Das Café der weisen Katzen

Das Buch

Mit gerade mal Anfang vierzig haben sich bereits sämtliche Träume Nagores in Luft aufgelöst: die Ehe zerbrochen, die Künstlerkarriere kurz vor dem Aus und auf dem Bankkonto gähnende Leere. Als ihr ein Job als Kellnerin in einem Katzencafé vermittelt wird, bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihn anzunehmen – obwohl Nagore nicht gerade eine Katzenliebhaberin ist. Doch zu ihrer großen Überraschung dauert es nicht lange, und sie freundet sich mit Yumi, der Besitzerin des Cafés, und den sieben Katzen an. Als eines Tages der attraktive Marc im Café auftaucht, wird Nagore plötzlich klar: Man braucht nicht sieben Leben, um glücklich zu werden – eines genügt völlig!

Die Autorin

Anna Sólyom wurde in Budapest geboren und hat einen Abschluss in Philosophie. Im Jahr 2012 zog sie nach Barcelona, wo sie seitdem lebt. Neben dem Schreiben arbeitet sie als Therapeutin, und ihre Leidenschaft ist es, anderen dabei zu helfen, ihr Gleichgewicht und ihre innere Stärke zu entdecken. Zudem arbeitet sie für eine Fachzeitschrift und hat bereits ein Sachbuch veröffentlicht, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. »Das Café der weisen Katzen« ist ihr erster Roman.

ANNA SÓLYOM

DAS CAFÉ
DER WEISEN
KATZEN

Roman

Aus dem Spanischen von Anja Rüdiger

WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN

Die Originalausgabe Neko Café. No necesitas 7 vidas –  puedes ser feliz en esta
erschien 2020
bei Catedral, Barcelona


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Copyright © 2020 by Anna Sólyom

Copyright © dieser Ausgabe 2021 by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN: 978-3-641-27051-3
V001


www.heyne.de

Du brauchst keine 7 Leben

– du kannst in diesem glücklich sein –

Für alle Katzen.
Danke, dass es euch gibt.

Ich habe mit mehreren Zenmeistern gelebt –
alles Katzen.

ECKHART TOLLE

1.

Nächtliche Serenade

In den arabischen Ländern und in der Türkei haben Katzen sechs Leben, in Hispanoamerika und Portugal sieben und neun dort, wo die Sprache Shakespeares gesprochen wird. Aber wozu braucht eine Katze so viele Leben?

Ein altes englisches Sprichwort erklärt dies folgendermaßen:

In den ersten drei spielt sie.

In den nächsten drei streift sie durch die Straßen.

Und in den letzten bleibt sie zu Hause.

Bis Nagore zum ersten Mal das Neko Café betrat, hatte sie keine Ahnung von Katzen, dafür aber das Gefühl, selbst kein Leben zu haben. Nicht ein einziges. Denn das Leben, das sie gerade führte, konnte als solches nicht bezeichnet werden.

Alles begann in einer Nacht, in der es erstickend heiß war. Nachdem sie sich lange Zeit schwitzend im Bett hin und her gewälzt hatte, war sie endlich eingeschlummert. Doch nach gerade mal einer Stunde Schlaf wurde sie von einem durchdringenden Angstschrei geweckt.

Zuerst dachte Nagore, dass dieser in der Tiefe eines dumpfen Albtraums erklungen war. Also drehte sie sich im Bett um und wollte weiterschlafen. Sie war einfach zu müde, um schon in die Welt zurückzukehren. Noch nicht …

Da hörte sie es wieder, und an Schlaf war nicht mehr zu denken. Es schien das Quäken eines kleinen Kindes zu sein, das untröstlich weinte, ohne dass jemand da war, um es zu trösten.

In dem Versuch, den Lärm zu dämpfen und wieder einzuschlafen, bedeckte Nagore den Kopf mit dem Kissen. Doch das nutzte nichts, denn zu der ersten Stimme gesellte sich noch eine zweite, deutlich aggressivere.

In dem Moment begriff Nagore: Die verdammten Straßenkatzen lieferten sich einen ihrer nächtlichen Kämpfe genau unter ihrem Fenster, und der Innenhof verstärkte die Geräusche wie ein Lautsprecher.

»Wie sehr ich den Sommer hasse!«, murmelte sie todmüde. Hätte sie eine Klimaanlage, dann hätte sie das Fenster geschlossen, um sich diese Tortur zu ersparen. Aber das war nicht der Fall. Also musste das Fenster offen bleiben, damit sie in der schwülen Hitze atmen konnte.

