Die 3 besten Seefahrer-Romane im Januar 2022

Glenn Stirling and Larry Lash

Published by BEKKERpublishing, 2022.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Die 3 besten Seefahrer-Romane im Januar 2022

Copyright

Heldenhafte Seemänner #1: Das Flaggschiff des Teufels

Heldenhafte Seemänner

DAS FLAGGSCHIFF DES TEUFELS

Klappe

Roman

Passagierschiff Sanssouci in Seenot

HELDENHAFTE SEEMÄNNER

Klappe

Roman

Heldenhafte Seemänner #3: Nat Shannons tollkühner Plan

Heldenhafte Seemänner

1.Kapitel

2.Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

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Die 3 besten Seefahrer-Romane im Januar 2022

von Glenn Stirling, Larry Lash

Über diesen Band:

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Dieser Band enthält folgende Romane:

Das Flaggschiff des Grauens (Glenn Stirling)

Passagirschiff Sanssouci in Seenot (Glenn Stirling)

Nat Shannons tollkühner Plan (Larry Lash)

––––––––

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Der Piratenkapitän Nat Shannon erhält einen heiklen Auftrag. Er soll die schöne Marquise Marie Drequeti suchen, die von arabischen Banditen entführt worden ist. Auf seiner Suche nach dem verschwundenen Mädchen erlebt Shannon waghalsige Abenteuer zu Wasser und zu Land und gerät mehr als nur einmal in tödliche Gefahr. Aber irgendwann erkennt er, dass nicht nur Ruhm, Beute und Gold wichtig sind, sondern noch etwas ganz anderes. Etwas, das mehr zählt als alle Reichtümer der Welt...

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Heldenhafte Seemänner #1: Das Flaggschiff des Teufels

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Heldenhafte Seemänner

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Band 1

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DAS FLAGGSCHIFF DES TEUFELS

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Ein Roman von Glenn Stirling

IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author/ Titelbild: Firuz Askin und Katalinks/123RF, 2016

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Table of Contents

UPDATE ME

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Klappe

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Das ist die Geschichte eines Piratenschiffes - und es ist eine wahre Geschichte. So geschehen im Jahre 1870 drüben vor der Küste Amerikas. Es ist zugleich die Geschichte der berühmten „Sweet Mary“, jener legendären Dreimastbark, die, von Geheimnissen umwittert, mitten im Frieden auf Kaperfahrt fuhr. Und es ist die Geschichte des Kapitäns Lars Detlevsen, der die „Sweet Mary“ führte. Unterwegs in geheimem Auftrag mit einer Besatzung, wie sie wilder und zusammengewürfelter nicht sein konnte. Unterwegs in die Hölle, und der Teufel selbst gab die Kommandos ...

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Roman

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Orkan in der Brandungshölle von Cape Cod!

Die Luft war erfüllt von einem alles durchdringenden Getöse. Die Wogen brandeten zu gigantischer Höhe empor. Der Sturm peitschte die Gischt über die Wellenkämme, die zu kochen schienen. Wie Schlünde gähnten die Wogentäler. Eine Hölle war aufgebrochen. Und inmitten dieser Hölle ein Schiff!

Der Gaffelschoner „Harmony“ kämpfte sich durch diese Hölle. Wie ein Spielball wurde er auf die Wogenkämme emporgehoben, um unmittelbar danach wieder in ein Wellental hinabgerissen zu werden.

Bis auf das Klüwersegel war alles übrige Tuch geborgen. Aber der Wind riss, zerrte, schlug in das schmale Klüwersegel hinein und war drauf und dran, es zu zerfetzen.

Der Gaffelschoner hatte fünf Männer an Bord, Fischer, die von Island kamen und die Küste von Massachusetts anliefen. Achtzig Meilen waren es noch bis Boston. Hier an der Stelle, wo sich der Meeresgrund des Atlantik von tiefster Tiefe zur Küste von Massachusetts erhob, herrschte selbst unter normalen Umständen eine Brandung, die schon vielen Schiffern zum Verhängnis geworden war. Die Männer der „Harmony“ kannten die Gefahr der Brandungshölle bei Cape Cod. Aber dieses Kennen nutzte ihnen nichts, nicht jetzt im Hurrikan.

Die Männer hatten sich an ihrem Schiff festgezurrt, um nicht vom Deck gerissen zu werden. Der Steuermann und Bootsmann klammerten sich beide an das Ruderrad und zwangen das Schiff weiter auf Westkurs. Ein Beidrehen war jetzt unmöglich. Dafür war der Sturm viel zu stark. Geriet der Schoner dwars zum Wind, würde die glitschige Ladung, die aus Tausenden von Fischleibern bestand, überkommen, also verrutschen, was ein sicheres Kentern zur Folge haben würde.

Noch hielt das Klüwersegel den Schoner im Wind. Aber dann kam, was die ganze Zeit schon von allen erwartet wurde, was sie befürchteten, weshalb sie immer wieder bange Blicke in Richtung Klüwersegel sandten: Ein mörderischer Knall erfolgte, der sogar das Brüllen des Orkans übertönte. Mit diesem Knall flog das Klüwersegel davon, verschwand in dieser Wand sprühenden Gischtes, den der Sturm vor sich hertrieb.

Jetzt war nun der letzte Fetzen Segeltuch zum Teufel. Das Schiff rollte, stampfte, taumelte und gierte auf die sich immer mehr nähernde Küste zu. Und damit drohte auch die Gefahr der Riffe und Untiefen.

Joe Linton, der Bootsmann, stand zusammen mit dem Steuermann am Ruder, versuchte etwas von dem zu erkennen, was sich vor dem Schiff tat. Aber er hatte Mühe, überhaupt zu sehen, was auf dem Vorschiff vorging.

Zwei der Männer hatten sich dort festgebunden. Aber nun, da das Klüwersegel weg war, brauchte der Kapitän jede Hand, um einen Treibanker auszuwerfen. Es war die einzige Möglichkeit, das Schiff jetzt auf Kurs zu halten, da der Wind von achtern kam, und die „Harmony“ immer öfter aus dem Ruder geriet.

Der Käptn brüllte die Befehle nach vorn, und der Wind trieb die Worte den Männern zu.

Die Männer versuchten sich loszubinden. Und sie hatten es gerade geschafft, als eine schwere See von achtern überkam und den Rumpf des Schiffes sekundenlang völlig

unter Wasser drückte.

In diesem Moment geschah es!

Die Untiefen vor Cape Cod waren näher gewesen, als Kapitän und Mannschaft in diesem brodelnden Hexenkessel hatten annehmen können. Ein furchtbarer. Stoß erschütterte das Schiff. Die beiden Männer auf dem Vorschiff wurden wie von Geisterhand davongetragen.

Joe Linton versuchte vergeblich am Ruderrad Halt zu finden. Aber eine viel größere, viel mächtigere Kraft packte ihn und riss ihn weg, schleuderte ihn gegen die Wanten, wirbelte ihn über Deck, und er hatte nicht ein einziges Mal die Möglichkeit, sich irgendwo festzuhalten. Dann prallte er mit voller Wucht mit der Schulter gegen die Back, meinte, das Bewusstsein zu verlieren vor Schmerz, aber dann entdeckte er über sich eine mächtige Brechersee, die sich berghoch neben dem Schiff auftürmte, um nun wie vom Himmel herunter auf das Deck zu schlagen.

