Zum Andenken an Rebekka

Linda Maria Koldau & Erika Krüger (Hrsg.)

Verantwortliches Management

Erfolgsmodell Kloster

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Management heute – ist das noch mit ethischen Werten vereinbar?

von Prof. Dr. Linda Maria Koldau

Leitungsstrukturen in Klöstern

Management und biblisch-christliche Ethik?

Das Grundproblem des heutigen Managements

Eine fatale Kluft

Kraft in Verwundbarkeit:

Schuld und Vergebung bei Teresa von Avila

von Sr. Mechthild Brömel, Karmel Regina Martyrum, Berlin

1. Einleitung

1.1 Aufbau und methodische Vorbemerkung

1.2. Einführung in das Thema:

2. Schuld und Vergebung in der Biografie Teresas

2.1. Teresas Gotteserfahrung

2.2 Beziehung zu sich selbst

2.3 Teresas Bereitschaft zu Verzeihen

2.4 Zusammenfassende Einsichten zu diesem Teil des Beitrags

3. Der Karmel Regina Martyrum Berlin

3.1 Das Abenteuer der Anfänge

3.2 Gebet als Quelle der Gemeinschaft

3.3 Mit den Menschen verbunden sein

3.4 Frieden, Ökumene und heilendes Erinnern

3.5 Rituale an Bruchstellen des Lebens

3.6 Abschließender Gedanke zum zweiten Teil

4. Die Kunst des Leitens: Anregungen von Teresa von Avila

4.1 Lebensquellen entdecken und daraus schöpfen

4.2 Achtung haben vor der Würde jedes Menschen

4.3 Leitung mit Mut, Klarheit und Vertrauen ausüben

4.4 Mut zu Beratung, Entscheidung und Wahrhaftigkeit

4.5 Präsent sein

5. Resümee

Ungehorsam! Die Strafpraktiken der Brixner Tertiarinnen im 18. Jahrhundert

von Sr. Anna Elisabeth Rifeser, Tertiarschwestern Brixen

1. Die Brixner Tertiarschwestern – Gründung und Lebensweise

2. Die Strafen im Detail

3. Deutungen der Strafen im Hinblick auf

Gehorsam und Verantwortung

4. Weiterentwicklung der Strafen

5. Fazit: Erfolgsmodell Kloster durch Strafen?

Der Abt ist der erste unter Gleichen“ –

Mitarbeit aller in der Klostergemeinschaft

von Äbtissin M. Petra Articus, Zisterzienserinnenabtei Seligenthal

Kurze Geschichte des Klosters Seligenthal

Der Orden und das Verhältnis des Klosters zur Diözese Regensburg

Berufung der klösterlichen Mitverantwortlichen

Gründung der Schulstiftung Seligenthal

Aufbau eines Freundeskreises der Abtei Seligenthal

Generalsanierung der Abtei und der Schulen

Verpflichtung einer professionellen Fundraiserin

Zusammenarbeit mit der Diözese, Regierung

und anderen wichtigen Gremien

Nachwuchsmangel

Ausblick

Wahrheit und Klugheit? Die Sprache des heutigen Managements

von Prof. Dr. Linda Maria Koldau

Pervertierung der Sprache

Lüge, Wahrheit – und Gleichgültigkeit

Die Sprache der Macht

Die Sprache eines totalitären Systems

Zurück zu wahrer Rede?

Was können wir tun? Schluss mit Bullshit, zurück zu Inhalten

Zusammenfassung und Ausblick

Dank

Einführung

Management ist heute in aller Munde – gutes Management ist gefragt, von den internationalen Großkonzernen der Privatwirtschaft über Krankenhäuser, Universitäten und Polizeiwachen bis hin zum „Familienmanagement“ und „Zeitmanagement“ des Einzelnen in einer Zeit, in der alles beschleunigt und atemlos erscheint.

Das Kloster- und Ordensleben mit seinen jahrtausendalten Traditionen scheint außerhalb dieser Zeit zu stehen. Abgeschlossen, still, friedlich, so ist das Bild, das wir uns von Klöstern machen. Tatsächlich aber mussten sich Menschen, die in Klöstern leben, schon immer den gleichen Herausforderungen stellen, die uns auch im weltlichen Arbeits- und Privatleben begegnen: Eine funktionierende Klostergemeinschaft verlangt eine gute und kluge Organisation, sowohl in Betrieb und Verwaltung als auch in den menschlichen Beziehungen der Bewohner untereinander. Klostergemeinschaften müssen sich ebenso Fragen der Macht und Hierarchie stellen und zwischenmenschliche Konflikte bewältigen, wie dies in der „Welt draußen“ der Fall ist.