Der dissonante Chor setzte die nächtliche Quälerei fort, was sich anhörte wie das verzweifelte Geschrei allein zurückgelassener Babys. Bis eine der Katzen besonders laut brüllte, worauf der Gegner mit einem drohenden Fauchen reagierte.

Nagore richtete sich wütend auf. Im Bett sitzend hätte auch sie aus Verzweiflung am liebsten laut miaut, doch sie wollte ihre schlaflosen Nachbarn nicht noch mehr stören.

Ein weiterer Kriegsschrei bohrte sich wie ein Dolch in ihr Gehör. Das war mehr, als sie ertragen konnte! Ohne das Licht im Zimmer einzuschalten, nahm sie das mit Wasser gefüllte Glas von ihrem Nachttisch und kippte es draußen vor dem Fenster aus.

Ein abruptes Miauen, gefolgt vom dumpfen Poltern eines umfallenden Blumentopfs ließ darauf schließen, dass sie einen Volltreffer gelandet hatte.

Mit den Nerven am Ende, lehnte sie sich ans Kopfende ihres Bettes und schaltete die olivgrüne Nachttischlampe ein. Inzwischen hellwach, griff sie nach ihrem Smartphone, um zu sehen, wie spät es war. Das gesprungene Display zeigte fünf nach drei, und der kleine digitale Umschlag daneben verkündete, dass sie eine Textnachricht erhalten hatte.

Sie kam von ihrer Bank.

Äußerst beunruhigt machte sie eilig das Licht aus, als ob das Bankpersonal sie so nicht sehen könnte. Was ein äußerst dummer Gedanke war, denn die Bankangestellten schliefen gerade sicher tief und fest in ihren dank der Klimaanlage auf angenehme zweiundzwanzig Grad heruntergekühlten Zimmern.

Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass für den folgenden Werktag der Einzug eines Rechnungsbetrages vorgesehen ist, der das derzeitige Saldo auf Ihrem Konto übersteigt. Bei diesbezüglichen Fragen wenden Sie sich an das Personal in Ihrer Bankfiliale.

Nervös loggte sich Nagore auf der Webseite der Bank ein, um den Stand ihres Kontos zu überprüfen und festzustellen, welches Ausmaß die Katastrophe hatte. Bei dem Betrag, der dort aufgeführt war, zog sich ihr Herz zusammen: Nur dreiundzwanzig Euro standen zur Begleichung ihrer Telefonrechnung von über hundert Euro zur Verfügung.

»Scheiße!«, entfuhr es ihr in der Dunkelheit, während sie darüber nachdachte, wieso die Rechnung so hoch war. Ihr Telefon- und Internettarif kostete fünfundfünfzig Euro. Außerdem hatte sie einmal kurz mit zwei Freundinnen in London telefoniert und einmal in Marrakesch angerufen und hätte nie gedacht, dass sich das zu einer solchen Hammerrechnung summieren könnte.

Entrüstet, wie sie war, hätte sie am liebsten sofort bei ihrem Telefonanbieter angerufen, doch sie wusste, dass sie sich dann mit irgendeiner Automatenstimme oder dem Mitarbeiter eines Callcenters am anderen Ende der Welt auseinandersetzen musste, was ihre Laune nicht gerade verbessert hätte.

Sie legte das Handy wieder auf den Nachttisch, schlang die Arme um ihre angezogenen Knie und starrte in die Dunkelheit, um den Aufruhr in ihrem Gehirn zu beruhigen. Inzwischen hatte sie ein halbes Dutzend erfolglose Vorstellungsgespräche hinter sich. Seit sie die Galerie und damit auch Owen verlassen hatte, hatte sie eindeutig eine Pechsträhne.

Ohne dass sie es merkte, liefen ihr die Tränen über die Wangen.

Sie könnte ihre Eltern um Hilfe bitten, aber das wäre ein allzu heftiges Armutszeugnis. »Jetzt sitze ich hier ohne Job, ohne Geld und ohne einen Mann an meiner Seite … nur mit Schulden und diesen furchtbaren Katzen im Innenhof, die mich nicht schlafen lassen«, sagte sie sich, während sie nachrechnete, dass sie in nur fünf Monaten vierzig Jahre alt werden würde.