Joe Linton begriff und handelte sofort. Er konnte sich frei machen, sprang auf, und war mit einem Satz in den Wanten des Großmastes. Trotzdem schluckte er noch Wasser, und die Woge, die über ihm zusammengeschlagen war, nahm ihm sekundenlang den Atem. Als sich das Wasser verlief, war das Deck dort leer, wo sich vorher Joe Lintons beide Kameraden befunden hatten.

Der Steuermann hatte mit Mühe wieder das Ruder erreicht. Aber es war sinnlos. Es gab keinen Kurs mehr zu steuern. Das Schiff war aufgelaufen, hing auf einem der Riffe vor Cape Cod fest. Und was das bedeutete, wussten der Kapitän und Joe Linton. Nur der Steuermann schien es nicht zu begreifen. Er war wie von Sinnen. Er versuchte, das Ruder herumzuschlagen. Er schrie und tobte, und das Haar hing ihm wirr im Gesicht.

In diesem Augenblick senkte sich abermals ein schwerer Brecher wie die Faust eines Riesen auf das Schiffsdeck herab.

Bruchteile von Sekunden später war alles eine einzige brodelnde, schäumende, brüllende Wassermasse, in der Sparren, Taue und Segelfetzen herumgewirbelt wurden ... und der Steuermann.

Joe Linton sah ihn noch dicht an sich vorbeifliegen, ohne ihm helfen zu können. Das Meer hatte ihn losgerissen, trug ihn fort, nahm ihn mit, zog ihn hinab in seinen Schlund.

Der Schrei des Kapitäns übertönte noch das Brüllen des Meeres und des Hurrikans.

Joe Linton riss den Kopf herum und sah den Kapitän, der jetzt als schlaffer Körper in den Wanten hing. Und erst auf den zweiten Blick erkannte Joe den zerschmetterten Schädel des Schiffsführers.

Bis jetzt hatte Joe Linton keine Angst empfunden. Sie waren immer mehrere gewesen in der Not. Und irgendwie gab ihm das Halt.

Doch nun befand er sich allein an Bord, an Bord eines Wracks, das am Felsen hing, über das die See herfiel wie ein wütendes Tier und das zerschlagen wurde von dem Meer, geschunden vom Sturm, die Küste nahe und doch endlos weit.

Joe war bis zum Kajütendach geklettert und hatte sich dort an den Ringbolzen festgezurrt. Die Brechseen hoben das Schiff an, um es dann mit noch mehr Wucht erneut auf den harten Grund des Riffes aufzusetzen. Im Sturm schmetterten die in der Luft baumelnden Blöcke, schlugen die abgerissenen Stahldrähte wie Peitschen und schließlich kam, was kommen musste: Der Besanmast brach und ging mitsamt der Takelage steuerbords in die See.

Das so erleichterte Achterschiff hob sich an, und für ein paar Augenblicke lang schien es, als gelänge es dem Wrack, sich vom felsigen Untergrund zu lösen. Doch eine neue See schmetterte es wieder zurück auf die alte Stelle, und der ganze Schiffsrumpf dröhnte, krachte, splitterte, dass Joe Linton meinte, der Rumpf müsste in zwei Teile brechen.

Der Nordost wehte jetzt einen eigenartig warmen Regen über das sterbende Schiff.

Joe Linton krümmte sich zusammen, als es wie aus Eimern auf seinen Rücken schüttete. Er blickte nach Westen, wo irgendwo unsichtbar für ihn die Festlandsküste sein musste. Vierzig Meilen, zwanzig? Oder war es näher? Er versuchte, das Leuchtturmfeuer zu erkennen. Irgendwo dort vorn musste doch das Leuchtfeuer von Cape Cod sein. Aber er sah nichts als diese Waschküche des tobenden Orkans. Darüber ein nahezu nächtlicher Himmel. Ringsum alles grau in grau und noch immer vom tosenden Gebrüll des Orkans erfüllt.

Jetzt erwischte es den Großmast. Bis unterhalb der Saling splitterte er auf, barst und kippte nach Lee in die See.

Abermals machte das Schiff den Eindruck, als wollte es sich vom Felsen lösen. Es wurde angehoben, schwamm frei, schlug dann dwars zum Sturm, krängte, und in diesem Augenblick verrutschte die glitschige, silbrige Ladung aus Tausenden von Fischleibern.

Der Sturm hob die „Harmony“ an, und schon schien es, als wollte er sie über die Untiefen hinweg zur sicheren Küste tragen. Doch dann schmetterte er den aufgerissenen Leib des Schoners gegen einen zweiten, noch höher aus dem Meer aufragenden Felsen.

Der Schlag war einfach zuviel für die „Harmony“. Ihr gequälter Leib zersprang, zersplitterte, zerplatzte regelrecht in zwei Teile. Und während das Vorschiff, von den Fluten mitgerissen, davongetragen wurde, kippte das Achterschiff neben dem Riff in die Tiefe, so dass nur der aufgerissene Teil nach oben ragte. Doch als wollte das Meer rasch nachholen, was es versäumt hatte, ergossen sich gewaltige Brecher in die aufgerissene Stelle und füllten diesen halben Rumpf wie eine Tasse auf.

Joe Linton war bei dem Aufschlag von einem herumwirbelnden harten Gegenstand am Kopf getroffen worden und in tiefe Ohnmacht gesunken. Als er jetzt aufwachte, ergossen sich schwere Seen über ihn, und er brauchte eine ganze Weile, um zu begreifen, was ihm geschah. Noch immer war er am Kajütendach festgezurrt. Aber es war eine Frage der Zeit, das begriff er, wann das noch immer festhängende Achterschiff am Riff herabrutschen und mit Joe versinken würde.

In diesem Augenblick näherte sich ein riesiger Brecher. Wie ein gewaltiger Turm schob er sich heran, geradewegs auf das Schiff zu, wie ein Vollstrecker, der gekommen war, um zu vernichten, was sich ihm da noch in den Weg stellen wollte.

Voller Entsetzen starrte Joe Linton diesem riesigen Ungetüm eines Wellentitanen entgegen.

Sekundenlang war er nicht fähig, etwas zu tun. Doch dann verstand er, begriff diese ganze drohende vernichtende Gefahr, der er sich da stellte. Mit hastigen Handgriffen löste er den Tampen, mit dem er sich an die Ringe gebunden hatte, warf sich herum, stürzte auf den Niedergang der Kajüte zu, stürmte voraus, schlug gegen die Tür, die nachgab, und da war er schon drin.

In diesem Augenblick donnerte diese gewaltige Woge auf das Schiff nieder.

Unten, in der Kajüte, war Joe Linton gegen den angeschraubten Tisch getaumelt, krallte sich nun verzweifelt und voller Panik daran fest, während dieser gewaltige Brecher das Schiff zu zertrümmern suchte.

