sie würde zu meinem eigenen Besten in Zukunft sämtliche Ausgaben überprüfen.
Und sie hat Wort gehalten. Sie ist sogar ziemlich streng. Manchmal habe ich richtig Angst, dass sie zu irgendetwas Nein sagen könnte.
»Ich verstehe«, sagt sie schließlich. »Dir bleibt eigentlich gar nichts anderes übrig, stimmt’s?«
»Stimmt«, pflichte ich ihr erleichtert bei, nehme ihr den Plan ab, falte ihn zusammen und stecke ihn in die Tasche.
»Hey, Bex, ist der neu?«, fragt Suze auf einmal. Sie hat meinen Kleiderschrank aufgemacht und betrachtet den traumhaften neuen honigfarbenen Mantel, den ich neulich in die Wohnung geschmuggelt habe, als sie in der Badewanne lag. Ich zucke leicht zusammen.
Ich meine, selbstverständlich hatte ich vor, ihr von dieser Anschaffung zu berichten. Ich bin nur bisher nicht dazu gekommen.
Bitte nicht aufs Preisschild gucken, bete ich fieberhaft. Bitte nicht aufs Preisschild gucken.
»Ähm … ja«, sage ich. »Ja, der ist neu. Aber weißt du … ich brauche doch einen guten Mantel, für den Fall, dass ich für Morning Coffee mal Außenaufnahmen machen muss.«
»Ist das denn wahrscheinlich?«, fragt Suze verwirrt. »Ich meine, ich dachte, dein Job besteht darin, im Studio zu sitzen und die Leute in Finanzfragen zu beraten?«
»Na ja … Man weiß ja nie. Man sollte auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.«
»Hm, wahrscheinlich hast du recht …« Suze klingt nicht überzeugt. »Und was ist mit dem Top hier?« Sie zieht an einem Bügel. »Das ist doch auch neu!«
»Das ist für Morning Coffee«, sage ich sofort.
»Und der Rock hier?«
»Auch.«
»Und die neue Hose?«
»Auch.«
»Bex.« Suze sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Wie viele Outfits hast du eigentlich für Morning Coffee?«
»Ach – du weißt schon«, winde ich mich. »Ich brauche immer was in Reserve. Ich meine, Suze, Morning Coffee ist mein Beruf. Mein Job. Meine Karriere.«
»Ja«, sagt Suze schließlich. »Ja, da hast du recht.« Dann streckt sie die Hand nach meinem neuen roten Seidenjackett aus. »Das ist aber schön.«
»Ich weiß«, strahle ich. »Habe ich für meine Sondersendung im Januar gekauft!«
»Du bekommst eine Sondersendung? Wow! Worüber denn?«
»Die Sendung heißt Beckys fundamentale Finanzprinzipien«, sage ich und nehme meinen Lipgloss zur Hand. »Wird bestimmt klasse. Fünf Slots à zehn Minuten, nur ich!«
»Und – was sind deine fundamentalen Finanzprinzipien?«, erkundigt Suze sich interessiert.
»Ähm … also, im Moment habe ich noch keine«, sage ich und trage den Lipgloss auf. »Aber die werde ich ausarbeiten, wenn der Termin näher rückt.« Ich schließe den Stift und nehme meine Jacke. »Bis später.«
»Okay«, sagt Suze. »Aber nicht vergessen: Nur ein Paar Sandalen!«
»Alles klar. Versprochen!«
Ich finde es richtig süß von Suze, dass sie sich solche Sorgen um mich macht. Dabei ist das gar nicht nötig. Unter uns gesagt, sie hat noch nicht begriffen, dass ich ein ganz anderer Mensch geworden bin. Gut, okay, ich hatte vor ein paar Monaten eine leichte Finanzkrise. Offen gestanden hatte ich zeitweise Schulden in Höhe von … nun ja. Es war eine ganze Menge.
Aber dann habe ich den Job bei Morning Coffee bekommen, und seitdem hat sich alles grundlegend geändert. Ich habe mein Leben komplett umgestellt, richtig hart gearbeitet und alle meine Schulden abbezahlt. Ja, ich habe sie abbezahlt! Alle! Ich habe einen Scheck nach dem anderen ausgestellt und jede einzelne belastete Kreditkarte, jede Kundenkarte, jeden gekritzelten Schuldschein an Suze ausgeglichen. (Suze konnte es kaum glauben, als ich ihr den Scheck über mehrere Hundert Pfund überreichte. Zuerst wollte sie ihn gar nicht annehmen, aber dann hat sie es sich anders überlegt und das Geld in diesen absolut hinreißenden Schaffellmantel angelegt.)
Es war ein so umwerfendes, berauschendes Gefühl, all diese Schulden abzuzahlen, es ist einfach unbeschreiblich. Und obwohl das nun schon einige Monate her ist, macht mich der Gedanke daran immer noch ganz schwindlig. Es geht doch nichts über totale, uneingeschränkte Solvenz, oder?
Und jetzt sehen Sie mich an: Ich bin ein ganz anderer, neuer Mensch. Mit der alten Becky habe ich überhaupt nichts mehr tun. Ich bin geläutert. Ich habe nicht mal mein Konto überzogen!