Nagore hatte das Gefühl, in ein schwarzes Loch zu fallen, das unaufhaltsam ihre ganze Existenz mit seiner Leere füllte.

Um auf andere Gedanken zu kommen, dachte sie an einen weit zurückliegenden Sommer, in dem sie mit ihrer Kommilitonin Lucía einen Campingurlaub gemacht hatte. Zwei verrückte Grafikdesign-Studentinnen, die auf der Suche nach dem Heiligen Gral Somerset im Süden Englands durchquert hatten.

Genau in diesem Moment vibrierte ihr Smartphone zweimal, und das Display erhellte die Dunkelheit.

Nachdem Nagore, um endlich einschlafen zu können, ihr Handy ausgeschaltet hatte, fragte sie sich, wer, zum Teufel, ihr mitten in der Nacht eine WhatsApp geschickt hatte.

2.

Die Katze im Sack

Das laute Klingeln ihres Festnetztelefons riss Nagore brutal aus ihren Träumen. Sie hatte gerade mal ein paar Stunden geschlafen, weshalb sie in der Hoffnung, dass der Anrufer auflegen würde, erneut den Kopf mit dem Kissen bedeckte. Das Festnetztelefon befand sich im Wohnzimmer, weil die Anrufer, die diese Nummer wählten, ihr in der Regel nur irgendwelche wunderbaren Telefontarife andrehen wollten.

Als das Klingeln endlich aufhörte, seufzte sie erleichtert. Doch während sie gerade wieder friedlich wegdämmerte, torpedierte eine erneute Klingelsalve ihre Ruhe.

Sie verstand, dass der gerade diensthabende Callcenter-Mitarbeiter so leicht nicht aufgeben würde, und verließ ihr Schlafzimmer, wobei ihr bei jedem Schritt schwindelig wurde, als ob sie sich an Deck eines schwankenden Schiffes befände.

Ihr erster Impuls war, den Apparat auszustöpseln und wieder ins Bett zu gehen, doch der Schatten eines Zweifels ließ sie erst noch zum Telefon greifen.

»Nagore! Bist du dran?«

Es war mehr als zwei Jahre her, dass sie diese frische, energische Stimme zuletzt gehört hatte, sodass sie den frühen Anruf um halb neun am Morgen sofort verzieh.

»Lucía … Gerade gestern hab ich an dich gedacht.«

»Hast du meine WhatsApp gelesen?«

»Nein, noch nicht. Ich hab geschlafen. Na ja, versucht zu schlafen. Was ist passiert?«, fragte sie alarmiert. »Ist jemand gestorben?«

Ein glockenhelles Lachen am anderen Ende der Leitung verriet ihr, dass sich ihre Freundin nicht verändert hatte.

»Klar ist jemand gestorben, jeden Tag sterben Leute«, sagte Lucía philosophisch. »Aber ich rufe an, weil ich gute Neuigkeiten habe … Vor ein paar Tagen hat mir Amanda von irgendeiner Hütte im Atlasgebirge aus geschrieben. Wir haben uns ein paar Anekdoten aus der Studienzeit in Erinnerung gerufen und Neuigkeiten ausgetauscht. Ich weiß, dass ich mich in letzter Zeit ziemlich rar gemacht habe. Entschuldige, dass ich mich so lange nicht gemeldet hab. Aber so ein Baby saugt wie ein schwarzes Loch sämtliche Zeit auf.«

»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Nagore mit plötzlicher Traurigkeit. »Ich würde ihn gern mal sehen, deinen kleinen …«

»Saúl. Er heißt Saúl.«

Nagore wollte sich gerade entschuldigen, doch Lucía unterbrach sie mit ihrer fröhlichen Stimme:

»Keine Sorge! Du wirst ihn sehr bald kennenlernen.«

»Bis vor Kurzem wäre es mir gar nicht möglich gewesen, da ich die letzten zehn Jahre ja in England gelebt habe und erst vor ein paar Monaten zurückgekehrt bin, weil … Das spielt jetzt keine Rolle. Was ist die gute Nachricht?«, fragte Nagore, ohne ein Gähnen unterdrücken zu können.