Ein Splittern und ein Krachen und explosionsartige Knalle übertönten alle anderen Geräusche. Auf einmal klirrte es über Linton, wurde heller, und er sah in der Öffnung, wo das Skylight vom Brecher weggerissen worden war, den sturmzerfetzten grauen Himmel.

Unmittelbar danach ergoss sich eine Wasserflut in die Kajüte und überschüttete Linton, der vergeblich am Tisch Halt suchte, und von dieser Flut regelrecht weggespült wurde. Es schwemmte ihn in eine Ecke, wo er mit dem Kopf anschlug. Für Sekunden war er nicht mehr imstande, klar zu denken.

Auf einmal löste sich der Schiffsrumpf vom Riff, drehte sich wie ein Kreisel, schoss in die Tiefe, wurde wieder emporgeschleudert, drehte sich in der Luft und krachte berstend auf die Oberfläche des Meeres zurück.

Joe Linton wurde von einem Schwall Wasser gepackt, herumgewirbelt, mitgerissen und regelrecht aus der Kajüte herausgespült. Er fand sich wieder in der kochenden See inmitten zersplitterter Rahen und Planken, und er hatte Not, nicht von einem dieser Holzstücke erschlagen zu werden.

Linton entdeckte vor sich einen Rettungsring. Der tanzte wie ein Spielzeug auf der Oberfläche einer Woge herum, schien greifbar nahe, und doch gelang es Linton nicht, ihn zu erreichen. Er schwamm, gab seine letzte Kraft, und wäre um ein Haar noch von einer Rahe erschlagen worden, die auf dem Kamm einer Woge herunterschoss und haarscharf neben Linton ins Wasser stürzte.

Aber Joe Linton hatte sich in seiner Verzweiflung in den Kopf gesetzt, diesen Rettungsring zu erreichen. Er sah ihn immer wieder. Mal tauchte er auf, mal war er verschwunden. Linton biss die Zähne zusammen und schwamm beharrlich in der Richtung, wo er den Ring zum letzten Mal gesehen hatte.

Er wusste nicht, wie lange er versucht hatte, den Ring einzuholen, doch schließlich gewahrte er ihn keine Armlänge von sich. Und noch einmal, als er schon versucht war, aufzugeben und der immer stärker werdenden Müdigkeit nachzugeben, nahm er alle Kräfte zusammen und konnte den Ring packen. Er krallte seine Hände in die Leine, die um den Ring herumlief, riss den Ring zu sich und zog ihn sich über den Oberkörper, streckte die Arme darüber und konnte für ein paar Sekunden lang Luft schöpfen.

Sein Schwimmen hatte ihn aus der größten Gefahr herausgebracht. Dort, hinter ihm, wo er vorhin noch gewesen war, wirbelten noch immer in der kochenden See die Wrackteile herum. Reste des Schiffsrumpfes waren sonst nicht mehr zu erkennen. Der Sturm schien das Achterschiff völlig zerschmettert zu haben.

Erst jetzt empfand Linton die eisige Kälte des Wassers. Aber die Erschöpfung, die ihn umfing, war so stark, dass er einzuschlafen drohte. Die Furcht davor ließ ihn sich auf die Lippen beißen. Er rieb sich die Augen, die ohnehin schon vom Salz brannten. Aber die Schwäche wurde immer größer. Als er sich mit der Rechten über den Kopf fuhr, empfand er einen brennenden Schmerz. Und dann, als er mit der Hand vor die Augen geriet, sah er das Blut an seinen Fingern. Doch schon die nächste Welle hatte es ihm wieder weggespült.

Er schwamm, und er lebte!

Irgendwo dort vorn musste die Küste sein! Irgendwo da vorn lag Cape Cod.

Der Sturm ließ immer noch nicht nach. Brecher ergossen sich über Linton, dass er fürchtete, ertränkt zu werden. Und er bekam Hustenanfälle, würgte und erbrach das geschluckte Wasser.

Aber plötzlich war da vorn ein Licht. Nur einen Augenblick lang sah er es. Dann war es wieder hinter einem Wellenberg verschwunden. Doch wenig später schon wurde er auf die Höhe eines Wellenkammes getragen, sah von der Woge herab dieses Licht in derselben Richtung.

Das Leuchtfeuer von Cape Cod!

Es konnte gar nicht weit sein. Aber er war nicht imstande, zu schätzen, wie groß die Entfernung sein mochte. Der Gedanke an das Licht, an die nahe Küste, an die mögliche Rettung gab ihm neue Energie. Und die Hoffnung war eine Kraft, die ihn wach hielt. Er begann trotz seiner Erschöpfung zu singen - ein Krächzen, ein Würgen, kein Gesang. Aber ihm selbst kam es wie ein Siegesschrei vor. Derselbe Wind, der die „Harmony“ zerschlagen hatte, trieb ihn jetzt der rettenden Küste entgegen. Ein Hurrikan in diesen Breiten! So etwas gäbe es nicht, hatte der Kapitän noch gesagt, als der Sturm begonnen hatte. Der Kapitän musste es jetzt besser wissen. Aber er hatte diese Erkenntnis mit ins nasse Grab genommen.

Die Tatsache, seine Kameraden verloren zu haben, war Joe Linton noch gar nicht richtig klargeworden. Doch jetzt, wo er in dieser brodelnden See trieb, wo es ihn regelrecht auf die Küste zuschwemmte, da begann er zu begreifen, was überhaupt geschehen war.

Je näher sich Linton der Küste zu bewegte, um so wilder gebärdete sich das Meer. Die geringere Wassertiefe war die Ursache für diese harten, kurzen Seen, die hier im Sturm verursacht wurden. Die Brecher schlugen zu wie Äxte. Das Meer war an der Oberfläche fast nur noch weiß. Überall Gischt. Es sah aus wie ein Schneegebirge.

Aber da war der Sturm, der trieb. Und so oft er auch Joe Linton untertauchte, die Zähigkeit des hageren Südstaatlers ließ ihn überleben. Doch mit einem Mal sah er vor sich eine schwarze zerklüftete Wand aufwachsen, und zugleich hob es ihn empor, als sollte er diesen Felsklotz vor sich von oben bewundern dürfen. Die Woge, die ihn hochtrug, schleuderte ihn mit einer Wucht ohnegleichen in Richtung auf das schroffe, zerklüftete Gestein.

In panischer Angst schrie Linton mit überschnappender Stimme. Er ruderte mit Händen und Füßen. Er spürte, wie der Rettungsring an seinen Hüften niederging, über seine Oberschenkel rutschte und schließlich an den Füßen hängenblieb.

Er hörte sich entsetzt noch immer schreien, flog durch die Luft und sah einen schwarzen Felsschlund auf sich zuschießen, gewahrte noch etwas, das aussah wie ein Strauch, dann flog er schon in diesen Schlund hinein.

Hart streifte es seinen Rücken, dann prasselte etwas gegen seine Schulter, und auf einmal meinte er mit Ruten geschlagen zu werden, bevor ein harter Stoß seinen Kopf traf und ihm die Besinnung nahm.

Die Woge flutete auf den Felsen, riss zurück, aber sie nahm Joe Linton nicht mit. Er war in diesem Strauch hängengeblieben, der dort in der Felsspalte vegetierte. Wie ein Stofffetzen hing dieser Mensch innerhalb der Felsspalte in der Umklammerung des Strauches, während noch immer Wasser vom Felsen in die Tiefe floss.