In der Geschichte sind zahllose Klöster und sogar ganze Orden in Schwierigkeiten geraten, wenn das Management nicht stimmte – wenn etwa ein zu großer Abstand zwischen Leitung und einfachen Gemeinschaftsmitgliedern entstand, wenn die Mittel, die dem Kloster zur Verfügung stehen, unklug verwaltet wurden, wenn gar Korruption und persönliche Machtinteressen das Klostermanagement zu prägen begannen. Und doch haben die Orden überlebt, und doch gibt es bis heute unzählige gut funktionierende Klostergemeinschaften, die das Gut ihrer Klöster weise verwalten und sich den typischen menschlichen Konflikten in ihrer Gemeinschaft stellen.

Was ist das „Rezept“, was die „Überlebensformel“ solcher Gemeinschaften? Können heutige Manager von Klöstern lernen? Liegt der Unterschied zu weltlichen Gemeinschaften und Organisationen in der gemeinsamen geistlichen Grundlage, im christlichen Fundament der Gemeinschaft? Wie gehen Ordensleute heute mit der Spannung zwischen Gehorsamsgebot und individueller Selbstbestimmung um, mit dem Dilemma zwischen den Hierarchien, die klösterlichen Gemeinschaften notwendigerweise innewohnen, und dem Wunsch nach einem gemeinschaftlichen Leben, das auf Gleichheit und gegenseitigem Respekt beruht? Und wie verhalten Klostergemeinschaften sich in Beziehung zu anderen Institutionen und Organisationen, die ein Mitbestimmungsrecht über die klösterlichen Güter, die Gemeinschaft und ihr geistliches Leben besitzen, aber selbst nicht Teil dieser Gemeinschaft sind?

Diesen Fragen ging die Tagung „Verantwortliches Management – Erfolgsmodell Kloster“ am 21. und 22. September 2021 in Kloster Ebstorf nach. Die Referentinnen und Referenten waren Ordensangehörige, Theologen und Experten für Management, die ihre Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart teilten und mit den Bedingungen außerhalb des Klosters verglichen. Abgedeckt wurden dabei folgende Bereiche:

 •Gemeinschaftsstrukturen: Hierarchie, Aufgabenverteilung

 •Arbeitsteilung im Kloster: Aufgabenverteilung, Finanzverwaltung, Fundraising

 •Menschliches in der Gemeinschaft: Regeln, Regelverletzung, Schuld, Sühne und Vergebung

 •Sprache: Kommunikation in der Gemeinschaft und nach außen

Die Referenten brachten Erfahrungen aus verschiedenen Ordensgemeinschaften mit: Zisterzienser, Teresianischer Karmel, Franziskaner, Benediktiner. Dass gleich zwei Vorträge die Grundsätze des Gemeinschaftslebens im Teresianischen Karmel darlegten, war dabei kein Zufall: Teresa von Avila (1515–1582) war Gründerin zahlreicher Klöster, für die sie – basierend auf jahrzehntelangen Erfahrungen in ihrem Eintrittskloster – neue Regeln gemeinschaftlichen Zusammenlebens entwarf. Modern gesagt, war sie eine Managerin mit weitreichender Erfahrung in Leitung, Personalführung, Konfliktlösung, Public Relations und Fundraising. Hinzu kommt, dass ihr Wissen und ihre praktischen Erfahrungen in einem Quellencorpus belegt sind, das wohl als einmalig in der Geschichte der verschiedenen Orden gelten darf: Teresa hat ihre Erfahrungen in Gründung und Leitung, vor allem aber im Glaubensleben – das bei Teresa die Grundlage für alles andere ist –, in mehreren Büchern festgehalten. Darüber hinaus sind fast 500 Briefe erhalten, in denen Teresa oftmals die Einzelheiten (und nicht selten Probleme) des praktischen Alltags in den Klöstern darlegt 1 – insgesamt also ein umfassendes „Managementmanual“, wie Historiker und Personen mit Leitungsverantwortung es sich nicht ausführlicher wünschen könnten. Die Vorträge von Schwester Mechthild Brömel und Pater Ulrich Dobhan legten auf der Tagung die Grundlinien dar, wie diese ungewöhnliche Ordensfrau des 16. Jahrhunderts mit ihren Mitschwestern und -brüdern umgegangen ist und Regeln für Gemeinschaften erstellt hat, die sich bis heute auf bewundernswerte Weise bewährt haben. 2