Sie erwartete eine Neuigkeit in der Art von »Ich bin zum zweiten Mal schwanger« oder »Ich heirate und möchte dich zur Hochzeit einladen«, doch stattdessen erklärte das optimistischste Mitglied des Trío Calavera, wie sie nach dem Vorbild des gleichnamigen mexikanischen Gitarren- und Gesangsduo in der Uni genannt wurden: »Das muss ich dir persönlich sagen. Soll ich bei dir vorbeikommen? Ich muss bis zehn im Büro sein, aber wir könnten vorher zusammen einen Kaffee trinken.«

Mit immer stärker werdenden Kopfschmerzen sah Nagore sich in dem heillosen Durcheinander ihres Wohnzimmers um und sagte: »Lieber in dem Café am Markt. In zwanzig Minuten kann ich da sein.«

»Super!«

Eine schnelle Dusche und fünfzig Schritte später umarmte Nagore ihre Freundin. Deren überschäumende Energie ließ sie sich noch schwächer und abgeschlaffter fühlen.

Erneut kam ihr der Gedanke, dass sie besser im Bett geblieben wäre, aber sie kannte Lucía gut genug, um zu wissen, dass die Freundin sie nicht so leicht hätte entkommen lassen. Denn trotz ihres guten Herzens war Lucía äußerst starrköpfig und unerbittlich. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, dass sie sich um neun Uhr sehen würden, und dann musste das so sein, auch wenn sie dafür Nagores Wohnungstür hätte eintreten müssen. Es brachte nichts, sich zu wehren, wenn Lucía sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.

»Zwei Gläser Orangensaft und zwei Tassen Kaffee«, bestellte sie, ohne Nagore zu fragen. »Und wir teilen uns eines von diesen köstlichen Bocadillos.«

»Nun mal langsam«, bat Nagore erschreckt. »Ich hab nur ein paar Euros dabei. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, aber ich muss gestehen, dass ich gerade ziemlich abgebrannt bin.«

»Das weiß ich doch, du Dummerchen. Amanda hat mir erzählt, dass du nicht viel Glück bei der Jobsuche hattest. Keine Sorge, ich lade dich ein. Denn wir haben etwas zu feiern! In jedem Fall dürften deine finanziellen Probleme bald der Vergangenheit angehören.«

»Ach ja?«, fragte Nagore zweifelnd.

»Ganz bestimmt, deshalb wollte ich dich ja unbedingt sehen. Denn die gute Nachricht ist, dass ich durch einen Wink des Schicksals einen Job für dich gefunden habe.«

Leicht überfordert sagte sich Nagore, dass das alles für ihren gemarterten Kopf gerade viel zu schnell ging.

»Wirklich?«, stammelte sie erstaunt. »Um was geht es denn?«

Lucía biss in ihr halbes Lachs-Bocadillo und trank einen Schluck Saft, bevor sie antwortete: »Es ist vielleicht nicht der Job, von dem du geträumt hast, aber er wird es dir ermöglichen, deine Rechnungen zu bezahlen und noch etwas mehr. Beim nächsten Mal kannst du mich ja dann zum Frühstück einladen«, sagte sie zufrieden lächelnd.

»Und wieso bist du dir so sicher, dass ich den Job bekommen werde? Ich nehme mal an, dass es ein Vorstellungsgespräch geben wird und … Und anscheinend hab ich das Gesicht eines Versagers, denn bisher bin ich überall abgelehnt worden.«

»Diesmal nicht … wobei du deine zukünftige Chefin natürlich erst kennenlernen musst.«

»Woher weißt du, dass es diesmal klappen wird?«

»Ich hab so eine Ahnung.«

Lucía trank ihren Kaffee in einem Schluck aus und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. Dann legte sie ihre zierlichen, schlanken Hände auf den Tisch und sah Nagore direkt in die grünen Augen. Offensichtlich war die Zeit der Scherze vorbei, und Lucía wollte nun ernsthaft mit ihr reden.

»Dass du bisher keine Arbeit gefunden hast, liegt nicht an deinem Alter, mein Schatz. Vielleicht ist das Problem, dass du nicht weißt, was du willst, und derjenige, der entscheiden muss, ob du die richtige Kandidatin bist, merkt das.«

Nagore seufzte irritiert. Nachdem sie sich zwei Jahre lang nicht gesehen hatten, hatte Lucía eigentlich nicht das Recht, sie zu kritisieren.