Neue Brecher brandeten gegen den Felsen, aber sie waren schwächer, spülten nicht bis in diese Höhe hinauf.

Waren es Sekunden oder Minuten, die vergangen waren, bis wieder ein gigantischer Brecher eine Wasserflut in die Felsspalte schleuderte, und diese Wasser brandeten um den Körper des Bewusstlosen herum. Die Eiseskälte des Wassers aber war es, die Joe Linton wieder ins Bewusstsein zurückrief. Verwirrt und von Zwangsvorstellungen geplagt, wachte er auf und begriff nicht, wo er sich befand, bis abermals eine Woge emporgeschleudert wurde und sich über ihn ergoss.

Er schnatterte mit den Zähnen vor Kälte, spürte, wie sein ganzer Körper zu erstarren schien, bis der Lebenswille, bis die Angst vor dem Tod seine anderen Empfindungen überwand. Mit einem Mal ging es ihm nur noch darum, am Leben zu bleiben. Er sah nach unten, wo das Meer kochte, wo es sich hob und senkte und wo die größeren Brecher bis zu ihm empor wuchteten.

Als er nach oben blickte, erkannte er, dass sich der Felsriss verbreiterte, und dass es dort noch mehr solcher Sträucher gab wie jenen, in dem er festhing.

Hand über Hand zog er sich nach oben, und es störte ihn nicht, dass seine Hände aufgerissen waren, dass er sich an den Felsen die Fingernägel abbrach, sich die Arme aufriss und die Schultern stieß. Seine Knie waren zerschrammt, vom scharfen Felsenstein aufgeschnitten, aber es ging ums Überleben. Höher und höher zog er sich empor, und bis hier herauf reichte die Macht des Meeres nicht mehr. Nur der Sturm schleuderte seine Kraft in diesen Felsen hinein, presste Linton förmlich an das Gestein.

Aber das konnte ihm nur recht sein. Als er dann höher kam und sich der Felsen etwas abflachte, gerieten seine Hände sogar in Gras. In Gras, das bis in die Felsspalte hineinwuchs. Er zog sich höher und höher. Und dann lag er da wie ein geprellter Frosch, atmete schwer, musste sich abermals erbrechen, wälzte sich zur Seite und entdeckte jetzt, was vor ihm lag.

Grünes Land, Gras vom Sturm gebeugt, aber kein Busch, kein Baum, nur flaches Land.

Als seine Kraft etwas zunahm, kroch er wie ein Tier auf allen Vieren landwärts, immer weiter zum Landinneren hin. Und er schaute nicht zurück zum Meer, zu diesem brandenden Tod, der hinter ihm war.

Er richtete sich auf, torkelte ein Stück, brach zusammen, stemmte sich abermals empor, torkelte weiter, immer landeinwärts.

Und plötzlich sah er es. In einer Mulde lag es, geschützt und kaum von der See her zu erkennen: Ein Haus, aus Feldsteinen gebaut, trotzig und fest wie ein Stück des Felsens selbst.

Ein Haus, in dem Menschen lebten!

Linton wollte schreien, aber mehr als ein Krächzen kam nicht aus seinem Hals. Er torkelte weiter, fiel hin, immer wieder auf die aufgeschlagenen schmerzenden Knie. Aber er spürte es gar nicht. Doch seine Kräfte ließen nach.

Da vorn war dieses Haus, waren Menschen, war die Rettung.

Er torkelte, fiel abermals, und jetzt hatte er nicht mehr die Kraft, auf die Beine zu kommen. Als er versuchte, wenigstens zu knien und auf allen Vieren dahin zu rutschen, da war der Schmerz in den aufgeschlagenen Knien so stark, dass er mit einem Aufschrei abermals hinfiel und dann reglos liegenblieb.

Noch einmal hob er den Kopf, starrte sehnsüchtig zum Giebel des Hauses hinüber, aber niemand war dort, der ihn erspäht hätte, der gekommen wäre, um ihm aufzuhelfen. Resigniert stöhnte er auf, und seine Stirn sank in das weiche Gras.

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Er war ein kleiner schwarzer Bastardhund. Der Wind trug ihm die Witterung eines fremden Menschen in die Nase. Er stand draußen an diesem Schutzwall, der nach der Seeseite hin um das Haus errichtet worden war. Und immer noch war diese Witterung. Der kleine Schwarze lief los, folgte der Richtung, aus der diese Witterung kam.

Und dann sah er den Menschen, der reglos im Gras lag.

Furchtlos lief er hin, beschnupperte ihn von allen Seiten, und sein Instinkt sagte ihm, dass der Mensch noch lebte.

Der kleine Schwarze reckte den Kopf empor und bellte. Danach spähte er zum Haus hin. Doch da rührte sich nichts. Nun lief der kleine Schwarze auf das Haus zu, hetzte, als sei der Teufel hinter ihm her, und war dann an der Haustür. Die hatte man verschlossen. Er bellte wieder, kratzte an der Tür, scharrte, und endlich wurde die Tür aufgerissen. Aber eine Hand griff nach dem kleinen Schwarzen und eine zweite schlug ihm übers Hinterteil. Dazu sagte eine barsche Männerstimme schimpfend:

„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du dieses Gekratze lassen sollst! Die ganze Tür machst du mir kaputt, verdammter Köter!“

Der Hund jaulte auf, drehte sich im Kreis und lief wieder hinaus.

„Jetzt kommst du rein!“, brüllte der Mann. Aber der Hund blieb sitzen, als wollte er, dass der Mann zu ihm käme.

Es war ein mittelgroßer, breitschultriger Mann, dem die Haare bis über die Ohren zum Hals fielen, rotblonde Haare. Sein Gesicht war kantig, zerfurcht, die Nase breit und zerschlagen, die Augen unter buschigen, wulstigen Brauen.

„Was hast du, zum Teufel? Was ist mit dir?“, fuhr er den Hund an. Der kleine Schwarze lief los, blieb dann wieder stehen, sah sich um, wartete, als hoffte er, der Mann werde ihm nachkommen. Aber der Mann kam nicht. Er blieb in der Tür stehen. „Was willst du, zum Teufel?“

Und der Hund lief wieder los, kam wieder zurück, und endlich begriff der Mann.

Er rief über die Schulter ins Haus hinein: „Der Schwarze hat irgendwas. Vielleicht hat er Strandgut entdeckt. Ich sehe mal nach.“

Der Mann schmetterte hinter sich die Tür zu, und dann ging er los. Er trug nur seine Holzpantoffel, hatte eine Fellweste über dem großkarierten Hemd, und die Hosenbeine seiner groben Drillichhose waren hochgekrempelt bis zu den Knien. Behaarte sehnige Waden lugten darunter hervor.

Der Hund lief voraus, blieb wieder stehen und schaute über die Schulter zurück, ob sein Herr auch wirklich folgte. Aber der Mann schlurfte dem Hund nach, und wenig später sah er selbst, was sein Schwarzer gefunden hatte.