Mit den Beiträgen von Äbtissin Petra Articus und Schwester Anna Elisabeth Rifeser sind zwei weitere große Orden vertreten, Zisterzienser und Franziskaner. Während die Frage nach dem Umgang mit Schuld und Vergebung in Klostergemeinschaften ausgehend von einem historischen Blick auf die Tertiarschwestern des hl. Franziskus in Brixen diskutiert wird, zeichnet Äbtissin Articus ein lebendiges Bild von den konkreten strukturellen und finanziellen Herausforderungen, denen sich eine Klostergemeinschaft und ihre Äbtissin im ausgehenden 20. und 21. Jahrhundert stellen müssen.

Ob historisch oder zeitgenössisch: Die Leitlinie in den Erfahrungsberichten dieser Gemeinschaften ist stets das Glaubensfundament, das – zusammen mit den ethischen Richtlinien für ein gutes Zusammenleben – den einzelnen Klostergemeinschaften und den Orden im Ganzen selbst in unüberwindlich scheinenden Krisen den notwendigen festen Halt und gemeinsamen Fokus gegeben hat.

Dies führt zurück zur Grundfrage dieser Tagung: Lassen sich die klösterlichen Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart auf Managementstrukturen außerhalb der Klöster übertragen? Der einführende Beitrag von Linda Maria Koldau weist auf grundlegende Probleme im heutigen Management hin (sowohl im öffentlichen Sektor als auch in der Privatwirtschaft), die auf einen tiefgreifenden Wandel im Selbstverständnis von Management seit den 1980er Jahren zurückgehen. Die Ziele und Werte dieses Managements sind, wenn auch mit anderen Wörtern ausgedrückt, den althergebrachten Grundregeln des Klostermanagements nicht unähnlich: Effizienz, Exzellenz, Authentizität und Rechenschaftsbereitschaft sind nicht nur die großen Slogans des heutigen Managements – sie galten von jeher als Grundsätze für gutes, verantwortliches Management, auch in Klostergemeinschaften (wo weniger wortgewaltig von gemeinschaftlicher Zusammenarbeit, Gehorsam, Verantwortung und Wahrhaftigkeit die Rede ist). Die Frage ist freilich – und hierauf weist vor allem der abschließende Beitrag zur Sprache und Wortwahl des heutigen Managements hin –, wie weit diese Leitwörter des Managements in der Wirklichkeit verankert sind, die sie beschreiben. Denn nur wenn das, was die Sprache beschreiben will, auch eine Verbindung zur Wirklichkeit hat, die wir im Alltag erleben, ist Sprache noch das, was sie sein soll: ein vertrauenswürdiges Mittel der Kommunikation, ein zuverlässiger Träger menschlicher Beziehungen. In dem Augenblick, in dem wir die positiven Leitwörter des Managements nur noch als leere Worthülsen auffassen können, während unsere Wirklichkeit eine andere ist, hat die Sprache diese entscheidende Funktion verloren – und wir sehnen uns zurück zur Wahrhaftigkeit (modern gesagt: Authentizität), zu der bereits die Bibel in ihren Leitlinien für menschliches Miteinander vielfach aufruft.

Die abschließende Grundfrage dieses Buches lautet somit: Was können wir von Klöstern lernen, damit ihre Werte gemeinschaftlichen Zusammenlebens in der Welt außerhalb des Klosters greifbare Wirklichkeit werden und zu einem besseren Management im menschlichen Miteinander führen?

Rechtsseitige Abbildung:
Blick aus dem Refektorium des Klosters Ebstorf auf den sonnigen Innenhof,

September 2021

1 Vermutet wird, dass Teresa insgesamt bis zu 25.000 Briefe geschrieben oder diktiert hat.

2 Der Vortrag von P. Ulrich Dobhan OCD ist nicht in diesem Band enthalten, ist aber als Video auf YouTube unter „Heimat- und Kulturkreis Ebstorf“ zu sehen.