»Aber ich hab die perfekte Lösung für dich gefunden«, fuhr sie fort. »Eine japanische Freundin von mir ist nach Barcelona gezogen und sucht jemand Vertrauenswürdigen für das Café, das sie gerade eröffnet. Für den Anfang kann sie dir tausend Euro zahlen, zuzüglich Sozialversicherung, Urlaubsgeld und so weiter.«

Der Kellner, der sie bedient hatte, schien die Ohren zu spitzen. Nagore dachte, dass er womöglich weniger verdiente als das, was ihr gerade geboten wurde.

»Ich hab keine Erfahrung als Kellnerin. Sie wird gleich merken, dass ich für diese Arbeit nicht tauge.«

»Natürlich taugst du dafür!«, sagte Lucía und wuschelte ihrer Freundin durch das kastanienfarbene Haar. »Es ist eines von diesen Cafés, in denen die Gäste nicht länger als eine Stunde bleiben, um etwas zu trinken. Und ich glaub, es ist gerade mal Platz für fünfzehn Leute. Yumi braucht jemanden wie dich, der gut Englisch spricht, weil sie selbst keine andere Sprache beherrscht. Außer Japanisch natürlich.«

»Das hört sich gar nicht schlecht an«, entgegnete Nagore deutlich entspannter. »Wo befindet sich denn dieses Café? Und wie sind die Arbeitszeiten?«

»Es liegt etwa zehn Minuten von hier entfernt. Yumi hat mir gesagt, dass du von zwei Uhr nachmittags bis halb neun abends arbeiten würdest, an sechs Tagen pro Woche, einschließlich Samstag. Sie erwartet dich heute Nachmittag, weil sie am Montag offiziell eröffnen will.«

Von den Ereignissen überrumpelt, dachte Nagore, dass ihr immerhin noch das Wochenende blieb, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Sechs Tage in der Woche einen Job zu machen, in dem sie noch nie gearbeitet hatte, würde nicht leicht sein, aber es war immer noch besser, als auf der Straße zu landen, weil sie die Miete nicht bezahlen konnte. Falls sie sich nicht so dämlich anstellte, dass sie den Job gleich wieder verlor.

»Wenn du Yumi gefällst, wird sie dir anbieten, einen Monat auf Probe zu arbeiten«, erklärte Lucía, »um dir danach einen unbefristeten Vertrag zu geben. Ich weiß, dass es nicht dein Lebensziel ist, Kaffee und Kuchen zu servieren, aber es wird dir aus der Klemme helfen, bis du etwas Besseres gefunden hast. Und ich empfehle dir, dich zusammenzureißen, wenn du nicht gleich wieder bei null anfangen willst.«

»Wieso sagst du das?«, fragte Nagore verärgert. »Du weißt doch, dass man mit mir gut auskommen kann … jedenfalls meistens. Oder hab ich was verpasst?«

»Na ja … Tatsächlich gibt es da etwas, was ich noch nicht erwähnt habe.«

»Was?«, fragte Nagore in der Befürchtung, dass ihre Freundin sie in irgendeine verrufene Spelunke schicken wollte.

Lucía lächelte nervös, bevor sie gestand: »Nagore, das ist ein Katzencafé.«

3.

Du hast Ailurophobie, meine Liebe

Nachdem Lucía gegangen war, verbrachte Nagore die folgende halbe Stunde damit, auf ihre leere Kaffeetasse zu starren. Das Gelächter einer gerade eingetroffenen Gruppe Bauarbeiter bildete einen krassen Gegensatz zu ihrer düsteren Stimmung.

Da ihr die Kraft fehlte aufzustehen, richtete sie den Blick auf ein furchtbares Bild, das hinter der Theke hing. Darauf war ein stümperhaft gemalter nackter Baum im Sturm zu sehen – wahrscheinlich war es das Werk eines Verwandten der Café-Besitzer. Dieses Baumskelett war wie ihr Leben, und der Sturm, der auf sie zukam, hatte einen Namen: Neko Café.

Bevor Lucía eilig aufgebrochen war, hatte sie der Freundin noch gesagt, dass das der Name ihres potenziellen neuen Arbeitsplatzes war, da neko auf Japanisch »Katze« hieß.

Nagore hatte sich nicht getraut, ihrer Freundin zu sagen, dass sie sich außerstande sah, den Job anzunehmen, so dringend sie das Geld auch brauchte. Um nicht undankbar zu wirken, würde sie zu dem Vorstellungsgespräch hingehen, aber ihr Möglichstes tun, um nicht angenommen zu werden.