Er wälzte den Bewusstlosen auf den Rücken, blickte diesen jungen Mann an, kniete sich neben ihn, fühlte den Puls, und als er sicher war, dass dieser brünette, gutaussehende junge Mann noch lebte, da hob er ihn auf die Arme und trug ihn wie ein Kind.

Joe Linton war kein Leichtgewicht, aber für den untersetzten, muskulösen Dick Pitchard stellte er keinerlei Gewichtsproblem dar. Pitchard hatte mit seiner bulligen Kraft schon ganz andere Leute und Lasten geschleppt.

Wenig später brachte Dick Pitchard den noch immer Ohnmächtigen ins Haus.

Drinnen erhellte eine hell brennende Karbidlampe die Wohnstube. Wie meist in dieser Gegend, war sie der Wohnraum jener Menschen, die hier lebten, und barg die Küche ebenso wie die Schlafstätten der Bewohner. Das Herz des Raumes war ein etagenartig aus Feldsteinen gebauter Ofen, der auf der einen Seite ein Kaminfeuer enthielt und auf der anderen Seite eine Herdstätte.

Im Rauchfang über dem Herd hingen Schinken, deren verlockender Duft das ganze Zimmer erfüllte.

Das Feuer auf der Herdfläche brannte, und die Flammen erhellten das derbe Gesicht einer etwa fünfunddreißigjährigen Frau. Sie hatte ihr rotblondes Haar straff zum Knoten gebunden. Aus grünen Augen blickte sie dem Fremden entgegen, den Dick Pitchard auf den Armen hielt. Ihr waschblaues Kleid reichte bis zum Boden, und im Augenblick rieb sie sich ihre Hände an der geblümten Schürze ab, die sie vorgebunden hatte.

„O du mein Gott!“, rief sie bestürzt und kam ihrem Mann entgegen. Sie half ihm, den Bewusstlosen auf die Ofenbank zu legen, stopfte ihm ein Kissen unter den Nacken und sagte: „Er sieht aus, als hätte ihn die See angespült.“

Dick Pitchard nickte: „Natürlich, er ist von einem Schiff. Der Sturm hat wieder seine Opfer gehabt. Hol den Tee!“

Die Frau nickte nur, ging zum Herd und brachte die Teekanne, die dort zum Wärmen bereitstand. Sie goss in einen Blechbecher, von denen einige an der Ofenwand am Haken hingen.

Dick Pitchard rieb die Schläfen, dann aber auch den Puls des Bewusstlosen. Und dies schien Wirkung zu haben. Joe Linton kam zu sich. Er stöhnte, krächzte dann etwas, und das Salzwasser, das er geschluckt hatte, stiess ihm auf. Verwirrt sah er sich um.

Erst jetzt löste sich die Anspannung in Dick Pitchards zerfurchtem Gesicht. Ein Lächeln stahl sich um seine Lippen, und in den Augen blitzte so etwas wie Freundlichkeit auf, das gar nicht zur Härte der ganzen Erscheinung passte, die dieser Mann bot.

Der kleine schwarze Hund saß neben dem Lager des Fremden, hatte den Kopf zur Seite geneigt und schaute interessiert zu jenem Menschen empor, den er entdeckt hatte. Er wartete auf ein Lob seines Herrn, aber der hatte sich um seinen Hund bis jetzt noch nicht gekümmert.

Als sei es Gedankenübertragung, warf Dick Pitchard nun einen Blick auf den kleinen Schwarzen und meinte: „Du warst brav, Kleiner. Komm mal her!“

Die mächtige Pranke Pitchards näherte sich dem kleinen Schwarzen, strich ihm über Kopf und Hals, kraulte ihm an der Kehle, und der kleine Schwarze jaulte vor Freude und Stolz.

Indessen hatte Joe Linton seine Befangenheit überwunden. Er begann zu begreifen, dass er gerettet war, dass die See ihn nicht behalten hatte. Und zugleich erschien ihm all das, was hinter ihm lag, wie ein böser unwirklicher Traum. Er spürte, wie eine Hand seinen Oberkörper aufrichtete, wie ihm etwas Heißes an die Lippen gesetzt wurde, und er schluckte fast automatisch. Mit jedem Schluck heißen Tee, der seinen Hals hinunterrann, schien neues Leben in ihn zurückzukehren.

Er hielt jetzt die Tasse selbst, und blickte, nachdem er getrunken hatte, in das Gesicht der Frau. Er betrachtete ihre dünnen, kaum sichtbaren Augenbrauen, die grünen Augen, die kurze, ein wenig nach oben geneigte Nase, den volllippigen Mund, die breiten Backenknochen, die übersät waren mit Sommersprossen. Etwas in dem Gesicht zog ihn an. Er fand es sympathisch und freundlich.

Nun wandte er sich dem Mann zu. Gesichter dieser Art hatte er schon oft genug auf den Schiffen erlebt. Es war ein hartes Gesicht, das Gesicht eines Mannes, der viel an der frischen Luft war, tief gebräunt und von den Runen eines arbeitsreichen Lebens gezeichnet. Vielleicht das Gesicht eines Seemannes. Hellblaue Augen, leuchtend fast im Schein der Karbidlampe, ein breites, wulstiges Kinn, die Nase aus der Form und zerschlagen wirkend. Nach Joe Lintons Schätzung musste der Mann Mitte oder Ende Vierzig sein.

„Wo bin ich hier?“, fragte er.

„Fragen wir lieber einmal, woher du kommst, lieber Freund“, entgegnete Dick Pitchard.

„Ich bin der Bootsmann des Gaffelschoners Harmony.“

Pitchard machte schmale Augen. In seinem Blick war deutliches Misstrauen. „Woher kommt das Schiff?“, fragte er.

„Charleston“, erwiderte Joe Linton. „Wir hatten Order, unseren bei Island gefangenen Fisch in Boston abzusetzen. Ist dieses Land hier Cape Cod?“

Pitchard nickte. „Der Sturm hat euch zu weit nach Süden getrieben. Statt in die Bostoner Einfahrt seid ihr auf die Riffe von Cape Cod geraten. Die Brandung hat euch zerschmettert. Wo sind die anderen?“

Joe Linton schüttelte den Kopf. „Da sind keine anderen“, erklärte er. „Wir waren fünf. Ich bin der einzige, der es überlebt hat.“

Die Frau presste entsetzt die Faust vor den Mund. „O du lieber Gott!“, hörte Linton sie stöhnen.

„Du bist also allein“, sagte Pitchard und warf der Frau einen kurzen Blick zu. „Du hast gehört, Sheila, er ist allein. Und nun mach etwas zu essen für ihn!“

Die Frau erwiderte den Blick, und Joe Linton war es, als sei sie erleichtert. Pitchard aber wandte sich wieder Joe Linton zu und sagte: „Du bist also ein Südstaatler, einer von diesen verdammten Rebellen, was?“

Er lachte hart, aber es klang gar nicht freundlich.

„Ja, ich bin ein Südstaatler“, erwiderte Joe, „aber der Krieg ist vorbei. Es sind schon fünf Jahre Frieden.“

Pitchard schüttelte den Kopf. „Mach dir nichts draus. Ich habe nichts gegen die Rebellen.“

Joe Linton antwortete nicht, sondern blickte zu der Frau hinüber, die wieder am Feuer stand und dort hantierte. Der Duft von gebratenem Speck drang Linton in die Nase und rief Empfindungen in ihm hervor, die er, ob er nun wollte oder nicht, einfach nicht unterdrücken konnte. Der Hunger meldete sich. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Als er aber Dick Pitchard anblickte, hatte er nicht unbedingt das Gefühl, einen Freund anzusehen.

„Ich kann ja wieder gehen, wenn ihr mir sagt, wo ich hin muss. Sicher gibt es hier einen Küstenschutz. Ich muss auch der Küstenwache melden, was bei uns passiert ist...“

Zu Lintons Überraschung schüttelte Pitchard den Kopf. „Kommt nicht in Frage, Junge. Du bleibst hier!“, erklärte er entschieden. „Das mit der Küstenwache, das regele ich. Du brauchst niemandem etwas zu melden. Und außerdem ist es weit von hier zum nächsten Haus. Ein gutes Stück bis nach Chatham sind es fünfzehn Meilen. Außerdem bist du noch viel zu schwach“, fügte er leichthin seinen Worten hinzu.

„Aber ich will euch keine Umstände machen“, erklärte Joe Linton und nannte seinen Namen.

„Was sind Namen?“, rief Dick Pitchard. „Namen sind Schall und Rauch. Ich werde dich Reb nennen. Du kannst Dicky zu mir sagen. So nennt sie mich. Und sie heißt Sheila. Sag Sheila zu ihr! Das genügt.“

Joe fand es merkwürdig, dass sie ihren Nachnamen nicht nennen wollten, aber vielleicht hatte es nichts weiter zu bedeuten. Er mochte sie auch nicht danach fragen. Jetzt konnte er froh sein, bei ihnen leben zu können, nach all dem, was hinter ihm lag.

Die Frau hatte ihm Eier in die Pfanne geschlagen, und er aß sie wenig später direkt aus der Pfanne heraus. Ihm kam es vor, als wäre das die beste Mahlzeit seines Lebens. Dicky und Sheila sahen ihm dabei zu. Offensichtlich verspürten sie keinen Hunger. Als er dem kleinen Schwarzen, der ihn gefunden hatte, etwas abgeben wollte, sagte Pitchard schroff: „Du musst ihn nicht verwöhnen. Auch wenn er dich gefunden hat, braucht er keine Sonderration.“

Linton gab ihm dennoch etwas, und der kleine Schwarze quittierte das mit einem freudigen Bellen.

Sheila lächelte dazu, während Pitchard aufstand, zu dem kleinen Fenster ging, das zur Seeseite hin lag und nach draußen blickte. Ohne sich umzudrehen, sagte er von dort: „Der Sturm lässt nach. Ich will mal hinausgehen. Wenn da ein Schiff gesunken ist, spült es mitunter die Trümmer bis auf die Felsen empor. Wenn ihr auch bloß Fisch geladen hattet, so könnte doch allerlei dabei sein, was wir brauchen können. Komm, Schwarzer, du gehst mit! Du hilfst mir suchen!“

Pitchard zog sich sein Ölzeug über, stülpte sich den Südwester auf das lange rotbraune Haar, und dann war er draußen. Hinter ihm knallte die Tür zu, als sei ein Schuss gefallen.

Joe Linton sah die Frau dankbar an, als sie ihm noch ein Stück Brot reichte. Es war hartes, von Maismehl gebackenes Brot, und Joe Linton kam es vor wie das beste und feinste Gebäck.

„Ich möchte Ihnen und Ihrem Mann nicht zur Last fallen“, erklärte Joe. „Wenn Sie mir den Weg zeigen, gehe ich bald.“

Die Frau schüttelte lächelnd den Kopf. „O nein, legen Sie sich hin und schlafen Sie! Sie brauchen Erholung. Sie sind ja völlig erschöpft. Sie werden sehen, wenn Sie jetzt gegessen haben, sind Sie auch bald müde. Machen Sie sich keine Gedanken. Sie fallen uns nicht zur Last. Ich werde Ihnen drüben ein Lager bereiten. Ein Bett können wir Ihnen nicht bieten. Aber es ist ein großer Heusack da. Den werde ich Ihnen stopfen.“

„Machen Sie sich doch nicht solche Mühe. Ich kann es tun. Ich möchte nicht, dass Ihr Mann das Gefühl hat, ich machte Ihnen noch Arbeit“, erklärte Joe.

Sie war schon auf dem Weg zu einem selbstgezimmerten, wuchtigen Schrank, der drüben an der Wand stand. Nun drehte sie sich um, sah ihn lächelnd an und sagte: „Er ist nicht mein Mann! Aber fragen Sie jetzt nicht. Fragen Sie möglichst überhaupt nicht. Es ist für uns nicht gut, dass er Sie gefunden hat. Ich möchte nicht, dass er auf verzweifelte Ideen kommt.“

Joe Linton begriff kein Wort. Er sah sie ratlos an und fragte schließlich: „Wieso auf verzweifelte Ideen?“

„Sie sollten nicht fragen. Je weniger Sie wissen, umso besser für Sie, glauben Sie mir! Ich meine es gut mit Ihnen. Sie bekommen alles, was Sie brauchen. Wir helfen Ihnen weiter. Aber fragen Sie nicht! Und vor allen Dingen drängen Sie nicht darauf, zu den Behörden zu gehen. Sie dürfen nicht zu den Behörden gehen, verstehen Sie!“

„Aber warum ...?“, wollte Joe Linton fragen. Doch sie schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.

„Fragen Sie nicht! Wir sind gut zu Ihnen. Wir versuchen Ihnen zu helfen und Ihnen alles zu geben, was Sie brauchen. Ich habe Ihnen meine letzten Eier gegeben. Und Sie bekommen auch trockene Sachen von mir. Da drüben liegen sie. Ich hoffe, sie passen Ihnen. Sie stammen von meinem Mann.“

Joe Linton sah sie überrascht an. „Ihrem Mann?“, fragte er.

Sie nickte nur. „Er ist tot. Er braucht die Sachen nicht mehr, und Dicky passen sie nicht. Sie können sich davon nehmen, was Sie wollen.“

Joe Linton hatte eine Ahnung, eine bange Ahnung, wie er sich sagte.

„Hat der Tod Ihres Mannes etwas mit Dicky zu tun?“, erkundigte er sich.

Jetzt war sie es, die überrascht dreinblickte. „Mit Dicky? Nein, mit Dicky nicht - ach so, jetzt begreife ich, was Sie meinen.“ Sie lachte leise auf. „O nein“, erklärte sie, „so ist es nicht. Im Gegenteil. Er hat versucht, meinen Mann zu retten. Mein Mann ist vorne an der Steilküste abgestürzt. Er war sofort tot. Dicky hat das aber nicht gewusst. Er ist trotzdem unter Lebensgefahr hinuntergeklettert, um ihn heraufzuholen. Aber er hat nur einen Toten gefunden und heraufgebracht. Wir haben ihn hinter dem Haus begraben.“

„Ist es schon länger her?“, fragte Joe und erschrak insgeheim über sein plötzliches Interesse.

Sie schien bei der Frage nichts zu finden, und erwiderte arglos: „Es ist schon gut einen Monat her. Seitdem sind wir hier allein. Niemand weiß von Dicky.“ Sie legte die Decke beiseite, setzte sich neben Joe auf die Ofenbank. „Ich habe Angst“, sagte sie. „Er will natürlich nicht, dass jemand herkommt. Sie dürfen ihm nichts sagen, was ich Ihnen erzählt habe. Sagen Sie es ihm nicht, aber sagen Sie es auch keinem anderen.“

„Warum haben Sie es mir dann erzählt?“, fragte er.

Sie blickte ihn voll an. „Wollen Sie mir helfen?“

Er war ein wenig ratlos und fragte irritiert: „In welcher Form könnte ich Ihnen helfen?“

„Bleiben Sie hier! Bleiben Sie bei uns!“

Joe Linton begann zu ahnen, dass sie sich vor Dicky Pitchard fürchtete. „Haben Sie Angst, dass er Ihnen etwas antut?“, wollte er wissen.

„Wir leben zusammen wie Mann und Frau“, erwiderte Sheila. „Was sollte ich denn machen? Ich war allein, allein mit ihm. Und er war ein Freund meines Mannes. Er ist hier zu uns geflüchtet.“

„Geflüchtet?“ Joe Linton sah sie verblüfft an. „Geflüchtet? Wovor?“

„Aus dem Gefangenenlager. Er ist ein Strafgefangener. Es ist nichts Schlimmes, was er getan hat. Er hat geschmuggelt. Das tun viele hier, und woanders sicher auch. Sie haben ihn eingesperrt.“

Erleichtert meinte Joe Linton: „Wenn es weiter nichts ist.“

„Aber bei seiner Flucht“, fuhr sie fort, „hat er einen Wachtposten erschlagen. Sie haben ihn lange gesucht. Nur hierher sind sie nicht gekommen. Aber ich bin sicher, sie suchen ihn noch. Wenn irgendwer erführe, dass er hier ist, dann wird es schlimm für ihn. Verstehen Sie? Ich möchte nicht, dass sie ihn finden. Aber möchte auch nicht mit ihm immer allein sein. Bleiben Sie hier.“

„Aber wovon leben wir denn? Ich habe kein Geld. Ich habe nichts. Und er wird auch nichts haben.“

„Das stimmt“, gab sie zu. „Und ich habe mein letztes Geld vorige Woche in den Ort getragen, nach Chatham. Die Lebensmittel und all das, was ich dort geholt hatte, sind längst verbraucht. Wir besitzen nur noch Mehl für Brot und ein paar Schinken. Das ist alles.“

Bevor er etwas dazu sagen konnte, wurde die Tür geöffnet, und zusammen mit einem Windstoß trat Pitchard in den Raum.

Er zog sich den Südwester vom Kopf, blickte erst die Frau, dann Joe Linton an und sagte mit einer barschen, drohend klingenden Stimme: „Es ist wahr. Ein Schiff ist draußen an den Riffen zerschellt. Stücke davon habe ich sehen können. Aber nichts von Wert wurde bis jetzt angeschwemmt. Das Meer ist auch noch viel zu heftig.“ Er kam zwei, drei Schritte auf Joe Linton zu und fuhr fort: „Hast du Geld bei dir?“

Joe schüttelte den Kopf. „Nichts. Ich habe nur mein Leben gerettet. Das ist alles.“

„Schlecht für dich, Reb. Wovon sollen wir leben? Sheila, hast du ihm gesagt, was wir noch besitzen?“ Sie nickte. „Ach, wir werden schon irgendwie durchkommen. Dann müssen wir uns eben etwas besorgen. Notfalls bei Nacht.“

„Bei Nacht? In dieser Gegend, wo jeder drei, vier Hunde hat? Wo einer auf den anderen aufpasst? Oder etwa in Chatham, wo es mehr Zöllner und Polizisten gibt als Bürger?“

„Irgendwie werden wir das schon hinkriegen“, meinte Sheila.

Dicky setzte sich neben Joe auf die Ofenbank und meinte: „Frauen glauben immer, dass wir Männer zaubern können. Aber ich kann nicht zaubern. Du brauchst sie auch nicht so anzusehen. Sie gehört mir, Reb. Hast du verstanden? Mir gehört sie.“

„Ich sehe sie ja gar nicht irgendwie an. Was willst du denn?“, meinte Joe Linton.

Drohend erwiderte Dicky: „Ich wollte es dir nur sagen. Wollte dir sagen, dass sie mir gehört. Vergiss es nicht!“

„Vielleicht ist es am besten, wenn ich gehe“, erklärte Joe. „Zeig mir den Weg zur Stadt! Ich werde verschwinden. Und ich rede auch mit niemandem.“

Dicky warf Sheila einen forschenden Blick zu, aber sie wandte sich ab, und er konnte nicht erraten, ob sie Joe alles gesagt hatte oder nicht. Schließlich fragte er: „Hast du mit ihm gesprochen?“

„Sie hat mir gesagt“, erklärte Joe, „dass es besser wäre, wenn ich nicht mit den Leuten redete. Sie will mir nicht erklären, warum. Aber vielleicht sagst du mir’s.“

„Einen Teufel werde ich tun! Und du bleibst hier! Ich will nicht, dass herumgequatscht wird! Du hättest ihm das gar nicht sagen dürfen“, fuhr er die Frau an. Dann stand er auf, baute sich breitbeinig und mit den Fäusten in den Hüften vor Joe auf und sagte: „Du lässt die Finger von ihr, und du starrst sie auch nicht an! Du bleibst hier, und wir beide werden sehen, wo wir etwas zu essen bekommen. Das ist alles.“

Joe nickte, als sei er einverstanden, beschloss aber, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit aus diesem Haus wegzugehen. Das alles war ihm unheimlich. Einesteils froh, überlebt zu haben, fürchtete er in einen neuen Schlamassel hineingeraten zu sein. Trotzdem überwog die Dankbarkeit für seine Rettung. Und als er sich später auf den Heusack legte, war sein letzter Gedanke, dass er trotz allem für das Geschenk eines neuen Lebens sehr glücklich sein könnte.

Erschöpft schlief er fast ohne Übergang ein.

Dicky und Sheila waren noch angekleidet, sahen auf den schlafenden Mann, der drüben im Winkel lag, und Sheila sagte: „Er ist ein anständiger Kerl. Tu ihm nichts zuleide.“

„Warum soll ich ihm etwas zuleide tun?“, erwiderte Dicky, aber es klang nicht sehr glaubwürdig. Die Frau hatte das Gefühl, dass er zu überlegen schien, wie er diesen unerwünschten Fremden beseitigen konnte.

Dicky selbst offenbarte seine Gedanken nicht, sondern wandte sich ab, ging zur Tür und sagte über die Schulter hinweg: „Schwarzer, komm mit! Wir gehen noch ein Stück hinaus. Ich brauche frische Luft. Hier drin ersticke ich.“

*

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Das Heulen des Sturmes um das Haus hatte sich gelegt. Als Pitchard die Tür öffnete, kam nicht, wie vorhin noch, ein eisiger Hauch herein. Im Gegenteil, es war unwirklich still draußen. Das Rauschen des Meeres schien so fern, so weit weg, dass auch Sheila den Kopf hob und sagte: „Wie herrlich, der Sturm ist vorbei. Es ist ganz still.“

Pitchard, der schon draußen stand, hob den Kopf und blickte zum Himmel. „Man kann die Sterne sehen“, sagte er. Dann aber vernahm er Geräusche vom Land her, die seine ganze Aufmerksamkeit bannten.

Als er in die Richtung blickte, aus der diese Geräusche kamen, entdeckte er auf einmal Lichtschein. Und wenig später sah er über dem Hügelkamm eine ganze Kette von Lichtern wandern: Fackeln.

Der Fackelzug näherte sich dem Haus an der Küste. Wie es schien, folgten die Fackelträger genau dem Weg, der hierher führte. Das Klappern vieler Hufeisen schallte in Dick Pitchards Ohren wie dröhnendes Meißeln.

Ein paar Augenblicke lang stand er wie gelähmt. Dann aber wandte er sich um, lief ins Haus, schloss hastig die Tür und blickte Sheila in panischer Verzweiflung an. „Sie kommen. Viele, mit Fackeln.“

Sheila presste die Hand vor den Mund, warf dann einen entsetzten Blick auf den Mann in der Ecke, der tief und fest schlief.

„Geh weg!“, sagte sie dann. „Nimm deine Sachen und verschwinde! Sie werden dich bei Nacht nicht finden. Du könntest dich an der Küste verbergen. Er ist ja hier. Ich werde ihnen erzählen, was passiert ist mit ihm, und von dir kein Wort.“

„Und der Hund?“, fragte Dick Pitchard und blickte den kleinen schwarzen Bastard an, der zu ihm aufschaute. „Der läuft dann meiner Spur nach und führt sie zu mir, was?“

„Dann nimm ihn doch mit. Wenn er bei dir ist, kann er nicht bellen.“

„Und dann verrät er mich, wenn ich es nicht mehr erwarte. Sperr ihn ein! Oder besser noch, ich nehm ihn doch mit.“

„Aber tu ihm nichts! Dass du ihm nichts tust!“, rief Sheila, der eine plötzliche Ahnung kam.

Auch der kleine Schwarze schien etwas zu ahnen und erwartete wohl nichts Gutes von Pitchard. Er lief hinten in die Ecke, wo Joe lag, sprang über ihn hinweg und schmiegte sich an seine Hüfte an, als gehöre er zu ihm.

„Er wird dich nicht suchen. Geh schnell, geh! Noch ist Zeit. Wo sind sie denn?“

„Oben am Knick“, erwiderte Pitchard. Er raffte seine Sachen zusammen, auch den Südwester, zog ihn sich wieder über und griff dann nach einem doppelläufigen Schrotgewehr, das in der Ecke stand.

„Wo ist das Pulver?“, fragte er, und Sheila deutete auf den Schrank. Er holte sich die Pulverflasche, die Bleizange und etwas Blei heraus, stopfte es sich in die Taschen und rief Sheila zu: „Dreh das Licht kleiner. Sie können mich ja sehen, wenn ich die Tür öffne.“

Kurz darauf war er verschwunden. Sheila löschte die Karbidlampe, öffnete die Tür und spähte hinaus in die Nacht. Drüben waren die Fackelreiter jetzt so gut zu sehen, dass sie die Fackeln zählen konnte. Einundzwanzig waren es, und sie näherten sich rasch. Das Geklapper der Hufeisen zeigte, wie rasch die Reiter vorankamen. Der Lichtschein geisterte gespenstisch durch die Nacht. Von See her ertönte das Rollen der Brandung, ein ständiges Wummern und Rauschen, das zu Sheilas Alltag gehörte, seit sie hier lebte.

Von Dick Pitchard hörte und sah sie nichts. Sie wandte sich ab, ging ins Haus hinein, schloss die Tür und stieß den Riegel vor. Dann zündete sie die Karbidlampe wieder an und leuchtete im Haus, ob nicht noch irgend etwas war, das auf Pitchard hindeutete. Sie fand seine Pfeife und verstaute sie im Schrank. Sonst schien nichts mehr an ihn zu erinnern.

Kurz darauf sprang der kleine Schwarze von seinem Lager auf und begann zu bellen. Er lief zur Tür, rannte hin und her, bellte wieder, und kurz danach erscholl draußen ein Kommando. Ein Pferd wieherte, ein anderes schnaubte, und eine barsche, schnarrende Männerstimme rief:

„Sheila, hier ist Commander Smith. Sheila, mach uns auf!“

Sheila öffnete die kleine Klappe an der Tür und sah draußen im Licht der vielen Fackeln die uniformierten Polizisten, und in ihrer Mitte den korpulenten, wuchtigen Commander Smith, dessen breites, schnauzbärtiges Gesicht sie unter Tausenden herausgefunden hätte.

Sie öffnete die Tür, stemmte die Hände in den Türrahmen und blickte den Männern entgegen.

Zwei der Polizisten waren abgesessen und kamen nun auf die Haustür zu. Der bullige Commander selbst stieg ächzend vom Pferd und kam dann ein wenig steifbeinig hinter seinen Polizisten her. Alle drei blieben sie vor Sheila stehen und sahen sie an.

„Wo ist dein Mann, Sheila?“, fragte Commander Smith.

„Er ist tot“, erwiderte Sheila. „Drüben hinterm Haus ist er begraben. Abgestürzt ist er.“

„Und du verständigst keinen Sheriff und niemanden?“, fragte der Commander und zwirbelte sich seinen Schnurrbart.

„Ich bin noch nicht dazu gekommen. Es ist ein weiter Weg bis Chatham. Und ich muss ihn zu Fuß gehen. Ich kann nicht mit einem Pferd kommen wie ihr.“

„Du hättest es dem Postboten sagen können.“

„Den habe ich seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen. Was wollt ihr noch?“

„Hast du einen Mann in deinem Haus? Es ist jemand, der einen fremden Mann gesehen hat!“

„Wer ist dieser Jemand?“, fragte Sheila.

„Das brauche ich dir nicht zu sagen. Ich kenne dich sehr lange, Sheila. Und ich weiß, was ich weiß. Ich frage dich noch einmal. Hast du einen Mann im Haus, einen fremden Mann?“

Völlig überraschend für Smith erwiderte Sheila: „Ja, den habe ich im Haus. Aber er ist nicht schon länger in meinem Haus. Und es kann ihn auch niemand gesehen haben, jedenfalls nicht vor heute Abend. Es ist ein Seemann. Sein Schiff ist gestrandet. Er ist der einzige von fünf Männern, der es überlebt hat. Sein Schiff hieß Harmony und stammte aus Charleston. Ein Gaffelschoner, ein Fischer. Er liegt in meinem Zimmer und schläft, so erschöpft, dass er noch nicht einmal von dem Lärm, den ihr macht, wach geworden ist. Ihr könnt ihn euch ansehen.“